Mahler ist sicherlich einer der Komponisten, über dessen Interpretationen man mit am meisten diskutieren kann.
Aus der nahezu unübersichtlichen Zahl an Gesamt- und Einzelaufnahmen die eine herauszusuchen, die jedem alles von Mahlers Musik vermittelt, ist eine kaum zu lösende Aufgabe. Man kann lediglich von den eigenen Erlebnissen berichten und die Vorzüge einiger Einspielungen darlegen.
Wie unter anderem von JR dargelegt, bietet es sich bei Mahler durchaus auch an, Einzelaufnahmen zu einer Gesamteinspielung zusammenzufügen, einfach deshalb, weil man bei jeder Sinfonie soviele hochklassige Aufnahmen zur Wahl hat.
Ich selbst habe die GA von Bernstein (DG), Chailly (Decca) und Inbal (Brilliant).
Dazu noch ca. 20 weitere Einspielungen verschiedener Sinfonien.
Dem unbeleckten Mahler-Einsteiger, der gern alle Sinfonien einmal haben möchte, um sich Mahlers Werk zu nähern, würde ich Inbal empfehlen. Die Aufnahmen sind qualitativ hochwertig (Denon), sinnvoll auf die CDs verteilt (es gibt wenige "halbe" Sinfonien pro CD), das Lied von der Erde ist auch dabei und die Interpretationen Inbals sind durch die Bank solide und klangschön. Das bekommt man für ca. 30 Öhro (zB bei 2001). Der Inbal-Zyklus hat aus meiner Sicht wenige Schwächen, ich würde ihn durchweg mit 2 benoten.
Der Bernstein-Zyklus für die DG (es gibt ja noch den aus den 60ern bei Sony) hat großartige Momente, zB 3-5, Lied von der Erde, außerdem bekommt man noch die Liederzyklen, die sehr gut sind. Die Sänger sind durch die Bank hervorragend. Weniger gefallen mir die Sinf. 1, 7 und 8. 9 finde ich im letzten Satz grandios, weil Bernstein es vermag, die Spannung endlos zu halten.
Der Chailly-Zyklus lebt vom herrlichen Spiel des RCO. Das Orchester, das auch schon bei Bernstein dabei ist, klingt wunderbar frei, romantisch, weich. Das ist bei den Sinf. bis 5 sehr gut, bei 6 und 7 dann etwas zu wenig schroff, für meinen Geschmack.
Von den Zyklen, die ich nicht vollständig habe, ragen aus meiner Sicht heraus: Abbado, Maazel, Solti.
Ein sehr guter Zyklus ist außerdem der von Rattle mit dem CBSO, Einzel-CDS derzeit sehr günstig bei jpc. Rattle hatte damals (80er) noch richtig Feuer und insebsondere die 2. ist neben der Klemperer-Aufnahme Referenz.
Abbado kann einfach so komplexe Sinfonien ganz hervorragend entschlüsseln. Seine 7. ist aus meiner Sicht die beste auf dem Markt.
Maazel ist hir auch in seinem Element, ist mal richtig herausgefordert und er zeigt wirklich, was in dieser Musik an Differnziertheit steckt.
Soltis CSO-Sound ist legendär und setzte auch sicherlich Standards. Manches bei Solti ist zu sehr gedonnert, zB finde ich die 8. grenzwertig bei ihm. Die 1. und 5. gefallen mir allerdings gut.
Ein nicht 100%ig überzeugender Zyklus eines der größten Mahler-Interpreten ist der von Haitink. Wieder RCO. Ist für mich manchmal zu wenig zwingend. Ich habe allerdings eine Aufn. der 6. mit dem Orch Nat de France, die mich wirklich mitgenommen hat. Und auch die Aufn. mit dem CSO und RCO, die in den letzten Jahren veröffentlicht wurden, zeigen seine Größe im Mahler-Fach.
Ein weiterer großer Mahler-Dirigent ist Jansons. Von ihm gibt es mittlerweile fast alle Sinfonien Mahlers einzeln zu kaufen, mit versch. Orchestern (BRSO, RCO, OPO). Alles sehr gut, zeitweise mitreissend.
Daneben sind auf jeden Fall zu nennen: Karajan, Barbirolli, Klemperer.
Bei Karajan war ich mir nicht sicher, ob er nicht im Klangschaumbad ertrinkt. Er tut es nicht. Seine 9. gehört mit zum besten. Und die Rückert-Lieder mit Ludwig rühren zu Tränen.
Dann hätten wir noch Kubelik, dessen 1. sehr gut gelungen ist.
Sinopoli und Gielen kenne ich nicht, leider.
Und dann noch die vielen Einspielungen, die ständig auf den Markt drängen.
Live habe ich Zubin Mehta mit dem Bayer Staatsorchester gesehen. Fabelhaft. Und Ivan (?) Fischer, ebenfalls Bay SO. Packend.
Dann wäre da noch Levine, ebenfalls live: 1., 2., Lied von der Erde.
Kaplans Aufn. der 2. sind mehr was für den Sammler, dabei allerdings klanglich Schmankerln. den habe ich auch live gesehen.
Zu den Empfehlungen: Denen glaube ich ja nichts mehr. Dass Bertini jetzt wirklich der alles überstrahlende Mahler-Interpret ist, glaube ich nicht. Ich halte ja auch wenig von Zinman, der ja auch ständig hoch gelobt wird. Und auch Barenboims Einspielungen der 7. und 9. haben mich nicht vom Hcoker gehauen.
Ich gebe außerdem zu, dass mich die Mono-Aufnahmen nicht interessieren, ich also nicht mal was zu Walter sagen kann, obwohl der sicher als Mahler-Schüler sehr nah am vom Komponisten erdachten Klang dran sein wird.
Die Mahler-Welt ist so groß und vielseitig und ich freue mich, dass das so ist, weil ich Mahler so schätze. Ich gebe für Mahler gern Geld aus und verbringe Zeit damit, neue Einspielungen zu hören. Ich würde jedoch nicht so weit gehen wollen, jemandem den einzigen, besten, größten Zyklus empfehlen zu wollen.