Beiträge von kopiroska

    Herzog Blaubarts Burg - verdoppelt


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    Die Budapester Oper spielt Bartóks Oper in zweifacher Ausführung: an einem Abend hören und sehen wir das Stück zweimal nacheinander.


    Die Idee ist nicht neu: Herbert Wernicke hatte schon eine ähnliche Inszenierung in Frankfurt, so habe ich das gelesen.


    Der Regisseur der Budapester Aufführung heißt Hartmut Schörghofer. Dass die Oper von einem Ausländer auf die Bühne gebracht wurde, kann zugleich auch bedeuten, dass die früheren berühmten Inszenierungen die jetzige Produktion nicht einmal unbewusst beeinflussen konnten. (Ich habe in einem Interview gehört, dass der Herzog auf den ungarischen Bühnen deshalb immer als älterer Mann erschien, weil der berühmteste Sänger Mihaly Szekely schon nicht mehr ganz jung war, als er zum emblematischen Blaubart wurde).


    Die Verdoppelung bietet sich eigentlich fast selbstverständlich an, geht man davon aus, dass in jeder Kommunikation die beiden Kommunizierenden etwas anderes sehen und erleben (nämlich den Partner aus ihrem Blickwinkel). In der Beziehung von Man und Frau kann das besonders folgenschwer sein. Als literarische Parallele aus der gleichen Zeit (als Bela Balazs das Libretto schrieb) wurde die recht unterschiedliche Auffassung von Maeterlinck und Anatole France erwähnt. Bei Maeterlinck („Ariane et Barbe-Bleue“) erscheint Ariane (bei Balazs = Judit) als Symbol einer stolzen Frau und einer guten Fee, die die Aufgabe auf sich nimmt, die früheren Frauen aus ihrem Gefängnis zu befreien. (Das Erschütternde an dieser Darstellung ist, dass sie einsehen muss: sie kann ihre Schwestern nicht glücklich machen, denn sie sind zwar unglücklich und sehnen sich nach der Freiheit, aber in ihrem Gefängnis waren sie doch glücklich. Und Blaubart, der aggressiv liebende, sucht immer nach neuer Liebe, eben weil sie als Gefangene nur Schatten einer Liebe für ihn sind). Bei France erscheint Blaubart dagegen als Pantoffelheld, dessen Leben die Frauen bestimmen.


    In der Budapester Aufführung wird im ersten Teil Der Herzog und sein Land von dem Blickwinkel von Judit gezeigt, mit recht konkreten Bildern und mit all der Kraft und Schönheit der Visualität. Der Herzog wirkt als König, schön und überwältigend, das Land ist voller Blüten, Judit ist klein und unsicher. Im zweiten Teil dagegen wirkt Judit in ihrem roten Kleid als bestimmend, sie wird uns vom Blickwinkel des Herzogs (hier: im modernen Anzug) vorgeführt, hinter den Türen erscheinen nicht Gegenstände, sondern Menschenfiguren und das Land des Herzogs ist das riesige Gesicht eines Clowns, das zu einem verwischten roten (Mund)fleck wird.


    Die erste Kritik, die ich gehört habe, ist nicht absolut positiv, der Kritiker meint, dass die Verdoppelung weder in Bezug auf die Unterschiede der beiden Blickwinkel (Mann und Frau) noch in Bezug auf die möglichen Abweichungen bei der Wahrnehmung der Umgebung ergiebig genug war. Aber was die Musik und die musikalische Interpretation anbelangt, da konnte man fast nur lobende Worte hören. Adam Fischer war der Dirigent, er nahm auch an der Inszenierung teil.


    Ich glaube, es lohnt sich, diese Inszenierung zu erleben.


    :hello: KP

    Nobelpreisträgerin Herta Müller


    Nach Günther Grass und Elfriede Jelinek gibt es seit ein paar Tagen - wie ihr wohl schon alle wisst - eine neue Nobelpreisträgerin deutscher Sprache. Auf Herta Müller können nicht nur die Deutschen stolz sein - sie schildert mit großer Kraft all die erwürgenden und unvergesslichen Erlebnisse der Generationen der 40 bis 80...jährigen in den Ostblockstaaten, die sie wohl bis zum Tod mit sich führen. Somit ist die im Banat (Timisoara und Umgebung, Rumänien, früher Österreich-Ungarische Monarchie) geborene Schriftstellerin eine Fürsprecherin von all diesen Völkern. Sie hat das Leben der deutschsprachigen Minderheit in Rumänien kennengelernt, wurde von ihrer Studentenzeit an von der rumänischen Securitate verfolgt und ist in den 1980-er Jahren nach Deutschland emigriert.


    Ihr neustes Buch "Atemschaukel" kenne ich noch nicht. Von den früheren Werken kenne ich eins: "Der Fuchs war damals schon der Jäger". Ich glaube, ich will das nun wieder in die Hand nehmen. Ihre Bücher sind keine leichten Lektüren. Aber eine Erschütterung für alle Vertreter der Macht. (Wenn sie so was lesen...)


    LG
    KP

    Und nun zum Epischen


    Es ist auch faszinierend, wie reich und vielfältig die einzelnen Figuren als Typen verstanden und quasi ausgelegt werden können.


    In einem längeren Beitrag hat einer von uns schon über die Gestalten und u. a. auch darüber geschrieben, dass Donna Elvira für ihn gar nicht eine Figur im Stück ist, über die man lachen könnte (leider habe ich den Beitrag beim besten Willen nicht wieder gefunden...). Wenn Libretti frei ausgelegt und analysiert werden können, dann bietet das oft aufgearbeitete Thema dieser Oper eine ganze Reihe von Assoziationsmöglichkeiten an.


    Ich habe vor sehr vielen Jahren eine Don-Giovanni-Aufführung gesehen/gehört, die das Schicksalhaft-Tragische der Geschehnisse erfassen wollte.
    Donna Annas Verzweiflung konnte leicht darauf zurückgeführt werden, dass sie früher wohl in ihrer Kommunikation mit Giovanni doch Zeichen eines weiblichen Mitspielens gegeben hatte. Sie mussten sich doch früher schon gekannt haben, warum hätte Giovanni gerade in ihre Kammer eindringen wollen?
    Donna Elvira war die einzige, die Giovanni liebte und die diese Liebe einfach nicht unterdrücken konnte.
    Zerlina war ungefähr so dargestellt, wie Adorno sie beschreibt (in seiner Essay "Huldigung an Zerlina")
    Leporello war ein Nichtsnutz, ein charakterloser, moralisch fragwürdiger Mensch im Schatten seines Herrn.
    Und Giovanni - ja, er passt dann zu den Gedanken, die einem beim Lesen von Kierkegaard ("Entweder - oder") dazu einfallen mögen.


    Die Musik lässt bei mir immer diese Gedanken wieder wach werden.


    :hello: KP

    Hallo llieber "Mawal",


    das war ein sympathisch provokativer Beitrag! So dass ich mich aufgefordert fühle, darauf zu reagieren, mit ein paar weiterführenden Thesen:


    1. Worin unterscheidet sich der Klassik-Hörer von dem - sagen wir -"Pop-Hörer", wenn beide die Musik vom Kopfhörer, beim Autofahren oder beim Schreiben am Computer usw. hören?


    2. Was ist an der Aufführungspraxis in bezug auf die Musik anders, wenn es sich um ein Open-air-Konzert in einer Arena / in einem Fußballstadion usw. handelt, außer dass mehr Leute anwesend sind und die Hörverältnisse schlechter sind?


    3. Würdest Du ein kleines klassisches Konzert in einem Supermarkt zu Weihnachten, gespielt von begeisterten jungen Musikern, unter den gleichen Verhältnissen wie wenn ein Pop-Ensemble spielt, für eine der heutigen Zeit entsprechende Aufführungspraxis halten?


    Wenn nicht - was wäre dann dein Vorschlag?


    Wenn ja - wie erklärt sich das Faktum (selber erlebt), dass beim Spielen von der oberen Etage auf die Musiker gespuckt wird? Denn bei der Ja-Antwort müsste dann doch etwas anderes dabei eine Rolle spielen, nicht die Aufführungspraxis...


    Dass der Konsum klassischer Musik allein nicht adelt, damit bin ich einverstanden.


    :hello: KP

    Meine erste - und meine zweite Oper


    Die erste sollte ein musikalisches Erlebnis sein und wurde keins. In der Stadt, wo ich wohnte, wurde angekündigt, dass im Theater das Singspiel (fast eine Oper....) von Pongrac Kacsoh (ein Zeitgenosse von Lehar u. Kalman) "Der Held Janosch" aufgeführt wird. Das Stück ist ein Märchen, verfasst nach der Dichtung des ungarischen Nationaldichters Sandor Petöfi. In der Schule konnte man Karten kaufen. Ich war etwa 12 Jahre alt. Meine Eltern haben auch eine Karte für mich gekauft. Wir sind ins Theater gegangen - dort wartete aber eine große weiße Leinwand auf uns und statt der Heldentaten des Helden Janosch haben wir einen sowjetischen Film gesehen, gedreht nach dem berühmten Roman von Valentin Katajev "Lonely White Sail" über zwei Schulkinder in Odessa zur Zeit der Revolution 1905... Meine Mutter hat sich geärgert, aber mir als Kind hat der Film gut gefallen...


    Noch im selben Jahr haben mir meine Eltern dann einen Besuch in der Oper in Budapest geschenkt. Wir mussten sehr früh aufstehen, damit wir zum Beginn der Aufführung am Vormittag da sein konnten. Bis zur Hauptstadt brauchte man anderthalb Stunden mit dem Zug zu fahren. Wir haben die Zauberflöte gesehen. Aber damals war mir das Opernhaus ein fast noch größeres Erlebnis. In einem solch pompösen Haus war ich früher nie gewesen.


    Die Oper ist für mich bis heute ein Theatererlebnis, verbunden mit dem Haus, mit den Vorbereitungen und mit dem Gefühl, etwas Einmaliges erleben zu dürfen.


    :hello: KP

    Was kann die Schule schon tun -- verglichen mit der von allen Ecken und Enden strömenden Pop-Kultur?


    Johannes Roehl schreibt:
    "Mein Punkt (der ja nicht besonders originell ist, mehr oder minder Adorno light & politikfrei) ist jedenfalls, daß ein wirklicher und tiefer Gegensatz zwischen Klassik und Popkultur besteht und daß die Omnipräsenz der letzteren - man kann eben in kaum ein Geschäft gehen, keinen Fernseher einschalten usw., ohne damit zugedudelt zu werden - ein schlechtes Umfeld für erstere schafft."


    Ich fürchte, er hat absolut recht, auch in Bezug auf die Folgen.


    Die wirksamsten Waffen sind in den Händen der Medien.
    Wann (Ob) eine andere Einstellung seitens der Medienpäpste zu erwarten ist, weiß keiner...


    ;(
    KP

    Weil auch Aphorismen "erlaubt" sind - fällt mir einer von Karl Kraus ein:


    Was ist die Neunte Symphonie neben einem Gassenhauer, den ein Leierkasten und eine Erinnerung spielen!


    Ob und inwiefern das stimmt, dazu könnte wieder Karl Kraus selbst zitiert werden:


    Der Aphorismus deckt sich nie mit der Wahrheit; er ist entweder eine halbe Wahrheit oder anderthalb.


    :D :] ?(


    Liebe Grüße
    KP

    Klassikliebhaber gibt es auch - ein ungewöhnlicher (?) Beitrag zum Thema


    Vor ein paar Tagen ist mir eine Studentenzeitung in die Hände geraten, wo die Studenten einige Dozenten nach ihrer Lieblingsmusik gefragt haben. Ich will die acht Antworten hier kurz aufzählen - die Schlussfolgerung überlasse ich Euch.


    Nr. 1: sie hört am liebsten "All mine" von Portishead. (Ihr Lieblingsband)
    Nr. 2: Er hört "klassische Musik" aber auch Underground und manche ungarische Discohits der 80-er und 90-er Jahre
    Nr. 3.: Absolute Lieblingsplatten: Keith Jarret "The Köln Concert", Michael Bublé "Its time", populäre Musik wie "Besho Drom" und "Belga"
    Nr. 4.: Sie hört klassische Musik, in erster Linie Barock und Romantik sowie Musik des 20. Jahrhunderts (Orff, Gershwin, Bartók, Strawinski), weiterhin Chansons (Piaf, Lakatos Krisztián) und Gospel
    Nr. 5.: Die Lieblingsmusik: Quimby und einige ungarische Ensembles, Kinderlieder und im Familienkreis Opern jede Menge
    Nr. 6.: Momentan sieht seine Hitliste so aus: Kurtag: Stele op 33, Olga Neuwirth, Luigi Nono, Sonic Youth, Thelonios Monk - die Liste ändert sich immer wieder
    Nr. 7: Madonna, Shlomo Bar, Edith Piaf. Eventuell Orgelmusik.
    Nr. 8: "Drive" von R.E.M., Alive von Pearl, Red Hot Chilli Peppers


    Für die Fehler (wenn es welche beim Abschreiben reingeschlichen sind) bitte ich um Entschuldigung (eile...eile...)
    Doch noch eine Schlussfolgerung:
    Ich glaube, die klassische Musik ist auf dieser nicht repräsentativen Liste gar nicht so schlecht vertreten...


    :hello: KP

    teleton


    Nein - leider nicht alle: Ich mit meinem Ausländerdeutsch habe keine Ahnung davon, was "Schleiereulenmusik" bedeutet...
    Zwar kann ich mir darunter (vgl. Zahnschmerzfaktor...) Einiges schon vorstellen.


    Überhaupt finde ich im Forum Vieles auch sprachlich sehr interessant. Da ist auch gleich dieses Wort "Spaß": Es hat, soweit ich es überhaupt beurteilen kann, eine Bedeutung, die man in einer anderen Sprache nur schwierig widergeben kann. Meine Kollegen sagen mir zum Abschied: Hab viel Spaß bei der Übersetzung - und ich weiß, dass es nun nicht Scherz oder Vergnügung bedeutet, sondern Freude an der Arbeit. Aber natürlich bedeutet das auch eine Art Vergnügung. Ist das nicht auch mit der Musik der Fall?


    :hello: KP

    Bilder zur Musik - Musik zu den Bildern


    Ich freue mich über dieses Konversationsthema! Schon immer habe ich gedacht, dass man auch darüber diskutieren könnte, wie visuelles und Hörerlebnis zusammenhängen mögen.


    Die drei Schwierigkeiten, an die man dabei denken muss – ohne dass man dadurch etwa eingeschüchtert wird – sind, so glaube ich, die folgenden:


    1. Das Problem der Programmmusik: Sobald man weiß, dass es in der Musik um den Frühling geht, denkt man an Frühlingsbilder (z.Bp. Vivaldi, Sinding, Stravinski und und und…) und sobald man weiß, dass es bei dermKlarinettensolo darum geht, dass die Katze auf den Baum klettert, um den Vogel zu schnappen, will man im Gedächtnis nach solchen Bildern suchen (Prokofjev).


    2. Das Problem der Epochen: Unser Wissen um die Epocheneinteilung, die Kenntnis darüber, wann ungefähr ein Bild gemalt wurde, was für Werke zur Zeit des Barocks oder der Romantik, der Sezession oder der Neuen Sachlichkeit usw. usf. entstanden sind, beeinflussen uns bestimmend bei der Assoziation. Bei einer Barockoper denkt man nicht an ein Bild aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhundert (historischer Realismus, wie das in Ungarn populär war) – obwohl das eigentlich nicht ausgeschlossen wäre usw.


    3. Das Problem der Assoziationsrichtung: wollen wir vom visuellen Erlebnis ausgehend auf das Hörerlebnis assoziieren – oder umgekehrt?


    Auch wenn einem diese beeinflussenden Faktoren einfallen, halte ich die Möglichkeit, über unsere Assoziationen zu sprechen, für besonders reizend. Uns steht ja die Möglichkeit zur Verfügung, die verlockenden Grunderlebnisse über epochalen und sonstigen Zusammenhänge neu zu erleben und zu befestigen. Und es ist auch möglich, im Zusammenhang von Malerei und Musik sozusagen „gegen den Strich” zu wählen.


    Ich versuche nun kurz über (1) Assoziationen epochal begründet und (2) gegen den Strich zu erzählen.


    Ich habe die Ausstellung von Ilona Keserq gesehen, sie malt nonfiguartiv und arbeitet mit einem eigenartigen Rhythmus von Farben und Formen. Die Ausstellung war eine Zusammenfassung über ihre bisherige Tätigkeit. Bei der Finissage ertönte auch ein Kammerstück von László Vidovszky, einem sehr guten und anerkannten Komponisten, Vertreter von „minimal art”. Die „natürliche” Assoziation zwischen Bildern und Musik war gegeben. Ich hatte dabei auch an Kurtág denken müssen.


    Informationen über Ilona Keserq:


    http://www.artnet.com/artist/559948/ilona-keseru.html
    http://art.pte.hu/dla/szinero/…s_in_progress_keseru.html
    http://eifert.hu/blog/?p=13
    http://artportal.hu/lexikon/muveszek/keseru_ilona (drei Bilder unten am Ende der Site)


    Informationen über den Komponisten u.a. hier:


    http://www.arithmeum.uni-bonn.de/de/events/325
    http://www.youtube.com/watch?v=E8BNqRXDTnw


    Und nun die umgekehrte Richtung und auch gegen den Strich:


    Wenn ich Schumanns „Blumenstück“ höre (tu ich sehr gern…), sehe ich vor mir immer wieder einen Weg, zwischen Hügeln, zum Stehen-Bleiben und zum Weitergehen, immer wieder, bei Licht und Schatten. Man könnte an viele solche Bilder denken, unabhängig von Epochen und Stilrichtungen. Ich denke dabei an Bilder von Egry, József (1883-1951), dessen Bilder ich besonders mag.


    http://2.bp.blogspot.com/_ID_j…2BJ%C3%B3zsef-Balaton.jpg



    Damit habe ich allerdings die zwei allerleichtesten Wege gewählt, wenn es um Malerei und Musik geht: einmal moderne (postmoderne) Musik mit nonfigurativen Bildern und einmal die einfachste freie Assoziation mit Naturerlebnissen… :pfeif:


    :hello: KP

    Ferdinand Ries habe ich zuerst in diesem Forum entdeckt - eine Entdeckung, die mir bis heute sehr viel Freude bereitet!!!


    Und immer wieder muss man sich fragen: warum werden manche Werke und manche Komponisten in Vergessenheit geraten?


    Warum? - könnte man mit Schumann fragen - der zum Glück nicht in Vergessenheit geraten ist.


    Vielleicht auch deshalb, weil sie - wohl ungemerkt - schon etwas anderes vertreten als das eben Bekannte?


    :hello: KP

    Ich mag diesen Konversationsfaden. Da sieht man auch so auffallende Unterschiede zwischen den Ländern.


    Ich lese gerade den Roman "Daniel Stein" von Ljudmila Ulitzkaja, hier kann man darüber lesen:


    http://www.perlentaucher.de/buch/31871.html


    Das Buch gefällt mir sehr gut, ich glaube, alle sollten das lesen, die sich für die Schicksale im 20. Jahrhundert interessieren.


    Der andere (frühere) Roman von Ulitzkaja "Medeia und ihre Kinder" hat mich auch gefesselt, aber jetzt, wo ich den "Daniel Stein" lese, halte ich ihr Erstlingswerk doch weniger gedankenreich.


    :hello: KP

    Volkslied, Bauernlied – die Rezeption ist wohl nicht nur zeitgebunden verschieden, sondern auch von Land zu Land unterschiedlich.


    Ich würde einen Unterschied machen zwischen dem Problem „Wo und was wird noch überhaupt gesungen“ und dem Problem der Beurteilung von Volksliedern/ Bauernliedern.


    Im ersten Fall sehe ich (soweit ich es beurteilen kann) keinen großen Unterschied zwischen der Reaktion der jüngeren Generationen in Deutschland, Österreich oder Ungarn usw. Es wird immer weniger gesungen. Genauer gesagt: immer weniger wird das gesungen, was die Schule anbietet und immer mehr möchte man das und so singen, wie es die beliebten Sänger in den Medien tun. Genau das ist aber im Falle der meisten Lieder einfach nicht möglich, sind sie doch nicht zum gemeinsamen Singen verfasst, im Gegenteil. Dabei kann das Singen vielen doch eine wichtige Freudenquelle bedeuten.


    Unlängst habe ich einen verblüffenden, traurigen und zugleich lustigen Artikel gelesen: In einer Stadt irgendwo in Ungarn (es könnte sich in mehreren ereignet haben) gibt es regelrecht Sing-Mit-Konzerte mit einer volkstümelnden Musiktruppe, die einen so genannten Hochzeitsrock spielen. Diese musikalische Mischung ist normalerweise kaum zu ertragen, sie besteht aus den schlimmsten Kunstliedern und Pseudo-Volksliedern nach der Art wie die Zigeunertruppen sie in der ersten Hälfte des 20. Jahrhundert gespielt haben, wird aber mit Hilfe des Instrumentariums einer bescheidenen Rocktruppe zustande gebracht. Die Leute können beim Zuhören auch mitsingen, und auf die Frage der Reporter haben die meisten Anwesenden (hauptsächlich in den mittleren bis späteren Lebensjahren, etwa 30-60) geantwortet, sie kommen in diese Konzerte, damit sie sich einmal so richtig „aussingen“ können. Mehrere Intellektuelle haben dabei verraten, dass sie das vor ihren Fachkollegen verheimlichen, weil sie sich schämen… Es ist doch eine kuriose Entwicklung, nicht wahr?...


    Als paralleles Beispiel könnte man bestimmt viele ähnliche Szenen zitieren, ich habe von mehreren Country-Sängern gehört/gelesen, in deren Konzerten problemlos mitgesungen wird, von Schottland bis Irland usw. Dass man sich bei uns deswegen schämen kann/soll, ist wohl eine intrakulturelle Entwicklung und hier kommt das oben erwähnte zweite Problem ins Spiel.


    Das Volkslied/Bauernlied ist bestimmt eine Art universelles Kulturerbe, es ist wohl kein Zufall, dass es diese Musik gibt, sie ist bestimmt eine Ausdrucksnotwendigkeit. In der Geschichte und Kulturgeschichte eines Landes kann das nun von Epoche zu Epoche ganz verschieden beurteilt werden. In meiner Heimat werden Bauernlieder hochgeschätzt, bestimmt nicht unabhängig von dem Einfluss eines Bartóks und anderer. Da sich in den ost- und ostmitteleuropäischen Ländern das Bürgertum erst in den letzten zwei Jahrhunderten herausgebildet hat (die Leibeigenschaft wurde in Ungarn erst 1848 aufgehoben), gab es hier eine tiefere Kluft zwischen den Schichten/Klassen der Gesellschaft: zwischen den Adligen und den Bauern, wobei letztere ihre eigenen Lebensformen und ihre eigene, hochwertige Kultur länger intakt aufbewahren konnten. Heute werden die Reste dieser Kultur mit besonderer Sorgfalt gepflegt. Dabei wird es für immer mehr Leute klar/bewusst, dass diese Kultur, die alten Bauernlieder und die echte Volkskunst nichts mit den früher so populären, volkstümelnden, Pseudo-Volksliedern zu tun haben. Daher das Schamgefühl...


    Trotzdem spielen Bauernlieder für die jetzige Jugend nicht mehr die Rolle, die sie für meine Generation in den siebziger Jahren noch gespielt haben. Die Gründe zu analysieren würde sehr weit führen...


    Ich finde es aber traurig, dass das Singen aus dem Alltag so sehr verdrängt wurde.


    KP

    Spaßfaktor beim Zuhören -- oder beim Mitmachen?

    Vielleicht ist diese Unterscheidung nur für diejenigen wichtig, die – wie ich – nicht oder nicht mehr aktiv musizieren, die nicht einmal in einem Laienchor mitsingen (höchstens Sonntags in der Kirche), die nur als „Publikum“ oder/und als „Sammler“ mit der Musik etwas zu tun haben.


    Natürlich ist das Musik-Hören ein Teil unseres Lebens, auf das wir nicht verzichten können. Musik machen ist aber möglicherweise genauso wichtig, wenn nicht wichtiger. Ich glaube, dass der Parademarsch der Popmusik, der durch die Medien in früher unvorstellbarem Maße verstärkt und durch viele verschiedene Richtungen und Formen angereichert werden konnte, vor allem damit zusammenhängt, dass mit ganz wenig musikalischen Kenntnissen und Übungen möglich war, in einem Band zu spielen. Die nötigen Kenntnisse konnte man sich auch als Autodidakt erwerben. Die Freude am Musik-Spielen war das Lebensideal von vielen Jugendlichen, die dann sozusagen von Kindesbeinen an nur ihre Musik und die ihrer Mitmarschierenden gehört und also genossen haben. Es konnte nur in einigen wenigen Fällen dazu führen, dass dabei auch das Interesse an der klassischen Musik erweckt wurde.


    Das Demokratische an diesem Musik-Machen (das auch im Jazz bestimmend war) war mir schon immer recht sympathisch, auch wenn ich die Musik selbst nie lieb gewinnen konnte.


    Mir scheint jedoch, dass in unseren Tagen immer mehr Kinder in die Musikschule gehen. Ein Instrument zu spielen (das nicht mehr notwendig die Gitarre sein muss…) fängt wieder an, modern zu sein. Dabei scheinen die Bands, die in den siebziger und achtziger Jahren noch wie Pilze aus dem Boden schossen, doch an Zahl etwas weniger und an Einfluss und Wirkung etwas schwächer geworden – soweit ich das beurteilen kann, natürlich kann ich mich auch irren.


    Das „Mitmachen“ im Bereich der klassischen Musik zu unterstützen wäre schon eine schöne Aufgabe aller Freunde der klassischen Musik.



    :hello: KP

    thdeck - und alle Interessenten


    Lieber Thomas und liebe Haydn-Liebhaber,


    Zur Aufführung von Haydns Oper „Der Apotheker” gibt es schon Karten, leider nur telefonisch zu bestellen, aber die Bestellung und die ganze Prozedur ist problemlos. Wenn also Interesse besteht, kann ich die Karten zurücklegen lassen unter Eurem Nicknamen und unter meinem Namen und Ihr könnt die Karten eine Stunde vor der Vorstellung abholen. Nur müsste ich dann zehn Tage früher unbedingt wissen, wenn jemand die Karte doch nicht in Anspruch nimmt, denn sonst muss ich sie selber zahlen.


    Noch einmal Zeit und Ort:
    Budapest, Thalia Theater
    21. November 15 Uhr


    Es ist eine Aufführung in ungarischer Sprache (leider, denke ich… - obwohl die Übersetzung diesmal eine besonders gelungene sein soll, Basti könnte sich darüber freuen, wenn das alles nicht in dieser unerlernbaren Sprache wäre…), mit jungen Stimmen und unter Anleitung eines jungen Dirigenten. Das Thalia Theater ist nicht die Opernhaus – also darf man nicht zu viel erwarten. Die Preise sind sehr günstig: eine Karte kostet etwa 4-5 Euro, abhängig vom jeweiligen Kurs.


    Ich will Euch auch gern auf die Programme der ungarischen Staatsoper aufmerksam machen, hier sind sie auch auf Englisch zu lesen:
    http://www.opera.hu/index_e.php?lang=en&module=main_eng


    Im Frühjahr wird Haydns L'anima del filosofo ossia Orfeo ed Euridice gespielt, in einer sensationellen Aufführung, mit super Stimmen.
    Kartenkauf ist durch Internet möglich.


    Liebe Grüße
    KP

    Hallo "Thdeck",


    hier habe ich die Info her:
    http://www.filharmoniabp.hu/ifjusagi_koncertek


    Das ist eine Konzertserie mit Anrecht, die Aufführung ist die gleiche, die im Sommer in Györ aufgeführt und sehr gelobt wurde, das Orchester ist auch das gleiche (Savaria - ein nicht sehr berühmtes ungarisches Ensemble), die Stimmen sind junge Leute. Ich wollte eigentlich auch selber hinfahren. Ich kann gern nach Karten fragen, das "szervezés" (fast service!!!, eigentlich Organisatorisches...) per e-mail ist für mich bestimmt ETWAS leichter. Ich melde mich, sobald ich etwas weiß. Die Aufführung ist bestimmt spottbillig - im Vergleich zu Euren Preisen und auch im Vergleich zu der ungarischen Staatsoper, allerdings muss man auch wissen, dass es nicht von Spitzenkünstlern gespielt/gesungen wird.


    Habt eine gute Woche!
    :hello: KP

    Vor kurzem habe ich Den Apotheker - Lo spziale - gehört, ein lustiges Meisterstück. Ein schönes Beispiel dafür, wie flott und selbstverständlich die Motive von Stück zu Stück wanderten: in diesem Stück ist alles auch von woanders Bekannte vorhanden: der Alte und seine junge Erziehungstochter, rivalisierende Freier, maskierter Notar, ein maskierter türkischer Bascha usw. Goldoni hat ein freches und humorvolles Ausgangsmaterial angeboten. Ich habe in der Rezension zur CD (Hungaroton HCD 11926, Preiscode: CE, 5991811192624 ) gelesen, dass das Stück früher arg gekürzt wurde. "Die hier vorliegende Einspielung folgt gewissenhaft der in den 50er Jahren vorgelegten Urtextausgabe und nimmt dafür gewisse Lücken musikalischer und dramaturgischer Art in Kauf", sagt der Rezensent.
    Das Stück wurde im Sommer in Györ bei Esterhaza aufgeführt, mit großem Erfolg. Es wird in Budapest im Thalia-Theater gespielt, am 21. November um 15 Uhr, auch erreichbar, wenn man nicht in Budapest wohnt.


    Habt einen schönen Sonntag! KP

    Die obige Diskussion scheint für die laienhaften LeserINnen wie ich eine bin, auf eine früher schon angesprochene Frage zurückzuführen sein. (Soweit ich als Nicht-Muttersprachlerin die Diskussion überhaupt verfolgen konnte. Aber ein Chatforum wie dieses ist doch eine gemeinsame Leistung von Experten und Laien, in dem Sinne wage ich mich da einzumischen…)


    Die versteckte Frage im Hintergrund ist der Zusammenhang des Kunstwerkes mit der jeweiligen historisch-kulturellen Umgebung.
    Louis’ Worte vermitteln für mich die Überzeugung, dass das Kunstwerk (egal, ob Musik, Drama, Film, Lyrik, Bauwerk, Gemälde usw.) und seine Umgebung (die Welt, in der das zustande kommt und aus der die Künstler ihre Eindrücke/Erlebnisse/Erfahrungen gewinnen) auf einer allgemeinen Ebene zusammenhängen müssen, und das stimmt.
    KSMs Antworten bewegen sich im Rahmen der Kompositionskunst/der Musikgeschichte und weisen auf Richtungen und Einflüsse einerseits bzw. auf Neuerungen und einsame „Heroen“ andererseits hin, und das stimmt auch.
    Und JR Worte enthalten die Frage, wie/ob die beiden Ansichten (1. der Einfluss der gegebenen Zeit auf die Kunst und 2. die konkreten kompositionellen Phänomene und ihre möglichen Prototypen/Entwicklungstendenzen) überhaupt miteinander zu tun haben, und die Frage ist auch berechtigt.


    Natürlich ist es recht fragwürdig, in ein paar Sätzen darüber zu sprechen, wie die Welt/die jeweilige Epoche die Kunstwerke prägt. Es gibt nur wenige Zeitalter, in denen die Neuentdeckungen der Kunst an so eindeutig sozial begründete Ideen zu knüpfen sind wie der angehende 20. Jahrhundert mit seinen vielschichtigen Bewegungen, darunter auch mit dem Motto „épater le bourgeois“. Die neuen Stimmen der Musik müssen mit diesen Bewegungen absolut zusammengehangen haben. Und dass die schrecklichen Ereignisse des 20. Jahrhunderts auch in der Kunst nach einem entsprechenden Ausdruck verlangten, ist selbstverständlich.


    Die Frage ist, wie diese Stimmen, wie dieser Ausdruck konkret in den musikalisch-kompositorischen Richtungen ihre Entsprechungen finden. Und hier liegt der Hund begraben. Denn die einzelnen Kunstgattungen haben auch ihre innere Geschichte, die nicht (immer) mit den Begriffen der Epoche korrelieren.


    Das ganze Problemkomplex wird darüber hinaus auch noch dadurch erschwert, dass die „Epochen“ für uns erst nachträglich feststellbar sind (und auch so nur in groben Zügen, vgl. die vielen Diskussionen über die Epochengrenzen usw.), und das bedeutet, dass wir unsere nachträglich aufgearbeiteten Erlebnisse/Eindrücke quasi „zusammen sehen“ und eventuell auch willkürlich verbinden. So können formale und kunstinterne Faktoren und soziale Faktoren als Parallele/Entsprechungen betrachtet und zur Kenntnis genommen/gemerkt werden. Damit prägen wir selber die Epochen ein bisschen für uns selbst.


    Die musikalische Avantgarde und verschiedene Richtungen des 20. Jahrhunderts wirken auf die Hörer so, dass es ihm mit Recht leicht fällt, einen direkten Bezug zwischen Form und epochal bedingtem Inhalt festzustellen.


    Aber die Musik des 20. Jahrhundert ist auch ihren eigenen Gesetzen/Entwicklungstendenzen ausgeliefert und in dem Sinne schillert sie auch in sehr vielen Farben. Ligetis Klavierkonzert, Kurtags Spiele für Klavier, Bartóks Klavierkonzerte, Stockhausens Klavierkonzert: sie sind alle ganz verschieden. Und die letzten Dekade sehen wir noch gar nicht durch, um da von einer „Epoche“ sprechen zu können.


    :hello: KP

    Joseph II.


    Vielen Dank für die Ergänzung - ich wollte nicht draufgängerisch sein, freue mich aber auf die Reaktion. Ich dachte schon, ich hätte diesen Konversationsfaden doch nicht wieder hervorkramen sollen.


    Besonders wichtig war für mich der Hinweis auf Chausson, von dem ich praktisch gar nichts kenne... :O Ist also wieder etwas zum Nachholen.


    Gern wollte ich die Aufmerksamkeit auch auf die Nicht-Oper-Einführungen lenken. Möglicherweise hätte ich einen neuen Konversationsfaden eröffnen sollen. ?(


    Liebe Grüsse
    KP

    Ja, prima - und?


    Hat das zum Beispiel eine Bedeutung, dass die Aufzählung mit den Meistersingern beginnt und mit Hans Sachs (Lortzing?) endet? Soll das als ein Kreis aufgefasst werden? (Dann gilt doch die Hinzufügung "u.v.a." nicht, denn der Kreis ist geschlossen...) Oder ist das zugleich ein subjektives Werturteil?


    Wenn Du Lust und Zeit hättest, könntest Du vielleicht einmal eine von den Aufgezählten auswählen und die Wahl begründen. Subjektiv, versteht sich... Muss nicht sein, ich möchte nicht drängeln.


    Und wenn jemand noch Zeit und Lust dazu hätte, könnte vielleicht die Gattung Ouverture in bisschen in Frage gestellt werden. Insbesondere diejenigen, die als Konzertouverturen bekannt (wenn auch nicht notwendig als solche entstanden?) sind...


    Oder wollen wir das Thema lieber fallen lassen?


    :hello: KP

    Der Startschuss ist gefallen – das neue Schuljahr Jahr hat begonnen -- mindestens bei uns in Ungarn. Hier beginnt das Schuljahr immer am ersten September. Am ersten Sonntag wird in den Kirchen (bei den „Papisten“, wie JR in einem früheren Konversationsfaden dieses Wort aus der Zeit der Reformation wieder auferleben ließ…) Veni, Sancte Spiritus gesungen (mit wunderschönen Gregorian-Sequenzen…).


    Jetzt habe ich aber aus dem Anlass des Semesterbeginns an eine andere Art Musik gedacht, die man den Neulingen zuliebe wieder und eventuell ergänzt zum Chat-Thema wählen könnte: die Ouvertueren (nicht nur die von Opern, sondern auch alle anderen). Sie stellen doch eine interessante Gattung dar. Tamino kennt schon einige Ouverturen, vor allem die von Beethoven. Aber auch Brahms’ Ouverture, die mit ihrem musikalischen Zitat von „Gaudeamus igitur“ besonders zum Schulbeginn passt, hat schon einen eigenen Konversationsfaden. (Hier: Johannes Brahms: Akademische Festouvertüre op. 80 )


    Ouverturen gehören bestimmt zu den besonders abstrapazierten Werken in der klassischen Musik. Mir scheint die Wilhelm-Tell-Ouverture von Rossini der absolute Sieger in dieser Hinsicht zu sein. (Mitsamt von Donald Duck, wie Thomas Pape darauf ergriffen hingewiesen hat, hier: Klassik-Hits in Pop und Rock
    Oder in der nicht weniger ergreifenden... Variante vom Budapest Ragtime Band…., hier: http://www.youtube.com/watch?v=q4zZBVhKPOA …) Welche anderen Ouverture sind noch so ähnlich abstrapaziert?


    Vielleicht könntet Ihr von einer Ouverture, die Ihr besonders gern hört, Einiges schreiben. Oder einige Interpretationen miteinander vergleichen. Oder Eure Lieblings-Konzert-Ouverture angeben.


    Vielleicht kann jemand von Euch von den typischen Ouverturen in verschiedenen Ländern und zu verschiedenen Zeiten auch etwas erzählen. Oder von dem Problem, was eine Konzert-Ouverture einleitet, wenn sie nichts einleitet …



    :hello: KP

    Hallo liebe Diskutierende,


    mit dem Begriff Mode wurde wohl in ein Wespennest gegriffen. Und „Modeströmung“ macht das Ganze noch viel verschwommener.


    Vielleicht könnte man, einfach und naiv angefangen, sagen, Mode wird zu einer gegebenen Zeit innerhalb einer bestimmten Gemeinschaft „gemacht“, indem die Gemeinschaftsmitglieder das gleiche tun (wobei sie nicht immer wissen, dass sie das tun). So ist in der Gemeinschaft einiger westeuropäischen Länder, dass man beim Plattenkauf auf Karajan schwört, oder dass man das und das Reiseziel wählt, oder dass man das und das Modewort oder den und den Laut gebraucht (s. oben auch den Beitrag von „Glockenton“) oder in der Gemeinschaft der Komponisten im 18. Jahrhundert, dass man gern „türkische Musik“ nachahmt (wie JR oben geschrieben hat) usw.


    Das Interessante ist – wie bei allen Begriffen und Kategorien – ab wann man von einer Mode sprechen kann und warum gerade diese Mode zustande kommt.


    In Bezug auf die Frage „ab wann“ könnte man versuchen, zwischen Nachahmung und Mode einen approximativen Unterschied zu machen. Zu viel Nachahmung macht eine Mode. In dem Sinn kann ich, unwissend wie ich im Thema bin, nicht sagen, ob Karajan zum Beispiel in der Gemeinschaft der Dirigenten (a) von einigen nachgeahmt wurde (= Epigonen) oder (b) wirklich Mode gemacht hat. Aber auf jeden Fall muss man zwischen der Gemeinschaft der Dirigenten (Karajan mit einbegriffen) und der Gemeinschaft der westeuropäischen Musikliebhaber unterscheiden, in deren Kreisen wohl eine Mode geworden ist, Karajans Platten zu kaufen und in seine Konzerte zu laufen. Dabei ist es eine wieder ganz andere Frage, ob der Gegenstand der Mode einen richtigen Wert produziert oder nicht. Im glücklichen Fall gehen Modisches und Wertvolles Hand in Hand, allerdings ist das nicht notwendig der Fall. Deshalb kann gesagt werden, dass die Mode einer Art Zufall ausgesetzt ist. In der Diskussion scheinen mir diese Unterschiede (Karajan in der Gemeinschaft der Dirigenten, Karajans Aufnahmen/Konzerte und das Publikum, Karajan und seine interpretatorisch-künstlerische Leistung) sehr verzwickt zu sein (was wohl auch kein Wunder ist...).


    Die Warum-Frage ist auch etwas höchst Interessantes, im Fall der Modeströmungen erst recht, denn wenn „Strömungen“, so könnte man sie in größeren historischen und ästhetischen Zusammenhängen sehen (wie oben u. a. auch JR). Für sie dienen die einzelnen „kleinen“ Moden nur als Daten. Das ist genau das, was Ulli so geistreich formuliert hat: von den vielen subjektiven Quellen gewinnt man das Objektive.
    Zitat:
    Ich nutze die Summe der Subjektivitäten zur Erlangung eines objektiven Bildes...
    (Hier zu lesen: Subjektivität im Klassikforum - ein Privileg )


    Wie das im Falle der Musik aussieht, kann ich nicht einmal „approximative“ formulieren…


    Der Gedanke von KSM scheint mir allerdings in dieser Hinsicht diskussionswürdig/wichtig zu sein:
    Zitat:
    Die Jazz- und Tanz-Euphorie der 20er Jahre kommt mir auch eher wie eine Modeströmung vor, während die gleichzeitig aufkommende 12-Ton-Technik erst in den 50ern wirklich epidemisch wird aber in späteren Konstruktions-Methoden Nachfolge findet und daher weniger eine Modeströmung wäre.


    Ich glaube, genau auf diese Art wird eine konkrete Mode zu einer in größeren Zusammenhängen sichtbaren und beurteilbaren/erklärbaren Strömung. Dass die Erklärung durch gesellschaftlich-historische, sozialpsychologische und kulturelle Prozesse möglich sein kann („die Jazz- und Tanz-Euphorie in den 20er Jahren“) oder innerhalb der einmaligen Entwicklungsgeschichte eines Spezialgebiets möglich ist (12-Ton-Technik in der Musik des Jahrhunderts), spielt für den Begriff Modeströmung wohl keine Rolle mehr.


    :hello: KP

    Das Voting wird immer schwieriger...


    Aber den ersten, den absolut wichtigsten Komponisten des 20. Jahrhunderts auszuwählen ist für mich einfach: Béla Bartók. Ich möchte am liebsten eine lange Liste von seinen Kompositionen aufzählen - dies hat aber JR oben schon getan. So halte ich mich an die magische Zahl drei und nenne drei Werke, die mir sehr wichtig und sehr lieb sind:
    -- die Klavierwerke, vor allem das dritte Klavierkonzert und nicht zuletzt die Stücke des Mikrokosmos
    -- das Concerto, immer und immer wieder
    -- Cantata Profana. Die Geschichte von den neun Zauberhirschen, die erst die Söhne eines alten Vaters waren, die aber zu Hirschen geworden sind, die nur noch in Freiheit leben und aus reiner Quelle trinken wollen. Der Text, der natürlich metaphorisch zu verstehen ist und viel mehr sagt als meine dürftige Beschreibung, wurde von Bartók selbst aus den Texten von rumänischen Kolinden zusammengestellt und übersetzt. In der alten ungarischen Bartók-Gesamtausgabe (SLPX11510) wird ein Teil des Textes von Bartók selbst vorgelesen. Das Stück war ihm sehr wichtig. Ich habe irgendwo gelesen, dass er das als erstes Stück einer Reihe geplant hat, zur Darstellung der vielerlei Verknüpfungen in der Musik der Völker im Karpatenbecken. Wie der Tenor die letzten Sätze singt, wie seine Stimme bei "nur aus reiner Quelle" immer höher und kristallklarer klingt, kann ich nie ohne Rührung hören.


    Nun wird die weitere Wahl für mich aber schwierig. Es wäre leichter, einzelne Stücke zu nennen, die man kennt und mag...
    Aber wenn es sein muss, muss es sein.


    An zweiter Stelle denke ich an Prokofjew, an seine eher avantgardistischen früheren Werke, das zweite und das dritte Klavierkonzert. Aber auch an die Klaviersonaten, aus den dreißiger Jahren, Nr. 6 vor allem.


    Und weil mich in letzter Zeit einige postmoderne Stücke auch angesprochen haben, nenne ich noch György Ligeti, dessen Klaviermusik mir zuerst durch den Rhythmus aufgefallen ist. Ich bin neugierig und möchte noch mehr von ihm hören.


    Und nun können die Gewissensbisse kommen...


    :hello: KP

    In meiner Jugend haben wir in Ungarn sehr viele russische Chöre im Rundfunk gehört. Viel zu viele. Berühmte Ensembles waren das Alexandrow Ensemble, das existiert bis heute, sowie das Moisejew Ensemble, es tritt auch bis heute in vielen Ländern auf. Inwiefern sie echte russische Volksmusik singen, weiß ich nicht, ich habe allerdings Fragezeichen in dieser Hinsicht. Die Kosaken verkörpern nicht nur die russische Seele, sondern auch die ukrainische, ihre gemeinsame Geschichte verbindet eigentlich sehr stark diese jetzt in zwei Ländern lebenden, verschiedene Sprachen sprechenden und auf ihre Selbständigkeit stolzen Völker.


    :hello: KP

    Bartók: III. Klavierkonzert, Violakonzert


    Hallo lieber Travinius, lieber Johannes Roehl,
    ja, Ihr habt das richtig gewusst:


    das dritte Klavierkonzert von Bartók wurde von seinem Mitarbeiter Tibor Serly "beendet", die letzten 17 Takte wurden von Serly instrumentiert.


    Auch das Violakonzert wurde eigentlich von Tibor Serly "komponiert", auf Grund von Themen, Harmonien und Ideen von Bartók, die er in seinen Skizzen zum Werk aufgezeichnet hatte. Der erste Satz wurde von Bartók unmissverständlich und in jeder Hinsicht eindeutig konzipiert skizziert, aber schon die Reprise konnte nicht ganz ohne weiteres enträtselt werden. Was den langsamen Teil anbelangt, die Aufzeichnungen können hier nur noch als eine Art Vor-Skizze verstanden werden. Und die kompositorischen Gedanken zum Finale sind echt unklar. (So meint es György Kroó in seinem Bartók-Führer.)


    Auf dem Krankenbett sagte Bartók zu seinem Arzt: "Mir tut nur leid, dass ich mit vollem Gepäck dahingehen muss." In diesem Gepäck nahm er auch das Geheimnis des Violakonzerts mit, sagt György Kroó.


    :hello: KP

    Von den vielen osteuropäischen Dirigenten sei hier doch mindestens einer erwähnt: der in Ungarn heute auch immer mehr "verblichene" Top-Dirigent János Ferencsik. Seine Diskographie ist hier zu lesen:


    http://www.hungaroton.hu/en/ca…t=&year=&month=&op=Search


    Meine geliebten Platten mit ihm sind:


    http://www.hungaroton.hu/en/node/2569
    Ein kleines Feuerwerk der "großen" Pianistengeneration Kocsis, Ranki,Schiff, Rohmann - im Namen von Mozart.


    http://www.hungaroton.hu/en/node/2150
    Das dritte Klavierkonzert von Bartók - ein mutiges Unternehmen vom jungen Dezso Ranki. Und nicht zu vergessen die rumänischen Kolinden (Christmas Melodien) und die Suite Op. 14 und die Sonatina Op. 15.


    :hello: KP