Beiträge von HartmutHH

    Der russische Pianist GRIGORIJ SOKOLOV gehört zu den ungewöhnlichen Erscheinungen am internationalen Pianistenhimmel. Schon als 16jähriger gewann der 1950 Geborene den Tschaikowsky-Wettbewerb (die obligate Einspielung ist sogar über den Ariola/Eurodisc-Vertrieb von Melodya-Aufnahmen im Westen erschienen – als Doppelalbum mit dem Violinkonzert des gleichzeitig siegreichen Victor Tretjakov). Mit der großen internationalen Karriere aber wurde es zunächst nichts – aus welchen Gründen auch immer, auch die Biographie seiner Agentur schweigt sich über die nächsten 20 Jahre aus. Nach dem Wegfall des Eisernen Vorhangs scheint er via Frankreich langsam den Weg in die westlichen Konzertsäle gefunden zu haben, nicht eben gefördert von den Medien (für die ein untersetzter 40jähriger anscheinend nicht von Interesse war) und ohne Plattenfirma im Hintergrund, denn Sokolov veröffentlicht grundsätzlich nur Live-Mitschnitte – und die auch noch bei einem kleinen französischen Label.
    So war die Musikhalle bei den ersten Hamburger Abenden denn auch nicht einmal halb voll, inzwischen hat der Mundfunk wenigstens für einen zu etwa 2/3 vollen Saal gesorgt. Aber wie voll es ist, scheint ihm ohnehin egal zu sein; knappe Verbeugung – sitzen – spielen, wenn es sein muß 3 Beethoven-Sonaten am Stück, das übliche Hinausgehen zwischen den Stücken entfällt, selbst der Applaus wird auf ein Minimum reduziert.
    Gestern war derartiges allerdings nicht nötig, standen doch „nur“ zwei Stücke auf dem Programm: die große A-Dur-Sonate D. 959 von Schubert und die Sonate op. 11 von Schumann. Gerade Schuberts Riesenwerk (ca 50 Minuten) ist dabei eine enorme Herausforderung, weniger aus – heutiger – technischer Sicht, denn aus musikalischer; allzuleicht zerfallen die himmlischen Längen in der Fülle der Details. Doch Sokolov schafft es mühelos, den großen Bogen zu spannen, obwohl – oder vielleicht gerade weil – er den Anschlag immer wieder nuanciert (was besonders dem sehr langsam genommenen zweiten Satz zu ungeahntem Variationsreichtum verhilft). Zudem bleibt die Linienführung absolut klar, auch in den Forteklangballungen erlaubt er sich keinerlei Wischen oder „romantische Vernebelung“, was nach der Pause dann besonders dem Schumann zugute kommt, dessen Zerrissenheit häufig genug im Tastendonner der Fortepassagen untergeht. Auch hier setzt Sokolov auf dynamische Abstufung bis hin zu den von ihm so wunderbar gezauberten Pianissimi, die dann in der Wiederholung irgendwie noch leiser funktionieren (da scheinen sich manchmal selbst die ohnehin weiten Grenzen eines Steinway noch erweitern zu lassen), womit es des virtuosen „Draufhauens“ nicht bedarf, ein volltönendes, rundes Forte genügt dann als Gegensatz völlig.
    Am Ende ist es wie am Anfang: knappe Verbeugung – Abgang, keinerlei „smile“ oder dankbares Annehmen von Ovationen; und dann geht es mit den Zugaben los, für deren Menge Sokolov inzwischen ebenso berühmt ist wie beim Hauspersonal, das Feierabend machen möchte, vermutlich berüchtigt. Also mal kurz noch den Walzer op. posth. und Fantasie-Impromptu op. 66 von Chopin, zweimal Rameau oder Couperin (da bin ich nicht firm), noch ein Chopin und Bach.
    Am Ende wankt man nach 2 ½ Stunden aus dem Saal im Gefühl, SO müsse das klingen und nicht anders. Natürlich geht es auch anders, genügend große Pianisten haben es gelehrt; aber vielleicht ist das das Geheimnis von Kunst in der Musik: dass sie im Augenblick des Erklingens die einzig „wahre“ Variante darstellt?

    Moin, moin,


    GEFALLEN hat mir die Personenführung damals auch nicht, aber herumgelegen auf der Bühne haben sie eigentlich nicht. Da war schon ziemlich viel (allerdings häufig genug stilisierte) Bewegung drin - so jedenfalls Erinnerung meinerseits und meiner besseren Hälfte (damals noch ohne mich). Vor allem war es unheimlich exakt getimt, jeder wußte genau, wann er was zu tun hatte und wie; also erstklassiges szenisches Handwerk, unabhängig vom Ergebnis. Und jetzt ist es halt Pi mal Daumen, und damit sind eine Menge Dinge, die sich mir in der Zwischenzeit zumindest erschlossen hatten (ohne sie sonderlich zu mögen) nicht mehr sonderlich logisch; häufig genug die Crux, wenn nach diversen Jahren die x-te Besetzung vom dritten Spielleiter eingewiesen wird.


    Schönen Abend noch
    Hartmut

    Hallo Rienzi,


    da muß ich Dich leider enttäuschen, nach Connell und Stamm werd ich zur anderen Besetzung nicht gehen. Ich bin nach ihren Bayreuther Brünnhilden, die ich 94 und 97 (da müssen die zahlen nicht exakt stimmen) gesehen habe, kein großer Polaski-Freund. Und "Tristan" ist nicht meine Leib-und-Magen-Oper.


    Bei der Szene bin ich wahrscheinlich etwas pingeliger als Du, für mich gehört schon beides gleichermaßen zum Theater, aber da sind die Geschmäcker ja bekanntlich verschieden.


    Liebe Grüße
    Hartmut

    Ich war gestern in Hamburg im "Tristan" ("etwas" dazu unter "gestern gesehen"), das Wetter naßkalt, also wunderbar für jegliche Art Erkältung. Ich will ja niemandem unterstellen, daß er absichtlich hustet, ich frage mich nur, warum dazu vorzugsweise Generalpausen benutzt werden? Als wenn es absolut unmöglich sei, bis zum nächsten Forte zu warten (so selten ist das bei Wagner ja nicht). Und ich kann einfach nicht glauben, daß sich all diese Leute verschluckt haben und der Husten so plötzlich kommt, daß man zur Unterdrückung keine Chance hat - ist mir mal passiert, da half wirklich nur noch Eigenentfernung aus dem Saal. Das Taschentuch dämpft schon gewaltig - aber stattdessen wird dann häufig genug das Bonbon gaaaaanz langsam ausgepackt, anstatt es mit einem Ruck aufzumachen.


    Hörgeräte sind natürlich besonders gemein, hier muß man den Verursachern aber zugestehen, daß sie es in der Regel nicht selbst registrieren können, weil der Ton außerhalb des noch für sie noch hörbaren Bereichs liegt, bzw. dermaßen unbestimmt im Raum schwirrt, daß er kaum zu orten ist.


    Schönen Abend noch
    Hartmut

    Der TRISTAN hat nie zu den besonders häufig gespielten Werken an der Hamburgischen Staatsoper gezählt, auch die Aufführung am 27.11. war gerade einmal die 35ste in der immerhin 17 Jahre alten Inszenierung von RUTH BERGHAUS. Die Produktion ist inzwischen erkennbar in die Jahre gekommen, wohl auch in großen Teilen nur mehr „nach“ Berghaus, an deren choreographischer Präzision es selbst in der offiziell als „Wiederaufnahme“ angekündigten Serie hinten und vorne mangelt. Geblieben ist freilich das eindrucksvolle – und akustisch höchst raffinierte – Bühnenbild von HANS-DIETER SCHAAL, das die ganze Geschichte hinaus in die Weiten des Alls transformiert; zunächst ein Raumschiff mit Tourismusambiente, dann die Station, aus der man durch eine riesige Turbine nach draußen gelangen kann, am Ende ein öder Planet, an dem das Raumschiff zerschellt ist. Das macht Sinn, wenn man die Handlung aus jeder realen Zeit herausnehmen und allein auf ihre immerwährende Gültigkeit abstellen will. Und die Turbine, in der sich das Paar während des Duetts in die Unendlichkeit verliert, erlaubt es den Sängern, relativ bequem im Forte zu singen, während es beim Zuschauer nur als Piano ankommt, wobei die Veränderung des Klanges zusätzlich die Aufhebung des Raumes suggeriert.
    Das verlangt vom Dirigenten einiges Können bei der Koordination und dynamischen Abstimmung. Hamburgs neue Chefin SIMONE YOUNG übernahm an diesem 4ten „Tristan“ des Monats erstmals den Stab von Peter Schneider – und siegte am Ende auf der ganzen Linie.
    Im Gegensatz zum häufig forsch zupackenden, der geschärften Sichtweise des 20. Jh. näherstehenden Ingo Metzmacher liebt sie es deutlich langsamer, weicher, romantisch wärmer – wobei sie im grandios in Form befindlichen Orchester den rechten Partner hatte. Das heißt nicht, dass nun vor allem auf „schön“ musiziert wurde (selten habe ich die Anfangstakte so schmerzlich sehrend gehört), aber dem ersten Akt fehlten letztlich die dramatischen Akzente, auch das Vorwärtsdrängen, ohne das gerade der „Tristan“ dann doch auf der ein oder anderen Sequenzierung stehen bleibt. Vielleicht hätte sie auch dynamisch etwas mehr auftrumpfen sollen, aber in dem Punkt ist sie – abgesehen von der vertrackten Akustik des Hauses, die auf einem Platz zu laut erscheinen lässt was auf anderen zu leise ankommt – bisher stets Freund der Sänger gewesen.
    Ab dem zweiten Akt hatten sich die Probleme ohnehin erledigt, Klangbild und Steigerungsaufbau wurden zunehmend zur Einheit, die Stimmen waren eingebettet ohne zugedeckt zu werden, der grandios kalkulierte Rausch der Komposition übertrug sich ins Publikum, das mit Ovationen dankte.


    Ein Phänomen der besonderen Art ist ELIZABETH CONNELL. In den 70ern debütierte sie als Mezzo, 1980 sang die Mittdreißigerin in Bayreuth die Ortrud; seitdem ist sie – immer mal wieder totgesagt – mit einem Repertoire unterwegs, das von Wagner über die Ariadne bis zu den halsbrecherischen frühen Verdi-Partien und Mozarts „Idomeneo“-Elettra reicht. Der letzte Hamburger Auftritt war vor ziemlich genau einem Jahr – als Abigaille!!
    Im ersten Moment sieht sie in den Wallegewändern der Premiere und mit der ebenso alten langgelockten Schwarzhaarperücke wie eine Figurine aus einer Wagner-Produktion zu Kaisers Zeiten aus. Aber sie muß sich nur bewegen und singen, und schon sind solche kurzfristig parodistischen Eindrücke Makulatur. Natürlich ist das keine frische Stimme mehr, die Höhe hat etliche Schärfen und auch ansonsten gibt es ein paar Ecken und Kanten, aber am Ende zählt, was sie daraus macht – und da dürfte ihr in der Gestaltung zur Zeit wohl nur Waltraud Meier Konkurrenz machen, auch wenn andere vielleicht ausgeglichener singen. Die samt müheloser Attacke bis zu den locker bewältigten Cs im Forte wirklich hochdramatische Stimme alten Zuschnitts wird immer wieder bis ins pp zurückgenommen, gerade die ironischen Passagen des ersten Aktes erhalten dadurch schneidende Intensität, die durch die enorm textbezogene Phrasierung noch verstärkt wird. Daneben stehen lyrische Passagen von erstaunlicher Tonschönheit, „so starben wir“ oder auch der Beginn von „Mild und leise“ erscheint als reinster Belcanto, ohne daß darunter die Spannung litte, wie es überhaupt keinen Moment bei ihr gibt, an dem sie als reine „Tonproduzentin“ erscheint, alles ist dem Ausdruck untergeordnet, die Technik dahinter erscheint als Mittel, nicht als Ziel.


    Ebenfalls ein Phänomen ist HARALD STAMM, denn der sang den Marke – den er schon in der Premiere gegeben hatte – mit seinen inzwischen 67 Jahren immer noch so nobel klangschön und mit genau dem richtigen Maß an Trauer in der Stimme, dass es viele jüngere Kollegen das Fürchten lehren müsste; und in der Ausstrahlung als sympathisch älterer Herr, der einem nur entsetzlich leid tun kann, ist er ohnehin nicht zu schlagen.


    Daneben hatten es die anderen schwer, daß sie sich – mit einer Ausnahme – höchst achtbar behaupten konnten, spricht für die Gesamtqualität des Abends.
    JOHN TRELEAVEN besitzt sicherlich keine Ausnahmestimme, das relativ trockene, nicht eben klangvolle Organ dürfte ohnehin Geschmackssache sein. Dazu ist er kein besonders begabter Schauspieler, allerdings ein ernsthaft bemühter. Und er bewies, daß er im Moment rein stimmlich zu den wenigen Alternativen für die Partie an großen Bühnen zu zählen ist. Im ersten Akt noch arg blass und vorsichtig, dazu mit dem, was man hierzulande „hamburgern“ nennt aufwartend (Ialand, wia, mia), steigerte er sich gewaltig – und verlor die Ausspracheprobleme –, sang differenziert und auf Linie im Duett und besaß für die Fiebervisionen nicht nur genügend Kraft sondern auch die Fähigkeit, sie wirklich zu SINGEN (inklusive dynamischer Differenzierung und sehr guter Textverständlichkeit) und nicht nur „dramatisch zu gestalten“, wie es häufig euphemistisch heißt, wenn der Sänger sich in den Sprechgesang retten muß. Daß Treleaven auch ganz am Schluß nicht mit den Kräften am Ende war, demonstrierte ein wundervoll im Piano klingendes „Isolde“ – Hut ab!


    Im dritten Akt fand auch der rundherum solide WOLFGANG KOCH (Kurwenal) zu schönen Zwischentönen, der am Anfang – treuer Diener seines Herrn? – mehr wie ein korrekter Gesangsbeamter denn ein leicht polteriger Haudegen gewirkt hatte


    PETER GAILLARD (in der Premiere noch als Hirt beschäftigt) lieferte als Melot eine präzise Charakterstudie, die die Minipartie um einiges aufwertete, BENJAMIN HULETT sang einen ausgesprochen schön phrasierten Jungen Seemann und JÜRGEN SACHER (Hirt) und WILHELM SCHWINGHAMMER (Steuermann) komplettierten ohne Fehl und Tadel.


    Die Ausnahme war die Brangäne von BERNADETTE CULLEN. Die Stimme besitzt in der Mittellage ein starkes, sehr schnelles Vibrato (boshaftere Leute sprechen von einem „chronischen Triller“), die Höhe sitzt nicht und klingt deshalb angestrengt flach, und in der Tiefe macht sich sowohl ein kräftiger Registerbruch als auch sehr starke Festigkeit in der Tongebung bemerkbar. Wer da in den Jahren zuvor Hanna Schwarz oder Julia Juon gehört hatte, war anderes gewohnt.


    Im Januar wird die Produktion noch zweimal gespielt, dann allerdings mit Deborah Polaski und Robert Holl anstelle von Connell und Stamm.

    Bei Naxos gibt es inzwischen auf jeden Fall auch den Leporello (nicht unbedingt sein Fach) mit Ezio Pinza als Giovanni unter Bruno Walter, möglicherweise auch den Arkel mit Bidu Sayao (Melisande), Martial Singher (Pelleas) und Lawrence Tibbett (Golaud). Marston Records hat inzwischen einen vollständigen Gurnemanz (mit den damals obligaten Strichen) unter Fritz Busch vom Teatro Colon herausgebracht. Ebenfalls vom Colon unter Busch war der Daland im Fliegenden Holländer bei Pearl (technisch grauslich, jetzt bei Marston neu angekündigt, ebenso wie ein kompletter Rosenkavalier und der Lohengrin unter Busch). Toscaninis Zauberflöte aus Salzburg 1937 hat es auf diversen Labels gegeben, auch hier ist die technische Seite leider - nun ja - grenzwertig. Wo im Augenblick der Boris Godunow von der Met (Kipnis singt russisch, der Rest italienisch) zu haben ist, weiß ich nicht. An Wagner-Partien ist auf jeden Fall noch der Landgraf im Tannnhäuser (U.a. bei Gebhardt), der Hunding - neben Varnays Bühnendebut als Sieglinde - und der König Marke vorhanden. Da in den Fällen dieser (in Europa) Rechte-freien Met-Mitschnitte die Labels inzwischen schneller wechseln als die Hemden, kann ich da aber leider keine exakten Angaben machen.
    Daß Kipnis auch ein hervorragender (wenn auch nach heutigen Vorstellungen etwas altmodicher) Oratoriensänger war, zeigen das bei der EMI veröffentlichte Mozart-Requiem unter Bruno Walter (Elisabeth Schumann, Kerstin Thorborg, Anton Dermota) sowie die Missa Solemnis unter Toscanini mit Milanov und Jussi Björling.
    Ein schönes Wochenende
    Hartmut

    Traurig aber wahr – James King ist ein halbes Jahr nach seinem 80ten Geburtstag in seiner amerikanischen Heimat verstorben.
    Meine insgesamt 38 Abende mit „Jimmy“, wie ihn eigentlich alle nannten, gehören zu den immer wieder gern hervorgekramten Erinnerungen meines „Operndaseins“. Dabei war King weder ein besonders raffinierter Phrasierer noch ein überragender Schauspieler. Es war wohl das Timbre, das neben der grundsoliden Technik und der unbedingten Ehrlichkeit seines Singens (die kein „Durchschummeln“ zuließ) eine Faszination auslöste, die sich letztlich schwer erklären lässt.


    Geboren wurde James King in Dodge City, wo sein Vater – wie der legendäre Revolverheld – Sheriff war. Nach Musik- und Gesangsstudium (als Bariton) u.a. bei Martial Singher arbeitete King diverse Jahre als Musikdozent, schulte dann auf Tenor um und trat sein erstes festes Engagement – nach ein paar Auftritten in den USA – 1961 an der Deutschen Oper Berlin an, immerhin schon 36 Jahre alt. Danach ging es dann schnell, die Salzburger Festspiele holten ihn als Achill in Glucks „Iphigenie in Aulis“ unter Böhm, was wohl das Engagement nach Bayreuth eingebracht haben dürfte, wo 1965 mit einem sensationellen Siegmund der endgültige Durchbruch kam. Seitdem war King 20 Jahre lang erste Adresse für Kaiser oder Bacchus, Lohengrin, Parsifal, Stolzing und immer wieder Siegmund. Das bei den meisten Kollegen fast automatische Wechseln auf Tristan und Siegfried hat er allerdings nie gemacht, auch wenn er beim Tristan wohl immer wieder überlegt hat. Doch in Interviews wies er häufig genug darauf hin, er sei „Mittelstreckenläufer, kein Marathon“.
    Die Zuspitzung auf diese relativ wenigen Partien, zu denen sich in der Häufigkeit noch der Florestan gesellte, machten mitunter vergessen, daß das gesungene Repertoire doch erheblich breiter war. Am Anfang in Berlin sang er sogar Rodolfo, Don Carlos (der als TV-Übertragung verewigt ist) oder Don José und Max, die er auch später beibehielt. Zu letzterem gibt es eine wundervolle Anekdote aus seiner Berliner Zeit. er soll - noch etwas auf Kriegsfuß mit der deutschen Sprache - einmal anstelle eines "Vierzehnenders" "vierzehn Enten" geschossen haben.
    In der Spätphase kam auch die ein oder andere Charakterpartie hinzu, der Captain Vere in Brittens „Billy Budd“ etwa oder der Ägisth. Nach Beendigung der Karriere ist King dann zu seinem ursprünglichen Metier des Unterrichtens zurückgekehrt, noch vor 5 Jahren war er als Gesangsprofessor an der Universität in Bloomington/Indiana tätig.
    Meine erste persönliche Begegnung war 1970 ein Manrico am Covent Garden neben der Leonora von Leontyne Price, eine Rolle, mit der ihn heute wohl kaum jemand verbindet. Danach folgten häufig genug „die üblichen Verdächtigen“, aber auch der Paul in der „Toten Stadt“ (auch dies aus Berlin im TV gelaufen) und sogar Pfitzners Palestrina, den er zum ersten Mal in der Hamburger Premiere 1979 sang.
    Seinen Hamburger Abschied nahm er als fast 70jähriger Ägisth im Januar 1995. Singen gehört aber habe ich ihn noch einmal vor 5 Jahren, als er aus Anlass seines 75sten Geburtstags (und des Erscheinens seiner Autobiographie) für einen Abend in die Hamburger Opera stabile kam; 2 Schubert-Lieder, Händels „Where ever you walk“, ein französisches Lied und die „Winterstürme“ – mit eingeschränkten Mitteln, sicher, aber immer noch unverkennbar James King.

    Hallo zusammen,


    ich möchte doch etwas näher auf den bisher nur kurz angesprochenen Josef Keilberth eingehen, u. a. schon deswegen, weil von ihm – wenn ich nicht irre – inzwischen 3 Bayreuther „Ringe“ vorliegen, soeben bei ORFEO erschienen der späteste von 1956, den ich nicht kenne.
    2001 bot in letzter Zeit zum Spottpreis (30 €) den Mitschnitt aus dem Jahr 1953 (erschienen bei GEBHARDT) an, technisch in für damalige Zeit hervorragender Qualität, einziges Manko ist eine allerdings indiskutable Drehstelle im 2. Akt der „Walküre“ (Nichts lerntest du – NEUE CD – wollt ich dich lehren, was nie du erkennen kannst).
    Keilberth geht das Ganze mit relativ flotten Tempi und höchst dramatisch zupackend an, Theater pur eben (halt ohne Retouschen), keine ausgeklügelt ästhetische Farbpalette wie bei Karajan – und natürlich auch kein opulenter Stereo-Sound sondern solides Mono.
    Die Sänger sind das beste, was Bayreuth damals zu bieten hatte. Martha Mödl als Brünnhilde in Topform mit leuchtenden Höhen und in der Empfindung ohnehin kaum übertroffen. Hotters Wotan hat fast schon überdimensionale Größe und stimmliche Wucht, kein Vergleich zur erst Mitte der 60er entstandenen Solti-„Walküre“ (Lieber Alfred, darf ich Dich da korrigieren: beim Solti-Ring stammt nur das „Rheingold“ von Ende der 50er, „Siegfried“ und „Götterdämmerung“ kamen dann Anfang der 60er und die „Walküre“ zum Schluß – da war ihm Leinsdorf zuvorgekommen. Und in Zeiten, in denen allein eine „Walküre“ locker über 100,- DM kostete, war der Markt für die „Zweitaufnahme“ eng).
    Dazu der – egal unter welchem Dirigenten – unschlagbare Gustav Neidlinger (Alberich), Greindl – damals noch im Vollbesitz seiner Kräfte – als Fafner, Hunding und Hagen, Hermann Uhde für Donner und Gunther, Paul Kuen als im Volumen fast schon heldentenoraler Mime. Etwas gemischt die Wälsungen, Ramon Vinay sicherlich besser als 1957 unter Knappertsbusch, stimmfrischer und mit den rascheren Tempi deutlich besser bedient. Regina Resnik (damals war sie noch Sopran) fällt als Sieglinde dagegen ab, solide gesungen ja, viel mehr nein. Über den Siegfried von Wolfgang Windgassen werden die Meinungen wohl immer auseinander gehen, mir ist die Stimme gerade für den Jung-Siegfried zu trocken und schmal, die Gestaltung zu intellektuell.
    Wer da dieselben Probleme hat, der ist vielleicht mit dem ursprünglich bei der italienischen Firma PARAGON auf CD erschienenen „Ring“ von 1952 besser bedient (technisch ebenfalls höchst anständig, ein paar Abstriche beim „Rheingold“. In dem Jahr hatte Wieland Wagner den Siegfried aufgeteilt. Und so hört man im „Siegfried“ Bernd Aldenhoff, lyrisch klangvoll, auch er kein „echter Helde“, aber eben doch deutlich jünger klingend als Windgassen und mit dem entschieden besseren Legato. Für den alten Siegfried trat noch einmal Max Lorenz an, mit all seinen rhythmischen Ungenauigkeiten und in der Melodei manchmal recht frei. Aber was für ein Feuer! Die Brünnhilde dazu ist diesmal Astrid Varnay.
    Leider ist auch hier das Wälsungen-Paar gemischt, nicht die jugendlich höhensichere und klangschöne Inge Borkh (meines Wissens die einzig existierende Sieglinde von ihr); aber Günther Treptow, den ich bei Furtwänglers Scala-Mitschnitt so eben noch goutiere, klingt alt und abgesungen, die Vokalverfärbungen überschreiten das Maß des Erträglichen.
    Ebenfalls aufgeteilt ist hier der Wotan, der im „Rheingold“ vom jugendlich ungestüm klingenden Hermann Uhde gesungen wird. Daneben zwei Raritäten: der kurz darauf tödlich verunglückte Werner faulhaber als Donner und Windgassen als Luxus-Froh (da klingt die „Brücke“ ein Jahr später bei Gerhard Stolze doch arg quäkig.


    Einen schönen Abend noch
    Hartmut

    Hallo,


    noch kurz zwei Anmerkungen zu früheren Antworten:


    DER KÖNIG KANDAULES Da gibt es als Aufnahme außer der Hamburger Uraufführung unter Gerd Albrecht (von Anthony Beaumont fertiggestellt, Zemlinsky hatte nur etwa 700 Takte instrumentiert und den Rest im Particell fertig, danach ließ er es liegen, weil an eine UA an der Met in den 30ern nicht zu denken war - Entkleidungsszene!) inzwischen auch noch den Salzburger Mitschnitt unter Nagano bei ANDANTE (sehr! teuer). Ich habe beide Produktionen gesehen und war von Salzburg deutlich mehr angetan, schon allein weil mit Nina Stemme und Wolfgang Schöne zwei der drei Protagonisten erheblich besser sind.


    historia von dr. johann fausten Das ist wirklich Schnittkes letzte Oper (ebenfalls an der Hamburgischen Staatsoper uraufgeführt). Schnittke war damals bereits ein schwerkranker Mann, so krank, daß er nicht einmal zur UA kommen konnte, obwohl er damals in Hamburg lebte. Deshalb stammen die elektronischen Musikteile von seinem Sohn, sonst wäre das Stück wohl nicht fertig geworden.
    Die Hamburger Produktion ist auf CD erschienen und auch im Fernsehen übertragen worden, ich meine, auch als Kauf-Video herausgekommen. Ob inzwischen auf DVD entzieht sich meiner Kenntnis

    Lieber Sune,


    als ausgesprochener Saariaho-Fan (seit der "L'amour de loin"-UA in Salzburg) möchte ich noch einige Ergänzungen zur Komponistin nachliefern, da sie sich stilistisch ja doch kräftig von ihren Landsleuten Sallinen, Rautavaara oder auch dem 1956 geborenen Jouni Kaipainen (der anscheinend immer noch nicht mit seiner ersten Oper fertig geworden ist) unterscheidet.
    Kaija Saariaho (geb. 1952) hat zwar zunächst auch bei Paavo Heininen in Helsinki studiert, ist dann aber zu Brian Ferneyhough nach Freiburg gegangen und lebt seit 1982 in Paris, wo sie sich am IRCAM auch mit elektronischer Musik beschäftigt hat. Sie spricht damit nicht nur ein weit modernes Idiom als etwa Sallinen, sondern sie schreibt auch ausgesprochen französische Musik (auf französische Texte, meist ihres Lieblingsschriftstellers Amin Malouf), sehr fließend in den Übergängen, häufig fast impressionistisch im Klang, die Elektronik dabei als Erweiterung des Klangspektrums benützend. Durch das stetige Fließen entsteht eine unheimliche Ruhe und gleichzeitig ein Sog, der wirklich süchtig machen kann (da stimme ich Dir voll zu), insofern erstaunlich, daß es jetzt bis zur DVD aus Helsinki gebraucht hat, bis es zu einer Veröffentlichung kam, denn sowohl die UA in Salzburg (Upshaw/Peckova/Dwayne Croft/Nagano) als auch Paris (Upshaw/Finley/Nagano, der Mezzo könnte Lilli Paasikivi gewesen sein) sind im Radio übertragen worden, die CD-Produktion wäre also kein Problem gewesen.
    Alle bisherigen Produktionen (mindestens noch Santa Fé) scheinen die Inszenierung von Peter Sellars verwendet zu haben, die damals in der Felsenreitschule ungeheuer beeindruckend war, obwohl eigentlich ganz einfach: Links und rechts je einen Turm für Sopran und Bariton (sie als Gräfin in Tripoli, er als Troubadour in der Provence), dazwischen die geflutete Bühne als Meer, durch das der Mezzo-Pilger seine Botschaften von einem zum anderen bringt und auf dem sich Jaufre dann per Boot auf die Reise zu seiner ungesehenen Angebeteten begibt.


    Einen schönen Abend noch
    Hartmut

    Hallo Giselher,


    der "Palestrina" (Inszenierung Horres) hatte 79 Premiere, also schon unter Dohnanyi. Das ja ziemlich selten gespielte Stück lief damals ziemlich zeitgleich auch in München an, wo Moll ebenfalls als Madruscht und Papst auftrat, dort meines Wissens auch in der Premiere, während er in Hamburg in diesem Fall Harald Stamm den Vortritt lassen musste.


    Die Opernfilme aus der Liebermann-Zeit, immerhin 13 Stück, scheinen irgendwie in der Versenkung verschwunden zu sein, möglicherweise aus rechtlichen Gründen, ich weiß es nicht. Man findet sie auch bisher nicht bei Wiederholungen auf Eins Festival etc.


    Gruß
    Hartmut


    PS.: "Staatstheater" hab ich auch noch gesehen, habe aber außer an das köstlich parodistische große "Ensemble" im Kostüm keinerlei Erinnerung mehr daran.

    Hallo Giselher,


    da ich in Hamburg noch jene Zeit mitbekommen habe, um die Du mich vielleicht beneiden wirst (nämlich die gesamten 70er), dafür hast Du dann noch ein paar Jährchen wenn ich schon Gehwagen schiebe =), noch ein paar Rollen, in denen Moll damals aufgetreten ist und in denen ich ihn auch gesehen habe - einige Partien stammen allerdings wohl (auch) aus späteren Jahren:


    WOZZECK: 1. Handwerksbursche
    DER GESTIEFELTE KATER (Günther Bialas): König
    LUCIA DI LAMMERMOOR: Raimondo (sowohl in der Premiere mit Sutherland/Domingo als auch mit Scotto/Pavarotti)
    DON QUICHOTTE: Titelpartie
    NOZZE DI FIGARO: Bartolo
    GIOVANNI: Komtur
    COSI: Alfonso (deutsch und italienisch)
    BORIS GODUNOW: Pimen (in der Premiere neben Talvelas Boris) und dann als Zweitbesetzung der Titelrolle - damals auf deutsch
    LUSTIGEN WEIBER VON WINDSOR: Falstaff
    PALESTRINA: Papst, Madruscht und einen der verstorbenen Meister (alle 3 Rollen am gleichen Abend)
    LA BOHEME: Colline
    MOSES UND ARON: ich glaube als Ephraimit und Stammesältester
    VERKAUFTE BRAUT: Kezal
    SALOME: 1. Soldat
    SCHWEIGSAME FRAU: Morosus
    EUGEN ONEGIN: Gremin (deutsch und russisch)
    RIGOLETTO: Sparafucile
    FORZA: Guardian
    CARLOS: Großinquisitor und Philipp (zu letzterem ist Sune völlig recht zu geben)
    AIDA: König und Ramphis
    OTELLO: Lodovico
    FALSTAFF: Pistola
    in allen Wagner Partien, die er hier gesungen hat, also in allen Opern ab Holländer (bis auf Götterdämmerung, dafür im Rheingold sowohl Fasolt als auch Fafner)
    FREISCHÜTZ: Kaspar und Eremit (da lag ihm letzterer nicht nur wegen der Tessitura erheblich besser).


    Eine lange Liste (zu der noch der Peneios in der DAPHNE an der BSO kommt, und einiges hatte ich selbst nicht mehr im Kopf sondern nur noch in der "Buchführung"


    Liebe Grüße
    Hartmut

    Lieber Sune,


    in welcher Reihenfolge sind die beiden Boris-Fassungen unter Melik-Pashaev eigentlich entstanden? Z.T. wird nämlich auch die mit London als die frühere angegeben. Auf jeden Fall hat man wohl nicht einfach dazugeschnitten sondern in Moskau neu aufgenommen, denn meniens Wissens sind ein paar kleine Rollen anders besetzt.


    Liebe Grüße
    Hartmut

    Zitat

    Original von sagitt
    Ein selten gespielte Perle Rossini´scher Gesangskunst, aber welches Haus hat schon 10 hervorragende Rossini-Sänger ? Die bräuchte man nämlich,wenn man das Stück aufführen.


    Genau aus diesem Grund, weil man nämlich so viele Solisten braucht, steht das Stück seit einigen Jahren in einer halbszenischen Produktion beim Rossini-Festival in Pesaro auf dem Programm - und zwar als "Abschlußarbeit" für den "Nachwuchs"-Kurs; und das auch noch in teilweiser doppelter Besetzung für die zwei Aufführungen. Ich hatte dieses Jahr das Vergnügen, eine davon zu erleben. An Namen ist mir dabei der russische Tenor Maxim Mironov in Erinnerung geblieben, der als Libenskof locker gut 10 hohe Cs schmetterte (und das ab 11 Uhr morgens!). Als "Nachwuchs" wird man ihn allerdings trotz seiner gerade 25 Jahre kaum noch bezeichnen können, im Frühjahr war er der Erisso im "Maometto II." am La Fenice, im Sommer der Ramiro in der "Cenerentola" in Glyndebourne, irgendwann die Saison soll er auch im "Turco in Italia" in Hamburg zu hören sein.


    Unvergesslich wird mir sicher die Produktion in Wien 1988 bleiben (im Prinzip Übernahme aus Pesaro), bei der ich auch noch das Glück hatte, die einzige Vorstellung zu erleben, in der Samuel Ramey und Ruggero Raimondi gemeinsam auftraten (die ersten Vorstellungen hatte Ferruccio Furlanetto statt Ramey gesungen, für Raimondi übernahm dann Giorgio Surjan). Der Rest der Besetzung mit Caballé / Cuberli / Gasdia / Valentini-Terrani / Merritt / Lopardo / Chausson / Dara / Abbado ist heute schon Operngeschichte, von der Premiere gibt es erfreulicherweise den ORF-Fernseh-Mitschnitt.


    Liebe Grüße
    Hartmut

    Zitat

    Eine Rolle in der "Chenier" Aufnahme von 1977 (remastered 1999) - Levine; Scotto, Domingo, Milnes - scheint einem Marvel-Comic entsprungen zu sein:
    Michel Senechal singt in dieser Produktion "L'Incredibile"
    laut Staatsopern-Programm und Reclam-Führer sollte es sich dabei wohl um den "Incroyable" handeln; aber vermutlich fanden das die Amis so unglaublich kompliziert auszusprechen


    Hallo Martello,


    da muß ich Dich leider enttäuschen, das ist kein Fehler. Die Partie heißt im italienischen Original laut Sonzogno-Klavierauszug Un "Incredibile"


    Einen schönen Abend noch
    Hartmut

    Lieber Sune,


    Du hast mir das meiste ja schon abgenommen (und einiges dazu, daß ich so nicht wußte). Insofern bleibt mir nur, ein paar persönliche Erinnerungen nachzutragen. Auch ich habe den Hagen damals gehört (er sang in dem "Ring" auch noch Fasolt - neben Molls Fafner - und Hunding). Und soweit ich das noch in Erinnerung habe - es muß 1970 oder 71 gewesen sein -, fehlte der Stimme trotz ihrer Größe die charakterisierende Härte a la Greindl oder Frick für die Partie. Er hat das wohl auch selbst gewußt und die Partie meines Wissens dann nicht mehr gesungen, wie er ja auch König Heinrich und Pogner (sicherlich aus anderen Gründen) ziemlich schnell beiseite gelegt hat. Dafür war er ein wundervoller Gurnemanz, ein in Böhms Bayreuther "Tristan" für mich bis heute unerreichter Marke, bei Mozart neben dem Sarastro ein phänomenaler Komtur (der es sich außerdem bei seiner Statur erlauben konnte, ohne technische Tricks "in persona" zu erscheinen). Und nicht vergessen werden sollte auch sein Boris, in Hamburg damals noch auf deutsch, der gerade in den Piani durch die weichheit seiner Stimme beeindruckte.
    Diese Fähigkeit hat ihn auch zu einem für sein Stimmfach ungewöhnlich guten Liedersänger gemacht, wie man mit einer von Haus aus derartig großen Stimme Schumanns "Zu Augsburg steht ein hohes Haus" derartig diffizil singen kann, wird für mich wohl ewig eines der großen Rätsel bleiben.
    Wer also den Sänger Talvela in seiner ganzen Vielfältigkeit erleben will, dem seien sowohl die DECCA-CD mit Schumanns Kerner-Liedern, den Liedern und Tänzen des Todes von Mussorgski sowie Rachmaninow-Liedern als auch die Winterreise mit Ralf Gothoni (da hab ich jetzt das Label nicht im Kopf) wärmstens empfohlen.


    Schönen Sonntag
    hartmut

    Ich möchte doch auf die erste Einspielung des Stücks durch MARGUERITE LONG hinweisen, die ziemlich schnell nach der UA stattfand (Long spielte damals mit dem Orchestre des Concerts Lamoureux unter Ravel). Klangtechnisch ist das natürlich meilenweit vom heutigen Standard entfernt, aber ich empfinde die Aufnahme rein stilistisch eben doch als sehr französisch und relativ weich im Klavier, was sicher zum Teil eine Frage der Aufnahmetechnik ist, möglicherweise aber auch mit dem Flügel zusammenhängt (damals in Paris vermutlich eher ein Erard oder ähnliches, nicht der großvolumigere, aber härtere Steinway).


    Etwas unklar ist mir bei der Einspielung die Angabe zu Orchester und Dirigent. Meine alte EMI/Angel-LP (Koppelung mit Milhaud-Konzert) gibt "Orchesterbegleitung, Maurice Ravel" an. Ich bilde mir aber ein, in neuerer Zeit sowohl eine genauere Orchesterangabe als auch einen anderen Dirigentennamen gelesen zu haben, finde die Site aber leider nicht mehr, es muß im Zusammenhang mit einer Sendung auf France Musique gewesen sein. Kann mir da jemand weiterhelfen?


    Die für mich persönlich interessanteste Version ist ja leider nie gemacht worden, da Walter Gieseking zwar Ravels Piano-Solo-Gesamtwerk, aber nicht die Konzerte eingespielt hat.


    Einen schönen Tag noch
    Hartmut

    Erstaunlich, daß das noch keiner hatte:


    Im tiefen Keller sitz' ich hier
    Bei einem Faß voll Reben,
    Bin guten Muth's und lasse mir
    Vom allerbesten geben.
    Der Küfer holt den Heber vor,
    Gehorsam meinem Winke,
    Füllt mir das Glas, ich halt's empor
    Und trinke, trinke, trinke.


    Melodie von Ludwig Fischer, der, wenn ich nicht sehr irre, der erste Osmin war.


    Schönen Abend noch
    Hartmut

    Hallo allerseits,


    als Nachahmer - jedenfalls aus heutiger Sicht - dürfte wohl auch Felix Draeseke mit seinem "Christus" gelten (Christus. Ein Mysterium in einem Vorspiel und drei Oratorien für großen Chor, Solostimmen und Orchester), der anscheinend als oratorisches "Gegenstück" zum "Ring" gedacht war, wobei ihm das MGG bescheinigt, inhaltlich deutlich auf Gegenkurs zur späten Kunstreligion Wagners gewesen zu sein (eigentlich kein Wunder, Draeseke kam aus einer protestantischen Theologenfamilie). Zu Draesekes Lebzeiten ist das Werk nur zweimal komplett 1912 aufgeführt worden - möglicherweise aufgrund ähnlicher Problematik in Sachen Anforderungen wie bei Wagner. Über spätere Aufführungen habe ich nichts gefunden, immerhin gibt es aber eine offenbar auch jetzt noch greifbare CD-Aufnahme. hat die irgendwer mal gehört?


    Einen schönen Abend noch

    Hallo Giselher,


    als zu klein habe ich Schmidts Stimme nie empfunden (ich kenne ihn seit Max und Hüon Mitte der 80er in Eutin). Vom Volumen her eigentlich schon ein Heldentenor, allerdings ohne jegliches baritonales Fundament. Er hat sie nur - und bei meinen Live-Erlebnissen gerade in Bayreuth - durch unnötiges "Auf-die Tube-drücken" kleiner gemacht als sie war, weil sie dann nicht mehr frei ausschwang. Was die klangliche Substanz angeht, da würde ich Dir recht geben, allzuviel Farbe hat die Stimme nie gehabt, was sie nicht besonders variabel machte.
    Ich weiß nicht, von wann die Hörbeispiele auf Schmidts Site stammen, da sind (mal abgesehen vom permanent einschlafenden Dirigenten) schon etliche technische Probleme bei "Ein Schwert" und "Winterstürme" zu hören, das Ansingen von unten, das Benutzen des tieferen Tones als "Sprungbrett", wenn er für höhere Töne im Forte nachstützt.
    Vielleicht schadet ihm jetzt, daß er ein Sänger mit einer unheimlich robusten Konstitution war, der eventuelle technische Schwierigkeiten lange mittels Kraft meistern konnte. Irgendwann rächt sich das...


    Schönen Abend noch
    Hartmut


    PS.: Zu Schmidts guten Abenden muß ich auch einen Bacchus in Hamburg zählen (mit Margaret Price - und meine letzte Ariadne auf Bühne seitdem, stelle ich gerade fest). Da hat er wirklich auf Linie, mit gutem Legato und unforcierten, lockeren Höhen gesungen; vom Abend vorher war von glaubhafter Quelle berichtet worden, er habe gewaltig gebrüllt.
    PS 2: Apropos Held: mal sehen, wie Treleaven in Hamburg den Tristan packt.

    Zitat

    Die fast alljährlichen Auftritte in Bayreuth in den 90ern machten seine totale stimmliche Überforderung in den schweren Heldentenorpartien brutalstmöglich deutlich und gehörten zu den vokalen Tiefpunkten der mit guten Stimmen weiß Gott nicht gesegneten Übertragungen aus der fränkischen Festspielstadt


    Hallo Giselher,


    ich gebe Dir bezüglich der Übertragungen Recht, Schmidts Stimme klingt über Mikrophon sehr unschön (und ist es im Sinne von "schön" auch in Natura nicht). Aber so schlimm wie im Radio war es auf der Bühne nicht. Ich habe zwei Levine-Ringe und den Sinopoli-Ring in Bayreuth gesehen. Bei Sinopoli war er wirklich miserabel (1. Zyklus), bei Levine aber durchaus anständig, wobei in Bayreuth ein Phänomen auffilel, das gerade bei der guten Akustik ungewöhnlich war. Er gab nämlich deutlich mehr Stimme als nötig, im Gegensatz zu Hannover, wo ich einen erstklassigen Jung-Siegfried sowie wirklich hochmusikalische Gurrelieder von ihm gehört habe (und der Waldemar ist extrem schwer). Letzte Begenung war jetzt der Herodes beim Dredner Gastspiel in Lübeck beim SHMF. Sehr gut charakterisiert, allerdings teilweise auch zuviel Power, aber Marc Albrecht war (konzertant) dermaßen unsinnig laut, daß den meisten wenig anderes übrigblieb.
    Da Schmidt im Allgemeinen ein engagierter Darsteller ist wäre ich einem Herodes auf Bühne also nicht abgeneigt, eine "schöne" Stimme brauche ich persönlich für die Partie nicht.


    Einen schönen Tag

    Zitat

    Zitat ThomasBernhard:
    Gerrit erwähnte an anderem ort, das der NBC Zyklus schlechter sei, als der frühere Zyklus mit dem New York Philharmonic. das ist erfreulich, daß es von toscanini noch bessere aufnahmen gibt, die ich bisher nicht kenne, aber auch der NBC Zyklus hat seine ganz großen Momente.


    Zitat Gerritt Stolte:
    Datt is so nich janz richtig Der frührere Zyklus ist auch mit dem NBC Symphony Orchestra, allerdings live eingespielt (Radioübertragungen) und 1939 entstanden.


    Wenn ich mich nicht sehr irre, gibt es auch noch einen Zyklus mit dem New York Philharmonic, 1938 live, mit Pinza für das Bass-Solo. War, meine ich, mal bei Nuova Era erhältlich.


    Als Gesamtaufnahmen des Zyklus stehen bei mir neben Toscanini-NBC- live 39 noch Bruno Walter (mit New York Philharmonic), Günter Wand und John Eliot Gardiner im Schrank. Ich würde insgesamt da inzwischen Gardiner den Vorzug geben, wegen der flotten Tempi, des durchsichtigen, eben nicht mehr romantisch dicken Orchesterklangs, aber auch wegen eiens erfrischend zupackenden, im Grunde "modernen" Zugangs, der weder Patina noch irgendwelches Pathos aufkommen läßt. Letzteres haben Walter und Wande auch nicht, beide gleich uneitel, allein der Musik verpflichtet, aber eben aus heutiger Sicht, klassisch ausgewogener. Toscanini ist mir inzwischen teilweise zu pathetisch (9te, 4. Satz ist z.T. die reinste Marschmusik), wenn man das Pathos akzeptiert dann allerdings z.T. hochspannend.


    Insgesamt würde ich mir meinen Ideal-Zyklus aber auch eher aus Einzelaufnahmen zusammenbauen, die Pastorale z.B. ist für mich immer noch die Erich-Kleiber-Einspielung.


    Einen schönen Abend noch

    Hallo allerseits,


    ich habe gedacht, ich suche mir für meine erste Mail dieses Thema.


    Ich habe in meiner Liste bewußt alle großen Namen der Vergangenheit ausgelassen und mir überlegt: zu wem würde ich gehen, wenn ein Konzert in Hamburg angekündigt wäre.


    Also: in alphabetischer Reihenfolge


    Claudio Abbado
    Jiri Behlolavek
    Pierre Boulez
    John Eliot Gardiner
    Emmanuelle Haim
    Ingo Metzmacher
    Kent Nagano
    Roger Norrington
    Esa-Pekka Salonen
    Jukka-Pekka Saraste