Beiträge von Wandergeist

    Ah ja - danke. Habe soeben den Verweis auf den Artikel gesehen.
    Offensichtlich scheint es nicht allzu weit her zu sein mit den in diesem Artikel aufgestellten Theorien.


    Nur eine Frage noch:



    Zitat F. G. Bechyna:

    Zitat

    "Wer den Artikel kenntnisreich liest, der muss mehr als erstaunt sein , dass Schumanns Leben nach Uwe H. Peters , Köln , Kerpener Strasse , erst mit seinem Sprung in den Rhein begonnen haben soll ."


    Das wundert mich jetzt. Im besagten Artikel lese ich:


    "Selbst der berühmte Sprung in den kalten Rhein in suizidaler Absicht und die Heimkehr inmitten fröhlicher Karnevalisten haben wohl überhaupt nicht stattgefunden. Einen Straßenkarneval gab es an diesem Tag in Düsseldorf überhaupt nicht."


    Hab ich da was übersehen? Geht Peters - in diesem Falle - nicht auch von der gleichen Annahme aus? ("kein Sprung"?)

    Im "Deutschen Ärzteblatt" Jg. 107 (Juni2010) steht ein sehr interessanter Artikel über Schumann und seine letzten Jahre sowie seine angebliche Krankheitsgeschichte. Titel: "Abgeschoben ins Irrenhaus". Ein Satz daraus: "Schumann war nicht geisteskrank".
    Sollte der Artikel von Prof. Dr. med. Uwe H. Peters stimmen, so wäre das alles sehr traurig, ja tragisch, was sich da - in der Nervenheilanstalt, in der Liebe Claras zu Robert und im Innersten des Komponisten - zugetragen haben soll.
    Ich weiß nicht, ob im Forum schon auf diesen Artikel verwiesen wurde, und wie ernst er zu nehmen ist. Hier der Link:


    http://www.aerzteblatt.de/v4/archiv/artikel.asp?id=76921

    Nachdem Reinhard mich freundlicherweise darauf hingewiesen hat, dass ich den Artikel über Neue Musik aus urheberrechtlichen Gründen nicht hierher kopieren kann (vielen Dank, Reinhard) und zugleich auch den Link dazugestellt hat:



    "http://www.zeit.de/2009/43/N-Musik-und-Hirn"



    möchte ich nur kurz darauf verweisen, dass der Artikel sowohl online, als auch in der neuen "Die Zeit" Nr. 43 vom 15.10.2009 auf S. 37/38 "WISSEN": "Zu schräg für unser Gehirn" von Christoph Drösser wiedergegeben ist. Ich finde, er enthält einige sehr interessante Gedanken, was unsre Hörgewohnheiten in Bezug auf "schöne" wie auch Neue Musik betrifft.


    Liebe Grüße,


    WG :hello:

    Hi WolfgangZ,


    sehe ich genauso!


    Zitat

    Aber man kann über den authentischen Reiz der Musik gewiss geteilter Meinung sein.


    Was dies betrifft: Vergessen wir nicht, dass Bearbeitungen im Barock gang und gäbe waren. Es wurden meist Themen anderer Komponisten zur Grundlage genommen, aber auch ganze Konzerte auf andere Instrumente umgeschrieben, z. B. Bachs Bearbeitungen Vivaldischer Konzerte für Orgel.


    Bei den Beatles-Songs werden sowohl Themen verwendet, als auch - meines Wissens - in erster Linie die ganzen Songs (Melodik, Rhythmik, Harmonik).
    Muss mir die CD mal wieder auflegen, um das zu überprüfen... Ist schon lange her. Als ich vor über 20 Jahren mit Musikunterricht anfing, konnte ich den Schülern noch solche Titel vorspielen, und sie sollten raten, um welche Stücke es sich handelt. Später wurde es notwendig, immer auch die Originale laufen zu lassen, um den Jugendlichen überhaupt ein Erkennen zu ermöglichen. Heute: Da sind die Beatles schon ziemlich (zu?) weit weg.


    Am Rande: Heute führte ich, als Abschluss einer Mussorgsky-Bilder einer Ausstellung-Einheit, Ausschnitte der Emerson, Lake & Palmer-Version vor. Ich entdeckte den Film 1979 und war damals ganz begeistert; heute denke ich vollkommen anders, und bei Schülern kommt diese Art von Musik schon lange nicht mehr an. Eher als Zeitdokument (erste Klassik-Rock-Versuche, Riesen-Synthesizer auf der Bühne).


    LG, Christoph :hello:

    Die Fauré-Quartett-CD geht ja die umgekehrte Richtung: Pop etc. goes classic.


    In diesem Bereich - wer gern auf ältere Popmusik steht - ist auch die CD "Beatles go Baroque" angesiedelt, wo 20 eher bekannte Beatles-Songs von einem Orchester zu Concerti grossi im Stile Vivaldis, Bachs und Händels verarbeitet werden (z. B. Michelle als Fuge). Wer's denn mag..., hier der Link bei amazon:


    http://www.amazon.de/Beatles-B…o-grosso-No/dp/B0000270KA


    Christoph

    Zitat

    Zitat von Helge Kreisköther: Barock-Musik, Haydn und Mozart würde ich ohne Taktstock dirigieren (zu deren Zeiten gab es den ja auch noch gar nicht),


    Auszug aus wikipedia zu J.-B. Lully:



    "1687 arbeitete Lully an seiner Oper „Achille et Polixène“, als der König schwer erkrankte. Anfangs klagte er nur über Zahnschmerzen; die Ärzte wollten den Zahn ziehen, stellten sich jedoch so ungeschickt an, dass sie dem König ein Stück des Oberkiefers herausrissen. Die stark blutende Wunde wurde mit einem glühenden Eisen ausgebrannt. Man rechnete schon mit dem Tod des Königs, doch dieser erholte sich. Für die Feierlichkeiten über die Genesung des Königs bearbeitete Lully sein 1678 komponiertes „Te Deum“ und plante eine Aufführung mit der gesamten Hofmusik, 300 Musikern. Die Arbeiten zu „Achille et Polixène“ wurden zurückgestellt. Doch als er die Motette am 8. Januar 1687 in der Église des Pères Feuillants aufführte, passierte ein Unglück: Lully schlug dazu, wie damals üblich, den Takt mit einem langen, reich verzierten, schweren Stab auf den Boden, wobei er unglücklich seinen Fuß traf. Die Wunde entzündete sich rasch und infizierte sich mit Wundbrand. Da sich Lully weigerte, den Zeh amputieren zu lassen, verstarb er wenige Monate darauf. Er wurde in Notre Dame des Victoires unter großer Anteilnahme begraben."


    Grüße vom Wandergeist :hello:

    Habe in meinem Inventar eine DVD mit zwei Klavierkonzerten Mozarts (darunter KV 466 in d-moll), gespielt und dirigiert von Friedrich Gulda.


    Allein das Anschauen des Videos bringt mir wenig Vergnügen: Gulda springt vom Klavier auf, fuchtelt dirigierend mit seinen Armen herum, dirigiert dann wieder vom Klavier aus, seine Mimik verrät eher getriebene Anspannung als reine Konzentration... Das Video verbreitet für mein Empfinden eher Hektik. Es schleicht sich bei mir dann das Gefühl ein, dass er weder bei der einen noch bei der anderen Sache so richtig dabei ist.


    Neulich sah ich mir eine andere DVD an: Suzuki an Cembalo und Dirigentenpult während seiner Aufführung der Bachschen Johannespassion. Das war stimmig - begleitete er doch "nur" manche Rezitative, während zwei weitere Tastenfrauen (Cembalo, Orgel) - neben Solisten, Chor und Orchester, versteht sich - für den Rest sorgten.


    Ich gehe davon aus, dass die gelungenen Mozart-Konzerte Gulda einzig am Klavier sehen, und nicht in einer derartigen Personalunion. Vielleicht ging es ihm hier auch speziell um die Selbstdarstellung, was ja auch nicht verkehrt sein muss.


    LG, Christoph :hello:

    Auf dem Weg zur Sinfonischen (Symphonischen) Dichtung steht also Berlioz Programmsinfonie.
    Hier zeigt sich, dass das althergebrachte Formgerüst mit seinen vier (früher drei) Sätzen nicht mehr ausreicht.


    Schaut man sich die Gattung "Symphonie im 19. Jahrhundert" an, so wird foglendes ersichtlich:


    Hatten sich in der Klassik Form und Inhalt noch die Waage gehalten, so gerät die Sinfonie nach BGeethoven - im Zeitalter der Romantik - als Gattung absoluter Musik in Konflikt zwischen alter klassischer Form (Sonatenhauptsatzform, 4 Sätze) und neuem romantischen Ausdruck (Inhalt).


    Während sich die „Klassizisten“ auf Beethovens Tradition berufen, schlagen die „Realisten“ mit Programmsinfonie und Symphonischer Dichtung eine ganz andere Richtung ein, wobei sie sich ebenfalls auf Beethoven (3., 5., 6. und 9. Symphonie) berufen.

    Eine Weiterentwicklung der sinfonischen Form nach Beethoven, Brahms und Bruckner sowie eine Synthese der beiden genannten Richtungen gelingt in gewisser Weise Gustav Mahler, der Form und Inhalt wieder in Übereinstimmung bringt. Er erweitert den Umfang zu riesigen Dimensionen, verfeinert zugleich die Orchestersprache, bezieht Solo- und Chorstimmen mit ein und strebt nach einer universalen, metaphysischen Aussage mit programmatisch-expressionistischen Tendenzen.


    Die 5-sätzige Programmsinfonie mündet alsbald in die einsätzige Sinfonische Dichtung: Hier wird ganz deutlich, dass die Form durch den Inhalt bestimmt wird. Im Bereich des Kunstliedes geschieht ähnliches bei Schubert: Zum Strophenlied mit stets gleichen musikalischen Strophen (Heidenröslein) kommt das variierte Strophenlied (Der Lindenbaum, Die Forelle) und v. a. das durchkomponierte Lied (Erlkönig). Goethe war davon ja weniger beeindruckt...
    Die Komponisten der einsätzigen Sinfonischen Dichtung erkennen für sich, dass etwas Darzustellendes Außermusikalisches eine Einheit bildet und somit weder nach Formen mit Wiederholung verlangt, noch nach verschiedenen Sätzen.


    Hier zunächst ein paar allgemeine Daten zur Symphonischen Dichtung:



    Die Sinfonische Dichtung



    - Von Franz Liszt (1811-1886) geprägter Begriff für die
    - meist einsätzigen
    - programmatischen
    - Orchesterwerke
    - ab der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zum frühen 20. Jh.


    Programm-Musik gibt es in allen musikalischen Epochen. In der Romantik, die auf die Verschmelzung der Künste, insbesondere auf die Literarisierung der Musik bedacht war, erhält sie aber eine bis dahin nicht gekannte Bedeutung. Sie befreit sich von den naiv-realistischen Möglichkeiten der Nachahmung und strebt jetzt die Wiedergabe von poetisch gesteigerten literarischen und malerischen Vorstellungen an. In der Sinfonischen Dichtung verschafft sie sich erstmalig eine weiträumige sinfonische Form.


    Ausgehend von den dramatischen Ouvertüren Beethovens, dessen 9. Symphonie sowie der Programm-Sinfonie Symphonie fantastique von Berlioz war Liszt der Überzeugung, die Musik müsse in Form und Ausdruck neu befruchtet werden durch das „poetische Element“. Er glaubte die Würde der Instrumentalmusik dadurch zu erhöhen, dass er sich in seinen Sinfonischen Dichtungen der Bildenden Kunst ebenso wie der Dichtung öffnete, an philosophisch-weltanschaulichen Stoffen (Les Préludes, 1854, nach dem gleichnamigen Gedicht von Lamartine), an Gestalten der Weltliteratur (Tasso, 1854, nach Goethe) sowie an Bildmotiven (Hunnenschlacht, 1857, nach dem Gemälde von Kaulbach) mit musikalischen Mitteln gleichsam weiterdichtete und Inhalte der eigenen Erlebniswelt (Hungaria, 1856) zur Darstellung brachte.


    Es geht dabei nicht darum, Werke der Literatur oder Bildenden Kunst in Musik zu "übersetzen", sondern dass der im Bereich der anderen Künste bereits Form gewordene Inhalt als stoffliche Grundlage einer neuen Aussage fungiert. Bei Liszt dient die Musik weniger der realistischen Darstellung z. B. eines dramatischen Handlungsablaufs, sondern schöpft vielmehr den Stimmungsgehalt einer Vorlage aus.


    Formal wächst die Sinfonische Dichtung aus der Klavierfantasie und der Ouvertüre der Klassik/Romantik heraus. Und obwohl der Einmaligkeit des poesiegezeugten Ausdrucksgehaltes jeweils eine einmalige musikalische Gestalt entsprechen soll, bleibt v. a. die Sonatenhauptsatzform, wenn auch oft stark abgewandelt und erweitert, in Umrissen erkennbar.


    Neu ist - im Dienste des poetischen Ausdrucks - die große heroische, oft theatralische Gestik der Themen, der lyrische Schwung, die kühne Tonmalerei, die bahnbrechende Harmonik. Zur Steigerung der orchestralen Sprach- und Darstellungsfähigkeit erhält die Kunst der Instrumentation eine bis dahin nicht erreichte Bedeutung. Das Ineinandergreifen und die Vermischung der Instrumentengruppen heben den Vorrang der Streichinstrumente auf.


    Die Sinfonische Dichtung rückte genau zu dem Zeitpunkt in den Vordergrund, als um 1850 ein Bruch in der geschichtlichen Entwicklung der Symphonie auftrat: eine Lücke zwischen dem Nachleben der Symphonie nach Beethoven und dem "2. Zeitalter der Symphonie" nach 1870.


    Die Sinfonische Dichtung repräsentierte, neben Wagners Musikdrama, die sog. Neudeutsche Schule, die „Fortschrittspartei“. Die Kunstauffassung Wagners und Liszts setzte sich erst in der nach 1860 geborenen Generation endgültig durch (v. a. Richard Strauss: Also sprach Zarathustra, Till Eulenspiegels lustige Streiche, Eine Alpensinfonie u. a.).


    LG, Christoph :hello:

    Vielleicht ist es hilfreich, wenn wir uns die wichtige Symphonie fantastique von Hector Berlioz anschauen. Bevor ich hier in Details gehe, möchte ich Beethovens Pastorale anführen, zu der Berlioz' Werk Affinitäten aufweist:



    Ludwig van Beethoven: Die Pastorale ( Symphonie Nr. 6 F-Dur, op. 68 )


    Entstehung: 1807/08, gleichzeitig mit der 5. Symphonie beendet; UA: 22.12.1808.
    Anlass: Naturliebe Beethovens. Anregung: Sinfonie Portrait musical de la Nature von J. H. Knecht. Dieser legte seinen fünf Sätzen ausführliche Erläuterungen bei, die Beethoven mit Sicherheit gekannt hat. Das Werk ist in seiner programmatischen Gestaltung der Pastorale ähnlich.


    Programmatische Merkmale sin dbeispielsweise die
    - Wiedergabe akustischer Eindrücke: Vogelstimmen (Satz 2), Donner (Satz 4: Paukenwirbel, rollende Figuren in den Bässen: Quintolen der Celli gegen Quartolen der Kontrabässe);
    - Wiedergabe visueller Eindrücke: Blitz (Satz 4: rasche Aufwärtsbewegung und kurze Schlussnote ergibt das 'Aufflammen', oder zackige melodiebewegung nach unten);
    - Wiedergabe von Gefühlen (vgl. die Bezeichnungen der Sätze 1 und 5).


    Beethoven und die Programm-Musik
    Beethoven verleugnete nicht sein Malen in Tönen, aber er rechtfertigte sich gewissermaßen:
    "Man überläßt es dem Zuhörer, die Situationen auszufinden. Sinfonia caracteristica - oder Erinnerung an das Landleben. Jede Mahlerey, nachdem sie in der Instrumentalmusik zu weit getrieben, verliert" . . .
    "Auch ohne Beschreibung wird man das Ganze, welches mehr Empfindung als Tongemählde, erkennen."
    Beethovens Bemerkungen in seinen Skizzenbüchern sprechen an sich gegen ein illustratives Musikhören, das überall nach konkret dargestellten 'Inhalten' sucht.


    Die reale Nachahmung der Vogelstimmen am Ende des 2. Satzes - Beethoven schreibt sogar die namen der Vögel dazu: Nachtigall, Wachtel, Kuckuck - geschieht allerdings durch Stilisierung: Real sind die Schwelltöne und Triller der Nachtigall, der charakteristische Rhythmus der Wachtel und das fallende Terz-Intervall des Kuckucks. Stilisiert dagegen ist die Übertragung der Vogelstimmen auf die dafür geeigneten Holzbläser, die Einordnung in ein festes Metrum (12/8-Takt) und ihre Eingliederung in die B-Dur-Tonart mit Hilfe des sich entwickelnden Dreiklangs der ersten Stufe.



    Pastorale und Symphonie fantastique: Vergleich der Satzbezeichnungen


    Beide Werke beginnen mit einem Satz, der sowohl allgemeine als auch subjektive Gefühle darstellt. Die folgenden vier Sätze dagegen beziehen sich, bei Berlioz zumindest vom Titel her, auf Szenen der Außenwelt. Sofern man Berlioz' ursprünglich vorgesehene Reihenfolge (nämlich Satz 3 - Satz 2) nimmt, ergibt sich folgendes: Die Sätze Nr.2 sind Pastoralszenen, der französische Titel wohl eine Paraphrase auf Beethovens Satzbezeichnung, die dritten weisen Tanzcharakter auf, die vierten stehen von der Dramatik her in Relation zueinander. Anders die Sätze Nr.5: Berlioz' makabrer Hexensabbat kontrastiert stark mit dem 'happy end' der Pastorale. Beide Werke sind 5sätzig, wobei es sich bei Beethovens 4. Satz aber eher um ein Einschiebsel in die klassische 4sätzige Sinfonie handelt.




    Pastorale
    1. Erwachen heiterer Gefühle bei der Ankunft auf dem Lande
    2. Szene am Bach
    3. Lustiges Zusammensein der Landleute
    4. Gewitter, Sturm
    5. Hirtengesang. Frohe, dankbare Gefühle nach dem Sturm

    Symphonie fantastique
    1. Rêveries - Passions (Träumereien - Leidenschaften)
    2. Un bal
    3. Scène aux champs
    4. Marche au supplice (Gang zum Richtplatz)
    5. Songe d'une nuit du sabbat (Traum eines Hexensabbats)



    Nun zunächst etwas allgemeines zu:


    Hector Berlioz (1803 - 1869): Symphonie fantastique (1830)


    Die Symphonie fantastique gilt als Prototyp der Programm-Sinfonie. Das Programm soll das Verständnis der weitgehend dramatisch-szenisch konzipierten Musik erleichtern, dem "instrumentalen Drama" (Berlioz) aber nur als Hinführung dienen, soll also keineswegs etwa ein laufender Kommentar zur Musik sein (laut Berlioz).
    Ein persönliches Erlebnis prägt den Inhalt: die Liebe zur englischen Schauspielerin Harriet Smithson. Das Bild der Geliebten wird durch eine lang ausgesponnene Melodie dargestellt.
    Diese idée fixe, eine Art Leitmotiv, war das neue Bauelement, durch das Berlioz sowohl die Sätze miteinander verband, als auch in seinen oft weitgehenden Umdeutungen den jähen Wechsel in der Stimmung verdeutlichte.


    Im Sinne eines Leitmotivs verwendet bereits C. M. v. Weber in seinem Freischütz gewisse Motive oder Instrumente, vgl. das Samiel-Motiv oder die Hörner als Symbol für Jäger und Wald, also Max.


    Die Symphonie fantastique führt - nicht nur wegen der inhaltlichen Gegebenheiten - vom überlieferten Ideal der klassischen Sinfonie weg. Die für die programmatische Richtung in der Instrumentalmusik des 19. Jh. maßgebenden Sätze Gang zum Richtplatz und Traum eines Hexensabbats zeigen Berlioz als Schöpfer des modernen Orchesters, in dem jedes Instrument seinen spezifischen Ausdruckswert hat. Durch eine bis dahin nicht gekannte Kunst der Instrumentation setzt Berlioz als erster die unbegrenzten Kombinationsmöglichkeiten des Klangmaterials zur Aussage eigenen Fühlens und Denkens ein.
    Das Formgerüst der Sinfonie ist bei Berlioz gesprengt, lediglich der erste Satz steht in (einer erweiterten) Sonatensatzform.


    Die Entstehung des Werkes betreffend, sind zwei Motivationslinien bedeutend: Berlioz wollte zum einen mit einem großen, spektakulären Werk Interesse und Anerkennung der Öffentlichkeit erzwingen, andererseits ging es um die Kompensation der schwer erträglichen emotionalen Stauung durch ihre künstlerische Reflexion. Beides hängt freilich zusammen, denn das Spektakuläre an dieser Symphonie bestand nicht zuletzt gerade im rückhaltlosen Bloßlegen des autobiographischen Hintergrundes.
    In der Symphonie fantastique spiegeln sich in gewisser Weise Leben und Charakter ihres Autors wider. Bis zur Entstehung dieses Werkes finden sich viele Enttäuschungen.


    Berlioz sollte in Paris, gegen seinen Willen, Medizin studieren, um den Beruf seines Vaters zu ergreifen. Verschiedene Erlebnisse führten ihn zu einer musikalischen Laufbahn:
    - die große dramatische Oper, die Tragédie lyrique (Gluck, Spontini, Salieri);
    - der zum ersten Mal in Frankreich aufgeführte Freischütz (C. M. v. Weber);
    - die "Macht und Schönheit" der Beethovenschen Symphonien;
    - "das wunderbare Buch des Faust" (Goethe);
    - "der gewaltige Blitzschlag" Shakespeare, der ihn "zerschmetterte", ihm aber auch den weiten "Kunsthimmel" öffnete. (Zitate nach Berlioz, Mémoires)
    Diese künstlerischen Erlebnisse unterstützten den jungen Berlioz in seiner leidenschaftlichen Abneigung gegen den "klassischen" Geschmack, gegen eine "einwiegende Musik, farblos und zu einfach in Form, Rhythmus, Harmonie und Effekten."


    Kein Künstler geht unabhängig von Zeit und Umwelt hervor. So entsteht auch die Symphonie fantastique auf vorhandenen Grundlagen. Neben der sich entwickelnden Programm-Musik erweist sich die Romantik als wichtiger Faktor: Es ist die Zeit, in der man seine Memoiren schreibt, sich also im Spiegel betrachtet (Wagner, E.T.A. Hoffmann), in der das Orchester ausgebaut und Subjektives verstärkt in die massive Orchestersprache übernommen wird. Zudem entwickelt sich in Frankreich, besonders in Paris, das Virtuosentum (Paganini, Chopin, Liszt).


    Das Programm


    Auslöser für die war Berlioz' Begeisterung für die Hauptdarstellerin Harriet Smithson (bzw. deren rote Schuhe), die mit einem englischen Theaterensemble in Paris Shakespeares Dramen (Hamlet, Othello, Romeo und Julia) aufführte - Dramen von dunkler Fantastik, denen Berlioz "Schönheit und Wahrheit" bezeugte. Seine Begeisterung steigerte sich zu einer stürmischen, zunächst nicht erhörten Liebe. Zweifellos sind Programm und Musik der Symphonie fantastique aufgrund der in Berlioz geweckten Gefühle entstanden. Dennoch sollte man nicht außer acht lassen, dass diese Liebe zu einem Großteil den Dramen Shakespeares galt.


    Unterschiedlich waren Berlioz' Ansichten darüber, ob das Programm der Symphonie fantastique dem Hörer bekannt sein musste, um die Sinfonie in ihrer Vielschichtigkeit zu erfassen. So schreibt er in der Vorbemerkung des Textes 1845/46:


    "Der Plan des instrumentalen Dramas bedarf, da es der Unterstützung durch einen Worttext entbehrt, einer vorherigen Erklärung. Das folgende Programm ist daher wie der gesprochene Text einer Oper zu betrachten, der zu den Musikstücken hinführt und ihren Charakter und ihre Aussage erklärt . . . Die Verteilung des Programms an das Publikum ist... (daher) zum vollständigen Verständnis des dramatischen Plans dieses Werkes unerlässlich."


    In der letzten Programmfassung zehn Jahre später schreibt er dagegen:


    ". . . streng genommen kann sogar das Austeilen des Programms unterbleiben; man hat dann nur den Titel der fünf Nummern beizubehalten. Der Verfasser schmeichelt sich mit der Hoffnung, dass die Symphonie an und für sich, und abgeschlossen von aller dramatischen Absicht, ein musikalisches Interesse darbieten kann."


    Es sei dahingestellt, inwieweit die Kenntnis des Programms eine Voraussetzung für dessen Verständnis bildet. Mit Sicherheit wird das Verständnis der weitgehend dramatisch-szenisch konzipierten Musik erleichtert; dennoch soll das Programm dem 'instrumentalen Drama' (Berlioz) nur als Hinführung dienen, soll also laut Berlioz keineswegs ein laufender Kommentar zur Musik sein.



    Die Musik - Neuerungen in der Symphonie fantastique


    - Literarischer Anspruch eines – wenn auch meist fiktiven – autobiographischen Programms.


    Das Verhältnis zwischen Programm und Musik zeigt sich in drei Stufen:
    - das Programm verdeutlicht eine in der Musik anklingende Stimmung,
    - die Musik ihrerseits vertieft eine programmatische Aussage,
    - die Musik entwickelt darüber hinaus ein eigenes dramatisches Geschehen.


    - Verbindung von Musik und Programm auf neuartige Weise. Ausweitung der musikalischen Form in Anpassung an die dramatische Vorlage, dramatische Anlage der Musik. Der musikalische Ausdruck erhält größeres Gewicht.


    - Die Bezeichnung als drame instrumental deutet auf den Einfluss der Oper, die im damaligen Frankreich gegenüber der reinen Instrumentalmusik vorherrschte. Der Untertitel „Episoden aus dem Leben eines Künstlers“ führt zu einer musikalischen Aneinanderreihung szenischer Vorgänge.


    - Fünfsätzige Anlage: Einfluss der Pastorale wie auch der französischen Großen Oper


    - Zusammenhalt aller Sätze durch ein Thema, die idée fixe


    - Orchestersprache:
    - Instrumente als wichtiges Mittel für die Wiedergabe von Stimmungen und Gefühlen,
    - Übernahme von Instrumenten des Opernorchesters in das Sinfonieorchester,
    - Entwicklung neuartiger Instrumenten-Kombinationen, also ungewohnte Zusammenklänge
    - Personifikation einzelner Instrumente,
    - Virtuosität des Klanges (in Nachfolge Webers, vgl. Freischütz),
    - Sinn für theatralische und instrumentale Effekte,
    - Ausnutzung der Grenzlagen der Instrumente,
    - häufige Verwendung dissonanter Klänge,
    - Hang zu äußerer Klangmassierung zur Zeichnung des Phantastischen, ähnlich der damaligen Revolutionsmusik, aber auch Entfaltung einer Fülle sanfter, differenzierter Klänge und Farben zur Darstellung zartester Regungen.


    A. Berrsche, bedeutender Musikberichterstatter in der ersten Hälfte unseres Jahrhunderts:


    "Das Wunder, das bei Berlioz alle Tage geschieht, dass plötzlich eine Flöte, ein Fagott, eine Bratsche, ein Kontrabass so klingen, als sei nie zuvor auf der Welt eines dieser Instrumente gespielt worden, dieses Wunder wiederholt sich nicht mehr."


    Berlioz und die Programm-Musik


    Schon Beethoven machte auf die Gefahr einer reinen Programm-Musik aufmerksam – eine Absage an diese oder nur ein Sich-Wehren gegen allzu freie Deutungen? Ihm ging es, wie auch Schiller in seiner Naturnachahmung, um die Idee des Ganzen, wie es eben dem Wesen der Klassik entsprach:


    "Wer auch nur je eine Idee vom Landleben erhalten, kann sich auch ohne viel Überschriften selbst denken, was der Autor will" (Beethoven).


    Im dritten Satz der Symphonie fantastique dagegen (Scène aux champs) geht es nicht mehr um eine Idee, sondern um eine einmalige, nicht wiederholbare Situation, erlebt unter dem Eindruck persönlicher Erschütterung. Auch bei Beethoven gibt es ein Gewitter (Satz 4), aber bei Berlioz zieht nicht irgendein Gewitter vorüber, sondern dessen eigenes, der Situation entsprechendes.
    Berlioz gilt als der Schöpfer der Programm-Musik des 19. Jahrhunderts, als erster Programm-Musiker schlechthin. Er ist dies insofern, als er nicht nur peripheres Interesse an der Programm-Musik zeigte, sondern die außermusikalische Vorlage zur grundsätzlichen Voraussetzung seiner Kompositionen machte. Berlioz ging es ihm nie darum, lediglich äußere Vorgänge musikalisch zu beschreiben, er dachte ganz und gar als Programm-Musiker.


    Soweit erst mal einige allegemeinere Anmerkungen zu Beethoven und Berlioz.


    LG, Christoph :hello:

    Hier ganz kurz für diejenigen, die evtl. noch nicht viel mit PM zu tun hatten, eine kurze zusammenfassende Ergänzung zu meinem ersten Posting:


    Der Begriff „Programmmusik“ hat nichts mit dem Rundfunk- oder Fernsehprogramm oder mit Filmmusik zu tun. Er meint vielmehr Instrumentalmusik mit außermusikalischem Inhalt. „Instrumentalmusik“ bedeutet natürlich, dass jegliche Vokalmusik nicht zur Programm-Musik gehört.


    Der Inhalt wird durch Titel oder Erläuterungen vom Komponisten mitgeteilt, kann aber auch verschlüsselt angegeben oder ganz verschwiegen werden.



    Nun leuchtet ein, dass sich der Hörer einer wortgebundenen Musik (Oper, Operette, Musical, Oratorium, Messe, Passion, Requiem, Lied) sowie einer programmatischen Instrumentalmusik etwas vorstellen kann, während er der wortlosen, absoluten (reinen) Musik mitunter etwas ratlos gegenübersteht (Suite, Konzert für Orchester, Präludium und Fuge, Symphonie etc.). Aus diesem Grunde wurden bekannten Tonwerken ja auch nachträglich Titel, Erläuterungen etc. hinzugefügt (Beethoven: Mondschein-Sonate, Schicksals-Symphonie; Titel nicht vom Komponisten).


    Was die PM betrifft, so stehen dem Komponisten folgende Möglichkeiten zur Verfügung:


    1. Nachahmung akustischer Vorgänge, Wiedergabe von Höreindrücken
    Naturalistische Lautnachahmung, z. B. Vogelstimmen (Motive der hohen Flöte), Glocken (Dreiklangsbrechungen am Cembalo), Erdbeben (Tremolo im Cello), Donner (Paukenschläge) etc.


    2. Darstellung visueller Sinneseindrücke
    Abbildliche und tonsymbolische Darstellung (Tonsymbolik). Die Töne malen nicht etwas zu Hörendes nach, sondern erhalten eine sinnbildhafte (Be-)Deutung, wodurch sich Assoziationen u.a. ergeben. Beispiele: Bewegung (anlaufen und anhalten, langsam und schnell, nähern und entfernen durch crescendo und decrescendo), Zustände (Höhe und Tiefe, Nähe und Ferne), Licht und Farben (Hell und Dunkel).


    3. Wiedergabe von Gefühlen, Empfindungen, Stimmungen und Gedanken
    Gilt als die angemessenste Ausdrucksart sowohl der absoluten wie der Programmmusik.
    All das, was nicht zur Nachahmung akustischer Phänomene gehört, wird auch als Tonsymbolik bezeichnet: Die Töne malen nicht etwas zu Hörendes nach, sondern erhalten eine sinnbildhafte (Be-)Deutung (Assoziationen u.a.).



    Nun noch ein ganz grober Abriss der Musikgeschichte bis zum Barockzeitalter:


    Antike: Zur Zeit der Wettkämpfe zu Delphi (586 v. Chr.) spielt Sakadas aus Argos auf einem oboenähnlichen Instrument (Aulos) ein Stück, das den Kampf Apolls mit dem Drachen Python darstellt, (Vorbereitung . . . Kampf . . .Siegestanz), wobei auf dem Instrument Trompetensignale, Zähneknirschen u. a. dargestellt wurden.


    Im 14.-16. Jh., also zur Zeit der Renaissance, entstehen zahlreiche Vokalwerke (Chansons u. a.), die sich mit dem Krieg, der Jagd (Caccia) oder dem Vogelgesang befassen.
    Aufgrund ihres Textes, auf dem die illustrativen Wirkungen zum großen Teil beruhen, gehören diese Werke nicht zur PM im eigentlichen Sinne. Daneben finden sich allerdings auch programmatische Instrumentalkompositionen (William Byrd: The Bells; hier werden auf dem Virginal (Tasteninstrument) mit klanghaft sich steigernden Ostinati Glockentöne geschildert).

    Über zahlreiche Schlachtenmusiken der damaligen Zeit gelangt man im Barockzeitalter zu den Biblischen Historien von Johann Kuhnau (1700), sechs Klaviersonaten, die Themen aus der Bibel zum Inhalt haben. In dessen Tradition steht das Capricccio über die Abreise des geliebten Bruders von J. S. Bach (scherzhaftes Klavierstück). In Italien schreibt Antonio Vivaldi Die vier Jahreszeiten für Streichorchester (mit Solovioline) und Cembalo (um 1725).


    Christoph :hello:

    Zitat

    Travinius schrieb: Ich denke, die Assoziationen bezogen sich auf Forensik, Zitat aus Wikipedia....


    Hallo Travinius, vielen Dank für Dein Posting. Off-topic hin oder her, jetzt kann ich zumindest was damit anfangen. Hatte gedacht, die Äußerung sei auf meinen musikgeschichtlichen Abriss bezogen gewesen.
    Dass dies auf die "Forensik" bezogen war, leuchtet mir jetzt auch ein. Werde nächstens also genauer schauen, bevor ich irgendwelche scheinbar originellen Wortbildungen aus dem Begriff "Klassik-Forum" bilde!! :yes:


    LG, WG :hello:

    Zitat

    operus schrieb:
    wie Waldgeist formuliert, das assoziiert ja fast kriminell und auf ein Gericht bezogen


    Hi Operus, irgendwie erschließt sich mir dieser erste Satz von Dir nicht so recht. Wäre schön, wenn Du das - zumindest für mich - noch mal näher erläutern könntest. Gerade das mit dem "kriminell" ?!


    Liebe Grüße und schon danke im Voraus,


    Christoph der Wandergeist (nicht Waldgeist, aber ist auch ok!) :hello:

    Da hier von Liszt nur Les Préludes erwähnt wurde und immer wieder der Gegensatz reine Musik – Programmmusik auftaucht, möchte ich versuchen, die Thematik aus musikgeschichtlicher Sicht zu beleuchten und manches noch ein bisschen zu spezifizieren. Ich bin mir natürlich bewusst, dass die meisten Taminoianer dies alles schon wissen, und vielleicht gibt es hiezu schon einen eigenen Thread – dann einfach nicht weiter lesen :pfeif:


    Wer Programmmusik (= PM) absolut nicht mag, sollte sich dessen bewusst sein, dass hierzu neben vielen vorklassischen Werken auch klassische Werke wie z. B. Joseph Haydns Ouvertüren zu den Oratorien Die Schöpfung und Die Jahreszeiten reinste Programmmusik sind. Beethoven schreibt 1813 Wellingtons Sieg oder die Schlacht bei Vittoria, ein gefälliges Schlachten-Gemälde mit viel Lärm und Geknalle. Während diese Kriegsmusik, der damaligen Mode entsprechend, das Programm in den Vordergrund rückt und damit eindeutig der PM zugehört, stellt seine 6. Symphonie (Pastorale) einen Grenzfall dar. Sie wird zum Auslöser zahlreicher Diskussionen und zum Ausgangspunkt der eigentlichen PM, denn obwohl wir PM in allen Epochen finden, ist die ‚hohe Zeit’ der PM natürlich die Romantik.


    Es entstehen vereinfacht gesagt die beiden Richtungen: „Absolute Musik“ und „Programmmusik“, die sich äußern im


    Romantischen Klassizismus: Ablehnung der Programmmusik; Anknüpfung an die Formen der Klassik und des Spätbarock, wobei die Tonsprache aber durch die melodischen, harmonischen und rhythmischen Mittel der Romantik erweitert wird, und im

    Romantischen Realismus, der sich in der sog. PM äußert. Diese Richtung zeigt ganz andere Wesenszüge als die der Hochromantik. Sie steht in innerem Gegensatz zum Romantischen Klassizismus und ist stark intellektuell betont. Wichtig ist der Gedanke des Fortschritts in der Musik, das Eintreten für künstlerische Ideen in Schriften, die häufig polemischen Charakter haben.


    Musik ist immer auch Ausdruck ihrer Zeit, und aus dieser heraus ist die ganze Sache sehr spannend.


    In der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts führt der Gegensatz der beiden Richtungen zu einer ausgesprochenen Kampfstellung ihrer Vertreter in Kritik und Musikschrifttum, allerdings weniger der Komponisten als vielmehr ihrer Anhänger: "Fortschritt" gegen "Konservativismus". Wichtig in der Kunst sind natürlich weniger der Fortschritt als der Einfall sowie die Kraft künstlerischer Gestaltung. Während die Klassizisten eher der Formalästhetik angehören, vertreten Berlioz, Liszt und Wagner die Gefühls- oder Ausdrucksästhetik.


    Hector Berlioz’ Symphonie fantastique stellt nun erstmals das 'Ich' des Komponisten, dessen Gefühle und Gedanken in den Mittelpunkt. Das genannte Werk (1830) ist freilich noch keine Symphonische Dichtung, sondern eine Programm-Sinfonie.


    Berlioz' Tondichtungen finden ihre Nachfolge v. a. in den Werken von Franz Liszt. Die "Neudeutsche Schule" entwickelt die Sinfonische Dichtung. Liszt heißt für mich nicht nur Les Préludes, sondern da sind auch andere interessante Werke, z. B. sein abwechslungsreicher Totentanz für Klavier und Orchester (Variationen über das geistliche Dies irae).


    Der nach Liszt bedeutendste Schöpfer Sinfonischer Dichtungen ist Richard Strauss, und da gibt es wirklich sehr viel zu entdecken (z. B. Don Juan, Till Eulenspiegels lustige Streiche, Also sprach Zarathustra, Eine Alpensinfonie).


    Mit den nationalen Schulen treten nun auch aus dem östlichen Bereich verstärkt Komponisten auf, die sich im Bereich der Sinfonischen Dichtung betätigen, eben erwähnter Friedrich Smetana mit seinem Vaterland-Zyklus oder Anton Dvorák (Die Mittagshexe, Die Waldtaube u. a.).
    Modest Mussorgsky schreibt seine Programmmusik Bilder einer Ausstellung, eine Suite für Klavier, im Norden wirken u. a. Jean Sibelius und Edvard Grieg.


    Am Ende der Romantik finden wir Edward Elgars Enigma Variations und die impressionistischen Werke von Claude Debussy (La mer, Prélude à l'après-midi d'un faune).


    Zwar ist die PM eine typisch romantische Erscheinung. Aber auch im 20. Jahrhundert wird PM geschrieben: Ottorino Respighi verwendet in seinen I pini di Roma eine über Schallplatte zur Orchestermusik eingespielte originale Nachtigall-Aufnahme (1924), Arthur Honegger stellt die Pacific 231 musikalisch dar, Paul Hindemith schreibt u. a. die Symphonie Mathis der Maler und das Variationswerk Die vier Temperamente.


    Nun wissen wir alle, dass absolute Musik reine Musik ist, also auf kein anderes Lebensgebiet hinweist, sondern einen in sich abgesonderten Bereich darstellt und auf den Grundsätzen formaler Schönheit sowie auf dem Spiel emotionaler Gegensätze beruht. Und wir haben schon bemerkt, dass vergeistigte Emotionen vom Hörer natürlich einen höheren Grad an Mitarbeit verlangen, sofern er die Tiefe der Musik erfassen möchte.


    Die Frage ist, inwieweit es Musik gibt, die völlig unprogrammatisch ist. Tauchen im Geiste des Komponisten absoluter Musik während des Schaffensaktes nicht auch 'Bilder' auf, die ihn in der Entwicklung des Werkes inspirieren, und gibt er in seiner Musik nicht auch eine Reihe von Stimmungen symbolisch wieder?


    Ähnlich wird es keine reine PM geben, sofern sie nicht billiger, unkünstlerischer Abklatsch ist, denn auch in der PM machen sich musikalische Formgesetze geltend und verlangen Anerkennung in der Gestaltung.


    Es ist wohl eher eine Frage der Schwerpunktsetzung, in welche 'Schublade' ein Werk eingeordnet werden kann: Herrscht der außermusikalische Inhalt oder eine rein musikalische Struktur vor?


    Absolut programmatische Grüße,


    Christoph :hello:

    Zitat

    Ulli schrieb: Endlich hat es jemand bemerkt...



    Ich wusste, dass der Meister uns hin und wieder prüft... :yes:


    In der Hoffnung, dass die nächsten Hürden nicht viel schwieriger werden ?( , freut sich über die richtige Lösung der


    Wald :hello:geist

    Zitat

    Original von Ulli
    Pamina jedenfalls ist 18 Jahr und 2 Minuten alt. Und das schon so lange...


    8)


    Ulli



    Ähem... ich darf doch wohl bitten!! :faint: :boese2:


    Oder haben wir es in der Zauberflöte gar mit Zwillingen zu tun? :baeh01:
    (Aber nicht mal da wäre es, aufgrund der Minutenangabe, möglich)


    Grüße vom W:hello:G

    Da haben sich bisher ja doch ganz schön viele zu Wort gemeldet - oder: Der Schuss ging wohl nach hinten los... :(


    Ist allerdings kein Wunder:


    Dachte mir eben, ich mache jetzt mal den Beginn und schreibe ein Erlebnis auf - und verpacke es in eine Form (wie z. B. Hesses "Orgelspiel" oder "Die Zauberflöte am Sonntag Nachmittag"). Da merke ich erst, wie schwierig sich das gestaltet, bzw. wie da eigentlich (noch) gar nichts kommt... Schwierig auch das mit der poetischen Form. :no:


    Also nun der Versuch ( :hahahaha:), das Thema etwas zu modifizieren:


    Es geht zum einen nicht um ein einmaliges Erlebnis oder die einzigartige Musik, sondern um unterschiedliche Musik(en), die auf uns einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen hat, und um eben diese Wirkung auf uns. Dabei spielt auch keine Rolle, ob es sich um ein spezielles Werk oder eine allgemeine Richtung (z. B. "Orgelmusik von Bach") handelt.


    Die schriftliche Form wäre beliebig: Ob in einigen wenigen Sätzen alles gesagt wird, ob es eine längere Abhandlung wird oder nur ein flüchtig hingeworfener Gedanke, ein knappes Statement, ein Aphorismus... Das sei jedem selbst überlassen.


    Und da auch mir am frühen Morgen nichts Rechtes einfällt, schließe ich mit einem Zitat aus "Worte zur Musik" von Friedrich Gulda:


    "Spannung, "energy", durch Höbares erzeugt bzw. Hörbares erzeugend, ist das eigentliche musikalische Element." 1968



    Liebe Grüße,


    WG :hello:

    Werte Forenser und Forensalesen,


    nachdem ich den Thread mit der Aufbewahrung von CDs gestern entdeckte, registriert habe, wie viele CDs manch einer von Euch besitzt, immer wieder Eure Aussagen zu klassischer Musik lese:
    In diesem Thread würden mich Eure Hörgewohnheiten interessieren: Welche Musik hört Ihr wann oder bei welcher Gelegenheit, wie bewusst nehmt Ihr sie dann wahr, auf welche Art hört Ihr die Musik*, welche Wirkung hat sie auf Euch ...


    Das wäre für mich auch deshalb von Bedeutung, da ich Eure Aussagen mit Schülern (die nicht unbedingt Klassik-Hörer sind) reflektieren könnte. Des weiteren fand ich den gestrigen „CD-Aufbewahrungsthread“ auch deshalb gut, weil man zudem etwas ‚Persönliches’ über einzelne TeilnehmerInnen erfährt, von denen man immer wieder im Forum liest.



    * Übrigens: Was das Musik-Hören betrifft, so unterscheide ich mit Schülern folgende Arten des Hörens:


    motorisch: der Bewegung dienend, körperlich; sich bspw. dem Rhythmus hingeben
    vegetativ: dem Willen nicht unterliegend, unbewusst
    emotional: gefühlsmäßig; sich seinen Gefühlen hingeben
    assoziativ: mit Vorstellungen verknüpfend
    analytisch: intellektuelles Erfassen d. objektiven Eigenschaften von Musik (über den "Kopf")
    meditativ: ganz "bewusst" hören, im Hören aufgehen, das Hören "sein"
    synästhetisch: Verbindung der Höreindrücke mit anderen Sinneseindrücken, die durch nichtspezifische Reize erzeugt werden ("Mit"-Erregung eines Sinnesorgans, z. B. subjektives Wahrnehmen optischer Erscheinungen bei akustischer Reizwirkung)


    Aber so spezifisch unterschieden muss das in diesem Thread ja gar nicht zugehen: Es geht ja vielmehr darum, unsere alltäglichen Gewohnheiten im Umgang mit (dem Hören von) Musik darzulegen und ‚preiszugeben’, was die Musik mit uns macht...


    In diesem Thread geht es übrigens nicht um das einzigartige, erhebende Erlebnis o. ä., vgl. den Thread "Mein besonderes Erlebnis mit Musik".


    Ein schönes Wochenende wünscht


    der Wandergeist :hello:

    In der Meinung, dass ein solcher Thread noch nicht existiert:


    Das Interessante an diesem Tamino-Forum – so geht es mir – ist die Tatsache, dass hier nicht, wie in so vielen Foren, eine Frage gestellt, ein Problem aufgeworfen wird und dann Postings erfolgen, bis die Antwort gefunden ist, das Problem beseitigt...
    Hier geht es mehr um Austausch, um Tipps, eigene Erfahrung mit dem musikalischen Medium...
    Und hier möchte ich mit diesem Thread ansetzen: Musik ist Schwingung, und da auch wir aus Schwingungen bestehen, erreicht sie uns auf diversen Ebenen und kann uns trösten und Halt geben wie auch Traurigkeit auslösen, Erinnerungen wecken, zur Ekstase führen, Entspannung verschaffen, unseren Horizont erweitern u. v. m.


    Wie war das bei Euch: Möchtet Ihr eine besondere Erfahrung erzählen, die Euch mit dem Hören von Musik verbindet? Das Erlebnis mit einer bestimmten Musik, die Wirkung einer speziellen Komposition, einer gelungenen Einspielung, das tiefe Berührt-Sein einer einzigartigen Darbietung, eines wunderbaren Konzertes, der Ausstrahlung einer Interpretin / eines Interpreten..., die Erinnerung, wenn Ihr einen bestimmten Song* hört...


    In diesem Thread geht es nicht darum, auf ein Posting direkt zu antworten. Gedanken können aufgegriffen und auch weitergeführt werden, aber es können genauso gut eigene persönliche Berichte ganz für sich stehen. Dies ist ja auch die Absicht.


    Hierbei könnte etwas entstehen, das zeigt, wozu Musik fähig ist, das die Sternstunden der Verbindung Mensch-Musik aufzeigt, das dokumentiert, welche Macht diese Kunst auf uns ausübt, wie sie uns tief im Innern ergreifen kann...


    Liebe Forenserinnen und Forenser, ich bin geneigt zu sagen, dass es fast schon ans Wunderbare grenzen würde, wenn Ihr Eure besonderen Erlebnisse nach Lust und Laune in ein besonderes bzw. individuelles textliches Gewand kleidet, dem „Buch Eurer Erinnerungen“ nach Lust und Laune bzw. Inspiration und Intuition eine poetische Form gebt.
    Das wäre wünschenswert, aber keinesfalls Bedingung: Viele Gedanken oder Erlebnisse lassen sich vielleicht besser auf normale Art aussprechen, in Prosa oder in unserer Alltagssprache (vielleicht auch Dialekt? Das wäre dann schon wieder Kunst!), alles hängt zudem von der jeweiligen Person ab. Vielleicht geht es einfach nur darum, sich dieser besonderen Verbindung, jenes einmaligen Erlebnisses bewusst zu sein – und in diesem gehobenen (!) Bewusstsein seinen Gedanken freien Lauf zu lassen und ihnen zu einer schriftlichen Form zu verhelfen.


    Hier geht es auch nicht darum, nur ein einziges, einmaliges Erlebnis zu schildern oder eine Liste der drei oder sechs bedeutendsten Ereignisse aufzustellen. Es gibt bestimmt weit mehr als nur eine solche Begebenheit, und immer wieder kann sich so etwas in unserem Leben ereignen.


    Allgemeine, alltägliche Erfahrungen mit Musik möchte ich allerdings nicht hier, sondern in einem anderen Thread („Musik – Wirkung und Gewohnheiten“)aufgehoben wissen.


    Kunstvolle Grüße vom


    Wandergeist :hello:




    * Es heißt zwar Klassik-Forum, aber „Klassik“ bzw. „klassisch“ kann ja vielerlei bedeuten:
    - die Musik der Klassik bzw. der Wiener Klassik – der Epoche zwischen Barock und Romantik – , also v. a. die Musik Haydns, Mozarts und Beethovens;
    - "klassisch" als ein von der Geschichte unabhängiger, allgemeiner Wertungsbegriff, z. B. eine klassische Autoform (Ente, Käfer) im Sinne von mustergültig, zeitlos (ein Beatles-Song?)
    - in ähnlichem Sinne, auf die Musik übertragen: Musik, die gewisse herkömmliche Merkmale klassischer Kunst schlechthin aufweist, z. B. "Einheit von Inhalt und Form", "Einheit in der Mannigfaltigkeit" usw. Viele dieser Merkmale finden sich auch in anderen Epochen (Spätmittelalter, Barock, Moderne etc.), und hierauf bezieht sich natürlich das Tamino-Klassikforum;
    - ich möchte die Liste dahingehend erweitern, dass eine Erinnerung an bzw. ein Erlebnis mit einem bestimmten Musikstück eben dieses Werk – für den Schreiber – zu einem „klassischen Stück“ erhebt, die Verbindung Mensch-Musik hier zu einem klassischen Erlebnis gekrönt wurde... und da sollte einfach jede Art von Musik, ob Klassik, Pop, Jazz, Außereuropäische Musik oder Meditationsmusik und so vieles mehr dazu gehören.

    Hab eben mal einen Blick ins CD-Regal geworfen - da meine Töchter Geige und Cello spielen, hab ich immer wieder mal eine CD in dieser Richtung besorgt. (Ich hab's auch eher mit Symphonien, Klavier und Orgel oder Kammermusik, weniger mit Violinkonzerten)


    Zunächst fällt auf, dass die Cellokonzerte überwiegen - hängt wohl mit meiner Bevorzugung dieses Instrumentes zusammen.
    Aber werde das nächste Mal in den CD-Regalen meiner Töchter schauen, da ist bestimmt noch der eine oder andere Schatz zu heben!


    Neben den gängigen Konzerten der drei "Wiener Klassiker" (Haydn, Mozart, Beethoven) und einiger barocker Literatur sehe ich da Schumanns Konzert, das ich sehr mag (hab allerdings 'nur' die Fassung von Kremer/Harnoncourt - sorry, U.), dann Bruch, Saint-Saens, Elgar, Joachim Raff (Nr. 1 und 2 mit den Bamberger Symphonikern, Hans Stadlmair; hab ich aber so gut wie kaum gehört - wird nachgeholt!), Pierre Rode, Alban Berg.


    Der Rode gefällt mir recht gut. Ich glaube, Friedemann Eichhorn hat alle Vl-Konzerte von Rode eingespielt. Die vorliegende CD stammt von 2007 und enthält die Konzerte Nr. 7, 10 und 13. Eichhorn stellte sie damals im Radio vor und meinte, gerade die Konzerte auf dieser CD würden ihm sehr gut gefallen.


    Von Joachim Raff angehört dagegen habe ich z. B. die "Vier Jahreszeiten" (Symphonien Nr. 8-11, mit Philh. Hungarica, W. A. Albert). Neben anderen Symphonien gefällt mir von dieser Vierergruppe die Nr. 9 ("Im Sommer"): immer wieder weit romantisch ausgreifend, dazu motivisch-thematische Arbeit u. v. m.


    Was ich daneben sehe, sind Violinsonaten, ob nun solo oder mit Klavier (beides z. B. von Reger), oder überhaupt Stücke für Violine und Orchester (Lalo) bzw. Violine und Klavier, z. B. Arvo Pärts "Fratres" (G. Kremer und Keith Jarrett) und "Tabula Rasa" (Kremer u. Grindenko, Vl., A. Schnittke, Prepared Piano).



    Christoph :hello:

    Und noch kurz ein Beitrag, den ich soeben las. Er gehört insofern zu diesem Thema, weil er über Assmann zurück führt zu den Freimaurern, der Kirche und der Aufklärung. Eben das zu Beginn des Threads erwähnte Spannungsfeld




    KLEINERE BEITRÄGE
    Die Zauberflöte – ein “Aufklärungsmysterium”? Mozart, Voltaire und die Freimaurer
    Kennzahl archiv_20070209
    Jürgen von Stackelberg

    Den Anlass zum nachfolgenden Versuch, das Verhältnis Voltaires zu den Freimaurern zu klären, bot das Buch von Jan Assmann über Die Zauberflöte, Oper und Mysterium (München 2005). Es läuft im Wesentlichen auf eine Rekonstruktion der Vorstellungen vom alten Ägypten, wie sie zu Mozarts Zeiten in Wien im Schwange waren, hinaus, getreu dem Konzept einer “Gedächtnisgeschichte”, das wir dem Verfasser verdanken. Assmann bezieht, als Ägyptologe, verständlicherweise auch die ägyptischen Mysterien in seine Untersuchung ein, denen die Wiener Freimaurer ein großes, schon wissenschaftlich zu nennendes Interesse entgegenbrachten. Ohne dieses Interesse, oder auch diese “Faszination”, ist offensichtlich auch die Zauberflöte nicht zu verstehen, die, nach Assmann, das Projekt eines “Aufklärungsmysteriums” in die Tat umsetzt (289). Bei diesem Wort stockt man, wenn man sich daran gewöhnt hat, die Aufklärung als eine Ideenbewegung anzusehen, die von England ausging und im Frankreich der “Lumières”, für das Voltaire steht, ihre Fortsetzung oder Vollendung erfuhr. Natürlich weiß man, dass die Freimaurer sich einen guten Teil der Aufklärerideen zu Eigen gemacht hatten, dass ihnen die “Eintracht unter den Menschen” am Herzen lag, sie ein “aufgeklärtes Christentum” vertraten, die Konfessionsunterschiede relativierten und humanitäre Ziele verfolgten. Ich berufe mich hier auf den Abschnitt über die Freimaurer in Ulrich Im Hofs Buch Das gesellige Jahrhundert (München 1982, 163 ff.). Im Hof nennt die Freimaurerei sogar “eine Schule der Toleranz”, bezieht das aber im Wesentlichen auf deren Einebnung der Konfessionsunterschiede. Wenn in den englischen Logen, den ältesten der Freimaurer, Anglikaner, Dissidenten und Katholiken nebeneinander saßen, spricht das für die Richtigkeit seiner Beobachtung. Wenn allerdings auch Juden darin aufgenommen wurden, was nur selten vorkam, erhoben andere Freimaurer Protest. Und Frauen, das versteht sich, durften nirgendwo dazugehören. Am Feminismus der Aufklärung partizipierten die Freimaurer nicht. Dass die katholische Kirche schon 1738 ein erstes Verbot der Logen erließ, das 1751 erneuert wurde, spricht dann freilich wieder für eine gewisse Übereinstimmung der Logen mit den “Lumières”. Wir müssen das im Auge behalten, wenn wir nachher zu Voltaire übergehen. Vielleicht kann man die Freimaurerei als eine aufklärerische “Gegenkirche” bezeichnen, denn zumindest anfänglich spielen doch auch christliche Reminiszenzen darin eine große Rolle.
    (Seite 323 - 330)


    So, und jetzt einen schönen Sonntag! :hello:

    Zitat

    Überhaupt nicht! Du hast mich auch nicht vollständig zitiert - ich bezog mich ja auf Waltradas Aussage, die Zauberflöte funktioniere auch ohne Zauber. Das ist eben nicht der Fall, da die Oper direkt nach der UA als 'neue Maschinen oper von Hr. Schickaneder' gelobt wurde. Ob die Zauberflöte nun auch ohne Freimaurerwürze funktioniert, ist eine ganz andere Frage (die ich ebenfallsverneinen würde, womit ich Assmann ja zustimme).


    Ja, das war eindeutig ein Missverständnis! (Sorry!)


    Was die Würze betrifft: Ob Freimaurerhintergrund, ob Zauberinstrumente etc.: Ich finde auch, das alles gehört in die Oper. In diese Oper. Das alles macht vielleicht sogar diese spezielle Atmosphäre, den Reiz und auch die Lust auf immer neue Bühnen-Interpretationen der Zauberflöte aus.


    In Düssldorf läuft sie gerade: Schauplatz lediglich ein Bild: eine Bibliothek! Ich zitiere, nachdem ich mich (aus diesem einen Posting!) verabschiedet habe, aus dem Internet.
    Liebe Grüße vom


    Wandergeist :hello:


    Zitat

    „Die Zauberflöte“ in einer Bibliothek? Wie passt das zu Mozarts beliebtester Oper, die doch ein richtiges Märchen ist und von einem Prinzen handelt, der viele Fährnisse bestehen muss, um seine schöne Prinzessin Pamina zu gewinnen?
    Aber da sind auch die Königin der Nacht und der weise Sarastro und die gar nicht so eindeutige Frage, wer gut ist und wer böse. Wenn der Schmerz der Königin über den Raub der Tochter durch „einen bösen Dämon“ unecht sein soll, wie steht es dann um Sarastros Methode, mittels Gefangenschaft und strenger Bewachung seine männliche Überlegenheit zu demonstrieren? „Ein Mann muss eure Herzen leiten. Denn ohne ihn pflegt jedes Weib aus seinem Wirkungskreis zu schreiten.“ Spätestens hier entpuppt sich das einfache Märchen als komplexe Parabel, die nicht nur moralische Positionierungen hinterfragt, sondern das schwierige, weil komplementäre Gefüge von Gefühl und Verstand fassbar machen will.
    Nicht von ungefähr gilt „Die Zauberflöte“ als ein Höhepunkt der europäischen Aufklärung im 18. Jahrhundert, auch wenn – oder vielleicht gerade weil – sie zunächst von dem geschäftssinnigen Theaterdirektor eines Wiener Vorstadttheaters als publikumswirksames Bühnen und Maschinenspektakel erdacht worden war. Dass er sich dafür Mozart als musikalischen Partner auserkor, kann man als geschickten Schachzug werten. Vielleicht aber war es auch ein überaus kluges und weitsichtiges Kalkül, den schwierigen Emanzipationsprozess des Denkens und Urteilens mit der Magie eines phantasievollen Spiels zu umkleiden, in das die Musik einen ganzen Kosmos menschlicher Empfindungen hineinträgt.
    Auf diese Spur begibt sich Christof Loy, wenn er zusammen mit seinem Bühnenbildner Herbert Murauer „Die Zauberflöte“ in einer Bibliothek verortet. Für ihn ist sie der Fundort von Geschichten, ein magisches Kabinett, in dem aus papiernen Zeugnissen lebendige gestalten der Phantasie entstehen. Streng bebrillte Bibliothekarinnen verwandeln sich in drei kokette Damen, die einen schönen Jüngling keineswegs nur zum Lesen verführen wollen. Papageno flattert als wahrhaft seltsamer Vogel in diese Oase der Gelehrtheit hinein, bevor die mondäne Königin auch hier ihren unnachahmlichen Auftritt hat. Und Sarastro erscheint als ein Herr der Eingeweihten, die offenbar alles Bücherwissen in sich gespeichert haben und sich doch am Ende belehren lassen müssen, dass die Liebe das einzig probate Mittel ist, alle Feuer und Wasserproben des Lebens zu bestehen.

    Habe den Assmann-Artikel ("Märchen oder Mysterium") heute (Nachmittag) auch gelesen. Entspricht teilweise dem letzten Buchkapitel.


    Nun aber zu dem Zitat, das Ulli anführt:


    Zitat

    Ulli: Und noch ein schöner Satz wird von Assmann zitiert, das Original stammt von Jörg Krämer:


    Zitat

    Zitat: Es ging Schikaneder in seinem 'Patchwork' aus Versatzstücken aller Art nicht um literarische Stringenz oder Originalität, sondern primär um Theaterwirksamkeit für heterogene Publiken und Ansprüche (worauf schon Goethe mehrfach hinwies).


    Dazu Ullis Gedanken:

    Zitat

    Wie ich w.o. erwähnte, war Schikaneder bekannt für seine 'Maschinenopern', für neueste Technik und Effekte.


    Da muss ich nun doch Einspruch erheben, erlauchter Premium-User: Denn Assmann zitiert zwar Jörg Krämer, aber er fährt dann fort im Text:


    Zitat

    "Die Zauberflöte wäre dann..... Nun ist die Zauberflöte aber nicht nur das Werk Schikaneders, der im Kontext des Wiener Vorstadttheaters wie kein anderer zuhause war, sondern auch das Werk Mozarts .... Mozart kommt aus einem anderen geistigen Umfeld, das sich so klar in dieser Oper ausprägt, dass man Mozarts Anteil an der Gesamtkonzeption wesentlich höher einschätzen muss als bisher geschehen: der Wiener Freimaurerei. ..."


    Ist doch ein ganz anderer Sinn, der sich jetzt ergibt!


    Nochmals kurz zu den Logen. Du, Ulli, schreibst:


    Zitat

    Daher ging die "gekrönte Hoffnung" nicht aus der "Wohltätigkeit" hervor (zu entnehmen: Joseph Heinz Eibl: Wolfgang Amadeus Mozart - Chronik eines Lebens).


    Du belegst Deine Aussage also auch mit einem Buch. Wer sagt, dass das ein Beweis ist?
    Ich zitiere hier nur ganz kurz Assmann (in seinem Buch geht er ausführlich auf alle damaligen Logen ein, vgl. S. 149/150f.):


    Zitat

    "...Zur neugekrönten Hoffnung, ab 1788 Zur Gekrönten Hoffnung (aus den Logen Zum hl. Joseph, Zur Beständigkeit, Zur Wohltätigkeit). Ab 1790 machte sich die Loge Zum hl. Joseph selbständig.


    Wer mag nun Recht haben..... :hahahaha:


    Zitat

    Klappt nicht gibts nicht:


    Bist halt Premium-User... (bei mir gibt's nur das Symbol für "Zentrieren")


    C.H. :hello:

    Zitat

    Ja, die hatte ich schon weiter oben gegeben Augen rollen Ich zog andere Schikanedertexte heran, in denen ganz ähnliche oder gleiche Wortwahl verwendet wurde.


    Erinnerst Du Dich daran?


    Stimmt, vielen Dank! Ja, das mit dem künftigen (Schwieger)Sohn ist zumindest eine (von zwei) Möglichkeit(en).


    Zitat

    Zum Assmann finden sich zwei Aufsätze in MOZART - Experiment Aufklärung:


    DIE ZAUBERFLÖTE - Märchen oder Mysterium? (S. 761 ff.) PATHOSFORMELN, Figuren und Erinnerungsmotive in Mozarts Zauberflöte (S. 781 ff.)


    Diese werde ich zu mir nehmen und mich dann bei Zeiten rückmelden.


    Ersteren Aufsatz habe ich hier liegen, allerdings noch nicht gelesen - das Buch geht irgendwie leichter rein.
    Den Artikel mit den Pathosformeln werde ich mir auch noch anschauen.


    Und auf die Rückmeldung bin ich gespannt.


    Habe eben für die Schüler einige Sätze aus Assmanns Buch (letztes Kapitel) notiert, die sich zunächst auf die Gegensatzpaare beziehen; ist aber erst der Beginn des Kapitels. Ich gebe sie hier einfach, wenn auch nur stichpunktartig und mit vielen Auslassungen, zur Information wieder.


    WG :hello:



    Soziale Gegensätze und musikalische Idiome

    Die Handlung der Zauberflöte ist in einer ungewöhnlichen Weise von Gegensatzpaaren bestimmt: hoch und niedrig, männlich und weiblich, Aberglauben und Wahrheit, Unwissenheit und Weisheit, Profanität und Sakralität, Licht und Finsternis, Wildnis und Zivilisation, gut und böse, Mensch und Nichtmensch, schwarz und weiß und vieles andere.


    Zwei Gegensatzpaare sind:
    - hoch und niedrig (diese gehen eine vielfältige Allianz ein) sowie
    - Aberglauben und Wahrheit (stehen in einem unversöhnlichen Antagonismus)


    Hoch und niedrig: Tamino/Pamina und Papageno/Papagena.
    Die Parallelführung mit einem hohen und einem niedrigen Paar gehört zum Grundbestand der Bühnentradition (Oper wie Theater). Ungewöhnlich: die bedeutende (dominierende?) Rolle des Vertreters der niedrigen Ebene: Papageno hat mit drei Arien und zwei Duetten musikalisch den Löwenanteil gegenüber Tamino und Pamina mit je nur einer Arie. Das mag daran liegen, dass Schikaneder sich die Rolle des Papageno auf den Leib geschrieben hat, sowie auch an der Tradition des Wiener Vorstadttheaters.


    Allianz zwischen hoch und niedrig:
    - Papageno wird zum Diener und Reisebegleiter Taminos bestellt (sorgt für komische Kontraste)
    - Vereinigung Papagenos und Paminas im Duett „Bei Männern“ (menschlich Ebene, Schicksalsgemeinschaft, vgl. auch die beiden parallel gebauten Selbstmordszenen)
    - Papageno schlägt sich, obwohl ihm die höheren Weihen der Initiation versagt bleiben, auf die Seite Sarastros und der Eingeweihten


    Interessant der Seitenwechsel der beiden „niederen“ Figuren: Papageno (positive Figur) von der Seite des Aberglaubens auf die Seite der Wahrheit, Monostatos (negative Figur) von der Seite der „Wahrheit“ auf die Seite des Aberglaubens.


    Ganz anders die Situation einer unversöhnlich in Aberglauben und Weisheit gespaltenen Welt, dem Gegensatz zwischen den Sphären der Königin der Nacht und des Sarastro.
    Gerade im Kontext der historischen Situation, in der sich die sozialen Gegensätze in der Französischen Revolution explosiv entladen haben und die Gemüter in ganz Europa beschäftigen, sei darauf hingewiesen, dass diese Spaltung in der Zauberflöte nur den rein geistigen Charakter des Konflikts betrifft, und nicht den sozialen bzw. politischen.


    So wie der Gegensatz zwischen hoch und niedrig in der Tradition des Volks- und Vorstadttheaters als seinem sozialen und kulturellen Umfeld wurzelt, so gehört der Gegensatz Aberglaube-Wahrheit in das intellektuelle Umfeld der Wiener Freimaurerei, insbesondere der Illuminaten. Auch diese standen für brüderliche Gleichheit, die Aufhebung aller Standesunterschiede (Adel-Bürgertum), während sie den Gegensatz von Aufklärung und katholisch-kirchlichem Konservatismus dramatisch verschärften. Papageno, der Vertreter des niedrigen Volkes, steht beidem, Aufklärung wie klerikaler Reaktion, gleichermaßen fern (= „profanes“ Volk).


    (Leider klappt es an dieser Stelle nicht, den Handlungsaufbau mit den dominierenden Gegensatzpaaren als Schema darzustellen. Im Original sind es vier Pole, durch ein Kreuz miteinander verbunden.


    Hoch (Adel)
    Tamino, Pamina
    moderne, empfindsame Arien





    Aberglauben
    Königin der Nacht
    Koloraturarien im Stil der Opera seria
    (hochpathetisch, artifiziell)



    Rechts müsste jetzt stehen (klappt leider nicht):


    Wahrheit
    Sarastro
    “geistliche Lieder”
    sakraler Stil der Freimaurermusik)



    Niedrig (Volk) Papageno, Papagena
    Lieder im Volkston
    Monostatos
    (angedeutete) Janitscharenmusik
    buffoneske Motive


    Die Posaunen treten übrigens nur in der Musik der Priestersphäre auf, im „Gesang der Geharnischten“ kommt noch etwas „Fremdes“ hinzu: die strenge Form der fugierten Choralvariation.
    Die Verwendung verschiedener musikalischer Idiome ist für Mozarts Meisteropern charakteristisch, in der Zauberflöte aber besonders auffallend. Durch die Kunst, den Gegensatz zwischen hoch und niedrig auch im Medium musikalischer Idiome zum Ausdruck zu bringen, gelingt es Mozart, ein Kunstwerk zu schaffen, in dem die eingängigste „Volksmusik“ und die anspruchsvollste „Kunstmusik“ eine ganz einmalige, d. h. in gewisser Weise erstmalige und auch letztmalige Verbindung eingehen. An dieser Sternstunde der abendländischen Kulturgeschichte wird man auch dem Textdichter seinen Anteil zugestehen müssen, der als Schauspieler sowohl den Hanswurst als auch den Hamlet auf jeweils überragende Weise verkörperte und auf seiner Bühne Schiller und Lessing ebenso aufführte wie seine in hastiger Teamwork zusammengestoppelten Volksstücke und Märchenopern. Auch die sozialgeschichtliche Situation des Schikanederschen Vorstadttheaters, das ebenso vom Adel wie vom Volk besucht wurde, hat das ihre zu dieser einmaligen Vrbindung des Hohen und Niedrigen beigetragen. Die Zauberflöte bringt eine Handlung auf die Bühne und eine Musik zum Erklingen, in der sich das aristokratisch-bürgerlich-volkstümlich gemischte Publikum in seiner für diesen Abend und Anlass eingegangenen Gemeinschaft wiedererkennen konnte. Mozarts Genialität bei der musikalischen Anlage dieser Oper besteht nun darin, diesen Gegensatz zwischen dem Volkstümlichen und dem Kunst- und Anspruchsvollen durch ein weiteres kontrastierendes Paar musikalischer Ausdrucksstile zum Geviert zu erweitern.

    Zitat

    Zitat Wandergeist:
    Und das mit der Gleichsetzung Illuminaten-Freimaurer habe ich darzulegen versucht, indem ich gestern aus dem Buch des Ägyptologen zitierte. Aber darauf ging dann niemand ein – als ob da nichts gewesen wäre. Es geht einfach wieder weiter wie vorher...


    Zitat

    Antwort Ulli:
    Eins nach dem andern... wir sind ja hier nicht beim Schnellschreibwettbewerb.


    Kommt da noch was? :boese2: (Aber keine Eile!) :pfeif:



    Abgesehen davon, dass ich das Assmann-Buch über die Zauberflöte jedem empfehlen möchte, der sich mit dieser Oper bzw. diesem Singspiel beschäftigt: Allein die 40 Seiten des letzten Kapitels ("Achtes Kapitel: Ein Nachgespräch über Einheit und Vielheit in der Oper") sind sehr ergiebig.


    Nun noch mal zur Königin der Nacht. Diese wird vonPerl ja als Marienerscheinung interpretiert und in Verbindung mit der Kirche gesetzt. Wie bereits geschrieben, sind auch andere Verfasser der Meinung, dass die Königin zumindest den Aberglauben, den Kirchenglauben symbolisiert.
    Habe mir dazu noch zwei Gedanken gemacht:


    - Bei einer solchen Theophanie (Theaphanie gibt's leider nicht), also einer Gotteserscheinung, heißt es ja oft: "Fürchtet euch nicht!" oder "Fürchte dich nicht!" Auch hier sagt die Königin: "O zittre nicht!"


    - Doch nicht genug damit: Sie fährt fort: "... mein lieber Sohn".
    Das gibt mir zu denken: Gleich zu Beginn nennt sie ihn Sohn. Aus Sicht der Kirche - sollte sie diese symbolisieren - wäre das einleuchtend, oder als göttliche Mutter (bezogen auf die Gemeinde, also die Gläubigen, die "Kinder Gottes"). Hätte sie ansonsten nicht gesagt:"O zittre nicht, lieber Tamino" oder "... edler Prinz" ?


    Hat da jemand eine Antwort parat? :rolleyes:

    So, habe eben im Internet Köppen eingegeben und sogleich einen Artikel gefunden (Ludwig heißt er), in dem Köppen (und Perl :hahahaha:) erwähnt werden.


    Ich habe diesen Artikel nur ganz grob überflogen, aber ich kopiere ihn jetzt einfach mal hierher. Kann sich jede/r was raussuchen, wenn sie/er möchte.
    Ich weise lediglich darauf hin, dass ich nicht weiß, ob dieser Artikel meine Meinung wiedergibt. Das weiß ich erst, wenn ich ihn gelesen habe. :no::hahahaha:


    Zitat

    So berichtet z.B. Sophie Haibel geb. Weber: Wenn ihr [Constanzes, Anm. d. Schr.] Schmerz noch zu vermehren gewesen wäre, so müsste er dadurch vermehrt worden sein, daß den Tag auf die schauervolle Nacht die Menschen schaarenweise vorbeigingen und laut um ihn weinten und schrien. So unglaubwürdig ist der Bericht von Mozarts Schwägerin nun auch wieder nicht...


    Perl geht ja mehr auf die fehlenden Menschen bei der Beerdigung ein: Auf die scheinbaren Gründe, dass sie nicht kommen konnten, wegen schlechten Wetters, oder weil der Wagen zu schnell losgefahren sei.
    Und da gebe ich Perl Recht: Wenn er so viele Freunde, Logenbrüder, Verehrerinnen oder sonstige Fans hatte (die Neugierigen nicht zu vergessen), dann - ja, wo waren die dann? "Am Haus gingen sie scharenweise vorbei", zitierst Du Sophie Haibel. Aber wo waren sie auf der Beerdigung? Warum ging niemand mit ans Grab? Nicht mal am nächsten Tag, um nach dem Grab zu schauen?


    Erinnern wir uns daran, dass es weder Dir (hoffe ich) noch mir (weiß ich) ums Rechthaben geht, sondern wirklich um die Findung zumindest einer Annäherung an die Wahrheit. Die vielleicht schon in einem der Bücher steht...



    Noch mal zurück zur Königin der Nacht: Ich lese gerade bei Assmann (sorry, aber ich zitiere meist aus dem Buch, das ich gerade in Arbeit habe):


    Zitat

    Assmann: "Die Griechen haben Demeter der ägyptischen Isis gleichgesetzt, und das 18. Jahrhundert leitete die Eleusinischen Mysterien aus Ägypten her. Unverkennbar trägt die Königin der Nacht in diesen ersten Bildern isishafte Züge. Das eindeutigste ikonographische Merkmal der Isis, die Mondsichel der Himmelskönigin, Regina Coeli, als die Isis bei Apuleius erscheint und als die sie in der christlichen Maria weiterlebt, wird zwar im Textbuch nicht eigens erwähnt, doch taucht sie bereits in den frühesten Bühnenbildentwürfen auf. Bereits bei Joseph Quaglio (1793) erscheint die Königin auf der Mondsichel, auf der sie hier noch sitzt, aber schon bei Goethe in seinem Entwurf für die Weimarer Aufführung 1794 und dann vor allem bei Schinkel in seinem grandiosen Bühnenbildentwurf von 1816 wie Maria im Bildtypus der Virgo immaculata steht."


    Assmann kommt nun auf die negativen Aspekte der Königin zu sprechen, fährt dann fort:

    Zitat

    "Bei unserem möglichst unvoreingenommenen und allen Nuancen möglichst aufmerksam nachspürenden Gang durch die Oper sollen die Isis-Bezüge dieser Theophanie jedoch gebührend zur Geltung kommen, unbeschadet aller Wandlungen, denen diese Figur im weiteren unterworfen wird. Nicht, was und wie die Königin ist, soll uns hier interessieren, sondern wie sie gezeigt wird und uns erscheint."


    (Brigid Brophy, Mozart the Dramatist, hat S. 148-153 den Isis-Charakter der Königin glänzend herausgearbeitet).


    Das Angebot mit dem Köppen nehme ich gerne an, sollte ich des Buches nicht mehr fündig werden. (ist es der Carl Friedrich Köppen?)


    P.S. Die Vivaldi "concerti e cantate" (Kantaten RV 683/684) mit Sara Mingardo und Concerto Italiano habe ich mir inzwischen zugelegt... gehört aber eigentlich überhaupt nicht in diesen thread. :motz: :hahahaha:

    Zitat

    Diesmal scheints ja mit der eMail-Benachrichtigung prompt geklappt zu haben Augenzwinkern


    Wie Er, Premium-User, sicher weiß, ist scheinen wie glauben. Doch wo ist der Beweis?
    In der Tat ist das Gegenteil der Fall: Habe zwar extra in meinem Profil das Häkchen auf e-Mail-Benachrichtigung gesetzt, aber nichts tut sich. Also schaue ich, wenn auch unregelmäßig, immer wieder mal im Forum vorbei, und zwar auf die aktuellen Themen. Dass ich Seine werte Antwort las, lag einfach daran, dass ich gestern Abend ins Forum schaute. Es sollte wohl so sein... aber auch das ist keinesfalls ein Beweis. Oder sollte ich mit einer Verschwörungstheorie à la Perl kommen: dass man mich aus dem Verkehr äh Forum ziehen möchte? Theorie, aber keine Beweise...


    Zitat

    Wenn Du Dich als Perls (pothumen) Anwalt betrachtest, bitte sehr.


    Wie gesagt, ich würde nie alles unterschreiben, was Perl schreibt.


    Was Du zur Aufführung des Requiems sagst (Gedenktafel etc.), klingt glaubwürdig, und so was nehme ich dann auch dankbar an.


    Zitat

    Zudem ist auch das ganze Buch von dieser fraglichen Marienerscheinung durchwoben.


    Na ja, "das ganze Buch" ist etwas übertrieben. Dennoch wäre zu prüfen, ob es stimmt, dass es Madonnen gibt, die damals als "Sternflammende Königin" bezeichnet wurden.
    Die Theorie mit der Kirche (Königin der Nacht= Aberglauben) dagegen findet sich in vielen Büchern, auch für Assmann ist sie eindeutig.
    Und das mit der Gleichsetzung Illuminaten-Freimaurer habe ich darzulegen versucht, indem ich gestern aus dem Buch des Ägyptologen zitierte. Aber darauf ging dann niemand ein – als ob da nichts gewesen wäre. Es geht einfach wieder weiter wie vorher... So was verstehe ich halt nicht.



    Was Dein Fazit betrifft: Ich war deshalb enttäuscht, weil Du zwar kritische Punkte monierst, aber auf vieles andere nicht eingegangen bist. Gerade das Fehlen der Menschen(menge) bei der Beerdigung: Da geht Perl doch interessante Gedankenwege.
    Und was die Beweise angeht: Es ist auch in der heutigen Zeit so, dass Beweise vernichtet werden können, wenn jemand etwas vertuschen möchte. Und wenn das Ganze dann noch über 200 Jahre her ist, gestaltet sich das alles noch problematischer. Ich spreche jetzt nicht für Perl, aber dafür, dass nicht vorhandene Beweise nicht unbedingt etwas gegen eine Theorie aussagen müssen. Vor allem, wenn es nicht um etwas Wissenschaftliches geht, sondern um das Leben (oder den Tod). Warum dann immer wieder auf Beweisen bestehen?


    Zitat

    Sicher fordere ich Beweise, habe aber selbst wohl kaum irgendwelche nicht bewiesenen Theorien gegengehalten, sondern Fakten. Daß ich auf Köppens Werk hiweise, sollte weder ein Gegenbeweis sein noch eine Anerkennung meinerseits dessen Theorie... sie ist äußerst glaubwürdig dargestellt. Ich glaube sie dennoch nicht, da es auch ihr an Beweisen mangelt.


    Also gut, Du verweist immer wieder auf andere Theorien, die Du aber selbst nicht glaubst.


    Zitat

    Damit hast Du Dein Versprechen, lieber Neuling, mir nicht mehr falsche Worte in den Mund zu legen, nicht eingelöst.


    Verstehe ich jetzt nicht. Inwiefern denn? Und: Meinst Du wirklich, so einer bin ich? Kenne ich mich denn so schlecht?! :pfeif:
    Was den Köppen betrifft: Teil mir mit, wo seine Theorie steht. Interessiert mich natürlich schon!


    Zitat

    Waltrada schrieb: Es tut mir leid, wenn du das als verletzend empfunden hast, aber ich kenne Assmann wirklich nicht und ich habe leider auch im Moment nicht die Zeit rund um die Uhr hier zu posten, zudem ich mir nicht ganz sicher war, ob meine Überlegungen wirklich in diesen Thread gehören oder doch in einen anderen Thread. smile


    Ja, vielen Dank für den Trost. :lips: Und das mit dem Posten kann ich nur zu gut nachempfinden!! :yes:


    Grüße, C. H. :hello:


    P.S: Ich glaubte auch, hier nicht mehr zu schreiben. Und jetzt habe ich den Beweis... wenn auch den gegenteiligen. :kotz: :hahahaha:

    Gibt es sinnlose Threads?


    Am 10.09.2009 eröffnete ich diesen Thread.
    Die erste Antwort von Ulli begann vielversprechend:


    Zitat

    Da hat sich ja doch noch jemand besonnen und eine interessante und Spannung versprechende Diskussion angeschlagen...


    Im nächsten Satz dann aber bereits die rigorose Einschränkung:


    Zitat

    Ich glaube, das meiste dieser an sich interessanten Behauptungen kann relativ einfach widerlegt werden, zumal jene in keiner Weise bewiesen sind oder werden können.


    Ich weiß nicht, wo da noch Platz für eine vielversprechende Diskussion sein sollte.


    Dann erklärte sich dieser Premium-User bereit, sich mit dem Buch zu befassen. Kurz darauf, am 16.09.:


    Zitat

    Was mir als erstes unangenehm auffällt, ist, daß Helmut Perl Freimaurer und Illuminaten ohne Rücksicht auf Verluste über einen Kamm schert (...) Die Freimaurerei und der Illuminatenorden haben prinzipiell erst einmal nichts miteinander zu tun. (...) Die Freiheit Perls, das alles über einen Kamm zu scheren, stinkt mir schon mal gewaltig. Auch hat er hier wohl wenig recherchiert, damit sein 'Konzept' aufgeht.


    Hierzu werde ich mich am Schluss dieses Postings äußern.


    Am 20.09. schaltet sich Waltrada ein.


    Zitat

    Der Sonnenkreis ist eindeutig ein Machtsymbol, die Feuer- und Wasserprobe werden nicht konkret vorgegeben, entscheidend ist, dass also, dass Pamina und Tamino sie gemeinsam bestehen. Glockenspiel udn Zauberflöte sorgen für Wirkung, aber der Handlungsablauf selbst könnte auch ohne sie stattfinden: Musik, die Tiere beruhigt und Verfolger irritiert ... dazu werden eigentlich keine besonderen Instrumente benötigt. Und Papagena könnte auch ohne Glockenspiel auftreten ...


    Was sie über die Instrumente schreibt, finde ich beachtenswert. Aus diesem Grunde poste ich ihr am gleichen eine Reihe interessanter Aspekte und Gedanken zu diesem Thema von Assmann.


    Waltradas Antwort am gleichen Tag:

    Zitat

    Da ich Assmann nicht kenne, möchte ich mich nicht dazu äußern.


    War das wirklich Waltradas Antwort? In meinen Ohren sehr ernüchternd. Und: Muss man jemanden kennen (was bedeutet das überhaupt?), um sich zu seinen Gedanken zu äußern?
    Für mich war nun klar, dass ich mich aus diesem Forum verabschiede.



    Nun, über eine Woche nach dem letzten Posting von Ulli – der Thread war scheinbar schon abgeschlossen – ein neues Posting von ihm. Gleich zu Beginn in altbewährter Manier:


    Zitat

    Ich kürze die Angelegenheit ein wenig ab.


    Ulli fordert zwar immer wieder „Beweise“, zitiert selbst aber immer wieder Theorien aus Büchern oder wikipedia und verweist auf "Theorien", vgl. z. B. am 11.09.:


    Zitat

    Dazu gibt es eine faszinisrende und äußerst glaubwürdige Theorie von Köppen



    Nun wieder zum 29.09.:


    Zitat

    Mal abgesehen davon komponierte Mozart ein Requiem und ein Ave Verum kurz vor seinem Tod. Das Requiem wurde zum Teil am 10. Dezember 1791 in der Michaelerkirche (in Wien) im Rahmen der Exequien aufgeführt - Perl bestreitet aber, daß eine Totenfeier zu Ehren Mozarts in Wien stattgefunden habe...


    Requiem und Ave verum: Was Perl nicht bestreitet. Allerdings, und darauf lege ich jetzt gesteigerten Wert (!!): Wo steht das geschrieben, dass am 10. Dezember 1791 in Wien das Requiem aufgeführt wurde? (Perl zitiert an dieser Stelle übrigens Nissen)


    Zitat

    Fazit: Unbestritten bleibt der Anteil freimaurerischer Elemente in Wort, Bild und Ton in der Zauberflöte. Perls Theorie eignet sich bestens für einen doppelschichtigen Roman à la Illuminati: Hinter dem Schaubild der Realität bewegt sich ein Nebel aus Kriminalität dem Staate und der Kirche gegenüber, welche dagegen vehement angehen... sicher sehr spannend!


    Auch von mir noch ein Fazit: Wenn diese letzten von Ulli zitierten Sätze tatsächlich das Fazit des ganzen Buches sind – ein Buch, in dem der Verfasser vielen Quellen nachgeht, vieles recherchiert, Berichte zitiert u. v. m., natürlich sich auch zu manchen Theorien versteigt (das ist doch auch mal interessant!), – dann finde ich das doch etwas armselig.


    Nochmal Premium-User Ulli:

    Zitat

    Meine Meinung bleibt indes die gleiche: Perl streift Freimaurer und Illuminati über einen Kamm und das ist nicht korrekt.


    Dazu ein kleiner (!) Ausschnitt des Ägyptologen J. Assmann (S. 151/152; die erläuternden Fußnoten lasse ich hier weg) über die Freimaurer:


    "Zwar waren alle Wiener Logen in ihrer Grundstruktur „Johannislogen“ und kannten nur die drei Grade Lehrling, Geselle und Meister. Im Rahmen der 1784 gegründeten Großloge von Österreich waren die sogenannten Hochgradsysteme genehmigungspflichtig. Das hieß aber nicht, dass es nicht im geheimen durchaus weitere Grade gab. Diese hingen mit den drei auf der Grundstruktur der Johannisloge aufbauenden Richtungen zusammen:
    - „Illuminaten“
    - „Gold- und Rosenkreuzer“ und
    - „Asiatische Brüder“.
    Die Illuminaten vertraten den Standpunkt einer radikalen Aufklärung im Sinne von Rationalismus und Deismus, die Gold- und Rosenkreuzer praktizierten eine spirituell überhöhte Alchemie auf dem Boden eines weitgefassten Katholizismus, und die Asiatischen Brüder standen den magisch-mystischen Traditionen der Kabbala nahe. Der gemeinsame Nenner aller dieser Gruppierungen ist in formaler Hinsicht die Organisation als Freimaurer und in inhaltlicher Hinsicht eine im weitesten Sinne neuplatonische Ausrichtung. Den Illuminaten galten die Rosenkreuzer und Asiatischen Brüder als „Schwärmer“, den anderen Freimaurern galten die Illuminaten als politisch und religiös verdächtig. (...) Ignaz von Born, Otto von Gemmingen und viele namhafte Mitglieder beider Logen waren Illuminaten. (...)"