Als Reaktion auf die obige Diskussion und auch als Beitrag zum Konversationsfaden „Zeitgenössische Musik – ist das noch klassische Musik” gedacht
Mir hat der Artikel, auf den uns „Wandergeist” (hier: Zeitgenössische Musik - ist das noch "Klassische Musik") aufmerksam gemacht hat, sehr gut gefallen.
Der Artikel heißt: „Zu schräg für unser Gehirn” (nach dem Hinweis von „Wandergeist”: http://www.zeit.de/2009/43/N-Musik-und-Hirn ).
Die zwei Thesen, die die Schwierigkeiten bei der Wahrnehmung und Beurteilung „zeitgenössischer” Musik erklären sollen, halte ich für interessant und auf diesem einfach-populärwissenschaftlichen Niveau auch überzeugend.
Es geht einerseits darum, dass wir uns von der Geburt an (und noch früher, wohl auch schon im Mutterleib) mitten in einem Lernprozess befinden. Das statistische Prinzip (je mehr gelernt – desto besser) spielt eine bestimmende Rolle dabei, wer was positiv wahrnimmt und einordnet.
Andererseits geht es um die zeitliche Linearität und damit verbunden um unsere Fähigkeit, auf Grund des Gewesenen das Folgende zu erwarten, darauf gespannt zu sein.
Diese beiden Thesen der Kognitionswissenschaft werden im Artikel in Bezug auf die Perzeption der Musik und auf die verschiedenen Reaktionen bei verschiedenen musikalischen Eindrücken ausgelegt bzw. behandelt.
Die (vereinfachte) Schlussfolgerung ist in diesem Forum von vielen Mitgliedern schon oft niedergeschrieben worden: was uns gefällt, hängt damit zusammen, was wir erwarten.
Eben deshalb ist es gut begründet, wenn Meinungen für und gegen „zeitgenössische” Musik aufeinander prellen.
Eine subjektive Bemerkung:
Der ungarische Dichter Gyula Illyés hat ein sehr berühmtes und erschütternd schönes Gedicht über Bartók und seine Musik geschrieben. Illyés kommt aus einer sehr armen Welt, als Kind lebte er nicht einmal in einem Dorf, sondern in einer Gemeinschaft der ärmsten Bauernknechte und ihrer Familien im Dienste eines adligen Grundbesitzers. Für ihn war, als er durch seine einmalige, besondere Begabung lernen und dann auch studieren konnte usw., das Erlebnis, Mozart oder Bartók zu hören, gleich neu und aufwirbelnd. Aber Bartók war ihm wohl wichtiger. Nicht so wie seinen Altersgenossen (= zugleich den Altersgenossen von Bartók), die musikalisch klassisch gebildet waren und die Bartók und seine Musik beim ersten Hören als Khaos erlebten.
Und noch eine subjektive Bemerkung:
Ich verstehe von der Musik, über die KSM so vieles weiß und so viele Infos weiterleiten kann, leider nichts. Ich höre mir zwar immer wieder etwas an, im Rundfunk oder in einem Konzert, aus purer Neugier. Mal gefällt mir das, mal nicht. Mal bin ich ganz begeistert, mal denke ich, du lieber Schwan, was ist denn das für ein fürchterliches Geräusch. Was einem am Altwerden und daran, dass man weiß, man lebt nicht ewig, am ärgerlichsten ist, dass man wird nie erfahren können, wie es weiter sein würde…. Wohin geht es mit der musikalischen Moderne? Wie wird sich das noch weiter entwickeln können? Wie wird die Welt aussehen, wenn es uns nicht mehr gibt?
KP