Zitat von KSM:
"Kannst Du mir Aufnahmen von Kulturgut fernostasiatischer Provenienz empfehlen? Ich fürchte da immer, aufgrund von Ahnungslosigkeit Unseriöses zu erwischen, weshalb ich diese Bildungslücke bislang noch ganz offen gelassen habe (obwohl ich die alte chinesische Kunst von der Shang-Zeit bis ins 18. Jahrhundert liebe)"
Nein, nein – kann ich leider nicht, die Sache war umgekehrt gedacht! (Und ein bisschen auch als Spaß gemeint…Nun sitze ich in meiner Zwickmühle…- Mühlenspiel war allerdings ein schönes Spiel in meiner Kindheit, ich habe es leidenschaftlich gern gespielt.)
Wenn Du mir aber so freundlich geantwortet hast, will ich mir noch einen Versuch mit der „Unverdaulichkeit“ leisten, eine kleine Kostprobe aus meiner musikalischen Muttersprache. Ich habe keine Ahnung, inwiefern diese Art Musik Liebhaber und Kenner mit einem westlichen Kulturgut als Hintergrund aufnehmen und verstehen können/wollen. Aber vielleicht ist das auch eine Probe wert.
Es geht um die Bauernmusik. Ich habe ein paar Beispiele für Dich und vielleicht für andere Neugierige gesammelt, das passt nach meinem Dafürhalten ganz gut zum Thema „verdaulich-unverdaulich“ (weil voraussichtlich für Viele von Euch kaum verdaulich, noch weniger genießbar…)
Und auch zum Thema unseres Wortwechsels passt das insofern, als die ungarischen Bauernlieder vom sog. alten Stil mit ihrer Pentatonik und mit dem Quintwechsel (vgl. B.C. Nagy: Typenprobleme in der ungarischen Volksmusik. Studia Musicologica Academiae Scientiarum Hungaricae, T.2. (1962), 225-266, Infos: http://www.jstor.org/pss/901311 ) interessante und teils wissenschaftlich auswertbare, teils legendär-phantastische Verbindungen zwischen den Magyaren und den Chinesen (und anderen inner-asiatischen Völkern) untermauern helfen.
Auf der ersten Aufnahme =
http://www.youtube.com/watch?v…8F4F4910F2182525&index=74
hörst Du ein solches pentatonisches Lied, ein sehr altes, in der authentischen Singweise vorgetragen. Solche Lieder hat auch Bartók aufgezeichnet. Die Begleitung ist typisch für die Gegend (West-Rumänien, nicht weit von der ung. Grenze), interessant ist, wie die Musiker mit ihren Instrumenten umgehen, besonders auffallend ist die Haltung der Bratsche. Im Ensemble sind zwei Violinen und zwei Bratschen. (Kein Zigeuner-Ensemble aus dem 19. Jahrhundert wie das im operettenhaften Bild über Ungarn bis heute verbreitet ist!!!!!!!!!!!).
Auf der zweiten Aufnahme =
http://www.youtube.com/watch?v=rY4vn_8yROk&feature=related
ist zuerst ein Detail aus einem Archiv-Film zu sehen, der Männertanz mit den gleichen Instrumenten begleitet, und danach folgt noch kurz ein Einblick in die Art und Weise, wie zwei autodidaktische Zigeuner-Musiker die Melodie gelernt und weiter entwickelt haben, der Bratschist spielt auch hier – für einen Zigeunermusiker ganz ungewöhnlich, aber der ungarischen Tradition entsprechend – mit der eigenartigen Instrumentenhaltung und auf drei Saiten.
Die dritte Aufnahme=
http://www.youtube.com/watch?v=1M-hsVpbEvM&feature=related
wurde von einem ungarischen Fernsehsender aufgezeichnet. Das schöne dabei ist der Einblick in ein Volksfest in den letzten Jahren – die gibt es bis heute - und die erfrischende Lebenslust der jungen Leute, die die Figuren und Motive der Tänze ihrer Urgroßeltern und Großeltern noch immer kennen und mitmachen. Ein Stück dabei führt zu der Biertheke, das ist glaube ich überall das gleiche, was hier gesungen wird, ist Zigeunerfolklore, im Hintergrund erscheint dem entsprechend auch eine Bassgeige, aber dann kommen wir zu den Tänzern zurück und in schwarz-weiß werden auch Archiv-Aufnahmen mit eingefügt, um zu zeigen, wie die Tradition weiter lebt. Ich habe diese Mitschnitte und die aufgezeigte Parallele jung-alt-jung für besonders rührend gehalten.
Macht Ihr noch mit? Oder ist das schon lange viel zu unverdaulich geworden?
Nur noch drei KURZE Aufnahmen! (Und weiter klicken kann man ja auch.)
Auf der nächsten Aufnahme =
http://www.youtube.com/watch?v=CDi4j7pBO9w
erscheint als Abwechslung ein Blasinstrument, das Lied ist in mehreren Gegenden in Ungarn bekannt, der Text ist von einem Hirten und seiner traurigen Geschichte. Vielleicht gefällt es Euch.
Auf der vorletzten Aufnahme=
http://www.youtube.com/watch?v=yJ3casEC9vw&feature=related
können Klassikliebhaber eine bekannte Melodie entdecken, der Begleittext ist auf Englisch, also lesbar.
Auf der letzten Aufnahme aus dem Jahr 2006 =
http://www.youtube.com/watch?v=OfTI9Z5gDoU&feature=related
spielt ein hervorragender Zigeunermusiker, mit einer Bratsche begleitet, eine Melodie vom neuen Stil, mit typischen Verzierungen, die einen Brahms oder einen Liszt WOHL auch angesprochen hätten. Ihr könnt bestimmt wahrnehmen, welch andere Musik das ist als die vom älteren Stil. Das klingt vielleicht nicht mehr so unverdaulich – oder doch, aber aus anderen Gründen???
Vielen Dank für die Geduld!
Für diejenigen, die sich dafür sogar – jetzt oder eventuell später einmal – interessieren würden, hier noch ein Hinweis auf eine CD:
http://www.amazon.de/Bartok-Album-Muzsikas/dp/B00005LO1G
KP