Beiträge von Carola

    Das der Kantate zugrunde liegende Kirchenlied trägt den Untertitel: „Von der Freudigkeit des Glaubens“. Dies beschreibt nicht nur das Lied, sondern auch den Grundcharakter der Kantate recht gut. Ihr theologisches Kernthema ist die Freundschaft zwischen Gott und den Menschen.


    Der erste Satz wirkt denn auch ausgesprochen fröhlich und entspannt. Wer Gott „zum Freunde kriegt“ hat Grund zur Freude.


    Der zweite Satz beginnt erneut mit der Grundaussage der Kantate: „Gott ist mein Freund“. Der Kontrast zwischen dem Toben des Feindes und der getrosten Ruhe des Gläubigen wird deutlich.


    Mit dem dritten Satz soll offenbar der Bezug zum Sonntagsevangelium hergestellt werden. Durch Anspielung auf die „Fangfrage“ der Pharisäer wird die Arglist der Welt geschildert, der Jesus sich aber gewachsen zeigt und vor der er deshalb auch die Gläubigen schützen kann. Mir kommt dieser Bezug recht konstruiert vor, als wenn man um jeden Preis noch die „Kurve“ zum Predigttext bekommen wollte (oder musste?)


    Sehr viel ansprechender finde ich den vierten Satz mit seinen starken Kontrasten und sprechenden musikalischen Mitteln. Dürr/Petzoldt gliedern ihn folgendermaßen:
    a) punktierter Rhythmus: Das schlagende Unglück
    b) Dreiklangsmelodik: Die helfende Hand
    c) Fließendes Cantabile: Das Licht des Trostes

    Die „helfende Hand“ ist hier das biblische Symbol für Gottes schützende Macht und Stärke.


    Auch das von den Streichern begleitete Sopran-Rezitativ in Satz 5 stellt noch einmal den Bezug zum Predigttext her: „Ich gebe Gott, was Gottes ist“. Will heißen: Gott will (oder braucht) nicht unser Geld sondern unsere Liebe.


    Der Schlusschoral, Satz sechs, wird von Petzoldt folgendermaßen zusammengefasst: „Die Freundschaft Gottes befreit von jeder letztgültigen Belastung durch die Welt.“ Das in der ersten Zeile erwähnte „Höllen Heer“ hat keine biblischen Wurzeln, das Bild der „himmlischen Heerscharen“ wurde hier offenbar einfach auf die Hölle übertragen.


    Ich besitze BWV 139 in dieser Gardiner-Aufnahme



    bin mit ihr aber nicht so recht glücklich. Vor allem wegen Derek Lee Ragin, auch wenn sein Einsatz gerade mal 35 Sekunden dauert (Satz 3). Der verschollene Part der zweiten Solovioline in Satz 2 wurde eigens für diese Aufnahme von Robert Levin rekonstruiert.


    Mit Gruß von Carola


    Nein, natürlich nicht. Zumal ja auch das Beschwingte "fromm" sei kann.


    Dennoch, ich werde bei so mancher HIP-Interpretation das Gefühl nicht los, dass hier die Frömmigkeit, genauer gesagt die kontemplative oder auch pietistisch-innige Variante der Frömmigkeit ein leichtes Unbehagen erzeugt und gerne mal drüber hinweg musiziert wird.


    Ein Beispiel ist die kürzlich an anderer Stelle von Dir erwähnte Arie Ich will nur dir zu Ehren leben aus dem Weihnachtsoratorium. Die wird in allen HIP-Aufnahmen die ich kenne (Gardiner, Koopman, Jacobs) deutlich schneller gespielt als in der Richter-Aufnahme, dort von Fritz Wunderlich gesungen. Nur dort empfinde ich das Tempo aber als angemessen und Raum gebend für die innige Glut des Textes.


    Ein anderes Beispiel sind die Choräle, die bei den HIP-Aufnahmen für meinen Geschmack ebenfalls oft zu zügig genommen werden. Diese Choräle, meist Kirchenliedstrophen, stehen innerhalb der Oratorien und Kantaten für die Gemeinde, auch wenn diese selbst nicht singt. Deshalb gefällt mir unter anderem die Jacobs-Aufnahme des Weihnachtsoratoriums so gut, dort werden die Choräle nämlich deutlich langsamer gesungen als die Chöre.


    Mit Gruß von Carola


    Das Johannisfest ist aber am 24. Juni, nicht am 10. April! :D


    Bei mir wieder mal deutsche Barockkantaten mit Andreas Scholl



    Auch wenn erst April ist, das wird wahrscheinlich meine CD des Jahres.


    Mit Gruß von Carola

    Lieber Manuel,


    mich hat diese Argumentation Harnoncourts auch verwundert, zumal ich sie so auch noch nie irgendwo gelesen hatte. Du hast schon recht, es könnte ein gewisses Maß an "Heiligenverehrung" dahinter stecken.


    Mir selber fallen fallen solche Übertragungsschiefen wie die Schlangen/Wangen kaum auf, da ich die weltlichen Vorlagen in der Regel nicht kenne.


    Zum Beispiel die von dir erwähnte Arie aus dem Weihnachtsoratorium kenne ich schon immer mit dem "Ich will nur dir zu Ehren leben"-Text. Frappierend ist für mich dabei, dass mir dieser Text bisher immer sehr gut zur emphatischen, kraftvoll-innigen Vertonung zu passen schien. Aber vielleicht verändert sich das, wenn man die Erstfassung kennt und in gewisser Weise mithört.


    Mit Gruß von Carola


    Ich lese gerade "Der musikalische Dialog" von Nikolaus Harnoncourt, in dem auch ein Essay über das Parodieverfahren bei Bach enthalten ist. Harnoncourt weist darauf hin, dass die Aufführungsdaten von weltlichem und geistlichem Gegenstück häufig zeitlich nahe beieinander lagen, so auch beim Weihnachtsoratorium. Da zudem oft auch beide Texte vom gleichen Dichter stammen (Picander), zieht Harnoncourt daraus den Schluss, dass möglicherweise oftmals beide Kantaten, die weltliche und die geistliche, von vorneherein gemeinsam konzipiert wurden, so dass auch die Musik schon im Hinblick auf beide Texte komponiert wurde. In gewisser Weise werde damit das nur den Tagesbedarf deckende weltliche Werk zu einer Art Vorstudie für die endgültige Fassung in der geistlichen Version, so Harnoncourt.


    Mit Gruß von Carola

    Im Blog von jpc gibt es einen Link auf ein Interview mit dem Gründer von HMF zum 50-jährigen Bestehen der Firma


    [URL=http://weblog.jpc.de/classic/harmonia-mundi-wird-50-es-gibt-keine-krise-der-klassik-cd,291/]hier[/URL]


    Dieses Interview stimmt mich doch sehr optimistisch, auch, was die Zukunft der Klassik-CD angeht.


    Mit Gruß von Carola

    Wer schon immer wissen wollte, woher das Wort "abkanzeln" kommt - in diesem Kantatentext kann man ein Beispiel dafür finden. Oder, wie Alfred Dürr formuliert: "Hier wettert ein orthodoxer Prediger gegen die Untugenden seiner Gemeinde" (S. 472). Schulze wundert sich gar, wie es Bach überhaupt möglich sein konnte, aus einer solch uninspirierten Moralpredigt musikalische Funken zu schlagen....


    Mir liegt die Kantate in einer Aufnahme mit dem Bach-Collegium Japan vor - ein Bild des Covers habe ich leider weder bei jpc noch bei amazon gefunden.


    Obwohl Dürr eine Spielzeit von etwa 21 Minuten angibt, dauert die Kantate bei Suzuki keine 15 Minuten. Dennoch kommt mir die Aufnahme nicht übermäßig schnell, sondern im Tempo gerade richtig vor.


    Der 1. Satz, eine Altarie, thematisiert die deutsche (gemeint ist unverstellte) "Treu und Güte". Betont wird, dass es hierbei nicht nur um eine bestimmte Einstellung sondern um konkretes Tun und Handeln geht. Die Musik macht einen recht heiteren und gelösten Eindruck, wenngleich ich bei meiner Aufnahme die Stimme des Altus (Robin Blaze) nur mit Mühe ertragen kann. Auch mag ich es nicht, wenn statt schön scheen gesungen wird.


    Im 2. Satz, einem Secco-Rezitativ mit airosem Ausklang, geht es um die Redlichkeit, die als Gottesgabe erbeten werden will. Der ermahnende und belehrende Duktus dieses Rezitativs macht sprachlich einen recht plumpen und hölzernen Eindruck.


    Der 3. Satz, ohne Zweifel das Zentrum der Kantate, formuliert die in fast allen Weltreligionen zu findende "Goldene Regel". Diese wird hier nicht auf das zu Unterlassende ("was du nicht willst das man dir tu, das füg auch keinem andern zu"), sondern auf das zu Tuende bezogen - andere Menschen so behandeln, wie man selber behandelt werden will. Auch musikalisch wird das Ineinandergreifen von eigenem Tun und der Reaktion anderer, die gegenseitige Abhängigkeit und Angewiesenheit aufeinander ausgedrückt; auf einen freien Chorsatz folgt eine Doppelfuge.


    Der 4. Satz, wieder ein Rezitativ mit ariosem Ausklang, thematisiert die Heuchelei und ist parallel zu Satz 2 (Redlichkeit) angelegt. Aufs Korn genommen wird hier die Falschheit eines erstarrten Scheinchristentums, dessen Hochmut vom Teufel (Belial) und seiner "Brut" stammt. Die "Liberei" des Teufels (Zeile 3) ist die Livree, die vom Hochmütigen als Diener des Teufels getragen wird.


    Der 5. Satz ist symmetrisch zur Eingangsarie angelegt. Während dort ein Loblied auf die Treue und Güte gesungen wird, ist es nun eines auf Treue und Wahrheit. Betont wird, dass Sagen und Meinen übereinstimmen sollen.


    Beim abschließenden Schlusschoral (Satz 6) handelt es sich um die letzte Strophe eines Kirchenliedes von J. Heermann. Gott wird als "Brunnquell" (schönes Wort!) aller Gaben angerufen und um Beistand gebeten.


    Mit Gruß von Carola

    Zum ersten Mal bewusst wahrgenommen habe ich die Stimme von Andreas Scholl in dieser Aufnahme von Händels Messiah unter Leitung von William Christie,



    Wie Scholl dort vor allem die Arie "He was despised and rejected of men" singt - das hat meine Altus-Aversion sehr schnell dahin schmelzen lassen. Einen leider nur ganz kurzen Höreindruck kann man bei jpc unter Track 17 bekommen.


    Und nun habe ich seit letzter Woche diese wunderbare CD mit deutschen Barockkantaten.



    Die Aufnahme ist von 1998 und jetzt zum verbilligten Preis neu herausgebracht worden. Der Ausdruck "Kantate" meint nicht etwa Werke in der Art der Bachkantaten, sondern es handelt sich nach unserem heutigen Sprachgebrauch im Grunde um geistliche Arien. Diese Stücke sind allesamt im 17. Jahrhundert entstanden und deutlich von der italienischen Monodie inspiriert - allerdings nicht ganz so dramatisch und opernhaft, ein bisschen verhaltener und verinnerlichter, deutscher vielleicht; trotzdem sehr intensiv. Besonders schön finde ich gleich zu Anfang "O Jesu, nomen dulce" von Heinrich Schütz, Hörbeispiel Track 1. Ob das ein frühes und deshalb sehr deutlich italienisch inspiriertes Werk von Schütz ist? Aber auch die anderen Stücke sind wundervoll, ich mag sie alle.


    Und die Stimme von Andreas Scholl - wie soll man die beschreiben? Nie kreischend oder angestrengt jedenfalls sondern warm, kraftvoll und strahlend.


    Mit Gruß von Carola

    Bei 2001 in Köln kaufte ich heute diese Herreweghe-Schütz-CD für sehr günstige 9,99 €:



    Schon beim Öffnen der CD-Hülle und Herausnehmen der CD hatte ich das Gefühl, dass beides nicht neu ist. Als ich dann das Beiheft sah, verstärkte sich dieser Verdacht, es war zerknickt und an einer Stelle sogar eingerissen. Die CD war in einer ungewöhnlich dünnen Zellophanhülle eingeschweißt, auf der ein 2001-Aufkleber angebracht war.


    Die CD wurde zwar zurückgenommen, auf eine Entschuldigung wartete ich allerdings vergeblich. Was meint Ihr, sind als neu verkaufte CDs immer neu?


    Mit Gruß von Carola, die von 2001 erst mal die Nase voll hat.

    Es gibt doch tatsächlich Kammermusik von Bach, die ich noch nicht kenne! Dem wird seit heute abgeholfen...



    Eine sehr schöne Aufmachung, wie immer bei diesem Label. Das Beiheft allerdings nur in englischer und französischer Sprache.


    Mit Gruß von Carola

    Ich habe mir die bereits erwähnte Purcell-Box mit sämtlicher Kammermusik vor einigen Tagen gekauft.



    Meine Begeisterung hält sich allerdings durchaus in Grenzen. Wenn ich z.B. die Triosonaten mit dieser Aufnahme vergleiche



    so gefällt mir diese deutlich besser. In der Brillant-Box klingt diese Musik längst nicht so abwechslungsreich und interessant wie bei London Baroque. Manches wirkt fast ein wenig lieblos heruntergespielt. Bei der Corelli-Box mit dem gleichen Ensemble (Musica Amphion) habe ich das nicht so empfunden, die gefällt mir gut.


    Mit Gruß von Carola

    Auch ich mag dieses Streichquintett sehr gerne. Das Heitere an dem Stück gefällt mir gut, vor allem, da es trotzdem immer ganz nach Brahms klingt, satt und schwelgerisch. Am liebsten ist mir der zweite Satz, der, laut Harenberg, "barocke Vorbilder" hat.


    Ich besitze diese Aufnahme mit dem Hagen-Quartett



    die mir sehr gut zu sein scheint, sehr prägnant. Ich kann bei diesem Werk aber nichts vergleichen, ich habe es noch nie in einer anderen Aufnahme gehört.


    Mit Gruß von Carola

    Gibt es eigentlich schon Meinungen zu dieser neu erschienenen 7 CD-Box mit Purcells Kammermusik?



    Die Hörproben gefallen mir (nach Stichproben) gut und auch das Ensemble habe ich aus der Corelli-Box in positiver Erinnerung.


    Andererseits: Die Triosonaten (CD 1 und 2) habe ich bereits in einer großartigen Aufnahme mit London Baroque und bei den letzten 3 CDs handelt es sich offenbar um reine Cembalo-Musik, was meist nicht so mein Fall ist. Aber auch hier gefallen mir die Hörproben erstaunlicherweise sehr gut. Das Ganze für 15 € bei 2001 - hm...


    Mit Gruß von Carola

    Liebe FQ,


    es freut mich natürlich, dass eines meiner Bücher es offenbar bis nach Frankreich geschafft hat!


    Lieber Jörg,


    als Antwort ehrlich gesagt nicht. Das Gedicht ist schon mehr als 10 Jahre alt. Es fiel mir einfach heute ziemlich heftig ein, als ich ein neues Ostergedicht schreiben wollte. Wie es manchmal so geht...


    Aber das neue ist inzwischen auch geschrieben. :D


    Mit Gruß von Carola

    Ich besitze die Kantate in dieser Aufnahme mit Suzuki und dem Bach-Collegium Japan.



    Leider stellt jpc hier keine Hörproben zur Verfügung.


    Zu einem besseren Verständnis dieser schönen Osterkantate hat mir vor allem und mal wieder der vorzügliche Kommentar von Martin Petzoldt verholfen. Dies auch im Hinblick auf den zunächst recht irritierenden Schwenk des Textes von jubelnder Osterfreude in Richtung (scheinbarer) Todessehnsucht.


    Nachdem die Sonata und der Eingangschor vor allem die Freude über die Auferstehung Jesu ausführlich zelebrieren, teilt Petzoldt die folgenden Sätze der Kantate in drei Gruppen auf, die jeweils aus einem Rezitativ und eine Arie bestehen.


    In den Sätzen 3 (Rezitativ Bass) und 4 (Arie Bass) geht es um christologische Fragen.
    Satz 3 thematisiert die Auferstehung Jesu und nimmt dabei vielfache sprachliche Anleihen bei der Offenbarung des Johannes; die Hand Gottes als Sinnbild für Macht und Stärke, das „blutrot besprützte“ Gewand des leidenden Christus in Antithese zum "Ehrenkleid" des Auferstandenen. Satz 4 beginnt mit einer dreifachen „ehrenden“ Anrede Jesu, an die unmittelbar drei Fragen anschließen. Diese Fragen sind natürlich letztlich nur rhetorischer Natur und bringen die Erhöhung Jesu nach der Erniedrigung durch die Kreuzigung zum Ausdruck. Der „scharfkantige, marschartige Rhythmus“ in dem diese Fragen daherkommen, können als Sinnbild von „Tapferkeit und Majestät“ gehört werden (Schulze).


    In den Sätzen 5 (Rezitativ Tenor) und 6 (Arie Tenor) geht es nach Petzoldt um anthropologisch/theologische Fragen, letztlich also um die Hoffnung auf den „neuen Menschen“. Satz 5, das Rezitativ, ist als Aufruf zur eigenen geistlichen Erneuerung, zum Ablassen von „den toten Werken“ zu verstehen. Der Glaube an die Auferstehung Jesu kann auch die Glaubenden selbst zu einem neuen Leben befreien. Auch die im Anschluss folgende Tenorarie (Satz 6) enthält diesen Appell zur Umkehr und die Hoffnung auf eine Erneuerung des Menschen.


    Durch die nächste Zweiergruppe von Satz 7 (Rezitativ Sopran) und Satz 8 (Arie Sopran) bekommt die Kantate eine eschatologische (Petzoldt) Dimension. Es geht nicht mehr um eine Erneuerung des irdischen Lebens, sondern um die Hoffnung auf das ewige Leben, dessen „Freudenschein“ der gläubigen Seele schon jetzt sichtbar wird. Vor allem die Arie (Satz 8) vermittelt dabei eine verklärte, geradezu entrückte Stimmung. Man sollte dies aber nicht vorschnell als "Todessehnsucht" deuten. Es wird hier nicht der Tod ersehnt sondern das ewige Leben. Wenn man sich vergegenwärtigt, wie nah damals der 30-jährige Krieg mit seinen verheerenden Folgen noch war, wie verbreitet Seuchen und wie schwer ganz allgemein die Lebensbedingungen, ist diese Sehnsucht nach einem besseren, friedlichen, seligen Leben doch nur zu verständlich. Auch der klassische Buddhismus hält ja nicht zufällig das Hinaustreten aus dem immer wieder neues Leiden bedeutenden Kreislauf von Tod und Wiedergeburt für erstrebenswert.


    Satz 9, der Schlusschoral, transportiert ebenfalls diese selig-verinnerlichte Stimmung, ein friedliches, durch Jesus geführtes Sterben als Übergang zum ewigen Leben wird imaginiert.


    Mit Gruß von Carola

    Phantasie über Ostern


    Ich weiß nicht was damals wirklich passiert ist
    und ob überhaupt
    und in welcher Weise
    wer weiß das schon


    Warum diese Frauen auf einmal so glücklich waren
    und platzend vor Freude damit zu den anderen gingen
    wer kann sich so etwas schon vorstellen


    Wo er doch eigentlich tot war
    besiegt und verzweifelt vor aller Augen
    seine Leute versteckt bloß nicht auffallen
    wer will schon zu einem Verlierer gehören


    Und dann dieser unbegreifliche Umschwung
    Gott bricht aus wie ein Vulkan unter ihnen
    das Ende ist plötzlich der Anfang
    und das Leben in neues Licht getaucht


    Seltsame Geschichte
    schöne Geschichte
    von einem den sie nicht auslöschen konnten
    von sich verströmender Lebensmacht
    von Gottes Geheimnis zum Anfassen


    Stärker als alle Wahrscheinlichkeit
    schöner als es sich sagen läßt
    und wahrer als wir es für möglich halten


    Mit Gruß von Carola

    Gerade wurden in der Sendung Interpretationen im Deutschlandradio "Die sieben letzten Worte" besprochen, hat das jemand gehört?


    Jürgen Liebing hat als Moderator eine wirklich interessante Sendung präsentiert. Besonders gut hat mir gefallen, dass hier nicht nur Aufnahmen verglichen, sondern auch auf die eigentlichen Inhalte eingegangen wurde. Sehr beeindruckend waren auch die beiden vorgestellten "Meditationen" von Walter Jens zu den sieben letzten Worten.


    Es wurden sämtliche Fassungen in die Sendung einbezogen, in Erinnerung geblieben ist mir vor allem die Orchesterfassung in dieser Aufnahme:



    Ich kannte diese Orchesterfassung bisher gar nicht und werde sie mir auf jeden Fall kaufen. Die neue Aufnahme von Savall wurde zwar auch erwähnt, allerdings eher kritisch gesehen und als "routiniert" bezeichnet.


    In der Fassung für Streichquartett war hauptsächlich das Rosamunde Quartett zu hören. Auch die Aufnahme des Emerson String Quartets wurde vorgestellt. Dieses Ensemble hat offenbar leichte Eingriffe in die Partitur vorgenommen, zum einen durch Doppelgriffe, zum anderen durch Übernehmen einer Flötenstimme (aus der Orchesterfassung) an manchen Stellen. Diese "Farbtupfer" wurden vom Moderator als letztlich unpassend kritisiert - mir selbst hat es eigentlich recht gut gefallen.


    Die Klavierfassung wurde nur kurz erwähnt und hat mich nicht wirklich überzeugt.


    Bei der Oratorienfassung wurde mehrfach auf die Harnoncourt-Aufnahme hingewiesen.



    Ich selbst fand vor allem die Orchesterfassung und die für Streichquartett beeindruckend.


    Ein großes Dankeschön an das Deutschlandradio für diese Sternstunde!


    Mit Gruß von Carola

    Was für eine Kantate! Sehr fremd, sehr archaisch, sehr gewaltig. Das fängt schon mit dem Text und der Melodie von Martin Luther an; beide sind immerhin schon fast 500 Jahre alt (1524).


    Sowohl Dürr als auch Schulze vermeiden nach meinem Eindruck recht auffällig, auf den Kantatentext näher einzugehen. Auch ich musste doch ein wenig schlucken, als ich von Jesus als dem „in heißer Lieb gebratenen Osterlamm“ las (Versus 5). Das eigentliche Osterevangelium aus Markus 16,1-8 kommt in Luthers Liedtext kaum vor, eher schon die Epistel 1 Kor 5,6-8, in der es um das „Osterlamm“ (als Sinnbild für Unschuld und Demut) und darum geht, den „alten Sauerteig“ auszufegen – beides nimmt bezug auf die jüdische Exodusgeschichte, den Auszug aus Ägypten und das Pessachfest, vgl. Ex 1-15.


    Martin Geck weist in seiner Bach-Biografie darauf hin, dass Bach gegenüber dem Lutherlied eine kleine, aber dennoch gewichtige Veränderung vorgenommen hat. Er hat nämlich aus der großen Sekunde des Liedbeginns eine kleine Sekunde gemacht. Diese fallende kleine Sekunde wird nach Geck zum Schlüsselintervall der gesamten Kantate und taucht zu Beginn jeder Liedstrophe (= Versus) erneut auf. Schon Heinrich Schütz hatte dieses Intervall in seiner Musik im Bereich von Schmerz, Sehnsucht und Tod angesiedelt, das ist später auch ähnlich z.B. in Schuberts Winterreise zu hören. Geradezu paradigmatisch macht Bach hier gleich zu Beginn seines kirchenmusikalischen Schaffens deutlich, dass er „die Tradition aufgreifen, dabei aber auch in sie eingreifen wird“ (Geck, S. 312).


    Im Zentrum der Kantate dürfte unzweifelhaft Satz 5, also die vierte Liedstrophe stehen. Der „wunderliche Krieg“, von dem dort die Rede ist, fand nach Luther zwischen Tod und Leben statt, wobei der Tod nicht besiegt wurde, sondern sich selbst vernichtete, indem „ein Tod den andern fraß“ – was für ein Bild!


    Ich besitze Christ lag in Todesbanden in dieser Aufnahme mit Cantus Cölln



    die ich ausgezeichnet finde. Gerade bei dieser Kantate mit ihren sehr eng miteinander verwobenen Stimmen geht das Konzept der solistischen Besetzung in meinen Ohren voll auf. Ich vermisse jedenfalls an keiner Stelle einen richtigen Chor. Die von Bach später hinzugefügten Posaunen konnte ich allerdings nicht ausmachen.


    Mit Gruß von Carola


    PS. Wer einen Blick in die Partitur werfen will, kann das hier tun.

    Gerade las ich bei Albert Schweitzer dies hier über die Kunst der Fuge, genauer gesagt über ihr Thema:



    "Interessant kann man es eigentlich nicht nennen; es ist nicht einer genialen Intuition entsprungen, sondern mehr in Hinsicht auf seine allseitige Verwendbarkeit und in Absicht auf die Umkehrung so geformt worden. Und dennoch fesselt es denjenigen, der es immer wieder hört. Es ist eine ernste, stille Welt, die es erschließt. Öd und starr, ohne Farbe, ohne Licht, ohne Bewegung liegt sie da; sie erfreut und zerstreut nicht; und dennoch kommt man nicht von ihr los." (S. 374)


    Die "stille Welt", die sich erschließt - so empfinde ich das auch. Die Frage der Aufnahme ist mir hier nicht so wichtig, aber es ist gut, ab und zu mal zu wechseln, dann hört man die Musik wieder frischer. Ich selber wechsele zwischen Goebel, Savall und der Fassung für Streichquartett.


    Mit Gruß von Carola


    Den Solisten Matthew White kann man hier probehören:



    könnte schlimmer sein...


    Mit Gruß von Carola

    Zitat

    Original von Maik
    Hallo!


    Eine Frage habe ich nur: Die Arie „Es ist vollbracht“ singt nicht Jesus oder irre ich da?! Er spricht diese Worte – zuvor, gequält, aber irgendwie wirkt die Stimme auch fest und einfach ‚schnell fertig werden wollen’ (der letzte Atemzug…). Die Arie im Anschluss ist ja sehr sanft und gefühlvoll, aber da es 1.eine weibliche Stimme ist, habe ich mich gewundert und 2.im Booklet steht, dass es eben ein Alt ist, welcher hier singt. Soll dies einfach nur eine Bachsche Nachwirkung sein, dessen, was geschehen ist – der vollbrachte würdige Opfertod?


    LG
    Maik


    Lieber Maik,


    schön, dass die Johannes-Passion Dir nun besser gefällt!


    Zu Deiner Frage nach der Alt-Arie: Solchen Arien werden manchmal in die Handlung eingeschoben als ein betrachtendes, meditatives Innehalten; das gerade Geschehene wird auf diese Weise noch einmal reflektiert und unter Umständen auch theologisch bewertet. Die Stimme, die hier spricht oder besser singt ist die sogenannte "gläubige Seele", während in den Chorälen meist die ganze Gemeinde kommentierend zu Wort kommt. Bei Bach wird diese "gläubige Seele" oft der Altstimme zugeordnet.


    Mit Gruß von Carola

    Ich besitze diese schöne Kantate zum Palmsonntag in der Gardiner-Aufnahme.



    Wenn man das Cover anklickt, kann man unter den Hörproben von „Disk 2“, Track 1 – 8 Ausschnitte aus der Kantate anhören.


    Die folgenden Notizen habe ich für ein eigenes literarisches Projekt gemacht, ich denke aber, sie können auch hier ganz nützlich sein. Meinen Ausführungen zugrunde liegen die hier schon mehrfach erwähnten Bücher von Dürr, Schulze, Petzoldt und Haselböck zu Bachs Kantaten.


    Satz 1, die Einleitung mit ihrem feierlich punktierten Rhythmus will den Einzug Jesu in Jerusalem darstellen. In Mt 21, 5 heißt es: „Siehe, dein König kommt zu dir sanftmütig und reitet auf einem Esel“. Hier kommt kein weltlicher Herrscher hoch zu Ross und mit Pauken und Trompeten, sondern ein sanftmütiger „Himmelskönig“ auf einem Esel. Des ist ein „Einzug“, kein Einmarsch. Die spärliche Instrumentierung (Violine und Blockflöte solistisch) kann auch als Hinweis auf diese Sanftheit und Bescheidenheit, vielleicht auch Ärmlichkeit gedeutet werden.


    Satz 2, Eingangschor: Der Einzug Christi in Jerusalem (Zion) soll zugleich der Einzug in unser eigenes Herz sein; das Herz gilt als Sitz der Liebe.


    Satz 3, Rezitativ Bass: „Vox Christi“; Thema: Den Willen Gottes gerne tun (aus Ps 40); das Rezitativ geht nach kurzer Zeit in ein Arioso über; „Freudenrhythmus“


    Satz 4, Arie Bass (betrachtend); Thema: die „Entäußerung“ Gottes, das Verlassen der himmlischen Sphäre; Die Liebe („die ihn kräfftig brinnt und deren Flammen ihn verwunden“, Spee) hat Jesus zu seinem Opfer bewogen: Nach damaliger, fast schon „kaufmännischer“ Betrachtungsweise zahlt Jesus die Schuld der Menschen mit seinem Blut und zerreißt dadurch den Schuldschein; das „Sünden-Register“ wird mit dem Blut Christi durchgestrichen.


    Satz 5, Arie Alt: Die christlichen Herzen als Kleider, die vor Jesus ausgebreitet und ihm „untergelegt“ werden; Thema: Die Teilhabe der Gläubigen an der Sendung des Gottessohnes; das „unbefleckte Kleid“ als Metapher der Reinigung von der Sünde; sehr ausdrucksstarke Musik im Wechsel von Singstimme und obligater Flöte


    Satz 6, Arie Tenor; Thema: Die Nachfolge des glaubenden Menschen als Reaktion auf Gottes Menschwerdung; die Schwierigkeiten und (musikalisch durch zahlreiche Fermaten umgesetzten) Stockungen in dieser Nachfolge, „Wohl und Weh“, die Musik ist stark verinnerlicht und intensiv-ausdrucksvoll; Kron: Symbol für die Vollendung des Menschen in Gott; Palmen: Symbol des Paradieses; Kreuzpanier: Siegesfahne Christi


    Satz 7; Choral: vorletzte Strophe eines Passionsliedes von Paul Stockmann; Thema: die „blühende Passion“: aus Leid wird Freude; Rose: Bild für Freude und Schönheit, Paradiesblume; die Wunden Jesu werden nach mystischer Vorstellung zu Blumen und Früchten; Motettensatz; Sopran, Violine und Blockflöte für Liedmelodie


    Satz 8; Schlusschor: Jesus führt die Gläubigen nun nicht mehr ins irdische sondern ins himmlische Jerusalem, das "Salem der Freuden“ als endgültige Heimat; noch einmal ein Rückgriff auf das eigentliche Thema des Palmsonntags, nachdem Satz 3-6 schon auf die Karwoche vorausweist; Bahn: das letzte Ziel der rechten „Bahn“ (des Lebensweges) ist der schmale Weg zur Himmelspforte, die der vorangehende Jesus öffnet; Aussicht auf leiblichen, geistlichen und ewigen Frieden; formales Gegenstück zum Eingangschor;


    Mit Gruß von Carola

    Funktionieren bei Euch im Moment die Hörproben? Bei mir seid heute mal wieder nicht mehr.


    Noch etwas: Ich hatte in den letzten Wochen mehrfach Ärger mit dem Einloggen - das Passwort wurde plötzlich nicht mehr akzeptiert. Ein Anruf bei der Hotline ergab, dass dies wohl ein Softwarefehler sei, ergänzt von einem etwas wurstigen "Wir arbeiten dran". Was nun aber schon eine ganze Weile offenbar nicht gelingt. Ich muss mir dann jedesmal ein neues Passwort zuschicken lassen. Sobald ich mich damit eingeloggt habe, ändere ich es wieder in mein altes. Das geht natürlich, aber nervig ist es schon. Wenn ich z.B. etwas auf den Merkzettel verschieben oder diesen auch nur ansehen will, möchte ich das sofort tun können und nicht erst umständlich wieder ein neues Passwort beantragen.


    Mit Gruß von Carola


    Das Buch sieht übrigens so aus



    und ist wirklich gut, wenn man einen Zugang zu den Texten sucht. Wenn nur das Schriftbild etwas größer wäre...


    Neben einer recht guten Einführung in die geistliche Lyrik des Barock findet man zu jeder Kantate eine Reihe Stichwörter, die erklärt werden. Heute habe ich zum Beispiel für "Himmelskönig sei willkommen", BWV 182, sämtliche unter dieser Kantate aufgeführten Stichwörter (es sind 22) nachgelesen. Das fängt mit der "Bahn" an, geht mit der Rose weiter und hört mit dem "ziehen" auf. Die jeweiligen Wörter werden nicht nur kurz erklärt, sondern ausführlich in ihren theologischen und historischen Zusammenhang eingeordnet. Man kann natürlich auch unabhängig von einer bestimmten Kantate einfach in den 300 Stichwörtern blättern und dort auch nachlesen, in welchen Kantaten das jeweilige Stichwort überall auftaucht. Nach und nach bekommt man so ein Gespür für diese doch sehr fremden barocken Metaphern und Inhalte.


    Schade nur, dass die Autorin den theologischen Kommentar von Martin Petzoldt nicht mehr berücksichtigen konnte, da der erst nach Fertigstellung des Wörterbuches erschien. Trotzdem, für mich ist dieses Lexikon schon jetzt unverzichtbar.


    Mit Gruß von Carola