Scherchens Aufnahme aus Toronto war natürlich vom April 1965 nicht 1975, da war er ja schon nicht mehr unter uns.
Horenstein habe ich nochmals durchgehört und mit Gielen, dem ich ja eine schulmeisterliche Detailbesessenheit unterstelle, verglichen:
DAS LANGWEILIG NEHME ICH AUSDRÜCKLICH ZURÜCK: Man muss die Aufnahme mehrmals hören!
Horensteins Aufnahme ist vom 29.4 1969, erschienen als DESCANT 02 im Jahre 1982 und dürfte eine der vielen Raubpressungen sein, die von diesem Konzert existieren.
Die Tonqualität ist sehr mittelmäßig. Und dennoch hört man sehr viel. Nämlich, dass alle Nebenstimmen, die bei Gielen und anderen vorhanden sind, eingeebnet wurden.
Daher wirkt die Aufnahme grau in grau und keinesfalls so klangfarbenfroh wie andere Aufnahmen.
Auch "verpennt" er nicht die Tempowechsel, wie ich oben geschrieben habe, er macht sie gar nicht erst.
Horenstein ebnet die dynamischen und Temporelationen einfach ein. So wird der Satz 1 in 20:49 erledigt und er ist damit schneller als Gielen, der braucht 21:43 und dennoch habe ich bei Gielen das Gefühl, das viel viel mehr passiert ist.
Außerdem wird es immer, wenn es schnell werden soll, ziemlich chaotisch im Orchester, da stimmt die Koordination nicht mehr so richtig.
Man höre mal im 1. Satz die Passage, die bei 18:20 (Horenstein) einsetzt. Dickflüssig, undelikat und unsensibel, die Hörner tuten um die Wette, wird da drauflos gespielt.
Dagegen höre man nur mal Gielen (ab 19:30) zu. Die zwei Melodien im Marsch klar erkennbar, sauber gestaffelte Bläsergruppen, die Dynamik fein abgestuft und alles sauber durchhörbar und koordiniert.
Von Scherchen ab 16:45 (Toronto) ganz zu schweigen. Auch in dieser Aufnahme hört man viel mehr von der Orchestrierung und das ist nicht allein der Klangqualität der Aufnahme geschuldet, sondern dem Einebnen aller Besonderheiten.
So wird es grau und grau, eben "das Lied der Nacht".
Aber so wird es Mahler wohl nicht gemeint haben, oder?
Allein der Vergleich der letzten 40 Sekunden des 1. Satzes ist eine Offenbarung und sollte jeden Horenstein Fan zur Verzweiflung bringen.
Oder gar der Anfang des 2. Satzes.....
So kann man die gesamte Sinfonie durchgehen. Takt für Takt.
obwohl mancher Kritiker dieses Werk unter den Händen von Horenstein für ne Sternstunde halten mag, bleibt mir am Ende bleibt die Erkenntnis:
Ich finde die Aufnahme grässlich und nicht konkurrenzfähig. Klanglich nicht, interpretatorisch nicht und deshalb vernachlässigbar.
Dennoch habe ich sie und denke nicht daran, sie zu verkaufen.
Vor ca. 20 Jahren sagte man mir, ich müsse Horenstein mal hören, das sei das Größte. Also habe ich mich an den Rat dieses "Experten" gehalten. Horensteins Aufnahmen (Beethoven 3 und 9, Bruckner 8 und 9, Mahler 6, 7 8 9 und LvD) bilden daher einen besonderen Abschnitt meines Konsumentenlebens.
Sie bilden auch die Erinnerung an einen durch die Zeit getriebenen Dirigiernomaden, der nie heimisch werden konnte oder durfte.
Gruß S