Hallo Anti, Hallo Alfred,
ich meide Bayreuth schon seit jahren wie der Teufel das Weihwasser, aber eigentlich nicht wegen der Inszenierungen - meine Güte, da hätte ich wohl auch nicht nach Stuttgart fahren dürfen, und manches ist ja auch durchaus schlüssig, was so manchem Regisseur einfällt (aber müssen denn deswegen die Bühnenbilder durch die Bank immer so hässlich sein ?). Was mich seit jahren ärgert, sind die ungenügenden Sängerleistungen, die da angeboten werden (ganz wenige Ausnahmen sollen sich bitte nicht angesprochen fühlen). So auch heute Abend beim Hasifal - ganz kann ich es wohl nie lassen, im Radio lasse ich es mir nie entgehen, obwohl ich mich regelmäßig ärgere. Was hörten wir also da ? Einen Husch-husch-aber-oho-Parsifal, alles geschniegelt und poliert, wie man es nun mal von Boulez gewohnt ist, zügige Tempi, an manchen Stellen verhudelt, sehr oft im Gegensatz zu den letzten Jahren erholsam wenig Zelebriertes, kurz und gut: das Orchester riss mich zwar nicht von Stuhl, aber es war durchaus befriedigend (ich möchte gar nicht wissen, was Boulez mit den Wienern in puncto Wagner alles leisten könnte - *seufz !!).
Doch leider sind auch Wagners Opern nicht nur fürs Orchester geschrieben, sondern auch für Sänger. Nun hat man eine angeblich ja so vielversprechende Kundry über den Atlantik geholt. Was nun den Ausdruck, die Phrasierung, das Singen des Textes betrifft, so gehört sie zu der Sorte amerikanischer Sängerinnen, denen man zutraut, Bayreuth mit Beirut zu verwechseln (in der amerikanischen Aussprache nicht unähnlich), man hatte also schon mal Grund zur Freude, dass sie überhaupt den Weg ins Festspielhaus gefunden hat. Das Timbre finde ich ansprechend, sie tremoliert für eine junge Sängerin der heutigen Tage erstaunlich wenig. Im zweiten Aufzug verhaut sie dann allerdings so ziemlich alles, was eine Kundry da nur verhauen kann. Gut, vielleicht war es auch die Nervosität, ich erinnere mich da an eine gewisse Frau Vergara, die bei Maazel in der Witz-Aida die Amneris machte und vollständig vernervte, obwohl sie an anderer Stelle, in Verona z.B., durchaus beweisen konnte, dass sie Herrin der Partie ist. Also wollen wir nicht allzu streng sein. Was Wottrich betrifft, so hat Antracis schon so ziemlich alles gesagt: bestenfalls als Comprimario auf einer Provinzbühne kann der Knabe punkten, sonst nirgends. Ein wahres Ärgernis. Robert Holl verströmte, wie in Wien, wohlklingende Langeweile - wie kann's das geben, dass ein Sänger, der im Konzerthaus aus jedem Lied eine kleine Oper zu formen vermag, auf der Opernbühne so blass bleibt ? Das ist mir unverständlich. Über Herrn Buhrmesters Amfortas getraue ich mir kein Urteil abzugeben, so sehr stehe ich noch unter dem Eindruck von Thomas Quasthoff hier in Wien. Es wäre einfach unfair, dieses Ausnahme-Erlebnis mit einem 'gewöhnlichen' Amfortas vergleichen zu wollen, und da kann ich im Moment nicht objektiv bleiben. Kurz und gut: als bester Sänger des Abends blieb mir der Titurel im Gedächtnis (Kwangchul Youn), und das ist für einen ganzen Parsifal eindeutig zu wenig.
Im übrigen habe ich den Eindruck, dass bereits viele der ehemals eingeschworenen Bayreuthianer das Terrain fluchtartig verlassen haben: wie könnte es sonst geschehen, dass gut eine halbe Minute nach dem ersten Aufzug geklatscht wurde, ohne dass die Nichtwisser von den Fanatikern niedergezischt wurden ?
Jedenfalls war ich froh, nicht den Parsifal, sondern den Jordi Savall in Ö1 aufgenommen zu haben.
Ich wünsch Euch allen eine gute Nacht !!
Martin