Beiträge von Luis.Keuco

    Ich habe die Bruckner-Box. Da kann ich nichts dran aussetzen.
    Ob man das mit den Klarsichthüllen gut findet oder nicht, ist abhängig vom a) ästhetischen Empfinden und b) vom Geldbeutel.


    Zu a) Ich findees auch schöner, wenn man schönere Hüllen hat
    Zu b) Wenn ich mich nicht mehr groß für die Werkgeschichte interessiere, weil ich schon ein paar Einspielungen mit Booklets etc habe, dann wäre mir das egal.


    Davon abgesehen sind das hervorragende Einspielungen.


    PS. Entschuldigung, dass ich das hier und nicht im neuen Thread gepostet habe.

    @Joseph II:


    Kauf dir doch gleich die Karajan-Gesamtbox, da ist alles drin und günstiger als alle Teile einzeln.


    Im Übrigen bin ich überrascht, wie sehr hier Mahler-Standardaufnahmen im Rampenlicht stehen. Sogar der Lullist steigt jetzt auf Lenny um :stumm: :untertauch:.


    Wünsche euch viel Spaß damit. :hello:


    Ich habe mir ja vorgenommen, dieses Jahr so gut wie nichts zu kaufen und dafür mehr zu hören. :pfeif: :angel:

    Lieber Titan,


    schöner Name übrigens, ist meine Lieblings-Sinfonie.


    Der von dir zitierte Absatz kam in mir, und das finde ich interessant, auch erst dann vom Hirn in die Finger, als ich die einzelnen Statements bis zu dem Zeitpunkt nochmal durchgegangen bin. Und Begriffe wie "Koscher Nostra" haben in meinem Verständnis ein Gschmäckle. Damit will ich keine vorsätzlichen antisemitischen Tendenzen unterstellen, vieles entsteht ja ohne langes Überlegen. Und doch zeigen solche Begriffe genauso wie deine geschilderte Anekdote, dass Antisemitismus bzw eine besondere Betrachtungsweise bestimmter Minderheiten noch durchaus gesellschaftlich verankert sind, nicht im Sinne einer gewollten oder geforderten Diskriminierung, sondern als Teil eines allgemeinen Verständnisses.
    Vor Kurzem blätterte ich im Buch Jüdisches München und fand dort in Bezug auf die SPD-Regierung Kurt Eisners (ja, das gab es, dass Bayern von der SPD regiert wurde) eine Aussage Thomas Manns, wonach es nun doch zu viel werde mit den Juden in München. So wurde halt gedacht und gesprochen damals. Heute, nach dem Dritten Reich, frage ich mich, ob man nicht ein klein wenig mehr Sensibilität walten lassen kann. Man kann sich meiner Meinung nach auch nicht auf (gern jüdische) Autoren berufen, von denen man dies oder das übernommen hat. Auch Paul Celans Aussage "Der Tod ist ein Meister aus Deutschland" wird ja erst im Kontext der Todesfuge und dem damit verbundenen Bezug zum Holocaust verständlich und wäre sonst ein billiges Vorurteil. Und das Argument "man wird ja wohl noch sagen dürfen", dann gern gepaart mit "mein bester Freund ist auch Jude/Türke/schwarz" etc, ist schlichtweg lediglich die rechtliche Gegenüberstellung von Art. 3 (Gleichheitsgrundsatz) und Art. 5 (Meinungsfreiheit) GG, also der Versuch, mit dem recht auf freie Meinungsäußerung ein Einschränkung der Grundrechte ("Alle Menschen sind vor dem gesetz gleich") einzufordern.
    Ich finde einfach, dass man ein bisschen zurückhaltender sein sollte, was die Unterstellung bestimmter Seilschaftstheorien angeht, bzw sollte man realistischer sein und einsehen, dass es ohne Seilschaft (neudeutsch: Network) nicht geht. Da wird heute keiner mehr was, nicht mal Pförtner.


    Was meine Aussage zu Juden im Kulturbetrieb angeht, so meine ich das nicht im Sinne eines "positiven Vorurteils", sondern als schlichte Tatsache. Es ist einfach die Zahl jüdischer Künstler, auf die ich hinweisen wollte. Ob das nun Maazel, Gielen, Leibowitz, Leinsdorf, Busch oder Klecki sind oder Solti, Walter, Klemperer, Reiner, Zinman oder sonst wer: Ich wollte damit lediglich zum Ausdruck bringen, dass man sich bei antisemitischen Äußerungen überlegen sollte, wen man damit trifft und auf wen man in letzter Konsequenz verzichten müsste, wollte man auf die "jüdische Mafia" tatsächlich verzichten, da sie ja nur durch Vitamin B und logenartige Diensterweisungen zu dem gekommen sein soll, was sie ist.
    In diesem Sinne war auch mein Beispiel mit dem Basketball gedacht. Man kann keine Vorschriften zur Hautfarbe der Sportler machen, wenn man gleichzeitig Spitzensport sehen möchte.


    Ich habe viel Freude an den Diskussionen im Forum und lese hier sehr differenzierte und interessante Beiträge. Deshalb bestürzt es mich geradezu, wenn dann dazwischen solche Plattitüden geäußert werden und die einen (Barenboim) aufgrund ihrer Religion ebenso in eine Ecke gestellt werden sollen wie die anderen (Thielemann) wegen ihrer Frisur oder irgendwelcher fragwürdiger Aussagen und die dritten (Furtwängler) völlig sakrosankt lediglich aufgrund ihrer künstlerischen Verdienste auf einem Sockel stehen und Politik bei ihrer Bewertung nichts zu suchen hat.
    Es lässt sich so schön über Musik schreiben, da muss man nicht im hintersten Kellerwinkel nach Gründen suchen, weshalb man einen Künstler nicht gut findet.


    Ich hoffe, ich konnte meinen kleinen Ausbruch damit verständlich erläutern.
    Ich wollte hier niemand persönlich angreifen, der sich auf die msuikalische Diskussion der Frage beschränkte.


    Grüe
    L


    Ich lasse diesen Beitrag als abschließendes Statement zu Titans aufgeworfener Frage stehen und bitte alle Diskutanten, dieses Thema nicht weiter zu verfolgen und zum Thema Daniel Barenboim zurückzukommen. TP

    Ich denke schon, dass das erlernte Instrument die Interpretation beeinflusst.
    Und es ist sicher richtig, dass man sich ein bestimmtes Instrument aussucht, dass einem charakterlich nahe ist.
    Bekannte Dirigenten spielten/spielen ihre Instrumente ja nicht hobbymäßig, sondern waren ja meist auch recht gute, studierte Solisten bzw Musiker am jeweiligen Instrument. Und so, wie ein Streicher eben eher auch in der Gruppe übt (Orchester, Kammermusik), spielt ein Pianist eher allein. Der eine bewertet den Klang somit eher aus der Masse heraus, der andere eher aus der Sicht eines Solisten. Zum Klavier ist dabei zu sagen, dass es ja so eine Art Grundvoraussetzung für Musikstudenten bzw für Dirigenten darstellt. Der Korrepetitor an der Oper spielt ja in den Proben die PArtitur auf dem Klavier, wenn nur mit den Sängern geprobt wird. Gute Pianisten sind somit vermutlich die meisten Dirigenten. Sehr gute Pianisten (also solche, die auch solo auftreten) sind eher wenige. Die denken dann aber wohl ein bisschen mehr als Pianisten, also vom Soloinstrument aus, als ein Bratscher oder ein Kontrabassist.

    So ganz wird die Darstellung, wonach Karajan ja quasi zum Erfolg gezwungen wurde bzw eigentlich wenig dafür tat, seiner Leistung nicht gerecht.


    Karajan war gerade im Bereich Tonaufzeichnung wegweisend. Seine ersten Aufnahmen in stereo von 1958 (Ein Heldenleben) klingen besser als viele DDD-Aufnahmen der letzten Jahre. Er war immer um höchste Qualität der Aufnahmen bemüht.
    Und auch für ihn gilt, dass man erst ganz nach oben kommen muss, um dann aus den Vollen schöpfen zu können. Trotz durchaus vorhandener Konkurrenz brachte er es immerhin fertig, auch einen Großteil der Taminos über die LPs der Eltern für klassische Musik zu begeistern und somit für Kultur zu sozialisieren. Wo ist denn auch hier die große Konkurrenz? Auch 50 Jahre später gibt es wenige Einspielungen von Beethovens Sinfonien, die als hochwertiger als der Karjan-Zyklus aus den 60ern bewertet werden. Er war zudem ein grandioser Operndirigent. Wo sind denn seine angeblichen Schwächen? Dass er einen breiten, brillianten Streicherklang schätze? Das ist Ansichtssache, aber keine echte Schwäche.
    Ihm vorzuwerfen, er habe sich nicht wie Scherchen der Moderne geöffnet, ist aus meiner Sicht wenig hilfreich. Wo steht denn geschreiben, dass man zeitgenössische Musik spielen muss? Davon abgesehen: Strawinsky, Schostakowitsch etc, etc waren doch Karajans Zeitgenossen! Dass er eben das Glück hatte, mit solchen "Klassikern" leben und arbeiten zu können, dafür konnte doch er nichts. Und Scherchen weiß wohl selber, dass man eben nicht für jedes zeitgenössische Werk die BPO zur Verfügung gestellt bekommt. Wenn man gern Uraufführungen macht, muss man eben auch bereit sein, Abstriche zu machen. Hatten den die Komponisten früherer Jahre immer nur Spitzenorchester bei der Uraufführung ihrer Werke zur Verfügung?
    Schließlich sein Privatleben: Der eine hat eine Yacht und ein Flugzeug und eine schöne Frau und zeigt das nicht rum, der andere tut es. Ist das deswegen verwerflich? Ist jemand ein schlechterer Musiker, weil er seinen materiellen Erfolg zur Schau stellt? Oder sind die Bonos dieser Welt besser, die ständig Hilfe für die Dritte Welt einfordern, aber durchaus noch ein paar Milliönchen für schlechte Zeiten auf der Bank liegen haben?

    Ich denke schon, dass ein guter Dirigent ein Orchester weiterbringt. Wie beim Fußball muss man aus vielen Einzelkönnern ein Team bilden, dabei Stärken und Schwächen berücksichtigen und Entscheidungen treffen, wie ein Stück am besten klingt. Wenn die Musiker so vor sich hin spielen, sind sie mitunter ja so konzentriert, dass ihnen Fehler bzw Unregelmäßigkeiten vielleicht gar nicht so auffallen.Der Dirigent soll aus Tönen Musik machen.
    Problematisch wird es aus meiner Sicht dann, wenn ein Dirigent meint, ein Werk verschlimmbessern zu müssen bzw seine Philosophie an einem Werk zu verwirklichen. Ob man ein Stück schneller oder langsamer spielt, bzw Tempoangaben des Komponisten nun enger oder weiter auslegt, ist eine Sache. Komplizierter wird es, wenn man Notenwerte verändert, ganze Passagen völlig anders als angegeben spielt oder eben die eigene subjektive Idee von Musik einbringen möchte. Irgendwer (Glockenton?) hat doch diesen Harnoncourt-Spruch stehen: "Eine Note muss immer wissen, woher sie kommt und wohin sie geht" (oder so ähnlich). Das finde ich schon grenzwertig, weil ich nicht sicher bin, ob auch der Komponist zu jeder Note lange nachgedacht hat, wie es sich mit ihr verhält. Wir alle kennen aus der Schule sicher noch die berüchtigten Textanalysen. Wenn sich so ein wild gewordener Literaturwissenschaftler/Germanist o. ä. mal auf einen Text stürzt, und aus jedem Komma eine Frage um Leben und Tod macht, dann finde ich das übertrieben bis lächerlich. Wenn man sich mal überlegt, in welchen Zuständen Literatur entsteht oder auch Musik, wieviel Alkohol oder sonstige Substanzen da wohl zT im Spiel sind und waren, finde ich es übertrieben, so zu tun, als habe sich der Komponist/Autor monatelang Gedanken wegen dieser 1/32 oder jener Präposition gemacht.Da geht ja jeder künstlerisch-schöpferische Ansatz verloren.
    Deshalb sollte auch ein Dirigent nicht so viel mehr machen, als die Musik gut klingen zu lassen. Klar, man kann diskutieren, ob man wie Norrington mit Verweis auf die Vergangenheit aufs Vibrato verzichtet, nur Originalinstrumente verwendet oder die Geiger so oder so setzt. Letztlich ist es aber meiner Meinung nach viel entscheidender, dass man richtig gute Musik hört. Da finde ich den Knappertsbusch nachgesagten Ansatz (" Sie kennen das Stück, ich kenne das Stück, dann also bis morgen.") eigentlich ganz sympathisch. Musik hat ja viel mit Fühlen zu tun und da sollte man demnach nicht zu viel Lehre draufsatteln.
    Auch nicht gut finde ich es, wenn man aus zweitrangigen Gründen zu viel verändert, also zB um technische Highlights umzusetzen. Man kann halt, extrem gesprochen, aus Parsifal keinen Donauwalzer machen, nur weil der Walzerrhythmus netter klingt. Das wäre eine Art Rieuisierung der Musik.


    Also: Der Dirigent als Klangbildner, als Wegweiser ist eine gute und wichtige Sache. Auch Spitzenorchester zehren von solchen Lehrern über Jahrzehnte. Der Verkünder einer neuen Heilslehrer, der Eigendogmatiker und der Schönklinger können jedoch lieber zu Hause vor dem Spiegel dirigieren.

    Ist ja eine richtig schöne Diskussion geworden.


    Was deutlich wird, ist, dass man wohl unterscheiden muss zwischen Barenboim auf CD und live.
    Ich finde die Kritik teilweise durchaus berechtigt, was seine Aufnahmen angeht. Es gibt in Anbetracht der Fülle seiner Aufnahmen tatsächlich wenige, die ganz oben stehen. Und was seine Soloeinspielungen angeht, kann man sicher diskutieren, ob die nötig gewesen wären. Aber auch hier gilt natürlich: Wenn Barenboim draufsteht, verkauft sich eine CD eben besser als wenn Müller draufsteht.
    Was sein Arbeitspensum angeht, so wird in der du Pre´-Biographie beschrieben, dass er nach einem Konzert noch bis nach Mitternacht mit den Musikern gefeiert hat und sich dann bis 3 oder 4 mit einer Partitur beschäftigt hat, dann 4 Std Schlaf und dann ging es wieder los. Das hat du Pré fertig gemacht, weil sie einfach nicht so einen extremen Rhythmus gewöhnt war. Auch für einen Menschen wie Barenboim hat der Tag nur 24 h und wenn man da dann eine Probe leiten muss, ein paar Partituren studiert, sich mit seinem Manager trifft, den üblichen Verwaltungskram in der Oper erledigen muss und dann noch interviewt wird oder einen Preis entgegen nehmen muss, dann bleiben wohl nicht die notwendigen 5 Std, um ausreichend Klavier für Topniveau zu üben. Familie hat er ja auch.


    Was er live macht, ist etwas anderes. Da interpretiert er ja schließlich ein Werk, wie er sich das vorstellt. Und wenn die Tempi hängen, dann kann das ja viele Gründe haben. Ob das den Sängern zu langsam ist, sei mal dahin gestellt. Er probt ja schließlich und da können die Sänger wohl auch mal sagen, dass es ihnen zu langsam ist. Ob schnell oder langsam, ist eben Ansichtssache. Die einen mögen Celi oder Bernstein, wenn alles schwer und wuchtig und lang wird, die anderen finden das anstrengend. Und bei Mahler kann ich sagen, dass mir Barenboim (allerdings auf CD) im 4. Satz der 9. zu schnell ist.Es hat also kaum was damit zu tun, dass Barenboim es nicht anders kann, sondern, dass er es eben so will. Das jedoch mit Überschätzen gleichzusetzen, finde ich falsch. Wenn einer ein Stück zackig runternudelt, ist es doch nicht besser. Außerdem spielt der Dirigent ja nicht, sondern die Musiker.


    Und nun mal die andere Seite: Er hat sich eine Menge getraut. Sein Versuch, Wagner in Israel aufzuführen, sein Engagement um das palästinensich-israelische Verhältnis, sein Einsatz für Kollegen. Und nicht zuletzt hat er die Oper udL zum Platzhirschen in Berlin gemacht und muss sich wohl am wenigsten Sorgen machen, kaputt gespart zu werden. Auch das muss man können. Was hilft es, wenn die anderen Berliner Opern tolle Ideen haben und spannendere Inszenierungen, wenn die Etats immer kleiner werden und man sich nur noch zweitrangiges Personal leisten kann? Die Idomeneo-Farce an der Komischen Oper wäre bei Barenboim wohl nicht so in die Hose gegangen. Er hat es eben verstanden, sich - und hier ist der Begriff wieder - ein hervorragend funktionierendes Netzwerk zu schaffen. Es hat ja eben viel mit Netzwerken zu tun, wenn man auch in solchen Höllen wie der Scala (die hat immerhin Muti und Alagna geschafft!) zu reüssieren. Und jetzt mal ganz ehrlich: Aus meiner Erfahrung heraus wage ich mal zu schätzen, dass sicher 2/3 der Opernbesucher sowieso nicht wirklich wegen der Musik hingehen, sondern wegen des Events. Letzte Woche im Konzert wussten meine Nachbarn gar nicht, was gespielt wird und wer dirigiert. Und die haben auch Abo-Karten. Aber er ehem. Geschäftsführer und sie goldbehangen und aufgefönt. Das soll natürlich nicht bedeuten, dass sich die Musiker dann gleich keine Mühe geben sollen, aber die Forianer hier gehen schon auch mit zT sehr hohen Ansprüchen an manche Sachen heran. Da wird ja schon bald über die Herkunft des Darmes diskutiert und ob das Tier bis zu seinem Ende nur Bio gefressen hat, aus dem dann die Instrumentensaite gemacht wurde und wie sich das auf den Klang auswirkt.
    Man sollte mal eine Blindverhörung machen und dann mal sehen, ob Barenboims Bruckner mit dem BPO wirklich schlechter ist als eine Aufnahme vom Herrn Soundso mit den Bremer Stadtmusikanten oder von Frau Diesunddas mit dem Sinfonieorchester des südwestlichen Rhein-Murr-Kreises.


    Deshalb: Wer Barenboims CD nicht kauft, weil er bessere Alternativen kennt, muss das nicht. Es gibt oft genug Alternativen. Wer nicht Hunderte Euro ausgeben möchte, um in der Scala einen Parkettplatz zu ergattern und dann subjektiv enttäuscht zu werden, kann sein Geld auch woanders investieren. Aber aufgrund dieser Umstände davon auszugehen, Barenboim sei überschätzt, sollte mal nach vergleichbaren Schwergewichten in der Klassikszene suchen und dann sehen, was die abliefern (ich haue jetzt nicht wieder auf Rattle ein). Es ist immer leicht, wenn einer einfach nur arbeiten kann (wie Celi in München), aber solche Künstler gibt es in der heutigen Zeit mit all den Anforderungen und Zwängen wohl kaum noch.

    Lieber Joseph II.,


    Ich will Wit nicht schlecht machen. Bei Naxos hat man manchmal sehr gute, manchmal mediokre Einspielungen. Es ist weniger Wit, der mich zweifeln ließ, sondern die Solisten und der Chor. Wenn du sagst, das sei alles gut, dann ist das doch eine super Sache, weil die 8. so häufig nicht in allen Belangen überzeugt.


    Ob man nun unbedingt die 10. von Mahler braucht, ist Geschmackssache, zumal sich an der ja viele "Vollender" versucht haben, wenn auch nicht schriftlich... Die jpc-Angebote solltest du aus meiner Sicht eher für die "echten" Sinfonien nutzen. Aber jeder hat ja andere Interessen...

    Lieber Joseph II.,


    ich verweise auch auf den Mahler-Thread.


    Die 1. finde ich nicht so überragend. Die 2. ist gut, aber es gibt bessere Alternativen.
    Die 3. ist sehr gut.
    Die 7. ist mir unter Bernstein zu kompliziert. Da finde ich Abbado oder Janssons besser.
    Bei der 8. weiß ich nicht, ob es Wit hätte sein müssen. Für etwa das gleiche Geld gibt es die auch mit Nagano und DSO.
    Karajans 9. ist grandios und unbedingt kaufenswert.

    Lieber Joseph II.,


    Rattles Mahler mit dem CBSO (s. meinen gestrigen Beitrag) ist sehr zu empfehlen. Wie gesagt, die 2. ist Referenz, die 1. gehört zu den Top 5, denke ich. die 4. und die 6. kannst du sicher auch ohne Sorge bestellen (und für 5,99 kann auch nichts passieren). Und das Lied von der Erde ist mit Seiffert und Hampson solistisch großartig besetzt und Mahler hat ja die Alternative mit Tenor und Bariton auch selbst vorgeschlagen.
    Die 3. kann man vermutlich auch hören, ohne Pickel zu kriegen, aber ob Keenlyside die Lieder aus des Knaben Wunderhorn optimal singt, weiß ich nicht.
    Bei den Aufnahmen mit dem BPO fehlt mit irgendwie die Mahlersche Gefühlswallung, das klingt zT recht routiniert. So, als müsste man niemandem was beweisen.


    Das mit Bernsteins 4. ist in der Tat so eine Sache. Angesichts der Vielzahl an herausragenden Sopranistinnen, die im 4. Satz schon gesungen haben, ist eine Knabenstimme etwas dünn. Zwar frisch und natürlich und die Idee ist gut, aber Schäfer, Baker oder wer nicht noch haben einfach größere Stimmen. Musikalisch ist die 4. bei Bernstein eine Bank.


    Ach ja: Michael Tilson Thomas habe ich vergessen. Leider sind die Einspielungen eher teuer. Aber ein sehr musikalischer, runder Mahler. Durchaus auch eine Alternative, wenn man weniger auf Ecken und Kanten steht.

    Jetzt wollen wir die Kirche aber mal im Dorf lassen.


    Ich habe ja neulich mal eine du Pré-Biografie gelesen. Und mir daraufhin ja die du Pré-Box von EMI gekauft.
    Du Pré und Barenboim waren in den 60ern DAS Traumpaar der klassischen Musikszene, aber auch darüber hinaus. Da sind Netrebko/Villazon nix dagegen, abgesehen davon, dass die ja kein Paar sind.
    Die Aufnahmen aus den 60ern sind leidenschaftlich und man spürt, dass da aus tiefen gemeinsamen Gefühlen heraus musiziert wird. Klar war da PR dabei. Auch hier frage ich wieder: Wo waren denn ähnliche Klassik-Stars, jung, gutaussehend, begabt, in den 60ern?
    Barenboim war in seiner Jugend ein sehr guter Pianist. Ob er jetzt überragend war, sei dahin gestellt. Aber haben wir nicht neulich über David Fray diskutiert? Wird man über den in 30 Jahren noch sprechen? Oder über Stadtfeld?
    Als Barenboim dann ins Dirigentenfach gewechselt ist, war es mit dem Klavier natürlich vorbei. Solist und Dirigent ist nicht zu machen, zumal in den 60ern und 70ern Klassik ein vielleicht größerer Markt als heute war (mal abgesehen von Russland und China), das Reisen aber zT noch etwas anstrengender war.
    Seine Aufnahmen mit dem ECO sind für die damalige Zeit recht gut.
    Dann war da die jahrelange Tragödie mit du Pré und ihrer Krankheit, die auch ihn belastete. Immerhin waren die beiden verheiratet und er hat sie bei aller künstlerischen Egozentrik wohl bis zum Schluß geliebt.
    Als er Solti in Chicago beerbte, galt er als einer der großen jungen Dirigenten. Wir erleben solche Diskussionen doch auch jetzt ständig und können fragen, ob da alle Ansprüche erfüllt werden: Dudamel, Nelsons, K Järvi, letztlich auch ein anerkannter Mann wie Welser-Möst. Wie, in welchem Feld hätte Barenboim denn den "Übervater" Solti herausfordern sollen? Was hat Solti denn nicht aufgenommen bzw welche seiner Aufnahmen zählen denn nicht zu den jeweiligen Top 5? Wenn man dann noch das amerikanische Publikum und die politischen Verhältnisse (Schostakowitsch wäre damals wohl undenkbar gewesen) berücksichtigt, muss man schon fragen, über was wir eigentlich diskutieren.
    Dann begann die "europäische Phase" seiner Karriere (natürlich war er auch zuvor schon in Europa als Dirigent tätig gewesen), als er an die Staatsoper kam, zusätzlich dirigierte er in Bayreuth. Seine Wagner-Aufnahmen - und das wurde ja schon oben bestätigt - sind sehr gut.
    Es stimmt, dass er in den letzten Jahren wenige herausragende Aufnahmen gemacht hat. Aber immerhin Bruckner mit dem BPO, da hätten sie sich auch einen anderen suchen können, haben aber mit Barenboim gearbeitet. Übrigens sind die Mozart-Klavierkonzerte sehr schön.
    Die Tatsache, dass er das Neujahrskonzert der WPO geleitet hat, zeigt ja, dass die ihn anscheinend auch schätzen. Nichts gegen Pretre, aber von dem kenne ich überhaupt keine Aufnahme, die man unbedingt haben müsste und doch fand ich seine Auftritte schön.
    Barenboim ist dick im Geschäft und kennt alle und jeden. Ist das ein Fehler?War das bei Karajan anders? Und wäre ein Chef Barenboim tatsächlich das größere Unglück für die BPO als ein Chef Rattle? Wo sind denn eigentlich dessen bahnbrechende Neuaufnahmen der letzten Jahre?


    Hier nun derm Klassikzirkus vorzuwerfen, er würde nur über Namen funktionieren, ist - Verzeihung - lächerlich. Ein Veranstalter will Karten verkaufen und das tut er mit bekannten Namen und nicht mit Lieschen Müller und John Doe. Und dann wird hier schnell auf sehr hohem Niveau geschimpft. Gäbe es tatsächlich eine so große Zahl an Alternativen, dann frage ich mich, wo die denn alle geblieben sind? Hatten die alle Pech im Leben und keine gute PR-Abteilung? Konnten die sich nicht am Seil ihrer Seilschaft festhalten?


    Und noch ein Wort zu Solisten turned Dirigenten: Die pauschale Behauptung, dass das nicht funktioniert, weise ich mit folgenden Beispielen zurück: Szell, Levine, Marriner, Eschenbach, Solti.


    Und dann kommt - das war ja zu erwarten - natürlich der jüdische Weltverschwörungsvorwurf. Klar, die waren ja ohnehin immer schuld und ohne die würde ja alles piccobello laufen, nicht nur sauber, sondern (juden?-)rein. Ich fange jetzt keine politische Diskussion an, aber Furtwängler wurde sicherlich nur auf Grund seiner künstlerischen Ausnahmestellung wieder zum BPO geholt, gell?
    Es ist nunmal so: Ohne Juden kein Kulturbetrieb. Und wenn da der eine den anderen kennt und fördert, dann kann man das wohl kaum zum Vorwurf machen.
    Wer gern seine antisemitischen Ressentiments loswerden möchte, sollte sich ein hierfür geeignetes Forum oder einen Stammtisch suchen. Gerade im Bereich klassische Musik sollte man sich aber sehr zurückhalten, sonst wird das CD-Regal schnell ziemlich leer. Man schaut ja auch nicht Basketball und schimpft gleichzeitig über die "Neger".

    Wo werden Blechbläser so deutlich, so vordrängend eingesetzt wie bei Bruckner? Habe neulich zB die 8. und 1. gehört, da sind doch ständig Bleche zu hören, nicht nur als begleitendes Element, sondern fanfarenartig.


    Ob Brahms was von Wagner hatte, sei dahin gestellt. Er fand ihn jedenfalls nicht gut, zumindest öffentlich. Inwieweit man jetzt Wagner aus Brahms herauslesen kann, ist wieder so eine Frage. Bruckner jedenfalls war ja völlig wagnervernarrt, nahm sich von Wahnfried sogar einen Ziegelstein mit.


    Hinsichtlich der handwerklichen Themenbearbeitung will ich keine Rangfolge erstellen und es geht mir auch überhaupt nicht darum, Brahms schlcht zu machen. Ich empfinde Bruckner jedoch als komplexer und die Zusammenführung der Themen als umfangreicher als bei Brahms. Das bedeutet doch aber nicht, dass das eine besser als das andere ist. Vergleicht ja auch keiner Tristan mit einer Violinsonate von Mozart.


    Was Schönberg wofür verwendet hat, kann ich nicht sagen. Als Mahlerschüler war er aber näher an Bruckner als an Brahms, schließlich waren sich die beiden (B&B) ja nicht grün.


    Es gibt ja eine ganze Reihe von Klavierbearbeitungen der Sinfonien Bruckners (zB von Löwe oder Schalk), weshalb es nicht stimmt, dass nur Brahms aus einer Sinfonie ein Klaviertrio machen hätte können.


    Was die Originalität von Brahms angeht: Ja, wie soll ich sagen? Seine Kammermusik, Violin- und Doppelkonzert, das sind herausragende Werke von großer Originalität. Bei den Sinfonien hört man halt irgendwie Beethoven und Schumann durch, ich kann es nicht recht gut beschreiben. Sie beissen sich nicht fest. Aber ich wusste ja, dass ich dafür Ärger kriege.


    Was die Kirchenmusik angeht, so war Bruckner vielleicht der beste Organist seiner Zeit und eine große Orgel ermöglicht einfach eine ganz andere Klangwelt als ein Klavier. Wenn man "über die Orgel denkt", komponiert man vermutlich mit einem anderen Klangbild im Ohr, als wenn man "nur" "aus dem Klavier heraus denkt". Bruckner war außerdem tief in der katholischen Liturgie verwurzelt, Brahms hatte ja eher wenig mit Religion am Hut.


    Es ist insgesamt schwierig, die Unterschiede zu beschreiben, hören kann man sie hervorragend. Es ist ein bisschen, wie über die Oratorien Bachs und Händels zu diskutieren. Die sind einfach grundverschieden, ohne besser und schlechter zu sein.

    Bei der Diskussion Brahms vs Bruckner möchte ich allerdings zur Diskussiomn geben, dass Brahms im Gegensatz zu Bruckner in Wien eben dei wichtigsten Kritiker und Entscheidungsträger auf seiner Seite hatte, wohingegen der Wagner-Anhänger Bruckner aus verschiedenen Gründen keinen guten Stand in Wien hatte und erst gegen Ende seines Lebens über den Umweg München als großer Komponist Anerkennung fand.
    Es ist also - wie meist - viel Schicksal dabei, weshalb der eine Komponist als bedeutend, der andere als "Randerscheinung" angesehen wird. Brahms selbst erkannte Bruckners Größe kurz vor seinem Tod an.


    Was nun die anderen, hier genannten Komponisten angeht, so spielten Dvorak oder Tschaikowsky in Deutschland zu jener Zeit keine besonders große Rolle.


    Ich habe am Wochenende meine Bestellung mit Bruckners Streichquartett und -quintett erhalten. Wenn man das hört und es zB mit einen Brahms-SQ vergleicht, dann wird schon ein enormer Unterschied deutlich, finde ich. Da höre ich schon eine größere Nähe von Bruckner zu Schostakowitsch als zu Brahms und bei dem eine Nähe zu Mendelssohn.


    Und dann frage ich mich eben, ob es nicht einen Unterschied macht, ob jemand von der Orgelmusik/Kirchenmusik kommt oder von der Kammermusik.


    Der Vgl. Bruckners mit Beethovens 9. hinkt ein wenig. Der 4. Satz der 9. kommt bei Bruckner in der Form einer mit Gesang strukturierten Sinfonie nicht vor.
    Und Schuberts 9. hat ja tatsächlich was von Bruckner, ist aber eben seine letzte Sinfonie. Die frühen Sinf. sind deutlich kürzer.


    Zum Thema "Überkomponist": Das ist ja auch Geschmackssache. Hätte jemand zur Zeit Mendelssohns auch so über Bach geurteilt, als dieser wiederentdeckt wurde? Es muss irgendwas an Bruckner und Mahler sein, was nicht nur den Hörern, sondern auch den Interpreten gefällt, sonst würden sie ja eben nicht so oft aufgeführt werden.

    Bruckner erschuf großbogige Klangwelten, entwickelte Wagners Musikansatz und den Einsatz von Blechbläsern weiter. Er durchbrach die sinfonische Lehre, indem er Themen nicht nur aneinander reihte, sondern sie auch verwob und zusammenführte. Und er war Wegbereiter für Neutöner und 12-Töner.


    Brahms schuf die Sinfonien aus der Kammermusik heraus. Er steht am Ende einer Linie von Haydn, über Beethoven und Schumann bis zu ihm. Originalität erwächst nicht aus seinen Sinfonien, dann schon eher aus seiner Kammermusik. Sein sinfonisches Klangbild beendet eher das 19. Jht als das es die Tür zum 20. öffnet, wie Bruckner dies getan hat.


    Bruckners Sinfonik ist eher ein Produkt der Kirchenmusik, der Orgelmusik. Es ist in seiner Polyphonie breiter und differenzierter angelegt. Bei ihm ist der Bogen bis zu Bach zu spannen, dessen Kunst der Fuge er exzessiv studierte und mit dem er die tiefe Verwurzelung im christlichen Glauben und im Glauben an Gott teilte.


    Bei Bruckner stand die Sinfonie im Mittelpunkt seines Schaffens, bei Brahms war sie aus verschiedenen Gründen nicht Zentrum des Schaffens.


    Praktisch wirkt sich das so aus, wie man es dann eben hört. Bruckners weite Klangmassen, komplexe Klangschichten, gegen Brahms' Klangbilder und strukturierten Einfälle, leiser, weniger aufgetürmt.


    Besser oder schlechter kann man als Kategorie nicht anwenden. Alles sind Meisterwerke.

    Jetzt ist mir also einer zuvor gekommen bei meiner Kritik. :angry:


    Kann aber die meisten Aussagen novecentos unterstreichen und bestätigen.
    Ich saß Gott sei Dank weit vorn, sonst hätte ich die Solisten vermutlich kaum gehört.


    Frau Yastrebova musste den schweren Sopran-Teil ja als Ersatz geben. Sie war ziemlich nervös, zumindest am 08.01.. Vor ihrem ersten Einsatz dachte ich, sie würde gleich anfangen zu weinen. Da hatte sie auch ein ziemlich nervöses Vibrato, das mit der Zeit besser wurde. Dann wäre sie vor Peinlichkeit beinahe vom Stuhl gerutscht, weil sie vergessen hatte, ihre Wasserflasche vor dem Konzertbeginn schon zu öffnen und man somit nun das Verschlussknacken hörte. Außerdem sang sie leider ein bisschen zu oft in den Notenständer, statt ins Publikum. Und zum Ende hin hatte sie einen metallisch klingenden Ton in der Stimme.
    Pape und Gubanova gefielen mir sehr gut. Der Tenor war mir von der Stimme her zu weich, zu wenig männlich. Er konnte schön singen und gut artikulieren, aber ich fand ihn nicht packend.


    Der Chor war ein Erlebnis, da wurde mit einer Wucht wie beim Jüngsten Gericht gesungen. Und sie waren so unglaublich flexibel, reagierten auf jedes Augenzucken Gergievs. Ganz toll.
    Die Philharmoniker ließen es richtig krachen und zeigten, dass sie eigentlich ein Weltklasseorchester sind.
    Und Gergiev ist ein Kraftbolzen, einer, der Musik wirklich lebt. Den würde ich in München auch gern öfter sehen.

    Lieber Alfred, vielen Dank.


    Es gibt sicherlich bessere Sänegerinnen als Anna Netrebko, aber kaum eine sieht besser aus. Würde sie schlechter aussehen, fänden viele sie eine bessere Sängerin, weil dann würde ja keiner mit dem Argument kommen, sie habe nur aufgrund ihres Aussehens so viel PR.
    Männer können fett und hässlich sein, wegen Trunksucht Konzerte ausfallen lassen oder sonstwie indisponiert singen. Da käme aber keiner auf die Idee, das Aussehen mitzubeurteilen. Bei Frauen ist das anders. Die müssen erst mal hübsch sein, aber eben nicht zu hübsch, weil dann sind sie ja nur wegen ihres Aussehens nach oben gekommen. Und natürlich über die Betten verschiedener Entscheidungsträger. Er ist zum :kotz:.
    Nichts gegen Caballe, aber auch wenn sie noch so schön singt, kann man eine Tonne eben nicht als Mimi, Violetta oder Carmen besetzen. Auf CD ist alles anders, aber eben nicht im Bild bzw auf der Bühne.
    Und es stimmt eben auch: Es gibt eine oder zwei Aufnahmen, die immer gut bleiben. Aber auch nicht bei allen Werken. Und wenn man in die Schallplattenkiste des Opers greifen muss, um da die einzig wahre Violetta rauszuziehen, am besten eine Aufnahme, in der es knackt wie das Kaminfeuer und eiert wie das alte Klapprad, da wäre ich doch ein wenig vorsichtig mit der Bewertung.

    Mahler ist sicherlich einer der Komponisten, über dessen Interpretationen man mit am meisten diskutieren kann.
    Aus der nahezu unübersichtlichen Zahl an Gesamt- und Einzelaufnahmen die eine herauszusuchen, die jedem alles von Mahlers Musik vermittelt, ist eine kaum zu lösende Aufgabe. Man kann lediglich von den eigenen Erlebnissen berichten und die Vorzüge einiger Einspielungen darlegen.
    Wie unter anderem von JR dargelegt, bietet es sich bei Mahler durchaus auch an, Einzelaufnahmen zu einer Gesamteinspielung zusammenzufügen, einfach deshalb, weil man bei jeder Sinfonie soviele hochklassige Aufnahmen zur Wahl hat.


    Ich selbst habe die GA von Bernstein (DG), Chailly (Decca) und Inbal (Brilliant).
    Dazu noch ca. 20 weitere Einspielungen verschiedener Sinfonien.
    Dem unbeleckten Mahler-Einsteiger, der gern alle Sinfonien einmal haben möchte, um sich Mahlers Werk zu nähern, würde ich Inbal empfehlen. Die Aufnahmen sind qualitativ hochwertig (Denon), sinnvoll auf die CDs verteilt (es gibt wenige "halbe" Sinfonien pro CD), das Lied von der Erde ist auch dabei und die Interpretationen Inbals sind durch die Bank solide und klangschön. Das bekommt man für ca. 30 Öhro (zB bei 2001). Der Inbal-Zyklus hat aus meiner Sicht wenige Schwächen, ich würde ihn durchweg mit 2 benoten.
    Der Bernstein-Zyklus für die DG (es gibt ja noch den aus den 60ern bei Sony) hat großartige Momente, zB 3-5, Lied von der Erde, außerdem bekommt man noch die Liederzyklen, die sehr gut sind. Die Sänger sind durch die Bank hervorragend. Weniger gefallen mir die Sinf. 1, 7 und 8. 9 finde ich im letzten Satz grandios, weil Bernstein es vermag, die Spannung endlos zu halten.
    Der Chailly-Zyklus lebt vom herrlichen Spiel des RCO. Das Orchester, das auch schon bei Bernstein dabei ist, klingt wunderbar frei, romantisch, weich. Das ist bei den Sinf. bis 5 sehr gut, bei 6 und 7 dann etwas zu wenig schroff, für meinen Geschmack.


    Von den Zyklen, die ich nicht vollständig habe, ragen aus meiner Sicht heraus: Abbado, Maazel, Solti.
    Ein sehr guter Zyklus ist außerdem der von Rattle mit dem CBSO, Einzel-CDS derzeit sehr günstig bei jpc. Rattle hatte damals (80er) noch richtig Feuer und insebsondere die 2. ist neben der Klemperer-Aufnahme Referenz.
    Abbado kann einfach so komplexe Sinfonien ganz hervorragend entschlüsseln. Seine 7. ist aus meiner Sicht die beste auf dem Markt.
    Maazel ist hir auch in seinem Element, ist mal richtig herausgefordert und er zeigt wirklich, was in dieser Musik an Differnziertheit steckt.
    Soltis CSO-Sound ist legendär und setzte auch sicherlich Standards. Manches bei Solti ist zu sehr gedonnert, zB finde ich die 8. grenzwertig bei ihm. Die 1. und 5. gefallen mir allerdings gut.
    Ein nicht 100%ig überzeugender Zyklus eines der größten Mahler-Interpreten ist der von Haitink. Wieder RCO. Ist für mich manchmal zu wenig zwingend. Ich habe allerdings eine Aufn. der 6. mit dem Orch Nat de France, die mich wirklich mitgenommen hat. Und auch die Aufn. mit dem CSO und RCO, die in den letzten Jahren veröffentlicht wurden, zeigen seine Größe im Mahler-Fach.
    Ein weiterer großer Mahler-Dirigent ist Jansons. Von ihm gibt es mittlerweile fast alle Sinfonien Mahlers einzeln zu kaufen, mit versch. Orchestern (BRSO, RCO, OPO). Alles sehr gut, zeitweise mitreissend.
    Daneben sind auf jeden Fall zu nennen: Karajan, Barbirolli, Klemperer.
    Bei Karajan war ich mir nicht sicher, ob er nicht im Klangschaumbad ertrinkt. Er tut es nicht. Seine 9. gehört mit zum besten. Und die Rückert-Lieder mit Ludwig rühren zu Tränen.
    Dann hätten wir noch Kubelik, dessen 1. sehr gut gelungen ist.
    Sinopoli und Gielen kenne ich nicht, leider.
    Und dann noch die vielen Einspielungen, die ständig auf den Markt drängen.
    Live habe ich Zubin Mehta mit dem Bayer Staatsorchester gesehen. Fabelhaft. Und Ivan (?) Fischer, ebenfalls Bay SO. Packend.
    Dann wäre da noch Levine, ebenfalls live: 1., 2., Lied von der Erde.
    Kaplans Aufn. der 2. sind mehr was für den Sammler, dabei allerdings klanglich Schmankerln. den habe ich auch live gesehen.


    Zu den Empfehlungen: Denen glaube ich ja nichts mehr. Dass Bertini jetzt wirklich der alles überstrahlende Mahler-Interpret ist, glaube ich nicht. Ich halte ja auch wenig von Zinman, der ja auch ständig hoch gelobt wird. Und auch Barenboims Einspielungen der 7. und 9. haben mich nicht vom Hcoker gehauen.
    Ich gebe außerdem zu, dass mich die Mono-Aufnahmen nicht interessieren, ich also nicht mal was zu Walter sagen kann, obwohl der sicher als Mahler-Schüler sehr nah am vom Komponisten erdachten Klang dran sein wird.


    Die Mahler-Welt ist so groß und vielseitig und ich freue mich, dass das so ist, weil ich Mahler so schätze. Ich gebe für Mahler gern Geld aus und verbringe Zeit damit, neue Einspielungen zu hören. Ich würde jedoch nicht so weit gehen wollen, jemandem den einzigen, besten, größten Zyklus empfehlen zu wollen.

    Vielleicht habe ich mich missverständlich ausgedrückt. Natürlich hat Bruckner nicht Tuben statt Hörnern, sondern Tuben und Hörner verwendet. Aber Tuben waren noch nicht weit verbreitet und so musste man bei manchen Aufführungen auf Hörner zurückgreifen, statt der Tuben.

    Ich will überhaupt nicht bestreiten, dass schwarz-weiß was hat. Aber nicht für die breite Masse und für die macht man ja Fernsehen (Opium fürs Volk?). Und blöd ist leider auch, dass die Audiotechnik 1960 nichts so gut war wie heute.


    Bregenz ist übrigens ein schönes Beispiel: Da baut man eine nette Seebühne und schwups rennen die Leute den Betrteibern die Türen ein, da spielt die musikalische Qualität keine Rolle. Das gilt ja durchaus auch für Verona, wenn da die Altersheime und Jugendgruppen busweise hingekarrt werden. Es geht eben um den Event.(oder das Event?)
    Man zeigt ja die Tosca aus Bregenz, weil dann Tausende, die dort waren, das Ganze nochmal ansehen und das die Quoten treibt.


    Die ÖR-Rundfunkanstalten haben außerdem gar nicht so viel Geld, weil das ja für UNmengen von überflüssigem Personal ausgegeben wird, weil man ja seinen Parteifreunden und Speichelleckern gut dotierte Posten besorgen muss und außerdem gut vernetzt sein muss (hat da jemand Spitzel und Informanten gesagt?), um etwaige Störer zur Raison (hat da jemand Rauswurf gesagt?) zu bringen.


    Ich kann mir eine Oper zu Hause anhören und kann mir trotzdem die Atmosphäre etc vorstellen. Aber das hat dann eben nichts mit Fernsehen zu tun. Dann müsste man statt der Opernsendungen auf 3sat so einen Programmschwerpunkt mal im Radio bringen. Da könnte man dann auch nochmal andere Aufnahmen verwenden, weil es dann nicht so um die Bilder geht. Da könnten BR und MDR mal richtig schön aus dem Vollen schöpfen und die herausragenden Aufnahmen mit BRSO und Staatskapelle und Gewandhaus etc rausholen.

    Ich habe Christine Schäfer vor 2 oder 3 Jahren live im Herkulessaal erlebt und war von ihrer Interpretation wirklich hingerissen.
    Ich habe auch Dieskau und wohl noch eine Aufn. (cih verliere den Überblick über meine CDs :faint:), aber Schäfer singt halt so schön klar :lips: :jubel:.


    Bei der schönen Müllerin kann ich mich erinnern, dass ich die Güra-Aufn. habe, ich vermute, dass evtl. noch eine 2. Aufn. existiert ?(. Meiner Schwiegermutter habe ich ja Kaufmann geschenkt und er macht es nicht schlecht, ist halt kein ausgewiesener Lied-Sänger.
    Güra überzeugt mich nicht vollständig.
    Muss am Wochenede nochmal nachschauen, was ich so rumstehen habe...

    Jetzt muss ich mein neu erworbenes Bruckner-Wissen aber auch mal einsetzen:
    Also: Bruckner war der erste, der nach Wagner Tuben einsetzte und keine Hörner. Allein das ändert den Klang gewaltig.
    Dann: Die schiere Länge der Sinfonien, die Einführung mehrerer Themen pro Satz, die Länge der Spannungsbögen, das gab es vorher so nicht.
    Es ist richtig, seine Vorbilder waren Schubert und Beethoven. Aber erweitert deren Klangvorstellung eben enorm.


    Ob der Begriff "revolutioniert" nun semantisch unbestreitbar ist, überlasse ich der Diskussion. Fest steht jedoch, dass der Weg von Bruckner zu Mahler, Schönberg, Bartok, Berg, Hartmann und bis in die Moderne geht. Ich glaube, in der 9. findet sich sogar ein Thema, dass man als erstes 12-Ton-Thema bewerten kann.
    Betrachtet man die Musikgeschichte als Fluss, dann gibt es keine Revolution. Aber das Gehen auf zwei Beinen, statt auf vieren, ist doch eine enorme Veränderung, wenn wir die Evolution in der Natur betrachten. Damit will ich nicht sagen, dass vor Bruckner alle noch von Baum zu Baum gehüpft sind oder er das Feuermachen oder das Rad im musikalischen Sinne entdeckt hat. Im Hinblick auf seine Zeit war er jedoch ein großer Neuerer und letztlich auch ein Monolith. Wo waren zu seiner Zeit denn die großen Sinfoniker? Mendelssohn, Schumann tot. Brahms - bei aller Liebe - kein großer Sinfoniker (das gibt jetzt sicher Ärger :untertauch:). Ein großer Komponist war Brahms unbestritten, aber seine Sinfonien erzählen keine Geschichte. Aber das bringt uns eher vom Thema weg.
    Wo waren die großen Sinfoniker zu jener Zeit? Was wäre ohne Bruckner aus der Gattung Sinfonie geworden? Nicht zu vergessen, wer bei ihm lernte und mit ihm arbeitete.


    Zum Höreindruck: Da sind wir halt wieder mitten im Individuellen. Mich macht Bruckner auch fertig. Ich finde die langen Bögen anstrengend, im positiven Sinn. So wie bei einem Sport-Finale, wo man bis zur letzten Minute mitfiebert. Oder wie bei einer Oper. Dafür sorgen auch die Generalpausen. Ein Bruckner-Satz dauert so lang wie eine ganze Haydn-Sinfonie. Dadurch entstehen natürlich ganz andere Weiten und andere Dynamiken. Damit will ich Haydn nicht abwerten. Nur erzielt eben ein Roman eine andere Wirkung als eine Kurzgeschichte oder eine Erzählung. Und Haydn zielte auf andere Effekte ab als Bruckner.
    Ich kann gut nachvollziehen, wie insbesondere im Konzertsaal Bruckner wirkt. Das Donnern der Bläser, die Wucht des Fortissimo ist schon beeindruckend. Das Hirn arbeitet, es sucht nach Mustern. Und es dauert lang, bis sich diese Muster finden. Dazu noch die riesige Orchesterbesetzung, Schlagzeug, das volle Programm. Da steht man schon unter Spannung.

    @ Frank Georg Bechyna:


    Das mit Gheroghiu mag schon sein, aber wenn es davon kein Video gibt, kann man die Oper schlecht im TV zeigen.
    Der Titel der 3sat-Serie ist ja "Die schönsten Opern aller Zeiten". Die Zuschauer dürfen ihre Lieblingsoper, nicht die Lieblingsinterpretation wählen. Es geht also nicht um Netrebko vs. Callas, sondern um Wagner vs. Verdi. Das Fernsehen ist bei seinen Ausstrahlungen aber natürlich auf bestimmtes Bildmaterial beschränkt. Allein aus Kostengründen zeigt man natürlich lieber Eigenproduktionen als für teuer Geld Rechte zu kaufen. Aber bei der Endabstimmung (man kann im Internet noch mitstimmen) kann man sich ja gegen Netrebko und für Schäfer entscheiden.
    Sicherlich wäre der Aufschrei jedoch sehr groß, würde man die flackernden Schwarz-Weiß-Aufnahmen von anno dazumal zeigen, weil sich dann die Leute ärgern würden und fragen würden, ob es nichts in Farbe gibt.


    Davon abgesehen: Wenn ich eine Oper SEHE, dann muss das Gesamtpaket stimmen. So, wie ich keine schlechten Kulissen möchte (wie beim Münchner Lohengrin), will ich auch Sänger, die die Rollen schauspielerisch ausfüllen. Das ist ja übrigens eines der Hauptprobleme Kleibers, dass er zwar tolle Studioaufnahmen gemacht hat, die so aber nie zu sehen gewesen wären (zB sein Tristan oder sein Freischütz). Und keiner wird wohl ernsthaft bestreiten, dass Netrebko als Violetta ausnehmend gut besetzt ist.
    Studioaufnahmen bei Opern, bei denen man sich die besten Leute zusammensucht, sind aus Kostengründen vermutlich vorbei. Und deshalb muss man sich mit den Live-Aufnahmen auseinandersetzen.
    Und drehen wir die Sache doch mal um: Wo ist denn derzeit die große Netrebko-Konkurrenz? Und wäre es anders, wenn man Dasch, Damrau oder Harteros auf die Bühne stellen würde?
    Ähnliches gilt im Übrigen für Villazon. Der ist halt nunmal nett und freundlich, everybody's darling. Es gibt nicht viele, die eine ebensolche Ausstrahlung haben (ich meine das nicht künstlerisch, sondern rein typbezogen), und die würden ebenso kritisiert. Oder würde man über Florez oder Kaufmann anders urteilen?

    Zitat

    Also, für so ein Scheissprogramm hätte ich kein Geld ausgegeben...


    Lieber Agon, musst du ja auch nicht mehr. Ist ja schon vorbei. Und wenn du dann wieder bei DSDS oder Phantom der Oper mitfieberst, dann freut es mich, wenn du Spass dabei hast.


    :hello:

    Habe gestern die Bruckner-Biographie von Bekh zu Ende gelesen.
    Es ist einfach faszinierend, was dieser Mann geleistet hat. Bekh vergleicht ihn, den großen Wagner-Verehrer, mit dem reinen Tor Parsifal und das ist wohl gar nicht so falsch. Bruckner hat die Sinfonie revolutioniert. Er hat Wagners Ansatz für die Sinfonie, insbesondere den Bläser-Einsatz, weiterentwickelt. Er hat Musik geschrieben - und das ist nun meine Meinung - die von so strahlender Schönheit und so unglaublicher Kraft ist, dass man allenfalls noch Beethoven neben ihm gelten lassen kann.
    Er hat uns - wie Bach aus tiefstem Glauben heraus - Gott erkennen lassen.

    Na ja, so einfach ist das mit dem Aufnehmen auch nicht.


    Man muss sie ja einstudieren und dann auch entsprechend spielen. Das schüttelt ja keiner so aus dem Ärmel.


    Dass man sie aber öfter aufnimmt, verstehe ich. Man entwickelt sich als Musiker ja weiter und entdeckt dann auch an Bach viel Neues. Da die Suiten für den Cello-Studenten ja so ein zentraler Bestandteil sind, muss man sich vermutlich auch erst von der in der Studentenzeit entwickelten Interpretation lösen, um dann einen eigenen Stil zu entwickeln.
    Oder man nimmt sie eben erst später auf, wenn man schon Vieles gespielt hat und sich als Musiker auch entsprechend profilieren konnte.