Herzog Blaubarts Burg - verdoppelt
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Die Budapester Oper spielt Bartóks Oper in zweifacher Ausführung: an einem Abend hören und sehen wir das Stück zweimal nacheinander.
Die Idee ist nicht neu: Herbert Wernicke hatte schon eine ähnliche Inszenierung in Frankfurt, so habe ich das gelesen.
Der Regisseur der Budapester Aufführung heißt Hartmut Schörghofer. Dass die Oper von einem Ausländer auf die Bühne gebracht wurde, kann zugleich auch bedeuten, dass die früheren berühmten Inszenierungen die jetzige Produktion nicht einmal unbewusst beeinflussen konnten. (Ich habe in einem Interview gehört, dass der Herzog auf den ungarischen Bühnen deshalb immer als älterer Mann erschien, weil der berühmteste Sänger Mihaly Szekely schon nicht mehr ganz jung war, als er zum emblematischen Blaubart wurde).
Die Verdoppelung bietet sich eigentlich fast selbstverständlich an, geht man davon aus, dass in jeder Kommunikation die beiden Kommunizierenden etwas anderes sehen und erleben (nämlich den Partner aus ihrem Blickwinkel). In der Beziehung von Man und Frau kann das besonders folgenschwer sein. Als literarische Parallele aus der gleichen Zeit (als Bela Balazs das Libretto schrieb) wurde die recht unterschiedliche Auffassung von Maeterlinck und Anatole France erwähnt. Bei Maeterlinck („Ariane et Barbe-Bleue“) erscheint Ariane (bei Balazs = Judit) als Symbol einer stolzen Frau und einer guten Fee, die die Aufgabe auf sich nimmt, die früheren Frauen aus ihrem Gefängnis zu befreien. (Das Erschütternde an dieser Darstellung ist, dass sie einsehen muss: sie kann ihre Schwestern nicht glücklich machen, denn sie sind zwar unglücklich und sehnen sich nach der Freiheit, aber in ihrem Gefängnis waren sie doch glücklich. Und Blaubart, der aggressiv liebende, sucht immer nach neuer Liebe, eben weil sie als Gefangene nur Schatten einer Liebe für ihn sind). Bei France erscheint Blaubart dagegen als Pantoffelheld, dessen Leben die Frauen bestimmen.
In der Budapester Aufführung wird im ersten Teil Der Herzog und sein Land von dem Blickwinkel von Judit gezeigt, mit recht konkreten Bildern und mit all der Kraft und Schönheit der Visualität. Der Herzog wirkt als König, schön und überwältigend, das Land ist voller Blüten, Judit ist klein und unsicher. Im zweiten Teil dagegen wirkt Judit in ihrem roten Kleid als bestimmend, sie wird uns vom Blickwinkel des Herzogs (hier: im modernen Anzug) vorgeführt, hinter den Türen erscheinen nicht Gegenstände, sondern Menschenfiguren und das Land des Herzogs ist das riesige Gesicht eines Clowns, das zu einem verwischten roten (Mund)fleck wird.
Die erste Kritik, die ich gehört habe, ist nicht absolut positiv, der Kritiker meint, dass die Verdoppelung weder in Bezug auf die Unterschiede der beiden Blickwinkel (Mann und Frau) noch in Bezug auf die möglichen Abweichungen bei der Wahrnehmung der Umgebung ergiebig genug war. Aber was die Musik und die musikalische Interpretation anbelangt, da konnte man fast nur lobende Worte hören. Adam Fischer war der Dirigent, er nahm auch an der Inszenierung teil.
Ich glaube, es lohnt sich, diese Inszenierung zu erleben.
KP