Beiträge von peet

    @ Oliver


    Das ist eine schöne Frage. Für die unbekannte Musik brauchst du einen Anlass, um einzusteigen. Erst wenn du sie einmal gehört hast, kannst du sagen, ob sie dich angesprochen hat oder nicht.


    Für die Musik, die dich nicht angesprochen hat, brauchst du mehr Anstrengung, in der ersten Linie Zeit und Lust. Nichts erzwingen. Es ist deine Entscheidung, ob du das willst oder nicht. Vielleicht bleibt es Jahre liegen, bevor es plötzlich kommt, die Funke der Einfühlung. Oder durch Lektüre, durch den Meinungsaustausch, durch verschiedene Konzert- und Aufnahmeerfahrungen. Für Bruckner brauchte ich in meinen jungen Jahren zwei-drei Jahre, für Sibelius 5-7, es ist sehr individuell, hängt von der Umgebung ab. Von Erfahrungen der anderen kannst du auf dich nicht unbedingt schliessen.


    Gruß

    Nachdem gerrit seine Pauschalisierung zurückgenommen hat, kann man ja ruhig wieder über Argumente reden ( die Richard für überzeugend hält*). Daß Moderation seinen rüden Ton als solchen duldet, ist nicht mein Problem. Ich bin schliesslich nicht sein Therapeut.


    Also. Es stehen im Raum drei Behauptungen.(1) Laut gerrit sind Tempi des Solisten und des Dirigenten im gesamten Ablauf der Aufnahme unterschiedlich. Alles fällt restlos auseinander. (2) Laut seinem ersten Pinguin-Zitat liegen unterschiedliche Tempi beim zweiten Thema des Finalsatzes. (3) Laut seinem zweiten Forenzitat bestehen Unterschiede in der Tempoauffassung für zwei ersten Sätze und es wurde eine Einigung im Finalsatz erreicht.


    Diese drei Argumente stehen im Widerspruch zueinander und schliessen einander aus.


    Dem sei noch ein viertes Argument nachgeschickt. Laut Richter selbst besteht ein Unterschied in der Auffassung eines Auftaktes innerhalb des zweiten Satzes (seine Tagebücher), die einen grundsätzlichen Wert hat. Laut Richter besteht Karajan auf seiner Auffassung nicht nur bei der Aufnahme mit ihm, sondern auch in anderen Aufnahmen - mit anderen Pianisten. Aus dieser - hier nicht wortwörtlich wiedergegebenen - Meinung Richters folgt, er war nur und ausschliesslich mit einem Moment im zweiten Satz unzufrieden (wobei kein Laie diesen Unterschied merken würde - ohne Pinguin sowieso :-) Der ausserst selbstkritische Richter hätte sich bei der Erwähnung der Aufnahme gegeißelt, wenn unsere Pinguine Recht hätten.


    Statt weitere Pinguine in den Kampf zu schicken, wäre es angebracht, genaue Stellen zu benennen, wo in der vorliegenden Aufnahme gravierende Mängel vorliegen, die den Begriff "katastrophal" zulassen. Konkret pinguinisieren, sozusagen.



    * @ Richard
    Eine "Meinung" muss man nicht nachweisen, sie darf aus dem Bauchgefühl sein. Eine Feststellung, ein Werturteil ist keine "Meinung". Das Argumentieren bei der Kunstbeurteilung ist für Laien schwer und artet oft in die Pauschalisierung aus, da eigenes Gefühl für Maß aller Dinge genommen wird, der Umgang mit Zitaten nicht gelernt ist und die Dialogfähigkeit oft rudimentär.
    Da bleibt nur Geduld. :-)

    Zitat

    Original von Richard


    Mir gefällt diese Aufnahme auch NICHT! :evil:


    Hi Richard,


    das ist eben dieser Unterschied in der Formulierung. Wenn du sagst, diese Aufnahme gefällt dir nicht, bleibt es deine Meinung, die ich gerne respektiere. Ich kenne Aufnahmen, die mir mehr gefallen, übrigens auch. Diese aber als "katastrophal" zu benennen ist ein Witz, weswegen folge ich deinem Gebot weiter. :-)


    Gruß

    Zitat

    Original von ThomasBernhard


    Gerrit sprach ja davon, daß die Zusammenarbeit Karajan/Richter katastrophal sei, im Schlußsatz verweigert Richter auch hörbar Karajan die Gefolgschaft, nur finde ich, daß es in dieser Aufnahme auch wunderschöne, lichtdurchflutete Stellen gibt, wenn auch "der große Bogen" im ersten Satz zusammenbricht. (ist aber auch ein naturgemäßes kompositorisches Problem bei Tschaikowsky 1)


    Gerrit, du bist nicht allein! Ncht nur die Katastrophe bei Karajan/Richter, sondern auch "ein "naturgemäßes kompositorisches Problem bei Tschaikowsky" wurde soeben bestätigt. Du führst 2 gegen den Rest der Welt! Bald wird deine Meinung siegen! Ohne Zweifel! *g*


    P.S. Nikolaj Rubinstein war übrigens auch der Meinung!

    Zitat

    Original von Gerrit_Stolte


    Wenn Du nicht nicht hörst,


    Beruhige dich, gerrit, das ist zu kompliziert für dich. :-)


    "Tempi von Solist und Orchester sind verschieden" - wenn ich diese Aufnahme nicht seit meiner Kindheit auswendig gekannt hätte, wäre ich daran sehr interessiert, so etwas Phänomenales von Karajan und Richter zu bekommen. Das wäre ein Kunststück, ein Sammelstück, eine Rarität für Liebhaber.
    Und siehe, das stimmt nicht, das ist einfach noch eine Perle von gerrit, auch ein Sammelstück, nur mit neuen Ohren.


    Gerrit, normale Menschen lieben diese Aufnahme, z.B. hier


    Böse schreiben musst du auch noch lernen, solange Moderatoren es dir erlauben.


    :hello:

    Zitat

    Original von tastenwolf
    (das ist doch auch widerlich - genauso wie die dummen Dur Schlußakkorde bei Hindemith...)


    Hallo!


    Ich muß diese Schnulze unterbrechen, macht nichts. Wieso denn sind die Schlussakkorde bei Hindemith dumm?


    Gruß

    Ein richtiges tohuwabohu ist es ja.


    Was soll an der Richter-Karajan-Aufnahme denn katastrophal sein? Klar, ist die Ancerl-Aufnahme temperamentvoller, die Karajan-Aufnahme ist trotzdem eine gut ausgeglichene, zurecht sehr populär gewordene.


    Die Behauptung, warum Richter einige Klavierkonzerte nicht eingespielt hat, ist falsch. Richter hatte keine Macht, selbst zu entscheiden, was wann er aufnimmt. Er lebte halt in anderen Verhältnissen. Das nur am Rande.


    Und zuletzt finde ich großartig, daß der erste Satz des Werkes selbst gerade noch langweilig bezeichnet wird, es hätte schlimmer werden können. *g*


    Gruß

    Vollkommen einverstanden. Krips' Mozart steht für mich direkt nach Böhms (weil eben dunkler, männlicher - gut beschrieben!). Ich wollte nur darauf hinweisen, daß Klemperers Mozart woanders ist... Ich vermute, eher Furtwänglers Mozart wäre Klemperers ähnlich - dämonisch, explosiv.

    @ Theophilus & Alfred


    ich glaube, durch unseren Austausch hat sich das Bild schon ein wenig mehrdimensionaler geworden, das wäre mir Recht. :-)


    Klemprerers Mozart werde ich mir bei Gelegenheit vornehmen, ok.


    Mahlers Zweite muß länger auf mich warten. Trotz der Begeisterung aus manchen Quellen aus 30er bleibe ich vorerst mit Klemperers Vierten, wie gesagt, genug bedient.


    Individuell gegen stiluntreu bleibt ein schwieriges Begriffspaar. Die Stilverzerrung haben wir festgestellt, es ist auch bekannt aus der Literatur. Gigant, Titan, Monolith etc. - das sind Beschreibungen, die beides meinen, mal positiv mal negativ. Wenn aber alle Komponisten hinter diesen Gemeinsamkeiten ähnlich werden, was dann? Ich meine, die Unterschiede wären bei Stokowski deutlicher, und das soll schon was heißen. :-)


    Notentextfixiert gegen individuell wäre dann ein anderes Begriffspaar. Die Methode Klemperers ist erkennbar - er mischt sich wenig in die Tempobereiche, dafür sehr viel in die Klangfarbe. Ich frage mich, wo findet da die Probenarbeit statt? Es ist mehr die Wirkung der Persönlichkeit, einer starken, düsteren, in sich verschlossenen Figur. Gibt es in diesem Sinne, von euch angesprochen, Aufnahmen Klemperers aus frühen Jahren, die etwas mehr bringen?


    Gruß


    P.S. Krips würde ich eher mit Böhm vergleichen als mit Klemperer, oder?

    Zitat

    Original von Theophilus
    Ausserdem bleibt es dir unbenommen, hin und wieder eine Klemperer-Aufnahme zu hören. Vielleicht kommt einmal der Zeitpunkt, wo du etwas an ihm findest. Nur eines solltest du nicht tun: ihm seine Individualität absprechen, das geht bei Klemperer entschieden zu weit!


    Hallo Theophilus,


    danke für deine Antwort, sehr wohl habe ich genug zu tun, und wenn ich über mein "Unbehagen" schrieb, dann war es eine Übertreibung.


    Der Hintergrund für meine Einmischung in diesem Thread war es, daß ich bei gewissen Aufgaben mir immer wieder aufzwang, Klemperers Aufnahmen zuzulegen und anzuhören. Mit dem selben Resultat, sie als stiluntreu, notentextfixiert abzutun. Auf diese Weise war es für mich - im Sinne von der Zielausrichtung - eine verlorene Zeit und Muße. Konkret zuletzt - Sechste von Tschaikowski sowie Vierte von Mahler. Ich streiche Klemperer aus meiner Liste der ganz großen Dirigenten, da ich sonst keine Argumente mehr bekomme.


    Erklärungen von Alfred bleiben mir einleuchtend, nur ungenügend. :-) Interessant wäre dementsprechend zu vergleichen, wie anders oder ähnlich die "Energetik" von Klemperer und Solti wirkt...


    Gruß

    Das hast du gut gesagt, und im Allgemeinen stimme ich dir zu. Nur nicht bei Tennstedt. :-)


    Schön, daß du Mengelbergs Vierte würdigst, aus meiner Sicht die beste existierende Aufnahme des Werks. Im Vergleich dazu, wie auch zu den anderen wenigen Referenzaufnahmen (Horenstein, Bernstein, Walter, Rattle), sieht Tennstedts Version nicht besonders überzeugend aus. Sie ist nicht schlecht, nur würde ich sie nicht zu den Besten zählen.


    Gruß

    Zitat

    Original von ThomasBernhard
    Fazit: Daß Wand ein wirklich großer Brucknerdirigent war, das bezeugen beide Aufnahmen,


    Hallo Markus, bist du sicher, daß du deine Behauptung auch bewiesen hast? :-)


    Gruß

    Du zitierst Details, auf die ich verwiesen habe, selbst. Ich habe Fehler im Zusammenspiel genannt - das bedeutet, einiges klingt nicht zusammen, mit anderen Worten, der Dirigent hat diese Studioaufnahme bewilligt, ohne daß es ihn gestört hat. Und ich habe konzeptionelle Mängel erwähnt, das bedeutet: Tempi von Sätzen bliden - für mich - keine klare Linie im Bezug auf die Partitur, insbesondere der schnelle bis sehr schnelle erster Satz und der hopsende Finalsatz.


    Ausserdem habe ich nicht über Kritiker mokiert, sondern auf die Einbeziehung des Publikums als einziges Argument.


    Ist es jetzt deutlicher? :-)


    Gruß

    Das präzisiert mein Unbehagen noch einmal mehr: Ich gehöre zur Böhm-Fraktion nicht, und doch habe seine Vorteile ausführlich aufgezählt, als eine Diskussion im Forum ausbrach.


    Über Klemperer wird kaum gestritten, als wäre seine Kunst ohne Nachteile. Das ist ein sicheres negatives Zeichen in diesem Sinne. Wie viel teilen sich die Geister über Furtwängler, Toscanini etc.! Wie wenig hier...


    Gruß

    Zitat

    Original von bubba
    Gould ist mir nicht nur wegen seiner direkteren Art lieber, er spielt auch noch viel 'polyphoner' (gibt es das Wort?).


    Hallo bubba,


    ich glaube zu verstehen, was du meinst. Gould hat mit seltener Deutlichkeit das Individuelle der verschiedenen Stimmen herausgezaubert, insbesondere am Beispiel seiner Inventionen kann man das gut hören. Für Perahia ist eher die gesamte Vertikale wichtiger - so empfinde ich seine Klavierkonzert-Aufnahme. Unterschiede zwischen den beiden Bach-Interpretationen würde ich nicht qualitativ messen, sondern im Blick auf Bach beides zulassen. Es kann gefallen oder nicht, beides ist richtig.


    Gruß

    @ Alfred


    Danke für deine Antwort, das leuchtet mir ein.


    Nebenbei gemerkt, es ist bezeichnend, daß für Böhm mehrere Argumente und Erklärungen kamen, für Klemperer nur persönlich gefärbte Glaubensbekundungen.

    Ich wäre an Argumenten zugunsten der hohen Bewertung der Kunst Klemperers sehr interessiert. Ich kenne viele seine Aufnahmen und finde an ihm nicht viel. Mir fehlt die Individualität, das Persönliche. Alles ist bei ihm richtig, kraftvoll, deutlich gepackt. Und doch...
    Sein Mahler ist im Vergleich zu Horenstein oder Mengelberg geradlinig, geradeaus, im Vergleich zu Solti weniger emphatisch. Sein Brahms oder Tschaikowski verlieren genauso beim Vergleich mit Furtwängler/Toscanini oder Fricsay/Celibidache. usw.


    Wer kann Klemperer verteidigen? :-)


    Gruß

    Zitat

    Original von MStauch
    Ich kann mich der allgemeinen Einschaetzung von Perahia hier imthread nur anschliessen.


    Seltsam. Bin ich im selben Forum? Eben hatte ich mich deutlich für die hohe Bewertung und Hochschätzung seiner Kunst geäußert.Willst du deine Abneigung per Abstimmung durchsetzen?

    Ich würde Perahia mit heutigen Sportsfreunden vergleichen, nicht mit Richter. Vom Charakter her ist er auch für mich eher ein Gentleman, und das ist in meinen Augen ein Kompliment, heutzutage eine seltene Erscheinung.


    Ich liebe seinen Mozart sehr und schätze seinen Bach.

    Ich glaube, Richard, es ist eher die andere Transparenz - eben typisch Pletnev. Alles schön durchsichtig, neutral gefärbt, fein artikuliert und doch nichts sagend.


    Transparenz als Gegenpol von Leidenschaft, Wucht, Intensität.


    Oder meinst du anders?


    Gruß

    Zitat

    Original von Theophilus
    <...> Deine These von ihrer enormen Ausdrucksstärke würde ich nicht unterschreiben, nicht das sie ausdrucksarm wäre, aber von einer Maria Callas ist sie Welten entfernt (und wird von einigen anderen deutlich übertroffen). Ein letztes Beispiel dazu: wenn ich eine Arie von ihr nach zwei oder drei Jahren wieder höre, ist es eine kleine Entdeckung, denn ich habe sie irgendwie vergessen. Wenn Maria Callas SPRICHT: E avanti a lui tremava tutta Roma!, dann vergisst du das dein ganzes Leben nicht....


    Zu deiner zweiten Frage kann ich nur sagen: ich führe zwar keine Statistiken, aber nach dem, was ich bislang aufgeschnappt habe, scheint es so zu sein. Außerdem verstehe ich deine Trennung nicht ganz. Pädagogen sind alle ehemalige SängerInnen, werden also nicht sonderlich unterschiedlich bewerten. Reine Liebhaber delektieren sich sehr oft mehr an ästhetischen Gesichtspunkten, die Professionisten betrachten das Ganze etwas nüchterner: wie ist die Stimme und was macht der Sänger daraus. Bei der Callas hören sie ein problematisches und technisch schwer beherrschbares Instrument, dem sie eigentlich Unglaubliches abringt. Und über den Ausdruck gibt es ohnehin keine Debatte. Natürlich wird kein Pädagoge seinen Schülern empfehlen, sein Instrument á la Callas zu verbrennen, aber sie respektieren mehrheitlich die außergewöhnliche Leistung.


    Es freut mich, Theophilus, daß du auf meine Fragen eingehst (man muß sich regelrecht für gute Manieren bedanken, sonst merkt man den Unterschied zu schlechten nicht :-)


    Zu Tebaldi versus Callas kann ich dir gerne spiegeln, daß ich anhand einigen Beispielen durchaus über die Ausdrucksstärke der beiden Sängerinnen reden kann, ohne sie mir wieder anhören zu müssen. Das beste Beispiel, das ich immer verwende, ist die Pace-Arie. Der Ausdruck ist bei den beiden da, wird aber unterschiedlich erreicht - mich persönlich überzeugtTebaldi viel mehr. Sollen wir über Details hier reden?
    Und ich bin dir gerne bereit zuzustimmen, wenn es andersrum um Tosca geht, da ist Callas überzeugender. Eben zwei verschiedene Typen des italienischen Gesanges, nur würde ich sie ebenbürtig sehen, nicht unterordnet. Was ist in diesem Sinne der Ausdruck? Ist es denn nur die schauspielerische Übertreibung oder geht es mit minimalen Effekten? Ist es mehr immer stärker? Oder geht es auch anders? usw.


    Zu Gesangspädagogen. Ohne jetzt daraus eine längere Diskussion machen zu wollen, merke ich doch, daß es um ein Mißverständnis geht. Ich würde nie einem Gesangsstudierenden Callas als das Vorbild empfehlen.In meinen Augen wäre das ein didaktischer Fehler - sowohl vom Umgang mit eigener Stimme her als auch mit dem Repertoire. Der gewaltige Druck, mit dem sie ihre Stimme erpresst, ist kein gutes Vorbild für Schüler. Man kann gewiss viel von ihr lernen, aber nicht als das Vorbild. Dagegen sind solche Sängerinnen wie Tebaldi und Scotto gerade prädestiniert als das Vorbild zu dienen. Bei denen kann man lernen, da sie dem Typus, der Tradition entsprechen. Callas ist eine berauschende Ausnahme. Noch einmal also - in der Eigenschaft eines Gesangspädagogen wäre es unverantwortlich sie so zu loben, wie ein Zuhörer es tun würde.


    Viele Grüße