von Alfred
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Zudem stimmt das auch. Für mich gibt es nach 1900 nur vereinzelt Kunstwerke, die ich als solche akzeptiere.Aber generell stimmt Deine Aussage.
Ich hoffe du hast verstanden dass das keine Beleidigung war.
Aber ich gehe, gemäß deiner Aussage, davon aus.
Dass du nur vereinzelt Kunstwerke aus dem 20. Jhdt als "Kunst" bezeichnest, ist aber nicht allgemein so.
Wie gesagt, nur weil es für dich nicht Kunst ist, heißt es nicht, dass es tatsächlich keine Kunst ist.
Du magst es nicht - ist ok für mich,
das heißt aber nicht, dass es keine Kunst ist.
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Ich brauche davon deshalb nichts zu "verstehen", weil ich gewissen "Werken" das Prädikat "Kunst" einfach abspreche.
Das ist - wie erwähnt - dein Problem.
Wenn du sagst, diese Werke seien keine Kunst, ist das für dich so.
Ich persönlich sehe und höre in diesen Werken sehr viel.
Interessant scheint mir aber (entschuldige bitte diese Erwähnung), dass meine präferierte Epoche in der Musik, ebenso wie bei dir, die Wiener Klassik ist und ich trotz alledem Kunst des 20. Jhdts. sehr schätze.
Ich glaube das Problem liegt am Kunstverständnis grundsätzlich:
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In jener Zeit, die mich interessiert, war Kunst stets dazu gemacht , handwerkliches zu übertreffen, zu veredeln.
Naja, die Kunst des 20. Jhdts ist doch rein handwerklich auch sehr anspruchsvoll...ich denke da an Stockhausen...
kein sinnloses Getöne, sondern bewusst gesetzte Noten und Geräusche, Alfred...
Handwerklich gesehen ist die "Klassische Moderne" nichts hinter der Epoche, "die dich interessiert"...
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Dies Kunst steht mir aber nur selten im Weg, hässliche "Denkmäler" etc - daran kann man vorbeigehen und vorbeisehen.
Es gibt nichts "Hässliches" in der Kunst, nur etwas, das man als hässlich wahrnimmt.
Kunst bedeutet Sprache. Kunst will dir etwas sagen, mit dir kommuniezieren.
Wie Mahler sagte: "Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten", oder in den Libretti,
das eigentlich großartige in der Musik, ist das, was man nicht hört, was sich im Kopf abspielt.
Musik ist eine machtvolle Sprache, Kommunikation auf einer Ebene, die der Mensch nirgends sonst erreichen kann,
er spricht in der Kunst das aus, wozu er mit seinem Mund nicht imstande ist:
Tiefe Eindrücke, Gefühle, Emotionen, Geschichten, Zustände und dergleichen.
Kunst bedeutet nicht Schönklang.
Kunst ist nicht dazu da, sich schön oder hässlich auszudrücken, sondern genau so, wie sie sein muss.
Sogenanntes "Hässliches" ist nicht hässlich, wenn man versteht was das vermeintlich "hässliche" dir sagen will.
Musik, Bildnerische Kunst, Architektur,...
all diese Dinge sind im Wesentlichen deshalb so großartig und spannend, weil der wichtigste Teil des Werkes eben nicht sicht- oder hörbar ist.
"Das Glücksgefühl ist in der Seele zu Hause", wie Demokrit sagt.
Verzeih mir Alfred, aber was würde denn Kunst zu etwas Besonderen machen, wenn sie nur Ausdruck des Könnens von Komponisten und Malern und Architekten wäre?
Kunst ist dann Kunst, wenn sie Sprache ist, wenn sie dir etwas sagt.
Das Hören eines schönen Klanges oder das Lesen der Noten zeigen zwar das handwerkliche Geschick der Komponisten, aber nicht die Botschaft und die Sprache des Werkes.
Hierfür ist es nötig in das Reich der Träume und Fantasien abzutauchen,
damit man die großartige Botschaft des Werkes bewundern und es gänzlich genießen kann.
Und da zeigt sich eben, dass jeder Mensch das anders wahrnimmt.
Die Musik teilt sich jedem anders mit.
Um auf dein Beispiel mit dem Libretto (Palast - UBahn-Bahnhof) zurückzukommen:
die Geschichte einer Oper spielt sich nicht im Libretto ab.
Die Sprache und die Botschaft der Oper sind nicht im Libretto zu finden,
sondern in der Musik.
Und dieser Wesenskern der Oper wird nicht im Geringsten zerstört, wenn man die Oper in eine andere Zeit verlegt.
DIe Musik, die entscheidende Sprache, die entscheidende Botschaft-Trägerin, bleibt erhalten.
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Die traditionelle Oper bedarf keiner Toleranz,
nein, das sagte ich auch nicht,
aber es bedarf Toleranz gegenüber jenen, die Interpretationen vom Regietheater gerne sehen und hören.
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Was bedeutet das Wort Toleranz eigentlich ?
"Toleranz bedeutet der Meinung des Andersdenkenden mit Respekt und Fairness zu begegnen, da der Mensch aufgrund seiner beschränkten subjektiv wahrnehmenden Intelligenz nicht imstande ist zu sagen, welche Auslegung der Dinge richtig oder falsch ist.
Die Freiheit jedes Menschen hört dort auf, wo sie die Freiheit eines anderen Menschen einschränkt. Dort beginnt die Intoleranz."
Dass das Regietheater sich oft intolerant verhält ist kein Geheimnis,
Flammen mit Flammen zu bekämpfen ist dann doch eher stumpfsinnig.
Ich werfe dir Intoleranz hinsichtlich der Tatsache vor, dass du all jenen, die (gelegentlich) Regietheater sehen, mit Schimpf und Schande begegnest.
Diese Intoleranz gegenüber diesen Hörern, ist eine Einschränkung ihrer Freiheit, Regietheater zu sehen.
von Wolfram
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Die Gegner guten, intelligenten und schöpferischen Regietheaters sind die geistigen Nachfahren derer, die 1913 bei der Uraufführung von Stravinkys "Sacré du printemps" das Geniale, Revolutionäre, Singuläre dieser Musik nicht verstanden und es bei weitem vorgezogen hätten, wenn Stravinskiy nette Musik im Stile von Tschaikowsky (oder besser noch Gluck) geschrieben hätte. - Die tief verwurzelte existenzielle Unsicherheit dieser Gegner ruht nämlich unter einer hauchdünnen, wenngleich mühsam erkämpften (und darum heftig verteidigten) Schicht äußeren Anstands (der bei der UA allerdings fallengelassen wurde) und kaum tief reichenden Welterklärungsversuchen. Diese Schicht ist so verletzlich, dass jede Infragestellung des einfachen selbstgestrickten Weltbildes als existenzieller Angriff auf die eigene Persönlichkeit erlebt wird. - Die dabei freiwerdenden Energien führen jedoch nicht zu einer Hinterfragung des eigenen primitiven Weltbildes, sondern richten sich in Form von Aggression gegen den Anlass der subjektiv wahrgenommenen Verletzung.
Das wollte ich damit sagen.
Man muss seinen Horizont erweitern, muss erkennen, dass Kunst nicht Schönklang bedeutet, sondern Sprache ist,
Und die Sprache ist unparteiisch, gerecht.
Sie redet mit Schönem und Hässlichen, sie ist gerecht.
Gruß