Five: Obama (2)
Ich habe jetzt alle 700 Seiten geschafft und freue mich auf den 2. Band. Auch der Rest nach 300 war spannend und gut geschrieben. Insgesamt ist es ein Werk der Zeitgeschichte mit ungewöhnlichen Fakten und Einsichten. Erst hatte ich vor, eine Gesamtwürdigung zu schreiben, fand aber in der FAS einen ausgezeichneten Leserbrief dazu von Frau Ernestine Buerstedde aus Bonn, der genau das beschrieb, was ich auch empfunden habe. Ich habe in Bonn angerufen, und wir hatten ein sehr interessantes Gespräch. Sie war auch einverstanden, dass hier ihr Leserbrief unter Namensnennung abgedruckt wird. Danke!
In der Rezension der Memoiren Barack Obamas von Professor Stephan Bierling (FA vom 24.11.) irritiert der Satz: ' Über Obamas innerste Antriebskräfte erfährt der Leser wenig, eine echte Selbstoffenbarung, die große Memoiren auszeichnet, bietet er selten.'
Meiner Meinung nach erfährt der Leser darüber sehr viel, eigentlich auf jeder Seite. Er beschreibt sich selbst als schüchtern; er denkt stark reflektierend über sich selbst und andere nach. Er hinterfragt sich ständig. Er zeigt sich als feinfühlend, und immer wieder drückt er das Bedürfnis aus, an sich selbst zu arbeiten, um dann - und das ist die ihn treibende Kraft - sich einzubringen für Amerika.
Er will alle Amerikaner anfeuern, an den Idealen Amerikas festzuhalten und zu arbeiten, um so dem "Promised Land" näherzukommen. Er möchte kein Held sein, aber er möchte die kleinen stillen Helden mitreißen, damit es allen in Zukunft besser geht. "All they (the quiet heroes) try to do is just the right thing. That´s what we´re fighting for."
Obama zeigt menschliche Nähe, scheut sich nicht, seine Emotionen zu beschreiben. Wenn er Konflikte zu lösen hat, versucht er, die andere Seite zu verstehen. Er beobachtet genau. Er tritt den Menschen mit Respekt gegenüber und erkennt Stärken und Schwächen ohne zu verurteilen. Er vertraut seinen Mitarbeitern, weiß ihre Arbeit zu schätzen. Er schätzt Humor und Sport. Er gibt alles und bereitet sich akribisch vor, wenn seine (und Michelles) Entscheidung gefallen ist; er riskiert nur, wenn die Chancen gut sind. Er zieht Bilanz. Das ist doch alles Selbstoffenbarung - sehr persönlich, geradezu intim.
Nachtrag 1
Der berühmte Wackeldackel fürs Auto erfreut sich wieder steigender Beliebtheit. In dieser Art gibt es auch einen Wackel-Obama. Der ist mir aber mit fast 40 Dukaten zu teuer.
Nachtrag 2
Angesichts des NS-Regimes in Deutschland veröffentlichte der amerikanische Schriftsteller Sinclair Lewis (über den wird hier noch viel stehen!) einen Roman: It Couldn´t Happen Here (1935; dt. wieder erhältlich), in dem den Aufstieg eine Populisten zum autoritären Präsidenten beschreibt.