Ungarische Pianisten – wenig bekannt
Seit der Liszt-Schule gibt es in Ungarn eine Pianistentradition, auf die wir stolz sein dürfen. Die Liste ist sehr lang. Und neben den großen Namen (Sándor, Földes, Annie Fischer, Kocsis, Ránki, Schiff, Rohmann, Jandó, Vásáry...) lohnt es sich vielleicht, auch die weniger bekannten kennen zu lernen, zumal sie im Musikleben des Landes und in der Fortsetzung der Tradition eine primäre Rolle gespielt haben bzw. spielen..
Weniger ist mehr – in diesem Sinn will ich nur einige erwähnen (und dabei mich bei allen entschuldigen, die ich diesmal nicht aufzähle…).
Zwecks der leichteren Überschaubarkeit versuche ich auch meine Wahlkriterien zu nennen.
1. Neu entdeckte Alte
Erst in jüngster Zeit ist in Ungarn die Pianistin Lívia Rév (Jg. 1916) bekannt geworden. Sie hat 1946 Ungarn verlassen und wurde als klassische Konzertpianistin in der Welt berühmt – bestimmt nicht so sehr, wie sie unter anderen Umständen hätte berühmt werden können. Ihre Aufnahmen sind hier zu überblicken:
http://www.hyperion-records.co.uk/a.asp?a=A153
Nach den ungarischen Musikkritikern sind ihre Chopin-, Debussy- und Mendelssohn-Aufnahmen von besonderer Wichtigkeit. Ich habe eine live-Übertragung ihres Konzerts in Ungarn etwa vor zwei Jahren gehört, da hat sie Schubert gespielt, ganz nach meinem Gefühl.
(Hier wollte unser Tamino-Freund Daniel Behrendt über sie etwas erfahren: Tamino Klassikforum » FORUM für KLASSIK und ROMANTIK » KLAVIERMUSIKFORUM der KLASSIK und ROMANTIK » Mendelssohn-Bartholdy: Lieder ohne Worte)
2. Sehr bescheiden – sehr bedeutend, auch als Pädagoge, aber auch als Interpretator
Der Lehrer der „großen Generation” eines Zoltán Kocsis und Dezsö Ránki, Ferenc Rados ist ein Pianist und Pädagoge, der sehr wenig Aufnahmen hat, auch gab er wenig Konzerte, aber wenn er vors Publikum trat, war das immer eine Sensation. In den letzten Jahren ist er eine bestimmende Gestalt mehrerer Meisterkurse, u. a. in Weimar.
Ich habe seit bald dreißig Jahren eine LP, wo er Schumann spielt – für meine Begriffe immer wieder sehr schön.
Hungaroton SLPX 1208. Jahrgang 1979. Schumann: Piano Sonata in F sharp minor, Op. 11, Abegg-Variation.s, Op. 1, Arabeske, Op. 18.
3. Im Strom der großen Talente mitgeschwommen und mit Erfolg nach etwas Spezifischem gesucht
Hier will ich zwei Namen erwähnen, beide spielen – unter anderem – für das Publikum weniger bekannte Klavierwerke.
Ilona Prunyi hat sich besonders mit ihren Dohnanyi-Konzerten einen Namen gemacht, ich habe sie öfters im Rundfunk gehört. Das Dohnanyi-Piano-Gesamtwerk hat sie inzwischen auf CDs. Auch hat sie andere, selten gespielte Komponisten auf ihrem Repertoire, von William Sterndale Benett bis Christian Sinding usw.
Von folgender Aufnahme habe ich Gutes gehört – ich selber kenne sie leider noch nicht:
Ernst von Dohnanyi: Klavierwerke Vol. 2, aus dem Jahr 2004, Hungaroton, EAN: 5991813219121
István Kassai ist eine interessante Figur. Mir ist er mit einer Platte von Franz Erkel aufgefallen, von Erkel habe ich früher nur seine in Ungarn sehr populären Opern einigermaßen gekannt. Ich wusste nicht, das Erkel selbst – in die Fußstapfen von Liszt tretend – viele Transkriptionen verfasst hat, u. a. auch von seinen eigenen Opern. Außerdem hat er schöne Klavierstücke geschrieben, so im Stil seines Alters (wie etwa Emil Sauer usw.).
Die Platte ist 1991 bei Hungaroton unter Nr. SLPD 31322 erschienen. Ich höre sie gern.
István Kassai spielt gern selten hörbare Musik aus der Zeit der Monarchie, typischerweise hat er auch die unbekannten Erstlingswerke von Bartók auf CD gespielt.
Über die vielleicht bekanntesten Gestalten der jüngeren bzw.- ganz jungen Generation (Dénes Várjon, Gergely Bogányi, Gábor Farkas) will ich vielleicht in einem nächsten Beitrag noch schreiben – damit das nicht doch viel zu viel wird….
KP