Beiträge von hasenbein

    Ich habe schon mehrere Male beeindruckende Träume gehabt, in denen ich große, oratorienartige Musik hörte. Chor, riesiges Orchester - und unfaßbare kontrapunktische, erregende Steigerungen, die das Herz total ergriffen! So etwa Bach h-moll-Messe gekreuzt mit Mozart c-moll-Messe (Kyrie) plus Wagner-Intensität :jubel: :angel: :jubel:


    Leider konnte ich mich nie an irgendwelche Details des Geträumten erinnern. Einmal erinnerte ich mich dann doch an ein Stück einer geträumten Melodie, die ich im Traum total beeindruckend fand. In der Realität war sie aber total belanglos.


    LG,
    Hasenbein

    Zitat

    Original von der Lullist


    Über 100 Bühnenwerke ... das ist doch unfassbar oder ?!


    Wahrscheinlich haben die auch dementsprechende Qualität :baeh01: :beatnik:


    Klingt vermutlich eins wie das andere...


    Und wahrscheinlich erklärt das auch, warum Draghi bis jetzt nicht "ausgegraben" wurde...


    LG,
    Hasenbein

    Ich denke, es liegt oft am mangelnden feinen Hinhören und Unterscheiden derjenigen, die die Gleichartigkeit bemängeln.


    Man muß ja schon aufmerksam sein und Details mitbekommen - läßt man Vivaldi oder Händel nur so im Hintergrund laufen, ist es klar, daß immer wie dieselbe Klangtapete wirkt.


    Ein ähnliches Phänomen ist zu beobachten, wenn wir z.B. Asiaten sehen - die wirken auf uns hier auch alle irgendwie gleich. Nur wenn man öfter unter Asiaten ist, ändert sich das, und sie sehen für uns genauso vielfältig aus wie Europäer! (Umgekehrt gilt das Phänomen übrigens genauso, ob man's glaubt oder nicht!)


    Allerdings ist es schon auch richtig, daß die Bandbreite der musikalischen Mittel z.B. bei Vivaldi oder Telemann erheblich begrenzter ist als z.B. bei Beethoven oder Brahms. Und man muß sich auch nix vormachen, vieles von ihren Werken ist tatsächlich Routine-Ware. Die mußten halt Geld verdienen. Ähnlich wie bei Bachs Kantaten-Massenproduktion.


    LG,
    Hasenbein

    Ach so, außerdem hätte ich gerne mal von allen, die hier die qualitative Überlegenheit der Klassik gegenüber dem Pop anzweifeln, bitte mal ein konkretes Beispiel für ein Popstück oder auch ein Pop-Album, das ihrer Meinung nach qualitativ genauso hoch anzusiedeln ist wie eine typische Bach- oder Beethovenkomposition!


    Da bin ich mal gespannt! :lips:


    LG,
    Hasenbein

    Klar, jeder Vergleich, und ein solcher schon besonders, hinkt 8)


    Aber Jazz ist auf keinen Fall Pommesbude.


    Jazz ist so dazwischen - sagen wir, der Italiener um die Ecke, bei dem's trotz der recht niedrigen Preise immer lecker schmeckt :D


    Und ich behaupte: Jeder, der sich in seinem Leben ernsthaft mit Klassik beschäftigt hat, wird mühelos anerkennen, daß deren Qualität höherstehend ist. (Nicht der Stil ist höherstehend - sondern die großen Werke der großen Komponisten sowie die großen Klassikinterpreten. Selbstverständlich gibt es unter dem weitgefaßten Label "Klassik" auch schlechte Werke und schlechte Spieler, die meine ich aber natürlich nicht.)


    Nur Leute, die herzlich wenig über Klassik wissen, können das in Abrede stellen.


    Lies mal das überaus empfehlenswerte Buch "Die gestaltenden Kräfte der Musik" von Ernst Toch.


    http://www.amazon.de/Die-gesta…oks&qid=1252865100&sr=8-1


    Übrigens ein sehr schönes, wirklich mit Herz geschriebenes Buch, das Thomas Mann auch sehr gefallen hat!


    Wenn Du das durch hast (bzw. wenigstens die ersten Kapitel gelesen hast, nachher wird's doch ein wenig spezieller), dann können wir gerne über die Qualitätsfrage weiterreden :beatnik:


    LG,
    Hasenbein

    Nein, diese Diskussion ist nicht arrogant.


    Bitte komm nicht mit diesem komischen Totschlag-"Argument" Nazizeit.


    Es stellen hier nur welche fest, daß man deutliche Qualitätsunterschiede bei Musik feststellen kann und daß Klassik in dieser Hinsicht sehr deutlich die Nase vorn hat gegenüber dem meisten, was es im Popsektor so gibt.


    Das ist eine simple Tatsache.


    Ich meine, wenn jetzt jemand hergeht und sagt, die handgefertigten, künstlerisch gestalteten Möbel seiner Lieblingsfirma seien besser (sowohl vom Aussehen als auch von der Fertigungsqualität) als das, was man bei Ikea oder Unger kauft, dann bezeichnest Du ihn ja auch nicht als arrogant.


    Diese Qualitätsunterschiede bei Musik leugnen kann nur einer, der keine Ahnung hat, sorry. Und das sage ich als einer, der selber Musiker ist und weder mit Klassik noch Pop auftrete, sondern mit Jazz (wobei ich mich mit den anderen Musikstilen auch ausführlich auf professionellem Level beschäftigt habe, sie nur in der Regel nicht aufführe).


    Und dieses oft gehörte Argument "Ja, aber diese Musik, die ihr als nicht so hochwertig bezeichnet, gefällt mir nun mal sehr gut und gibt mir sehr viel, deswegen kann man sie doch nicht als schlechter bezeichnen" gilt auch nicht. Denn jemand, der immer am liebsten Pommes, Döner und Fischstäbchen ißt und sich aus Sternerestaurants nichts macht, muß trotzdem anerkennen, daß in Sternerestaurants das bessere Essen gemacht wird.


    LG,
    Hasenbein

    M-Müller, Dein Fehler ist, daß Du die Popmusik mit "Neuer Musik" vergleichst.


    Offenbar hast Du keine Ahnung von Neuer Musik, sonst wüßtest Du, daß es dort die verschiedenartigsten Musiken gibt, nicht nur Zwölftonmusik - und daß (wie in der Popmusik auch) dort Scharlatenerie wie hervorragende Kunst existiert.


    Wie wär's, und Du stellst mal den sinnvollen Vergleich an - nämlich die wirklich große klassische Musik von Bach bis Brahms der Popmusik gegenüberzustellen?


    Dann mußt Du doch auch anerkennen, daß die klassische Musik, wollte man mit Essen vergleichen, einem herrlichen Restaurantmenü entspricht, während Popmusik in der Regel mit einem Döner oder "Pommes Schranke" vergleichbar ist.


    Nicht daß ich nicht ab und zu auch mal ganz gerne Fast Food äße - aber diese heutigen Tendenzen, Niveauunterschiede (die z.T. gewaltig sind) zu leugnen, geht mir gewaltig auf den Keks und ist m.E. ein Teil des hier beklagten kulturellen Niedergangs, der tatsächlich existiert:


    Früher gab es tatsächlich, über die Gesamtbevölkerung gerechnet, "weniger" Kultur als heute, weil nur die obersten Zehntausend Zugang zur Hochkultur hatten.


    Heute hat im Prinzip jeder Zugang zur Hochkultur, dies hat jedoch bewirkt, daß die Kultur "proletarisiert" und nivelliert wird, da nicht das Höchste (wie damals bei den Adligen und Reichen) verbreitet wird, sondern das, was bei den meisten ankommt und am meisten Geld bringt. Außerdem werden die wirklichen künstlerischen Inhalte bei Musik und bildender Kunst immer mehr durch Brainfuck und verbale Messages ersetzt, die mit dem eigentlichen Kern (d.h. bei Musik der Arbeit mit Tönen & Rhythmen, bei Kunst der Arbeit mit Formen und Farben) nicht viel zu tun haben. Daher ist es berechtigt, von einem Niedergang der Kultur zu sprechen, obwohl es scheinbar viel mehr Kultur gibt.


    LG,
    Hasenbein

    Interessant finde ich auch folgende Beobachtung:


    Viele gebildete, kulturbeflissene Leute (darunter auch Literaten, Architekten, bildende Künstler, aber auch einfach Interessierte, Sammler etc.) achten bei allem darauf, daß es hohen Standards entspricht. Man liest selbstverständlich nur niveauvolle Literatur, man schaut im Kunstmuseum feinsinnig und differenziert hin, man richtet sich die Wohnung geschmackvoll und eventuell teuer ein etc. pp. Es ergibt sich das Bild eines rundum feinsinnigen, geschmackssicheren Menschen.


    Aber bei Musik ist es dann in sehr vielen Fällen ganz anders! Da hören sie die gleiche öde Popmusik wie die meisten anderen! Und interessieren sich auch gar nicht dafür, was es vielleicht Besseres geben könnte! Es wirkt so, als wäre genau dieser eine Bereich ausgespart in ihrem "Geschmacks-Universum"!


    Bei Literatur gibt's z.B. so einen wie Marcel Reich-Ranicki, der von den Leuten beachtet wird und (auch wenn man natürlich sehr geteilter Meinung über ihn sein kann) Hinweise gibt, was relevante Literatur ist oder nicht. Bei Musik gibt es Vergleichbares nicht - im Gegenteil, in der Spiegel-Online-Kolumne "Abgehört - die wichtigsten CDs der Woche" werden ausschließlich (!) Pop-Rock-CDs vorgestellt, dem Leser wird dadurch also die komplette Nicht-Relevanz oder gar Nicht-Existenz der in Wirklichkeit viel wichtigeren Neuerscheinungen auf dem Klassik- oder Jazzsektor suggeriert!


    Es scheint also in weiten Teilen der Kulturlandschaft einen "blinden Fleck" des Qualitätsbewußtseins ausgerechnet bei der Musik zu geben.


    Vielleicht weil die Leute, von denen ich oben sprach, in der Kindheit und Jugend "gelernt" haben, daß sie "unmusikalisch" sind und sich deswegen an diesen Bereich als einzigen nicht rantrauen?


    LG,
    Hasenbein

    Naja, ich würde sagen, es liegt auch daran, daß bei einem unvollendeten Werk der Hörer denkt: "Was da noch unglaublich Tolles im Anschluß gekommen wäre, hätte der Komponist es vollenden können..."


    Im Kleinen funktioniert dieser Effekt auch bei Aufnahmen von Pop- oder Jazzstücken: Oft gibt es ja am Ende ein Fadeout, in dem die Musiker sich noch mal so richtig den A*sch abgrooven. Die Phantasie des Hörers ist oft automatisch, daß die Musiker noch stundenlang mit wachsender Begeisterung und Energie weiterjammen, während in Wirklichkeit nichts dergleichen geschehen ist.


    Und überhaupt ist es ja günstig, wenn ein Komponist relativ früh gestorben ist, denn dann kann man phantasieren, daß er noch viel phantastischere Werke geschrieben hätte, wenn er länger gelebt hätte...


    In altgewordene Komponisten wie Haydn, Strawinsky oder Strauss deutet man hingegen kein unverwirklichtes Potential hinein, sondern denkt: "O.K., das war halt alles, was sie zu bieten hatten". (Was natürlich'ne Menge war...)


    LG,
    Hasenbein

    Es sei übrigens ergänzt, daß auch das typische Rock-Pop-Publikum genauso konservativ ist. Von den großen Pop-Stars wird verlangt, immer die großen Hits zu bringen, sonst ist man verärgert darüber, den horrenden Eintrittspreis bezahlt zu haben.


    Weniger konservativ sind so Neue-Musik- und Zeitgenössischer-Jazz-Publika; hier dreht sich der Spieß aber leider um und es wird oft Neues um des Neuen willen gefordert, während nicht ausreichend Neues als unkreativ gebrandmarkt wird. Das ist natürlich auch Schmarrn.


    LG,
    Hasenbein

    Hallo Dreamhunter,


    Du weißt ja bestimmt, daß die größten klassischen Musiker wie Bach, Mozart, Beethoven, Liszt usw. alle hervorragende Improvisatoren waren.


    Auch war es bis ins 19.Jh. hinein nicht etwas Spezielles, Nischenhaftes, daß improvisiert wurde, sondern gehörte ganz normal dazu.


    Bei vielen Klavierstücken von Bach, Beethoven oder Chopin erkennt man superdeutlich, daß sie aufgeschriebene Improvisationen sind (die vielleicht noch ein bißchen hier und da zurechtgezuppelt wurden).


    (Was würde ich darum geben, Beethoven improvisieren zu hören...)


    "Klassik" ist also per se überhaupt nicht improvisationsfern.


    Das von Dir geschilderte Phänomen hängt m.E. damit zusammen, daß sich ab dem 19. Jh. eine immer größere musikalische Komplexität und Stilvielfalt entwickelte und zugleich der Perfektionsanspruch immer größer wurde.


    Deswegen trauten sich immer weniger Musiker zu improvisieren, bzw. sie nahmen sich nicht die Zeit dazu, weil sie zuviel Zeit dazu brauchten, die schwierigen ausnotierten Stücke zur Perfektion zu bringen.


    Heute ist es so, daß die meisten klassischen Musiker sich nicht mal trauen, ein bißchen zum Spaß zu improvisieren, weil sie viel zu viel Angst davor haben, "schlecht" zu klingen. Ich habe schon verschiedentlich "Klassiker" als Klavierschüler gehabt, und jedesmal war es so, daß sie erstmal zu gehemmt zum Improvisieren waren, weil sie meinten: "Ja, aber das klingt dann doch schlecht /kindisch etc.".


    Außerdem kommt noch hinzu, daß in der klassischen Instrumentalausbildung Gehörbildung und Theorie i.d.R. viel zu kurz kommen und es so zu gar keinem wirklichen Verstehen des musikalischen Materials, geschweige denn zu einem kreativen Umgang damit kommt.


    Ein Improvisator (wie ich z.B.) spielt ein klassisches Stück und sieht dabei auch, daß es bestimmte Elemente wie Akkorde, Harmoniefolgen, Motive, Rhythmen etc. enthält, die er interessant findet und die ihn sozusagen anregen, sie als "Legobausteine" für eigene Schöpfungen zu verwenden.


    Ein typischer "Klassiker" hingegen interessiert sich dafür kaum, sondern nur dafür, eine gut klingende und vielleicht berührende oder "schlüssige" Interpretation hinzukriegen. Liegt wie gesagt am Erziehungssystem.


    Zum Publikum: Man kann sagen, daß das typische Klassikpublikum in der Tat nicht an Neuem interessiert ist, sondern vor allem das, was es bereits kennt (und von dem es weiß, daß es "schön" ist) hören will. Es ist also sehr konservativ. Aber das war auch schon früher so. Die großen Komponisten mußten sich mit ihren kreativen Improvisationen und neuartigen Kompositionen stets ein sehr geteiltes Echo gefallen lassen, und nur wenige Zuhörer erkannten deren Größe wirklich.


    LG,
    Hasenbein

    Ein sehr schönes epigonales Werk ist, finde ich, die 5. Symphonie von Schubert.


    In diesem Werk ist er ja einfach Mozart-Epigone - es ist wirklich so was wie Mozarts 42te.


    LG,
    Hasenbein


    Edit: O.K., Aufgabenstellung falsch verstanden. Tschuldigung! :D Trotzdem ist die 5.schön! ;)

    Hallo Kopiroska,


    hier ist die zugehörige Story ganz gut beschrieben (Quelle: http://www4.ndr.de/sinfonieorc…zerte/programmheft106.pdf):


    Zitat

    Eine erstaunliche Vielfalt musikalischer Profile vereint der vierte Satz des Konzerts, das „Intermezzo interrotto“. Das anfängliche Oboenthema zeigt Merkmale – die metrische Asymmetrie, die häufigen Taktwechsel, die Tonrepetitionen –, die typisch sind für die osteuropäische Volksmusik verschiedener Regionen. Mit der anschließenden, sentimental-melancholischen Melodie der Bratschen dagegen zitiert Bartók eine ungarische Operette (Zsigmond Vincze: „A hamburgi Menyasszonyi“, 1926). Dieser bewusste und gezielte stilistische Einschub „volkstümlicher Kunstmusik“ (um einen klärenden Begriff Bartóks anzuwenden) erhält eine geradezu programmatische Bedeutung, wenn man den Text, der zu dieser Melodie gehört, kennt – „Schön und lieblich bist du, Ungarn“ – und wenn man bedenkt, dass dieses Thema in Ungarn zu einem nationalen Symbol avanciert war. Und abermals ändert sich der Tonfall des Satzes grundlegend, um diesmal den Charakter aggressiver Satire anzunehmen, einer grellen Persiflage mit Anklängen an die Militärund Zirkusmusik. In einem Gespräch mit seinem Landsmann und früheren Schüler, dem Dirigenten Antal Doráti, stellte Bartók einmal die Frage: „Wissen Sie, was das für eine Unterbrechung im ‚Intermezzo interrotto‘ ist?“ Doráti antwortete ihm: „Es ist ein Zitat aus ‚Die lustige Witwe‘.“ Doch auf diese Vermutung reagierte Bartók mit Verständnislosigkeit. „So war es also“, fährt Antal Doráti in seinem Bericht fort, „offensichtlich kein Zitat daraus. Was war es dann? Ich musste ihm feierlich versprechen, es niemandem weiterzuerzählen, solange ich lebe [...], und dann vertraute er mir an, dass er damit eine Melodie aus der Siebten Sinfonie, der Leningrader, von Schostakowitsch karikiert habe, die sich damals in Amerika großer Beliebtheit erfreute, und das, nach Ansicht von Bartók, mehr als sie verdient hatte. ‚So habe ich meinem Ärger Luft gemacht‘, sagte er. Seine mündliche Beschreibung jenes ‚unterbrochenen Intermezzos‘ ist sehr treffend und sollte nicht der Vergessenheit anheimfallen: ‚Die Melodie nimmt ihren ruhigen Verlauf und wird dann plötzlich von brutaler Kapell-Musik unterbrochen, die vom Orchester verspottet und der Lächerlichkeit preisgegeben wird. Nach Abzug der Kapelle nimmt die Melodie ihren Walzer wieder auf – diesmal nur ein wenig trauriger als vorher.‘“

    Um heutzutage ein guter Klassik-Interpret zu sein, der ein einigermaßen breites Repertoire anzubieten hat, muß man in jedem Fall ein Virtuose sein!


    Virtuosität ist heutzutage lediglich notwendige Voraussetzung, um überhaupt mithalten zu können. Denn die Stücke fordern es.


    Klar, man kann beschließen, Nischen-Instrumentalist zu sein und nur Klavierstücke von Mompou oder Satie zu spielen oder selber zu improvisieren...aber wenn man die großen Werke der Musikgeschichte spielen will, braucht man nun mal Virtuosität.


    Die hier kritisierte Art der "Virtuosität" ist etwas anderes - das ist, wenn bei einem Interpreten die mechanischen Aspekte des Spiels bzw. die oberflächliche Beeindruckung des Publikums die Oberhand gewinnen gegenüber wirklichem Klangbewußtsein und Sich-Hineinversetzen in die Musik.


    Solche Typen wird es natürlich immer geben; das sind einfach wenig sensible Menschen. Man kann denen ja nicht verbieten, Musik zu machen ;)


    LG,
    Hasenbein

    Daß eine Musik kompliziert ist, heißt noch lange nicht, daß sie auch künstlerisch großen Wert hat.


    Genausowenig ist Unkompliziertheit von Musik ein Gütesiegel.


    Des weiteren: Zwar ist das qualitativ Hochwertige so gut wie nie "mehrheitsfähig", aber wenn eine Musikart nicht mehrheitsfähig ist, ist deswegen noch lange nicht der Umkehrschluß zulässig, daß diese Musik irgendwas besonders Wertvolles habe.


    Gibt ja im Rock-Pop zahlreiche so "Independent"-Strömungen, die sich wer weiß was auf sich einbilden, bloß weil Kleinigkeiten anders sind als beim "Mainstream". Das ist mehr als ein Phänomen der Jugendsoziologie zu bewerten als als ein künstlerisches. Junge, postpubertäre Menschen wollen sich halt irgendwie profilieren, um in der Masse aufzufallen und ihr noch junges, zerbrechliches Ego aufzupolieren.


    Genauso wie übrigens Reiche stets Golf spielen, segeln und bei teuren Klassikkonzerten aufkreuzen, weil nur das allen sagt: "Hey, ich gehöre zur Oberklasse." (Und weil sie wissen, daß die anderen Reichen auch da sind.)


    LG,
    Hasenbein

    Zitat

    Original von Harald Kral
    Muß ich das Forum jetzt sofort verlassen oder mit welchen Sanktionen muß ich rechnen?


    Nö, bislang bin es ja nur ich, der so was sagt. Und ich bin auch noch Neuling und Outsider dazu :D :D


    Schimmel und Opel sind ja m.E. nicht "schlecht", das geht aus meinem letzten Posting auch hervor.


    Aber für die meisten (!) Menschen bieten sie einfach nicht genug Hervorstechendes, deswegen sind sie in Schwierigkeiten geraten.


    Das Schöne ist ja, daß es unendlich viele Geschmäcker gibt - jeder Topf findet seinen Deckel, wie bei Frau<->Mann, so auch bei Autos, Klavieren... :D Wär' ja sonst auch langweilig & eintönig!


    LG,
    Hasenbein

    Man kann's vielleicht auch so ausdrücken:


    Schimmel ist so was Ähnliches wie Opel im Autobau.


    Beide stellen ganz ordentliche, solide Produkte her.


    Aber wer was Günstiges will, findet bei anderen Herstellern entweder was noch Günstigeres oder im gleichen Preissegment etwas mit besserer Leistung.


    Und wenn ich was Hochklassiges will, dann werde ich auch nicht ausgerechnet Opel nehmen, sondern VW oder einen Japaner oder gleich BMW, Audi etc. Genauso bei Flügeln: Warum Schimmel-Flügel? Steinways und Yamahas sind die besseren Allrounder. Bechsteins oder Bösendorfer haben mehr Charme. Usw.


    Daß Kuhn und Jürgens Schimmel spielen (wußte ich noch gar nicht), kann von verschiedenen Faktoren abhängen:


    - ein spezieller, unerklärlicher Geschmack dieser Künstler (im Jazzbereich ist es nicht so selten, daß selbst gute Musiker z.B. auch eigenartige Geschmäcker bei der Auswahl der Mitmusiker haben, worüber alle den Kopf schütteln - Sonny Rollins ist ein Beispiel)


    - Endorsement-Verträge mit Schimmel, die bares Geld bringen (vielleicht haben die Künstler in bezug auf Klaviere ohnehin kein besonders differenziertes Klangempfinden, oder aber sie haben es, aber ihnen ist das Geld wichtiger). Von Kuhn ist ja bekannt, daß er wegen Steuerschulden komplett pleite war - da könnte so ein Vertrag mit Schimmel gerade recht gekommen sein.


    - Jürgens hat einen speziellen Plexiglasflügel, das ist eh' ein Sonderfall. Gut klingen kann das Teil gar nicht. Aber für seine Musik reicht's :D


    LG,
    Hasenbein

    Zitat

    Original von Hammel
    Natürlich gibt es zahllose Werke, die überschätzt werden, aber IMO noch mehr Werke, die unterschätzt werden!!! :yes:


    Das stimmt!


    Oft wird "sehr bekannt" mit "Meisterwerk" gleichgesetzt.


    Ich mein', der erste Satz der Mondscheinsonate ist natürlich sehr gut und originell und alles; aber es ist leicht, andere Sätze von Beethoven oder anderen Komponisten aus ungefähr der gleichen Zeit zu finden, die noch meisterhafter und origineller komponiert sind.


    Und Mozart wird natürlich zu Recht verehrt; aber einige seiner größten Werke sind kaum bekannt. Wer hier z.B. kennt sein Streichquintett g-moll KV516? Das ist ganz oben mit dabei; und immerhin hat einer wie Richard Strauss es als "Gipfelpunkt der Musik" bezeichnet.


    LG,
    Hasenbein

    Der "normale Hörer" kann nicht wirklich erkennen, was ein Meisterwerk ist. Er kann höchstens sagen, daß es ihm sehr gut gefällt, und und wenn er ein gutes Gefühl für Musik hat, kann er sagen, daß er in dem Werk großen Geschmack und "Schlüssigkeit" wiederfindet.


    Um ein Meisterwerk zu erkennen, muß man schon selber Musikausübender sein. Und auch dann ist man gegenüber Fehlbewertungen nicht gefeit - denn manchmal spielt einem der persönliche Geschmack einen Streich. Aber grundsätzlich erfordert es eine detaillierte Beschäftigung mit der Komposition, um deren Meisterhaftigkeit zu erkennen. Sonst läßt man sich evtl. nur von der äußeren Wirkung blenden.


    Über die Jahrzehnte bis Jahrhunderte bildet sich aufgrund der Vielzahl von Bewertungen allmählich ein Konsens heraus. Aber nur über die allergrößten Werke, die ganz eindeutig Meisterwerke sind. Bei Bachs Wohltemperiertem Klavier oder Mozarts 40ter Symphonie beispielsweise sind sich alle einig, und das wird sich auch niemals ändern. Die Zahl dieser Werke ist aber recht klein, würde ich sagen.


    "Meisterwerk" heißt ja zunächst nichts anderes, als daß es das Werk eines Meisters ist. Insofern ist jede Komposition eines als Meister anerkannten Komponisten (von Jugendsünden abgesehen) ein Meisterwerk...


    Generell würde ich sagen, daß es überall in der Kunst 3 Qualitätsschichten gibt:


    1) Eindeutige Meisterwerke (wie gesagt erst nach längerer Zeit eindeutig zuordnbar).


    2) Die große Mittelschicht - hier kann man sich streiten; dadurch aber mit großer Wahrscheinlichkeit tatsächlich nicht so große Meisterwerke wie Kategorie 1, vor allem wenn man schon seit langer Zeit uneinig ist.


    3) Die eindeutigen Nicht-Meisterwerke - wobei hier klar ist, daß es unwahrscheinlich ist, daß ein solches Werk von einem berühmten Meisterkomponisten stammt.


    LG,
    Hasenbein

    Für die Mitarbeiter wäre es natülich schlimm, wenn die Firma den Bach runterginge.


    Aber wenn Schimmel noch eine Chance haben will, müssen die erstmal vernünftige Produkte herstellen.


    Ich bin selbst Pianist und habe schon öfter auf Schimmel-Klavieren und -Flügeln gespielt. War immer unbefriedigend! Eigenartige Mechanik (bis auf einen neuen Flügel neulich), und ein Sound, der einen einfach nicht "anmacht".


    Sowohl im Billig- als auch im Spitzensegment gibt es einfach von anderen Firmen wie z.B. Yamaha, Bechstein etc. wesentlich ansprechendere Instrumente. Und die sind sogar auch noch oft billiger! Selbst Grotrian-Steinwegs (auch aus Braunschweig) sind zwar auch "eigenwillig" in Klang und Mechanik, aber immerhin haben sie einen bestimmten "Charme", der den Schimmels abgeht.


    Es gibt eigentlich keine guten Gründe, ausgerechnet ein Schimmel zu kaufen.


    LG,
    Hasenbein

    Nun, ich denke auch nicht, daß es eine Klassikkrise gibt.


    Die Klassikszene ist ein Oberschichtphänomen, deswegen muß man da keine Angst haben.


    Selbst wenn es bei den Labels irgendwie Veränderungen und Verschiebungen gibt (und die wird es zwangsläufig geben, weil das Konzept von Labels, die CDs rausbringen, durch das Internet eigentlich schon längst überholt ist - die Künstler und ihre Agenturen werden über kurz oder lang andere Wege finden, ihre Musik zu verkaufen), so wird es weiterhin genug Reiche geben, die ihr Geld in standesgemäße Events wie klassische Großkonzerte & Festivals, Bayreuth etc. stecken. Außerdem gibt es noch u.a. die GEMA, die die Pfründe der Klassiker bestens schützt.


    Genauso wie generell in der Wirtschaft trifft die Krise die Kleinen und Mittleren, während die Reichen und Mächtigen weiterprotzen wie bisher. Kleinveranstalter gehen vor die Hunde oder hören auf, Konzerte anzubieten, weil sie die exorbitanten GEMA-Gebühren nicht bezahlen können und weil sie die Reichen nicht anlocken können; bei Großevents wie Bayreuth, Salzburg oder München braucht man sich nur anzugucken, wer alles im Publikum ist und in die Kameras winkt, um zu wissen, daß sich hier mit Sicherheit die allgemeine Krise nicht auswirkt... Und wenn doch mal gespart wird, bezahlt man einfach dem Bühnenpersonal unanständig wenig Geld (so wie es jetzt in Bayreuth ans Tageslicht gekommen ist), während an dem Prunk und Protz für die anwesenden Politiker und Manager ganz bestimmt nicht gespart wird...


    LG,
    Hasenbein

    Zitat

    Original von Alfred_Schmidt
    Für interessante musikalische Ereignisse , man siehr es am New Yorker Opernhaus, finden sich immer wieder Sponsoren und gut zahlendes Publikum.


    Hier möchte ich doch mal einhaken und auf meine Beiträge im Thread "Musik in 100 Jahren" verweisen!


    Du bestätigst durch diese Aussage also meine Aussage, daß für mainstreamige Klassikkonzerte immer genug Sponsoren und Besserverdienende da sind.


    Andere hochkünstlerische Musikereignisse, wie z.B. speziellere Klassikkonzerte oder Jazzkonzerte, nagen hingegen am Hungertuch.


    Es findet also, da die Besserverdienenden das Geld und das Sagen haben, eine Selektion in Richtung mainstreamiger Großereignisse ohne künstlerische Risiken statt. Dies ist mit ein Grund dafür, daß wir heutzutage zwar viele glänzende Interpreten haben, die auch immer besser mit den Anforderungen des Showbiz zurechtkommen, aber die Musiklandschaft immer unkreativer wird bzw. das Kreative unbekannt irgendwo in der Ecke rumdümpelt.


    Zitat

    Ungeliebte musikalische Projekte jedoch ausgerechnet von jenen zwangsweise bezahlen zu lassen, die sie überhaupt nicht haben wollen - das halte ich für eine verfehlte Politik - eine Politik die man sich in Zukunft vermutlich ohnedies nicht leisten können wird.


    Dies ist leider das Üble an der heute verbreiteten neoliberalen Einstellung - es wird immer mehr nur noch geguckt, was man sich "leisten kann". Schaut doch mal genau hin, Leute! Die Politiker hauen Milliarden raus für irgendeinen Mist (z.B. riesige Verwaltungsbauten, Transrapids, Rettung verbrecherischer Banken), aber für die Kultur ist angeblich kein Geld da! Alles Lügen und ein Zeichen für die Unkultur der Herrschenden!


    LG,
    Hasenbein

    Das qualitativ Hochwertige und das Wahre waren noch nie "mehrheitsfähig", und so wird es auch immer sein.


    Es gibt die "Masse", und es gibt einige wenige, die ein Gespür für wahre Qualität haben. Das ist in allen Bereichen so.


    Daher kann man standardmäßig davon ausgehen, daß das, was die breite Masse glaubt oder gut findet, Quatsch bzw. nicht besonders gut ist. Sollte die breite Masse ausnahmsweise mal etwas gut finden, das tatsächlich von hoher Qualität ist (ein Beispiel wäre Pavarottis Berühmtheit über die Klassikwelt hinaus), so kann man davon ausgehen, daß dieses Gutfinden aus den falschen Gründen geschieht und quasi nur eine Koinzidenz ist.


    Das alles hat nichts mit der Art des betrachteten Gegenstandes zu tun - es ist egal, ob eine Musik "sperrig" ist oder nicht. Ein guter Komponist schreibt Musik nicht bewußt "sperrig" oder "nicht sperrig" - sondern er tut einfach das, was sein Herz ihm aufträgt. Guter Kunst muß es egal sein, ob sie anerkannt wird oder nicht, sonst ist sie unehrlich. Das heißt allerdings keinesfalls, daß nicht anerkannte oder sperrige Kunst deswegen "besser" ist. Letzteres glaubten ab dem 20. Jh. leider allzuviele Künstler, was aus den Quellen Egomanie (man möchte gerne voll der Wichtige sein, auffallen) und Naivität gespeist wurde (wird). Zum Glück erkennt man das mehr und mehr als Quatsch.


    LG,
    Hasenbein

    Lieber Alfred,


    dein Posting enthält zwar einiges Richtige; aber man muß da natürlich sehr vorsichtig sein.


    Es gab schließlich in der Geschichte so einige Fälle, wo von der Mehrheit der Zeitgenossen Kunst für Mist gehalten wurde, dies aber von der Nachwelt völlig revidiert wurde. Wer würde heute noch die Größe eines Meisterwerks wie "Sacre Du Printemps" anzweifeln wollen? Und Van Gogh hat kein einziges Bild verkaufen können...


    (Umgekehrt gab es beispielsweise im 18. Jahrhundert viele populäre Komponisten, die von fast allen als die Größten verehrt wurden, die aber heute meist zu Recht in Vergessenheit geraten sind.)


    Ob etwas große Kunst ist, kann eigentlich erst im Nachhinein beurteilt werden, wenn die Wirkung temporärer Moden vorbei ist.


    Deswegen ist es schon angezeigt, in einem demokratischen Gemeinwesen alle Künstler gewähren zu lassen, auch die, die man vielleicht nicht versteht oder für schlecht hält. (Ob man darüber hinaus auch noch alle staatlich fördern sollte, ist eine andere Frage.)


    LG,
    Hasenbein

    Kunst ist genauso frei oder unfrei wie irgendwas anderes frei oder unfrei ist!
    Freiheit ist keine inhärente Eigenschaft von Kunst.


    Man muß sich einfach mal angucken, wann das aufkam mit dieser Parole der Freiheit der Kunst.


    Und dann sieht man, daß bestimmte fortgeschrittene Künstler es irgendwann satt hatten, sich von der Kirche oder von den Fürsten etwas sagen zu lassen. U.a. weil sie sahen, daß diese keine Ahnung und keinen Geschmack hatten und die Komponisten und Musiker als Dienstboten behandelten.


    Deswegen kam die rein politische Parole (!) von der Kunstfreiheit auf. Was ja auch insgesamt gut war, da sich allmählich durchsetzte, daß man guten und angesehenen (!) Künstlern lieber nicht allzuviel vorschrieb, da sie sonst kreativ gehemmt waren oder schlechte Laune bekamen.


    Klar, daß diese Freiheit auch zu Auswüchsen führte, als man im 20. Jahrhundert meinte, jeden Mist als Kunst verkaufen zu können und praktischerweise jede Kritik an ihr als antidemokratisch oder faschistisch brandmarken konnte.


    Und wenn man sich ernsthaft mit Kunst beschäftigt, sieht man, daß die größte Kunst nicht bei unbegrenzter Freiheit entsteht, sondern wenn man einen Rahmen hat (entweder selbstgesetzt oder von außen kommend), innerhalb dessen sich das Kunstwerk abzuspielen hat. Was wäre die Musik ohne Streichquartettbesetzung oder Fugen- oder Sonatenform? Oder nehmen wir einfach die Tonalität!


    LG,
    Hasenbein

    Stimmt, Pieter! Die Trioaufnahmen aus den Fünfzigern mit Giuffre, Hall und entweder Kontrabaß oder Posaune (Bob Brookmeyer) dazu sind sehr unbekannt, aber ganz großartig! Wirklich kreative Kammermusik, die dazu noch Spaß macht und wie die Pest swingt! Völlig unverständlich, warum diese Musik nicht berühmter geworden ist!


    Aber Bach war ja auch lange Zeit der breiten Bevölkerung unbekannt, und Meister wie Zelenka entdeckt man erst in unseren Tagen...Shit happens!


    LG,
    Hasenbein