Beiträge von Dr. Pingel

    121. An der Aldi-Kasse


    Es gibt ein Problem an allen Supermarkt-Kassen. Die meisten haben volle Wagen, aber oft gibt es Kunden, die nur ein paar Artikel haben. Diese Leute sind finden es nett, wenn sie an der Kasse vorgelassen werden. Männer, besonders Ältere, machen das ohne Aufforderung, viele aber nicht, weil sie das gar nicht wahrnehmen. Jetzt habe ich zum ersten Mal erlebt, dass eine Aldi-Kassiererin die Kunden aufgefordert hat, die weit hinten Stehenden mit wenig Ware vorzulassen. Das wurde auch akzeptiert.

    Ich muss auch sagen, dass die Stimmung hier im Aldi-Markt dank der Kassiererinnen immer ziemlich entspannt ist

    Eine Parallele zu dem hier verhandelten Sujet.

    Es handelt sich um das "Urlicht" von Mahler. Wir haben das ausführlich in irgendeinem thread verhandelt, den ich im Moment, nicht finden kann.

    Der "Urlicht"-Text stammt wohl aus der Sammlung "Des Knaben" Wunderhorn. In ihm wird der Weg der Seele in den Himmel beschrieben.

    Normalerweise hört man sich das an und sagt "schöner Text, schöne Musik und gut ausgeführt."

    Wer sich aber mit Theologie (in diesem Fall dem Johannesevangelium) und der Kirchengeschichte auskennt, erkennt sofort, dass hier in naiver Kindlichkeit der gnostische Mythos dahintersteckt, wobei die christliche Variante im Johannesevangelium steht, das ein christlich-gnostisches Buch ist. Wie dieser Mythos lautet und welche Elemente im Urlicht" davon erscheinen, habe ich in dem fraglichen Thema erläutert.

    Also: was Schopenhauer für den Tristan, das ist die Gnosis für das "Urlicht". Man kann die Musik ohne Theorie genießen, aber dazu den historischen Hintergrund zu kennen ist doch verlockend.

    Wie auch Jonas Kaufmann kann man einmal im Jahr A.S.Mutter in der Essener Philharmonie hören. Da es fremde Konzertveranstalter veranstalten, sind die Preise astronomisch, aber alles ausverkauft.

    Meine beste Geigenvirtuosin war in Düsseldorf zweimal Hilary Hahn. Beim ersten Mal waren nach der Pause die Rokoko-Variationen angesetzt (Tschaikowski), sodass ich den Ausgang suchte. Da kam eine junge Dame mit Geigenköfferchen die Treppe herunter. Wir plauderten kurz in einem Mix aus deutsch und englisch (sie hat deutsche Vorfahren). Dann gab es natürlich ein Autogramm, das zweite in meiner Musikerbiographie. Das erste stammte von Hiroshi Wakasugi, das kann man in meinen "Miniaturen" nachlesen.

    Ich bin dieser Forderung von Thomas Pape nachgekommen und habe einen Beitrag mit dem Titel „Wagner, Schopenhauer und „Tristan“ verfasst.
    Er wurde in diesem Thread eingestellt:

    Was ist so faszinierend an Richard Wagner ?

    Er erschien mir, da es sich um einen reinen, von jeglicher Polemik freien Sachbeitrag handelt, in der atemlosen und in seiner Thematik permanent schweifenden Hektik des hiesigen Diskurses einfach deplatziert.

    Diesen Artikel zu lesen kann ich nur empfehlen!

    Lieber Helmut Hofmann,

    danke für diesen Artikel, den ich mir ausgedruckt habe, was bei die bestmögliche Form des Lobes ist (obwohl ich ja nicht loben soll).

    Mir ist früher schon aufgefallen, dass Schopenhauersche Ideen im "Palestrina" von Pfitzner verarbeitet sind, die der echte Palestrina wohl nie gehabt hat: der "Monolog" im ersten Akt ("..der letzte Freund, der mir verblieb....")

    Aldi


    Eine junge Frau steht vor mir bei Aldi am Band, ein kleines Mädchen (Grundschulalter) ist dabei. Sie sitzt im Wagen. Ich frage die Frau: "Wieviel hat dieses Kind gekostet?" Antwort: "Unbezahlbar. Ich habe es gestohlen!"

    Neues vom Spocht


    Die Olympiade war in vieler Hinsicht ein Erfolg. Diese Ansiedlung in einer Stadt, dazu spektakuläre Bilder von Eröffnung und Schlussfeier und die Verbindung zur französischen Kultur haben mich sehr begeistert.

    Dann der olympische Geist: Anerkennung, wenn die anderen besser waren , Anerkennung des undankbare 4. Platzes.

    Wie unangenehm die letzten Fußballturniere: Katar /WM-Männer, Australien/NZ - WM der Frauen, EM-Männer bei uns:

    eine hässliche Szene nach der anderen. Dazu kommt - und das ist nur im Fußball möglich - dass eine Gurkentruppe

    wie die Engländer ins Finale kommt. Hockey, Basketball, Eishockey, Turnen, Volleyball, Hallenhandball, Tennis, Badminton:

    In diesen Sportarten ist es unmöglich, als Gurkentruppe die die erste Runde zu überstehen.

    Hebräisch in der deutschen Grammatik? - das Schewa


    Es gibt tatsächlich einen Begriff in der deutschen Grammatik, der direkt aus dem Hebräischen stammt und tatsächlich dasselbe bedeutet. Es ist das End-e-: Wörter: Ende, Rolle, Pfeife usw.

    Dieses -e- am Ende eines Wortes gibt es im Hebräischen auch - und dort heßit es: schewa, wie im Deutschen auch.

    Im Hebräischen werden normalerweise die Wörter nur mit Konsonanten geschrieben, also etwa: Wr fdn, dss Alfrd hr dr Bss st.

    ( Also: wie schön, dass Alfred hier der Boss ist). Um das Lesen zu erleichtern, werden die Vokale dann hinzugefügt. Diese Vokale bestehen aus Punkten und Strichen, darum spricht man auch von "Punktierung"; die Vokale werden mit einer Art Strichzeichnung versehen und finden ihren Platz meist unter den Konsonanten. Das deutsche Schewa oder End-e- besteht im Hebräischen aus einem Doppelpunkt, der unter dem jeweiligen Wort steht.. Das End-e- wird im Deutschen wie im Hebräische gleich gesprochen.

    Boris Godunow - Pimens erste Erzählung - Boris Christoff


    Im letzten wie auch in diesem Jahr habe ich viel Boris Godunow gehört. Eine Rolle ist mir ans Herz gewachsen, die des Mönchs Pimen. Im ersten Akt erzählt er von der russischen Geschichte, besonders von der Ermordung des Thronfolgers. Er hat noch eine Erzählung, die sich direkt an Boris Godunow richtet.

    Hier haben wir Boris Christoff ; 1951, Philharmonia Orchester, Nicolai Malco. Remastered 1992.

    Sein Timbre ist das eines echten russischen schwarzen Basses (wenn man das so sagen darf). Außerdem liebt man das Russische, auch wenn man es nicht versteht. Wie Italienisch bei Mozart, Tschechisch bei Janacek ist hier auch die Sprache ein Teil der Musik.


    Ligeti - Lontano


    Dieses Stück habe nach "Lux aeterna" sofort wieder aufgesucht; es ist für Orchester, es spielt das WDR-Sinfonieorchester unter Roderick Cox. Diesmal hat es mir noch besser gefallen als beim letzten Mal vor einige Jahren. Sehr schön der Einsatz der Tuba (3'0).


    Ligeti - Lux aeterna

    David Hurwitz ist immer für Überraschungen gut. In einem seiner blogs spricht er über neue Musik und nennt auch Werke, die jeder kennen sollte.

    Die Empfehlungen zu Strawinski (Agon), Webern (6 Orchesterstücke) und Schönberg (6 Orchesterstücke) vermochten mich nicht zu fesseln.

    "Lontano" von Ligeti ist eines meiner liebsten Stücke dieser Epoche. Als Chorsänger war ich restlos begeistert von "Lux aeterna".Im Grunde klingt der Chor wie ein Orchester, allerdings sind die Ausführenden auch exzellent, wobei ich denke, dass das nur für Profis was ist.


    Herzog Blaubarts Burg - A kekszakállú herceg vára


    Bei der Suche nach dieser Oper stieß ich auf eine Aufnahme mit Laszlo Polgar, aber dieser Ausschnitt bei YT ist kurz und bricht unvermutet ab.

    Beim Weitersuchen stieß ich dann auf diese Aufnahme aus der Elbphilharmonie. Oft ist das Problem bei dieser Oper nicht die Sängerin der Judith (hier Michelle deYoung), sondern der Bariton. Hier ist Blaubart mit Gerald Finley sehr gut besetzt.

    Es wird ungarisch gesungen wie neuerdings überall auf der Welt, hier aber mit deutschen Untertiteln versehen, was eine große Stütze ist. Auch die gesprochene Einleitung habe ich hier das erste Mal gehört. Das Elbphilharmonie-Orchester ist untadelig. Hier kann man eine Stichprobe machen: es ist die berühmte 5. Tür (ab Minute 32'). Auch die Bildregie ist vorzüglich; je nach Solo gehen die Kameras auf die entsprechenden Instrumente und ihre Spieler.

    Diese Oper gehört schon lange zu meinen Unverzichtbaren; zum Glück wird sie häufiger gespielt als früher. Mitsingen kann ich nicht, die Aussprache des Ungarischen ist ein Buch mit 7 Siegeln.

    Das Werk dauert eine gute Stunde und wird meist mit einem anderen Einakter gekoppelt, z.B. Schönbergs "Erwartung". Dies war der Fall in der Essener Philharmonie vor 2 Jahren. Das Essener Sinfoniekonzert findet meist in der Wochenmitte statt, gespielt wird 2x, an 2 Tagen. Ich habe nur den Blaubart gehört an den beiden Tagen, wobei ich am 2. Tag auf Orchesterhöhe die Instrumente hatte, die für die Lautstärkeverantwortlich sind (5. Tür, volles Orchester plus Orgel).

    Irgendwo habe ich gelesen, dass ein Dirigent diese Oper auch zweimal gespielt hat, aber direkt hintereinander.


    Don Giovanni - ein ungarisches Bass-Trio


    Die Schlussszene im Don Giovanni ist nicht die Komturszene, aber konzertant aufgeführt kann man es so machen. Für mich ist das eine der genialsten Kompositionen Mozarts. Natürlich kann ich da alles mitsingen (im Fußball wäre das Kreisklasse C). Es braucht drei tolle Bässe mit verschiedenem Bass-Timbre. Das ist hier gegeben. Don Giovanni wird gesungen von Laszlo Polgar; seine Stimme erinnert mich immer an Cesare Siepi, den ich als Giovanni (und Figaro) in Wien live erlebt habe. Die beiden anderen Bässe sind Ungarn, die ich nicht kannte. Kritisch ist oft die Rolle des Komturs, dieser ist sehr gut.

    Wie so oft bei YT gibt es nicht alle Informationen. Ich nehme aber an, dass es sich um ein ungarisches Orchester handelt; der Name des Dirigenten fehlt ebenfalls.



    Das mit der Dramatik ist sehr einleuchtend. Ich habe jetzt mal die Schlussszene vom Freischütz aus Bregenz mit der aus Hamburg verglichen (Alfred hat sie vorgestellt), da ist ganz klar, dass hier die Dramatik gegen das "fromme" Herumstehen siegt, von den Dialogen ganz zu schweigen.

    Aber jetzt eine naive, aber echte Frage. Ist das nicht auch eine Frage der Länge? Die Janacek-Opern sind nicht mehr als 2 Stunden und durchweg dramatisch. Aber kann man 4-5 Stunden Dramatik erzeugen? Das ist jetzt keine Kritik, besonders, weil bei Wagner die Musik doch immer sehr fesselnd ist.

    In meinem Beitrag habe ich das Lob weitgehend geteilt, aber nach der Lektüre der Beiträge hier möchte ich meine Kritik doch verschärfen.

    1. Die Sache mit der Wasserplantscherei war durchweg lächerlich und bar jeden inhaltlichen oder optischen Mehrwerts. Worin soll der Sinn bestehen, ständig nasse Sänger zu sehen?

    2. Geradezu fahrlässig fand ich die Wolfsschlucht-Szene. Die Webersche Musik dieser Szene gehört zu den besten deutschen Szenen überhaupt. Hier wird die Musik, wenn ich das mal so sagen darf, kastriert durch optischen Overkill, der nicht gruselig war.

    Diese beiden Punkte sind für mich entscheidend, trotz der anderweitigen Vorzüge, mir das Stück nicht nochmal anzusehen, sondern demnächst mal eine reale Aufführung zu besuchen. Noch besser: die Aufnahme von Carlos Kleiber aus dem Dornröschenschlaf zu wecken.

    Mein altes Vokalensemble hat am 1. September das nächste Konzert. Das Hauptwerk: John Cages 4'33''; bearbeitet für Chor vom Chorleiter. Ob das jetzt für 4stimmigen Chor oder für 2 Chöre aufgeführt wird, hängt davon ab, wieviele Chormitglieder zur Aufführung erscheinen.

    Also, ich fand es unterhaltsam. Vor allem die gesprochenen Texte (alle neu) waren deutlich besser als die originalen. Gesungen wurde sehr gut, vor allem von den beiden Frauen (obwohl man Ännchen den Nero geklaut hatte). Die Sache mit Ännchen als religiöser und politischer Revolutionärin, wozu dann noch ihre lesbische Haltung kam: warum nicht.

    Zwei gravierende Kritikpunkte: warum sämtliche Sänger und Stuntleute beständig im Wasser rumwuseln mussten, habe ich nicht verstanden. Der normale Hörer/Seher sagt sich: "Das ist das Elend nach dem 30j. Krieg, Winter, Verfall und Flut" und er sagt das, weil er nachgedacht oder das Programmheft gelesen hat. Aber vom Gefühl her sagt er sich: "Was soll die ganze Zeit diese Plantscherei? Sind wir unter Bibern? Dabei habe ich vom Wasserballett noch nichts gesagt.

    Einer der entscheidenden Mängel war die Szene in der Wolfsschlucht. In einer normalen Opernaufführung ist die Bühne ziemlich dunkel und Kaspar hantiert etwas, was nicht genau erkennbar ist. Samiel ist unsichtbar. Die ganze Überwältigung geschieht durch das Orchester, für meine Begriffe das Beste, was Weber komponiert hat. Hier war man abgelenkt durch den Feuerring und die badenden Molche, die nur blöde, aber nicht furchterregend aussahen. Hier hat also die überbordende Optik die Musik "untergebuttert". Die Sache mit dem zweiten Schluss hat mir gefallen; ich habe sowas mit meiner Unterstufen-Theater auch gemacht.

    Insgesamt fühlte ich mich gut unterhalten, und dank der Untertitel habe ich zum ersten Mal den Text des "Freischütz" vollständig verstanden.

    Ich habe jetzt das erste Stück gehört. Vor dem 2. habe ich die Rezension von Michael Müller gelesen, der in diesem Fall die Arbeit für mich gemacht hat, was mich einer eigenen Antwort enthebt, bis auf die Tatsache, dass ich von seinem Urteil "schwierig und interessant" das Wort "interessant" nicht übernehmen würde.

    Was das manchmalige Beurteilen von Kollegen angeht, lieber Dr. Pingel , gehörst Du ja nun hin und wieder auch zu denen, die es nicht lassen können. :)

    Na ja, lieber astewes, genauer betrachtet sind meine Auslassungen dann scharf, wenn ich angegriffen werde und mich wehre.. Außerdem bin ich einer der wenigen, die die Kollegen loben, was du auch gerügt hast. Außerdem bin ich immer bereit, unpassende Dialoge von dir löschen zu lassen.

    Aber lassen wir es dabei und genießen diese Reihe (obwohl sie gerade im Tiefschlaf ist).

    Es gibt hier sehr subtile Übergriffe. Ich habe meine Pädagogik-Ausbildung mit einem halbjährigen Praktikum in einer Grundschule begonnen. Dort war mein Ausbilder der Rektor, ein Anhänger der Reformpädagogik. Ich arbeitete dann mehr und mehr allein und war am Ende der Klassenlehrer einer 4. Grundschulklasse. Es gab dort einfache Regeln, die genau diesem Konzept entsprachen. Viele Lehrer empfinden es als nervig, wenn die Kinder dauernd fragen, ob sie auf die Toilette gehen dürfen. Die Regel dieses Rektors (und meine danach für alle Zeiten und für alle Klassen): Das geht mich als Lehrer nichts an. Du gehst leise raus und kommst leise rein. Nie gab es da Probleme, nachdem die Schüler dran gewöhnt waren.

    Einer der wichtigsten Grundsätze war: Respekt in Form von Reziprozität. Als Regel galt da z.B.: "Sage nie zu einem Kind etwas, was es nicht auch zu dir sagen könnte." Also die Klassiker wie dumm geboren, nichts dazu gelernt - entweder du bist dumm oder faul wahrscheinlich beides - als die Dummen geschaffen wurden, hast du dich wohl mehrfach gemeldet - du gehörst nicht an die Uni, höchstens auf den Bau." Wir nennen dieses Verhalten heute "übergriffig", eine englische Variante ist "patronizing".

    Eine besonders subtile Variante ist: "Vor dem Reden Gehirn einschalten" oder "Erst denken, dann schreiben." Das bedeutet: "Wenn du nicht so denkst, wie ich das erwarte, hast du dein Gehirn nicht eingeschaltet."

    Diese oben fett gedruckte Variante wurde mir zuteil (wann und wo ist jetzt nicht wichtig; auch den Wortlaut habe ich verändert). Besonders übergriffig ist dabei der eingebaute herablassende Unterton (patronizing). Die Beispiele hier im Forum sind Legion, allerdings muss ich auch sagen, dass die Etiquette in der letzten Zeit viel besser geworden ist, das gilt besonders für dieses laufende Thema.

    117. Benrath: eine Kindheit an Schloss und Rhein


    Am 24.8. findet in Benrath am Schloss und im Schlosspark ein großes Sommerfest statt; es gibt Lichteffekte, die Düsseldorfer Symphoniker spielen. Dazugibt es die Möglichkeit für ein ausgiebiges Picknick, zu dem man Picknickkörbe bestellen kann.

    Diese Picknicks finden am Spiegelweiher statt, der 500mlang ist, also 1000 zusammen. Ich weiß das deshalb, weil es für uns Schüler des Schlossgymnasiums die kräftezehrende 1000m-Strecke war.

    Aber auf der anderen Seite jeden Tag an so einem großartigen Schloss vorbei zur Schule zu gehen und dann in dem altehrwürdigen Nebengebäude statt der Dienerschaft, die früher dort wohnte, unseren Unterricht zu haben, prägt einen doch sehr. Dazu dann der großartige Schlosspark, denn wir intensiv zum Spazierengehen, aber auch zum Leichtathletiktraining nutzten.

    Früher hatten wir noch richtige Winter mit Schnee und Eis. Wenn dann der Spiegelweiher zugefroren war, beorderte der Direktor die ganze Schule aufs Eis. Sowas kann man sich heute nicht mehr vorstellen, einmal wegen des Direktors, vor allem aber, weil es kein Eis mehr gibt.

    Das Nebengebäude des Schlosses hatte zwei Etagen, die Klassenräume lagen aber nur ebener Erde. Daher war es ein Sport für uns ältere Semester, direkt vom Klassenraum aus das Weite durchs Fenster zu suchen. Das wurde dann schon mal entdeckt und es kam ein Brief nach Hause, der den Eltern mitteilte, dass ihr Sohn J. durch diese Untat "das Ansehen der Schule in der Öffentlichkeit geschädigt habe!" Wir waren natürlich der Meinung, dass die besagte Öffentlichkeit das als normale Lebensäußerung von Kindern tolerierte.

    Die Hauptallee des Parks führte direkt zum Rhein. Auch von unserer Wohnung war es nicht weit zum Rhein. Dort haben wir viele Stunden verbracht, über die großen Steine balanciert ohne hinzufallen und sich was zu brechen, wir haben den Schiffverkehr beobachtet; es gab noch viele Dampfschiffe. Besonders eindrucksvoll die Schiffe, die dann mehrerer Leichter hinter sich herzogen. Die Namen der Schiffe haben wir notiert und erkannten sie dann, wenn sie zurückfuhren. An einen solchen Schiffskonvoi erinnere ich mich. Das Zugschiff hieß "Cäsar", die vier gezogenen Leichter hießen "Sklave 1,2,3,4".

    Eine unserer Fertigkeiten bestand darin, flache Kiesel so in den Fluss zu werfen, dass sie 20x "auftitschten" (so hieß das) und dann im Rhein versanken. Das war große Kunst und brachte unter Jungs große Anerkennung.

    Das Innere des Schlosses war damals für uns tabu, man konnte da nur an einer Führung teilnehmen. Eines Tages hatten wir im Keller des Schlosses eine ganztägige Theaterprobe, bei der es schon mal größere Pausen gab, wenn man nicht dran war.

    Mit einem Kollegen habe ich dann auch die Räume oben erkundet (das Schloss war zu dieser Zeit geschlossen). Ganz oben gab es eine kleine Aussichtsplattform, die einen großartigen Blick auf Park und Ort bot. Noch nie hatte ich dort jemand gesehen. Etwas ängstlich begaben wir uns auf den Rückzug. Am nächsten Tag in der Lokalzeitung: die Uhr ganz oben am Schloss, hinter der Plattform, war stehengeblieben, wahrscheinlich zum ersten Mal seit Nicolas de Pigage (Architekt des Schlosses, 1756).

    Zum Glück hat niemand herausgefunden, wer dafür verantwortlich war. Heute ist es wohl verjährt.

    Im großen Kuppelsaal gab es auch regelmäßig Kammerkonzerte. Da habe ich das erste Mal in meinem Leben barocke Konzerte gehört, besonders von Arcangelo Corelli. Das war mein erste Berührung mit alter Musik, und das in dieser adäquaten Umgebung.

    Am Rhein lag auch unser Tennisclub, d.h. der Club meiner Brüder, die richtige Tennis-Asse waren. Ich war Leichtathlet, habe aber öfter im Tennisclub bei Turnieren den Stuhlschiedsrichter gemacht (natürlich ohne Linienrichter); da habe ich früh mitbekommen, was ein "shitstorm" ist.

    Heute ist Schloss Benrath immer noch ein beliebter Empfangsort für ausländische Staatsgäste. So wurden wir als Schüler mit Fähnchen ausgestattet, um Haile Selassie oder Queen Elizabeth zu begrüßen.

    Zwei beliebte Wandergebiete gab es: die alte Stadt Zons; die erreichte man per Schiff oder durch Wandern.

    Und der Stadtteil Urdenbach mit einer wunderbaren Kirche aus dem 17.Jh.

    Im Süden von Urdenbach gab es eine große Rasenfläche mit vielen Bäumen. Im Winter, wenn der Rhein Hochwasser hatte, stand diese Wiese unter Wasser. Dann kamen die Frostnächte, und es entstand eine riesige Eisfläche, die tausende von Schlittschuhläufern anzog.

    Fazit: wer immer nach Düsseldorf kommt und Zeit hat, sollte sich einen Abstecher nach Benrath gönnen. Straßenbahn und S-Bahn bieten gute Verbindungen. Auch für Kölner ist das ein Vergnügen, denn auch in Düsseldorf ist Kölsch überall verfügbar.

    Nochmal zur Chorfantasie.

    Ich habe in einem alten thread über Telemanns Violinkonzerte einen Beitrag von Alfred gefunden, der zunächst seicento zitiert:

    "Die Wallfisch-Reihe mit Konzerten vonTelemann ... gefällt mir außerordentlich. Was mir dabei besonders gefällt, dass die Konzerte ganz ohne diese Violin-Akrobatik auskommen, die mich bei Vivaldo, Tartini und Locatelli so nervt.

    Alfred: "Diese Konzerte kommen DESHALB ohne "Violin-Akrobatik" der genannten Komponisten aus, weil sie auch Telemann nervte - und er wollte es besser machen. Er hat das extra schriftlich festgehalten..."


    Hier ist für die Violine das formuliert, was mich an vieler Klaviermusik nervt. Beispiel sind die beiden Einleitungsstücke der Chorfantasie. Für die Klavierbegeisterten hier ist das natürlich, was sie hören wollen, für mich ist es eine Hemmschwelle. Ich denke, dass das auch Michael Müller so gemeint hat, auch wenn er das natürlich sehr drastisch ausgedrückt hat.


    P.S. Ich sehe gerade, dass dieser Beitrag eigentlich nicht in den meta-thread gehört. Ich überlasse es der Moderation!

    Ich habe heute morgen in Essen ein Abo für die Essener Philharmonie abgeschlossen. Es ist ein Abo meiner Lieblingsreihe "Alte Musik bei Kerzenschein". Diese Reihe hat in den letzten Jahren eine große Reihe absolut toller Ensembles in die Philharmonie gebracht. Abends gibt es einen Einheitspreis von 33,--, das Abo für 8 Abende kostet 108,--

    Das ist für mich der Beweis, dass ich nicht in Deutschland oder gar in Europa herumreisen muss, um die besten Ensembles in grandioser Akustik zu hören. Ich berichte dann jeweils davon.

    Diese Diskussion wie auch frühere um Beethovens Werke erinnern mich immer wieder daran, dass die Grundstruktur der Taminos die Sozialisation auf die sog. Klassik und Romantik gerichtet ist, also das 18. und das 19. Jahrhundert. Das war übrigens bei mir genauso. Der zweite Punkt ist der einer gewissen Fixierung auf die Klaviermusik. Beide Prägungen sind verbunden mit einer großen Kenntnis in diesen Bereichen, was sich immer wieder in sehr guten Analysen zeigt. Ich denke, dass es auch daran liegt, dass viele hier selber Klavier spielen.

    Die dritte Prägung, die auf die "klassischen Opern" lasse ich hier mal weg.

    Ich spreche jetzt nur für mich, aber ich weiß, dass es anderen Taminos auch so geht. Bei Sinfonien, von Haydn bis Mahler, kenne ich die meisten, aber es fehlt mir ein breiteres musikologisches Wissen. Beim Klavier bin ich fast ganz außen vor. Ich liebe Klaviermusik von Schubert und Brahms, auch manches von Beethoven, besonders aber die Janacek-Zyklen. Aber die meiste Klaviermusik ist doch mit großer Virtuosität verbunden. Diese Virtuosität als Selbstzweck ist mir fremd, besonders, wenn es das ist, wo sie sehr im Vordergrund steht. Ich bin nicht gegen Virtuosität, etwa die Paganini-Variationen sind ja voll davon. Auch hier im Forum spielt ja die Klaviermusik eine große Rolle (die Ausnahmepianisten sind allerdings die Regel).

    Jetzt zu unserem Stück. Es beginnt mit einer langen hochvirtuosen Einleitung, dann kommt ein ebensolches Klavierkonzert.

    Da fühle ich mich wie Tamino, dem die Geharnischten zusingen "....der welcher wandelt diese Straße..", also dass vor dem Ziel die Prüfungen stehen. Salopp gesagt handelt es sich bei den beiden Einleitungen der Chorfantasie um "Eintrittsgelder", die man zahlen muss, um dann den Genuss zu haben, den ich im Chorteil durchaus empfinde. Außerdem empfinde ich diese Hauptteile als sehr heiter, weswegen ich auch die Bonner Aufnahme sehr schätze.

    Fazit: bei ungeliebten Stücken vorsichtig mit Kritik, besonders mit Abwertungen. Das ist eine Lehre, die ich aus der Diskussion um dieses Stück gezogen habe (also "gehe ich aus dieser Diskussion klüger hinaus als ich reingegangen bin. Was will man mehr?:pfeif:

    P.S. Bitte keine Diskussion um Virtuosität, das ist ja schon für Amateurmusiker, erst recht für Profis eine conditio sine qua non.