Beiträge von sune_manninen

    Der Ruf der Hamburgischen Staatsoper während der Intendanz Rolf Liebermanns ergab sich u.a. daraus, daß dieser regelmäßig seine Komponistenkollegen mit Aufträgen bedachte. Eine der Uraufführungen in den 60er Jahren war Ernst Kreneks "Der goldene Bock", ein Stück von offensichtlich eher mäßiger Qualität, denn es wurde (wenn überhaupt) kaum nachgespielt.


    Das Publikum reagierte während der Uraufführung mit Zwischenrufen auf manche Textstellen. So gab es bei der Stelle "So herrlich schmeckt Fisch ohne Schiß" höhnisches Gelächter, und als Toni Blankenheim als Indianerhäuptling vor seinem Zelt saß, gab es zu seinen Worten "Ich sitze hier und warte, daß es besser wird" den Zuruf "Wir auch!".


    Ein anderes von diversen Beispielen. Der Choreograph Georges Balanchine wurde von Liebermann zwei Mal als Regisseur von russischen Opern eingesetzt. Den Onegin habe ich in guter Erinnerung, aber sein Versuch, Ruslan und Ludmilla zum Leben zu erwecken, war schon in den 60er Jahren altmodisch. Balanchine jedenfalls zeigte sich beim Schlußbeifall nicht vor dem Vorhang, worauf ein Teil des Stammpublikums mit Sprechchören nach ihm rief, um ihn dann, als er sich endlich zeigte (vielleicht in Erwartung von Ovationen, schließlich hatte man ja ausdrücklich nach ihm gerufen) - auszubuhen.


    Harte Kämpfe gab es um den Heldentenor Hans Beirer, von einer Gruppe heiß geliebt, von einer anderen ebenso heiß angefeindet. Als Beirer in einer Siegfried-Vorstellung während des Waldwebens sang "Ich habe weder Brüder noch Schwestern" (heißt es so?), kam der Zwischenruf "Das wäre ja noch schöner!".

    Vergangenes Wochenende spielte Markus Schirmer mit den Wiener Philharmonikern unter der Leitung Valery Gergievs Mozarts Klavierkonzert KV 466. Falls es ein Forumsmitglied gibt, das eines dieser Konzerte besuchte, würde mich dessen Meinung sehr interessieren, zum Gesamteindruck, aber auch zum Zusammenspiel Schirmer / Gergiev.


    Besten Dank im voraus


    Sune

    Hallo Herbert!


    Wenn Du Tannhäuser, Simone Boccanegra und Cavalleria rusticana erwähnst, sind diese Aufnahmen bzw. Rollen nicht repräsentativ für Astrid Varnay, wohl aber die Walküren-Brünnhilde.
    Ich kann verstehen, wenn man den Ruhm eines Sängers auf dem Wege nur über CDs nicht nachvollziehen kann. Bei z.B. Hans Hotter oder Theo Adam, die mir beide unvergeßliche Erlebnisse gebracht haben, geht es vielen ähnlich. Häufig kommt es jedoch auch darauf an, auf Grund welcher Aufnahmen man sich einen Eindruck gebildet hat.


    Schöne Grüße


    Sune

    Zitat

    Original von Herbert Henn
    kann mir Jemand sagen,warum A.Varnay berühmt ist,
    ich konnte es nicht ergründen.


    Hallo Herbert!


    Astrid Varnay ist/war m.E. eine Sängerpersönlichkeit, die sich nur über das rein Akustische schlechter erschließt, als wenn man sie auf der Bühne erlebt hat. Für ehemaligen WDR-Tontechniker mit besonders feinen Ohren sind die Eigentümlichkeiten (meinetwegen auch technischen Mängel) ihrer Stimme vielleicht schwerer zu ertragen als für Otto Normalverbraucher wie mich.


    Bevor ich Astrid Varnay Anfang der 60er Jahre erstmals auf der Bühne sah (Du merkst vielleicht, ich vermeide das Wort "hörte"), war mir ihr Name natürlich ein Begriff. An ihre Ortrud 1960 in Bayreuth habe ich nur wenig Erinnerung, aber ein Hamburger Ring 1961 mit ihr und Hotter wird mir ewig in Erinnerung bleiben. Hier standen (wie es heute m.E. so selten ist) zwei Persönlichkeiten auf der Bühne, deren Spiel und stimmliche Darstellung mich in den Bann zogen.


    1962 war das Varnay-Erlebnis noch intensiver. Astrid Varnay sprang in Bayreuth nach den Premieren für Irene Dalis als Ortrud und Kundry ein, und es sind besonders zwei Momente, die mir unvergeßlich bleiben : ihr höhnisches (nicht in der Partitur vorgesehenes) Lachen als Ortrud nach "Gott!" und als Kundry ihr "Schlafen will ich" im 1. Aufzug.


    Das letzte eindrückliche Erlebnis hatte ich Anfang der 90er Jahre, als Johannes Schaaf in München einen Boris Godunow inszenierte, in dem Astrid Varnay in der kleinen Rolle als Amme die (zumindest meine) Augen mehr auf sich lenkte als der Boris-Sänger.


    Um es auf den Punkt zu bringen : Astrid Varnay hat zwar vornehmlich Sopran-Partien gesungen, aber ich hielt sie eigentlich meistens für einen (vom Timbre her gesehen) Mezzosopran mit einer (aufgesetzten) Sopran-Höhe, die häufig messerscharf klang. Deshalb meine Einschränkung in der Beurteilung der stimmlichen Leistung (aber dieses Los teilt sie auch mit Martha Mödl!). Ihren Rang im Sänger-Olymp hat Astrid Varnay wegen ihrer Darstellungskunst, und damit schließe ich die Stimmgestaltung mit ein. Wer sich ein bißchen ein Gefühl dafür erhalten hat, was ein Sänger über das reine Absolvieren von Tönen hinaus leistet, kann m.E. an der Bedeutung Astrid Varnays nicht vorübergehen.


    Ihre Abende als Brünnhilde, Isolde, Kundry, Ortrud, Klytämnestra und Boris-Amme gehören zum Beeindruckendsten, was ich in nunmehr fast 50 Jahren an Opernbesuchen erleben durfte.


    Das meint


    Sune

    Man sollte nicht so voreilig sein!


    Philips veröffentlichte die Track-Liste der Aufnahme :


    CD1
    1-4 Symphony No.1 (Classical) Op.25
    5-8 Symphony No.4 (revised version) Op.112


    CD2
    1-2 Symphony No.2 Op.40
    3-6 Symphony No.3 Op.44


    CD3
    1-4 Symphony No.4 (original version) Op.47
    5-8 Symphony No.5 Op.100


    CD4
    1-3 Symphony No.6 Op.111
    4-7 Symphony No.7 Op.131



    Also - alles in bester Butter! Erscheinungsdatum : angeblich 9. Mai 2006.


    Sune

    Über die gepante Veröffentlichung der Prokofiev-Sinfonien mit Gergiev und dem LSO las ich gerade :


    "Sadly neither the Second or the Third is to be included in the LSO's impending CD issues of the concerts; apparently only those symphonies played twice in the series pass the engineers' strict criteria. Fewer regrets might be voiced that both versions of the Fourth have been barred from recorded status for the same reasons."


    Schade; dabei wären gerade diese Sinfonien so wichtig gewesen.


    Sune

    Ich glaube, mich erinnern zu können, daß Mario Sereni auch in seiner Glanzzeit als B-Sänger galt, trotz seiner Engagements an den großen Openhäusern. In einer Zeit, in der - zumindest nach meiner Meinung - im Verdi-Baritonfach eine Flaute vorherrscht, wäre man vielleicht froh, heute diesen "B-Sänger" erleben zu können.


    Das letzte Mal, das ich Mario Sereni hören konnte, war allerdings eher traurig. 1987 sang Luciano Pavarotti an der Hamburgischen Staatsoper in La Bohème, und die Besetzung war eindeutig von ihm bzw. von der Agentur seiner (damaligen) Frau Adua bestimmt : Anfänger oder Aufhörer. Als Marcello war Mario Sereni (geb. 1928!) angesetzt, doch Pavarotti schien mit der Leistung seines Kollegen nicht zufrieden gewesen sein und ließ ihn nach den Proben durch einen anderen Veteranen, durch Rolando Panerai, ersetzen. Vom ehemaligen Glanz in Serenis Stimme war nicht mehr viel übrig geblieben. Schade!


    Sune

    Nach Konsultation meiner Datenbank mit den Besetzungen von insgesamt 43 besuchten Meistersinger-Aufführungen lassen sich tatsächlich zwei Beckmesser-Typen herausschälen : einmal die Witzfigur á la Toni Blankenheim (Hamburg) oder Dönch (Berlin) - Schmitt-Walter würde ich übrigens nicht dazu zählen; das wäre bei Wieland Wagner unmöglich gewesen - und den Antitypus verschiedenster Prägung von Carlos Alexander (Bayreuth) bis hin zu Hermann Prey (ebendort).


    Im Jahr 1982 besuchte ich innerhalb weniger Wochen drei Meistersinger-Premieren in norddeutschen Opernhäusern : in Kiel, Hannover und Bremen. In Kiel (Regie Werner Saladin) gab es ein interessantes Porträt durch Richard Salter : ein den Handwerkern rein intellektuell überlegener Beckmesser, der die übrigen Meister seine Überlegenheit ständig spüren läßt. In dieselbe Richtung zielt auch Günter Leib (Ost-Berlin), zu sehen in einer vor noch gar nicht langer Zeit zu sehenden TV-Aufzeichnung aus der Berliner Staatsoper.


    Ich muß gestehen : Seit bei Toni Blankenheim alles darauf wartete, wie er sich im 3. Akt auf den Hammer setzen würde, kann ich mich am "Narrenkaspar" nicht erwärmen. Im Beckmesser steckt mehr als ein Trottel.


    Das meint


    Sune

    Hiermit möchte ich auf einen Parsifal in einer interessanten Besetzungskonstellation hinweisen, der von dem italienischen Sender RAI Tre (zu empfangen über Satelliten-Receiver oder Internet) Ostersonntag und -montag jeweils von 0.00 bis ca. 2.00 Uhr gesendet wird. Es handelt sich hierbei um den Mitschnitt einer konzertanten Aufführung aus Rom unter der Leitung von Wolfgang Sawallisch, von dem m.W. keine Parsifal-Interpretation auf Tonträgern vorliegt. Der Sender gibt das Jahr 1970 an, doch dabei handelt es sich mE. um das Datum der Erstübertragung.


    Die Besetzung ist zum Zungeschnalzen : Theo Adam als Amfortas, Kurt Moll als Titurel, Franz Crass als Gurnemanz, die auf Tonträgern eher unterrepräsentierte Ursula Schröder-Feinen als Kundry. Der Parsifal dagegen dürfte den meisten weniger geläufig ein : der Finne Timo Mustakallio, der sich außerhalb seiner Heimat Timo Callio nannte.


    Sune

    Zitat

    Original von Theophilus
    Und Birgit Nilsson als Elsa? Kennst du davon ein Tondokument? Sie hat diese Rolle nicht lange im Repertoire gehabt, und ich kenne sie darin nicht.


    1954, im 2. Jahr des (ersten) Wolfgang-Wagner-Lohengrins bei den Bayreuther Festspielen, war Birgit Nilsson die Elsa. Davon gibt es ein Tondokument (Dirigent war Eugen Jochum).


    Bei einer dieser Aufführungen gab es krankheitsbedingt eine interessante Besetzungskonstellation. Ludwig Weber, der König Heinrich, war erkrankt und wurde durch Theo Adam, einen der vier brabantischen Edlen, ersetzt. Dessen Rolle wurde von keinem Geringeren als Franz Crass übernommen, der in diesem Jahr im Bayreuther Festspielchor sang und so zu seinem ersten Solo-Auftritt kam. 5 Jahre später sang er dann den Holländer in Bayreuth!


    Apropos Bayreuther Festspielchor. Es wäre einmal interessant zu untersuchen, welche ehemaligen Mitglieder dieses Elitechors eine bedeutende Solo-Karriere gemacht haben. Dasselbe gilt übrigens auch für den Chor der Opernfestspiele von Savonlinna, in dem (fast) alle finnischen Stars sangen, angefangen von Salminen bis hin zu Uusitalo.


    Frohe Ostern!


    Sune

    Hallo,


    einige Anmerkungen : Catherine Rückwardt ist eine der Töchter der Sopranistin Judith Beckmann, die lange Zeit in Hamburg gesungen hat. Die Estin Anu Tali wird in diesem Sommer die "Carmen"-Premiere beim Opernfestival in Savonlinna leiten!


    Ich denke gerne daran zurück, wie Hamburgs IntendantRolf Liebermann, nie um einen Publicity-Gag verlegen, erstmalig eine Dirigentin ans Pult der Staatsoper ließ (die Schweizerin Marie-Jeanne Dufour mit "La Traviata") und der Chor langsam, aber sicher die Nähe der Rampe suchte, um diese Exotin zu bewundern.


    Aus finnischer Sicht möchte ich noch einen weiteren Namen beisteuern : Susanna Mälkki, die meines Wissens auch schon in Deutschland dirigiert hat.


    Sune

    Zitat

    Original von Edwin Baumgartner
    Den Memoiren ist nur bedingt zu trauen, zumal die Anti-Mrawinskij-Aussage aus einem späten Kapitel stammt, bei dem Wolkow keine Gegenzeichnung seitens Schostakowitschs mehr vorlegen kann. Außerdem: Schostakowitsch selbst nennt keinen Namen; ich halte es für möglich, dass Wolkow Mrawinskij identifiziert, weil er ihn identifizieren will.


    Zu diesem Schluß würde auch ich kommen, denn es gibt Aussagen sowohl von DSchs Witwe Irina als auch von seinem Sohn Maxim, die sich von Volkovs "Memoiren" distanzieren und meinen, es sei mehr ein Buch über als von DSch.


    Nach allem, was ich mir über diesen Komponisten angelesen habe, kann ich mir nicht vorstellen, daß er gegenüber einem ihm relativ wenig Vertrauten mit einer derartigen Offenheit (auch, was Namen angeht) gesprochen hat. Über DSchs Vorsicht im Umgang mit allem, was für ihn eine Gefahr bedeutet hätte, gibt ein interessantes Buch Aufschluß :


    Dmitri Schostakowitsch : Chaos statt Musik / Briefe an einen Freund. Herausgegeben und kommentiert von Isaak Dawydowitsch Glikman.


    Sehr empfehlenswert!!!


    Sune

    Hallo sagitt!


    Danke für die Blumen!


    Tom Krause hatte anfangs einen Vertrag mit Decca und nahm abgesehen vom Kurwenal zunächst einige kleinere Partien auf, so den 1. Nazarener in Soltis "Salome" (ein Kritiker bedauerte, daß nicht er, sondern Eberhard Wächter den Jochanaan sang), Silvano in Soltis "Ballo" und Montano in Karajans zweitem "Otello".


    Im "Otello" gibt es eine pikante Besetzungskonstellation. Als Herold ist ein gewisser Libero Arbace (derselbe, mit dem einer der beiden Verschwörerer in Soltis "Ballo" besetzt ist) angegeben, doch wenn man genau hinhört, ist es Tom Krause, der diese Partie singt.
    Die Wiener werden besser als ich wissen, daß Libero Arbace Wirt eines Restaurant in Wien war ("Grotta azzurra") und offenbar Tom Krause für diese Aufnahme seinen Namen lieh. Mich würde nun also interessieren, wer sich beim "Ballo" hinter diesem Namen verbirgt. Weiß jemand aus dem Wiener Umfeld Bescheid?


    Den von mir konstatierten Technikwechsel vom (fast) Helden- zum eher lyrischen Bariton kann man übrigens genau auf der von Kertész dirigierten "Pasquale"-Einspielung aus dem Jahre 1964 hören.


    In dieser Zeit entstand auch eine Aufnahme, die meines Wissens vor nicht langer Zeit auf CD wieder veröffentlicht wurde. Ihr Titel "Tom Krause - The Heroic Baritone", doch das war er trotz Holländers und Fürst Igors, die er hier sang, schon nicht mehr.


    Eine ganz großartige Partie von Tom Krause war der Orest, doch leider spiegelt die Solti-Aufnahme nur wenig von diesem Eindruck wider; zu sehr läßt die Aufnahmetechnik die Stimmen (auch die der Nilsson) im Orchesterrausch "einbetten".


    Somit spiele ich den Ball wieder nach Bremen zurück!


    Viele Grüße aus dem mit -9° "normal" kalten Mikkeli


    Sune

    Zitat

    Original von sagitt
    Sagitt meint:
    Vielleicht kann uns Sune von Live-Erlebnissen berichten ?


    Das kann er.


    Mein erstes Live-Erlebnis mit Tom Krause war am 6. Dezember 1961 in der Hamburger Musikhalle. Im ersten Teil des Konzerts gab es Rolf Liebermanns Streitlied zwischen Leben und Tod; Solisten sollten u.a. Christa Ludwig und Walter Berry sein, doch beide sagten ab, und für Berry sprang der damals 27jährige Tom Krause ein, von dem ich bis dato nur wußte, daß er in einem deutsch gesungenen "Carmen"-Querschnitt (mit Sonja Draksler und Waldemar Kmentt) der Escamillo war und in Soltis "Tristan" als Kurwenal mitwirkte.


    Der Eindruck, den Tom Krause hinterließ, war umwerfend : ein groß gewachsener junger Mann mit einem ungewöhnlich dunkel timbrierten dramatischen Baßbariton, fast ein Heldenbariton (Kritiker verglichen ihm damals mit George London; ein Vergleich, den ich heute nicht mehr nachvollziehen kann).


    Wer sich einen Eindruck von Tom Krause in dieser Phase verschaffen will, sollte zum o.g. "Tristan" greifen, zum "Fidelio" unter Maazel (Pizarro), zu seinem ersten Lieder-Recital : Sibelius- und Strauss-Lieder mit Pentti Koskimies am Klavier oder zu seinem Heerufer in Sawallischs Bayreuther "Lohengrin" von 1962.


    Dieses Einspringen sollte für Krause entscheidende Bedeutung haben, denn Rolf Liebermann verpflichtete ihn von der damaligen Städtischen Oper Berlin an die Hamburgische Staatsoper, wo er bis Liebermanns Weggang nach Paris (Krause folgte ihm) von Händels "Jephta", über Rossinis "Liebesprobe" und "Türke in Italien", über Mozart (Guglielmo, Giovanni, Figaro-Graf, Sprecher), über Strauss (Orest), Wagner (Wolfram, Heerrufer, Donner, Nachtwächter) bis hin zur Moderne (Kreneks "Der goldene Bock", Searle's "Hamlet u.a.) alles sang, was ein Ensemblemitglied zu tun bekam.


    Etwa 1964 begann mit der Wiederaufnahme von Rennerts "Don Giovanni" die zweite Phase in Krauses Karriere. Bis dahin war er nach seinem Studium in Helsinki und Wien von einer Gesangslehrerin in Berlin betreut worden, die (nach seinen Worten) "Heldensöhne" produzieren wollte, seine Stimme also in eine dramatische Tonproduktion presste, mit der Krause (wiederum nach seinen Worten) nicht lange hätte singen können. Er ging dann in Hamburg zu Sergio Nazor, dem Lehrer Arturo Sergis, und stellte seine Technik total um : heller, aufgelichteter, leichter, ohne das (für mich so interessante) dramatische Fundament. Für Krause, der schon bei Festspielen in Bayreuth (1962 Heerrufer) und Glyndebourne (1963 "Capriccio"-Graf) mitgewirkt hatte, begann spätestens 1968 der internationale Durchbruch (ein Jahr zuvor hatte er mit dem "Figaro"-Grafen bereits an der Met debütiert) : er sprang für Nicolai Ghiaurov als Don Giovanni bei den Salzburger Festspielen ein (unter Karajan) und wurde in den Folgejahren oftmals dorthin verpflichtet.


    Der Übergang zur dritten "Technik"-Phase war ein gleitender; spätestens als seine Frau nach einem "Rheingold" meinte, sein Donner sei nicht von der Stimme des Froh-Sängers zu unterscheiden gewesen, fühllte er sich mit der "Nazor-Technik" nicht mehr wohl und ging zu Rudolf Bautz, der eine Synthese aus beiden Techniken entwickelte, die letztendlich mit dafür verantworrtlich war, daß Krause eine so erfolgreiche und lange Karriere hatte.


    Zuletzt hörte ich ihn (als Sänger) 2000 bei einem Liederabend in einem der wunderschönen finnischen Gutshöfe, den er wegen einer Indisposition nur mit Ach und Krach beenden konnte; danach noch einmal (als Sprecher) als Bassa Selim in der Finnischen Nationaloper.


    Tom Krause ist heute ein viel gesuchter Pädagoge (u.a. Professor in Madrid), Juror und Jury-Vorsitzender. Hier in Mikkeli gab er 2000 eine Meisterklasse im Rahmen der Mariinsky-Sommer-Akademie.


    Meine Einschätzung : Tom Krause hatte meiner Meinung nach eine Stimme, die vom Timbre her Bariton, aber vom Tonumfang her eher Baß oder Baßbariton war, d.h. für einen Bariton eine eher "kurze" Stimme. Dies verhinderte, daß er in den Baritonpartien Verdis (er sang u.a. Amonasro, Jago, Germont, Carlos) mehr reüssierte, und führte dazu, daß er zeitweilig (z.B. in Savonlinna) Filippo und den Aida-König sang. Was er jedoch innerhalb dieses Rahmens machte, war für mich von hohem künstlerischen Wert, vor allem im Bereich des Liedgesangs oder Oratoriums.


    Dabei möchte ich es für heute bewenden lassen. Es gäbe (und gibt) noch so viel über Tom Krause zu berichten, den ich live viele Male erlebt habe. Bei Bedarf und Interesse werde ich gerne darauf zurückkommen.


    Herzliche Grüße


    Sune

    Leider kann ich im Moment das Zitat nicht finden, aber ich las in einem Interview mit Kurt Sanderling, der lange Zeit Mravinskys Assistent im damaligen Leningrad war, daß Mravinsky nicht aus Angst um seine Person das Dirigat der 13. Sinfonie verweigerte, sondern aus Fürsorge für die Choristen und Musiker, die die Uraufführung spielen sollten.


    Für das Programmbuch des diesjährigen Mikkeli Musik-Festivals, das eine Reihe von Schostakowitsch-Werken aufführt, fand ich Gedanken einiger Dirigenten zu diesem Komponisten, und zwar von von Gergiev, Jansons, Ashkenazy und Kurt Sanderling. Ich bitte um Entschuldigung, daß ich mir die Mühe erspare, sie aus dem Englischen zu übersetzen.


    Some conductors’ thoughts of Shostakovich


    Valery Gergiev, born 1953 in Moscow


    “Shostakovich was given fantastic strength because he was there to resist. He was there to remember, to document and not let go. He found his own way of silent opposition. He didn’t give many interviews. He didn’t describe what it was for him to be a composer, or what he thought of Stalin. He found a way of becoming stronger after the series of attacks on him…
    I spend a lot of time talking to people who knew Shostakovich, but that does not replace your artistic instinct. It helps, if people understand directly or indirectly the biographical cornerstones, but, after my generation, people will treat his symphonies from the purely musical point of view, rather than reading about the political situation and deciding on the tempo or the phrasing…
    If you give a score of Shostakovich to someone who did not live in Leningrad, he can make a fantastic performance if he is a great artist."


    Mariss Jansons, born 1943 in Riga


    ‘'In Shostakovich's music, I feel in almost every bar associations with the atmosphere and life of the time, with the individual that he was…
    I am completely convinced that, if Shostakovich had been a writer or a poet, they would have killed him, like many others. But music is abstract. Words can obviously be seen to be against the regime, but Shostakovich could write a symphony and say, 'Look, this is glorifying our system', whereas we know it is not - and he knows too.
    I personally think he was not pro-Communist, because generally his music is not pro-Communist. All those things he said and wrote, you can forget about. He had to speak, because they expected it of him as a leading figure. If Stalin calls you directly, you are afraid, because you expect that perhaps tomorrow you will be in Siberia. People ask why he made such speeches, but I would like to see how those people who criticise him would have lived in Russia at that time. “


    Vladimir Ashkenazy, born 1937 in Gorki, defected to England in 1963


    “With the constant brainwashing of the propaganda in the Soviet Union it would have been difficult to remain sane for the sanest of people. It is very hard for you to conceive how it was, to be living in the former Soviet Union. You can become a schizophrenic, in the sense that you try to retain your 'inner world' somehow and yet in public, in your daily work and relationships with other people, you have to be someone else. You can't really be yourself, you can't speak your mind.
    He knew, I'm sure, that if he wrote pieces of ‘glory’ to Stalin he'd be able do his own job, so to speak - his planned path as a great composer and a great individual - if he writes his Eleventh Symphony, Twelfth Symphony, the Song of the Forests and so on. 'Why don't I write it? I'll pay them off! Then I can write the Thirteenth, Fourteenth, Fifteenth.'”


    Kurt Sanderling, born 1912 in Arys (formerly East Prussia), emigrated 1936 to the USSR, from 1941 – 1960 guest conductor of Leningrad Philharmonic.


    “I’m sure it’s not possible to describe a person in a few sentences, and certainly not someone as contradictory as Shostakovich. Contradictory because at the time one had to lead two lives: one for the public eye, the other privately. Outside the Soviet Union he was too frequently judged by the way he had to behave and the sort of person he seemed to be in public, and the message he conveyed through his music wasn’t understood.”


    Beste Grüße


    Sune

    Zitat

    Original von sagitt
    Es ist schön, von Idealbesetzungen zu träumen. Noch schöner, wäre die Namen zu diskutieren.


    Hallo sagitt,


    der Thread lautet : Wunschbesetzungen, nicht : Idealbesetzungen. Da die Callas ca. 1953 in der Piccolo Scala Konstanze gesungen hat, liegt es m.E. doch nicht gar so fern, sie sich auch als Donna Anna vorzustellen (oder Elvira; siehe die von Dir erwähnte Hysterie). Damit ist noch lange nicht gesagt, daß ich sie ideal finden würde.


    Gruß
    Sune

    Don Giovanni


    Giovanni : Cesare Siepi
    Leporello : Nicolai Ghiaurov
    Komtur : Boris Christoff
    Ottavio : John McCormack
    Masetto : Bryn Terfel
    Anna : Maria Callas
    Elvira : Elisabeth Schwarzkopf
    Zerlina : Cecilia Bartoli


    Dirigent : Wilhelm Furtwängler


    Rigoletto


    Gilda : Anna Netrebko
    Maddalena : Olga Borodina
    Duca : Luciano Pavarotti
    Rigoletto : Riccardo Stracciari
    Sparafucile : Nicolai Ghiaurov


    Dirigent : Riccardo Chailly


    Lohengrin


    Elsa : Elisabeth Grümmer (jung)
    Ortrud : Astrid Varnay
    Lohengrin : Fritz Wunderlich (mit ca. 40 Jahren)
    Telramund : Hermann Uhde
    Heinrich : Franz Crass
    Heerrufer : Tom Krause


    Dirigent : Rafael Kubelik


    Gruß
    Sune

    Ich habe Norbert Orth als einen mit einem außerordentlich kräftigen Material ausgestatteten Pedrillo in Erinnerung. Meine Eindrücke nach seinem Fachwechsel waren allerdings nicht so positiv (Parsifal in Hamburg, Tristan in Lübeck, Loge 1984 in Bayreuth). Vielleicht dieser angestrebte Fachwechsel noch nicht ganz abgeschlossen, aber ich hatte immer das Gefühl, daß er seine Stimme für diese Partien "auf groß gemacht" hatte, sie aber nicht natürlich gewachsen war. Trotzdem fand ich es erstaunlich, daß seine Karriere dann (oder habe ich etwas übersehen?) keine Fortsetzung mehr fand.


    Hier mein Vorschlag für eine Generationen übergreifende "Entführung aus dem Serail" :


    Konstanze : Maria Callas (hat sie schließlich gesungen!)
    Blonde : Erna Berger
    Belmonte : Fritz Wunderlich
    Pedrillo : Gerhard Unger
    Osmin : Alexander Kipnis
    Bassa Selim : Curd Jürgens


    Wiener Philharmoniker / Karl Böhm


    "Turandot"


    Turandot : Birgit Nilsson
    Liù : Mirella Freni
    Calaf : Franco Corelli
    Timur : Nicolai Ghiaurov
    Dirigent : Zubin Mehta


    "Fidelio"


    Leonore : Christa Ludwig
    Florestan : Peter Anders
    Pizarro : Tom Krause (von der Maazel-Aufnahme!)
    Rocco : Karl Ridderbusch
    Fernando : Franz Crass
    Marzelline : Edith Mathis
    Jaquino : Gerhard Unger
    Dir. Wilhelm Furtwängler


    Sune

    Zitat

    Original von DonBasilio
    Mozart- Die Zauberflöte (ja ich fang mit was populärem an)
    Die 3 Damen- Anna Netrebko, Cecilia Bartoli, Agnes Baltsa
    LG Joschi


    Interessante Besetzung, aber : Ist das eine Zauberflöte ohne Dialoge? Wenn nicht, in welcher Sprache?


    Hier "meine" Zauberflöte :


    Pamina : Lucia Popp
    Königin der Nacht : Ingeborg Hallstein
    Papagena : Renate Holm
    Tamino : Fritz Wunderlich
    Papageno : Walter Berry
    Sarastro : Kurt Moll
    Sprecher : Franz Crass


    Dirigent : Karl Böhm


    Sune

    Zitat von DonBasilio

    Aber Schock hört man, aufgrund seiner Charakteristischen Stimme trotz "Sparflamme" heraus!! Windgassen hört man hingegen fast gar nicht, wenn ich nicht wüsste, dass er im Finale überhaupt dabei ist, hätte ich gedacht, er ist von der Bühne abgegangen.
    LG Joschi


    Pardon, aber Du vergleichst hier Äpfel mit Birnen : Der Lohengrin mit Windgassen ist der Mitschnitt einer Bühnen-Aufführung, der mit Schock hingegen eine Studio-Produktion, bei der der Tontechniker Stimmen lauter oder größer erscheinen lassen kann.


    Ansonsten glaube auch ich, daß es für Windgassen repräsentativere Aufnahmen als den Lohengrin gibt, z.B. Tannhäuser oder Tristan. Und Schocks Lohengrin ist genau wie sein Stolzing und Erik aller Ehren wert!


    Sune

    Da das Forum ja auch dazu dient, auf Aufnahmen bzw. Künstler gestoßen zu werden, die man vorher nicht kannte, hier meine Alternativ-Liste, bevorzugt mit Sängern aus dem nordeuropäischen bzw. slawischen Raum :


    1. Pavel Lisitsian (Amonasro, Germont). Dieser armenische Bariton, der 1960 ein einziges Mal an der MET auftrat, hätte mit Sicherheit eine Weltkarriere gemacht, wenn es den Eisernen Vorhang nicht gegeben hätte.


    2. Gleiches gilt m.E. für den auch in Rußland viel weniger bekannten Vladimir Valaitis, dessen (russisch) gesungener Posa in der Carlos-Aufnahme mit u.a. Arkhipova und Petrov jedem Vergleich mit den großen Italienern oder Amerikanern standhält.


    3. dto. für Georg Ots, den großen estnischen Bariton (u.a. Rigoletto) - wie Lisitsian und Valaitis verwehrten ihm die politischen Verhältnisse eine Weltkarriere.


    4. Jorma Hynninen. Den nunmehr 65jährigen Finnen hörte ich noch vor 2 Jahren als Posa - eine Leistung zum Niederknien.


    4. Zwar würde ich Dmitry Hvorostovsky nicht als Verdi-Bariton bezeichnen, aber er ist auf dem Wege dorthin. Mit seinem weich-samtig timbrierten Material (Posa, Renato, Francesco Moor, Rigoletto) ist er für mich einer der großen Baritone.


    Vergessen sollte man aber nicht :


    Riccardo Stracciari (Rigoletto)
    Gino Bechi (Renato)
    Ettore Bastianini (Luna, Renato, germont)
    Robert Merrill (Posa, Germont)


    Sune

    Zitat von DonBasilio

    aber in meinem Lohengrin hört man ihn kaum heraus. Greindl und Uhde singen ihn in Grund und Boden, vor allem im Finale des ersten Aktes.
    LG Joschi


    Hallo Joschi!


    Windgassen war bekannt als ein immer sehr ökonomisch haushaltender Sänger, der sich - wie viele andere Lohengrin-Interpreten vor und nach ihm - im Finale des 1. Aktes schonte, wo man den Lohengrin sowieso kaum hört. Wozu sich also hier verausgaben, wenn die Partie noch lang ist?


    Eine Ausnahme von dieser Regel bildete vor vielen, vielen Jahren Peter Seiffert bei seinem ersten Lohengrin in Berlin, der selbst im Finale I so "volle Pulle" sang, daß ich erstmals hörte, was sonst in den Ensembles unterzugehen pflegt.


    Sune

    Zitat

    Original von archos
    Hallo,
    etwas weiter vorn war von Gergievs Spontanität die Rede:
    Vor ein paar Jahren haben wir in Baden-Baden das Verdi-Requiem mit ihm gemacht - Die Probe mit ihm vor dem Konzert dauerte knapp 30 Minuten und beschränkte sich auf die ppp-Stellen. Unser Chor (Extrachor des Karlsruher Staatstheaters) war ihm völlig fremd bis dahin, und so hat uns das schon etwas verwundert. Aber es "kam was rüber" von ihm, so daß die Sache auch in den Hochgeschwindigkeitsbereichen gut geklappt hat.
    Gruß
    Niels


    Hallo Niels!


    Was Du hier beschreibst, ist die Regel und nicht die Ausnahme. Als Gergiev vor wenigen Jahren hier in Helsinki das Verdi-Requiem dirigierte, kam er erst 55 Minuten vor Konzertbeginn in der Domkirche an, wo die Aufführung stattfinden sollte (sein Flugzeug aus Italien hatte Verspätung). Der ganze Mariinsky-Troß war erst 1 1/2 Stunden vor Beginn eingetroffen, und als ich den Chorleiter fragte, wo denn der Chor postiert werden würde, meinte er : "Keine Ahnung!". Der Chor sang dann schließlich auf der Empore. In Gergievs Abwesenheit begann der Chorleiter mit der Probe, die dann von Gergiev genau in der Art, wie Du sie beschriebst, fortgesetzt wurde. Er experimentierte lediglich mit der Aufstellung der Solisten, die er zunächst hinter dem Orchester haben wollte, schließlich dann aber doch neben dem Dirigentenpult postierte.


    Danke für den Eindruck, "daß was 'rüber kam". So ist es meistens!


    Schöne Grüße aus Finnland


    Sune

    Hallo,


    für alle Liebhaber von absurden Bewertungen bei Wettbewerben, hier noch ein besonderes "Gustostückerl".


    St. Petersburg, Rimsky-Korsakov-Gesangswettbewerb, organisiert von Valery Gergievs Schwester Larissa Gergieva, der Künstlerischen Direktorin der Mariinsky-Sängerakademie, eine erlauchte Jury : von Vladimir Atlantov (Vorsitz), Ghena Dimitrova bis hin zu Eva Wagner und Ioan Holender. Bei dieser Jury-Zusammensetzung nicht verwunderlich, daß die Mariinsky-Sänger dominierten und (bis auf 2 Ausnahmen) auch die Finalisten ausmachten.


    In den Ausschreibungen, die lt. Ausschreibungen nicht geändert werden durften, stand, daß alle Finalisten 2 Arien zu singen hatten, eine aus russischem Repertoire und eine aus westeuropäischem. Nun entschied Madame Gergieva am Abend vor dem Finale, daß nur eine Arie zu singen sei, und bestimmte auch gleich, welche. So weit, so (un)gut! Nun kamen die mitdenkenden westlichen Jury-Mitglieder auf die Idee, daß der erste Teil des Finales also um ca. die Hälfte kürzer sei. Ob dann der zweite Teil wie angekündigt oder früher beginnen würde? Nein, alles bliebe wie angekündigt. Also gingen die drei "Westler" (zu den beiden Vorgenannten auch der englische Agent Mark Hilldrew) in der Pause aus dem Opernhaus, um einen Kaffee zu trinken.


    Nun hatte man aber den Inspizienten und den Finaldirigenten Tugan Sokhiev nicht davon unterrichtet, daß es bei dem vorher angekündigten Beginn des zweiten Teil bliebe, und so wurde nach einer angemessenen Pause wieder eingeläutet, was zur Folge hatte, daß zum Beginn des zweiten Teil nur 3 der Juroren anwesend und alle erst beim Vortag der vierten Sängerin nach der Pause vollständig waren.


    Wer jetzt denkt, diese ersten drei Sängerinnen nach der Pause hätten nun ihre Arie wiederholen dürfen/müssen, kennt Rußland nicht. So, als wäre nichts geschehen, wurden die Preise, von denen es eine Unmenge gab (bis hin zu einer Video-Camera) vergeben.


    Zum Schluß noch ein "Schmankerl", erzählt vom Vorsitzenden der Jury, in der ich übernächste Woche sitzen werde : Dieser war in einem vom berühmten Tenor Mario del Monaco geleiteten Wettbewerb und hörte von del Monaco vor dem Finale die Aussage, Herr XYZ würde der Sieger sein. "Warum?" - "Weil ich es sage!"


    Sune

    Zitat

    Original von Felipe II.
    Wer kennt ihn aus anderen Opern und was haltet ihr generell von ihm?


    Hallo Felipe II.,


    ich bitte im voraus um Entschuldigung für meine Meinung, aber Du hast mit dem Feuer gespielt und danach gefragt.


    Ferruccio Furlanetto habe ich einige Male live erlebt (u.a. als Leporello und Figaro in Salzburg) und kenne darüber hinaus die beiden "Carlos"-DVDs, bei denen er als Philipp (Karajan) und Großinquisitor (Levine) mitwirkt, und diverse andere Aufnahmen. Zugegebenermaßen ältere Eindrücke, aber ein kürzliches Hören (Baß-Solo im Verdi-Requiem) bei den Londoner Proms, zwang mich nicht, meinen Eindruck zu korrigieren.


    Und dieser ist, daß Ferruccio Furlanetto in meinen Augen kein "erster", d.h. kein erstklassiger Baß vom Format eines Christoff, Siepi oder Ghiaurov ist. Dazu ist mir sein Timbre zu wenig edel, zu "knorrig".


    Aber zum Glück sind die Geschmäcker verschieden. Deshalb bitte ich Dich, mir mein Urteil nicht zu verübeln und Dich in Deiner Begeisterung für Furlanetto nicht irritieren zu lassen.


    Sune

    Zitat

    Original von tastenwolf
    Daraus den Schluß zu ziehen, daß Buffosänger nur in Ihrer Art singen können, wäre doch IMO verfehlt.
    Daher ist mein Überzeugung, daß es eine Art gibt, lyrisch oder buffonesk zu singen und bestenfalls Leute, die sich eher für eines von beiden, eignen aber keine ausschließlichen Entscheidungen.
    es ist auch die Frage, wer diese Entscheidungen treffen soll und wann. Gesangslehrer, Dirigenten, Agenten...?


    Hallo Tastenwolf!


    Die Unterscheidung zwischen einem lyrischen Tenor und einem Buffo ist in der Tat nicht so eindeutig, wie es scheint. Ich habe den Eindruck, daß bei so manchem Tenor die Körpergröße dafür ausschlaggebend war, daß er nun Buffo und nicht lyrischer Tenor geworden ist, und manchmal sind auch andere Faktoren dafür verantwortlich. Dazu ein Beispiel.


    In den 80er Jahren war in Lübeck der Tenor Herbert Lippert engagiert, und als man die "Entführung" gab, bekam er als des Deutschen Mächtiger die Buffo-Partie des Pedrillo, weil sie (angeblich) mehr Dialog besaß als der Belmonte, der mit einem Amerikaner besetzt war. Fortan galt Lippert an diesem Haus als Buffo, bis er sich von Lübeck löste und nach einer kurzen Übergangszeit eine gute Karriere (oftmals von Dirigenten wie Solti, Muti oder Harnoncourt eingeladen) im lyrischen Fach machte.


    Auch Gerhard Unger, durch Einspielungen als David oder Pedrillo der Prototyp des Buffo, besaß eigentlich das Zeug zum lyrischen Tenor, wenn er nur ein paar Zentimeter größer gewesen wäre, wohingegen ein Norbert Orth, obwohl er auch Parsifal und Tristan sang, m.E. nie so richtig den Übergang zum schweren Fach geschafft hat.


    Ganz im Gegensatz zu Heinz Kruse, der seinerzeit in Hamburg alles sang, was auch nur entfernt buffonesk war, obwohl er dabei als David so manchen Stolzing an die Wand sang. Folgerichtig war dann auch sein Übergang zu den schweren Helden wie Tannhäuser, Tristan und Siegfried, bis ein schwerer Schlaganfall, von dem er sich bis heute nicht erholt hat, die Fortführung seiner bis dahin glänzend verlaufenden "zweiten" Karriere unmöglich machte.


    Sune

    Zitat

    Original von Theophilus
    Beim Alfredo hast du meine völlige Zustimmung, aber der Rigoletto-Duca ist doch eigentlich die ultimative Rolle für einen Tenore di grazia. Dass sie in letzter Zeit viel zu häufig von schwereren Stimmen gesungen wird ändert für mich aber nichts an der Tatsache, dass sie von einer leichteren Stimme wesentlich überzeugender gebracht wird, oder?


    Hallo Theophilus!


    Eigentlich sehe ich von der Besetzung her keinen Unterschied zwischen Alfredo und Duca und würde beide Rollen mit demselben Typ Tenor besetzen, aber nicht mit einem Tenore di grazia à la Florez (jedenfalls nicht mit dem heutigen Florez).


    Es ist jedoch erstaunlich, wie sich in einigen Fällen der Geschmack weiter entwickelt. Vor ca. 14 Tagen hörte ich aus der Met die "Traviata"-Übertragung mit Gheorghiu und Michaels-Moore, dazu als Alfredo mit dem jungen deutschen Tenor Jonas Kaufmann. Mit Interesse verfolgte ich in einem US-Internetforum die Diskussion darüber, ob die Besetzung dieser Partie mit einem so dunkel timbrierten und (relativ) schweren Tenor nicht eigentlich falsch sei. Natürlich, Kaufmanns Stimme entspricht nicht dem üblichen Alfredo-Ideal (oder sollte man sagen : Alfredo-Klischee), doch er sang durchaus wie ein lyrischer Tenor, d.h. mit sehr vielen Nuancen und piani, ohne nun mit seinem Material zu protzen, das schon jetzt auf kommende Aufgaben (Parsifal, Siegmund) hinweist. Bei dieser Diskussion mußte ich daran denken, daß der Alfredo schließlich auch von einem Helge Rosvaenge, Richard Tucker und (noch gar nicht so lange her) Placido Domingo gesungen wurde - also von Tenören, die alles andere als ein Tenore lirico waren.


    Sune


    P.S. Aber vielleicht verstehen wir beide unter einem Tenore di grazia etwas anderes. Wen z.B. würdest Du als einen solchen Stimmtyp bezeichnen?

    Wie schon vorher ausgeführt, kann ich nichts über Dirigenten- oder Instrumental-Wettbewerbe aussagen, wohl aber über Gesangs-Wettbewerbe.


    Wenn ich daran denke, daß ich in gut zwei Wochen wieder in der Jury eines Gesangswettbewerbes sitzen werde, kann ich mich schon jetzt darauf vorbereiten, daß wir wieder Äpfel mit Birnen vergleichen werden, d.h. nicht nur eine Sopranistin mit einem Tenor, sondern auch eine Sopranistin, die das Vilja-Lied singt, mit einer, die die Christel von der Post vorträgt.


    Um einmal zu verdeutlichen, wie auch eine Jury, in der immerhin Sänger, Intendanten, Agenten... vertreten sind, daneben liegen kann, ein Beispiel. Vor einigen Jahren trat ein Tenor an, bei dem sehr schnell deutlich wurde, daß er eine schöne Stimme besaß und seine Stücke auch mit Raffinement vortragen konnte, nur : er besaß eine recht "kurze" Stimme, die sich in der Höhe zunehmend verengte. Als es darum ging, ob man ihn für das Finale zulassen sollte oder nicht, wurde dies bejaht, aber : nicht mit dem Höhenstrahl erfordernden "Freunde, das Leben ist lebenswert", sondern mit dem sich angenehm in der Mittellage aufhaltenden Wolga-Lied.


    Im Finale stellte sich dann heraus, daß dieser Tenor mit eben diesem Wolga-Lied am besten war, d.h. seine an sich schöne Stimme kam am besten über das nicht immer leise Orchester, und sein Vortrag war geschmackvoll. So erhielt er (m.E. zu Recht) die beste (Durchschnitts)-Punktzahl. Als Zugabe sang er jedoch mit einer Sopranistin ein Duett, das von ihm mehr Höhe erforderte, als er besaß, und die ganze Jury sackte in sich zusammen ob dieser peinlichen (da in der Höhenlage gequälten) Darbietung. "Wie konnten wir ihm nur den 1. Preis geben?"
    Doch im Ernst : War die Entscheidung der Jury nun falsch? Immerhin hatte sie befunden, daß dieser Tenor "seine Aufgabe" am besten von allen bewältigt hatte.


    Was meint ihr?


    Sune

    Im Gegensatz zu den meisten meiner Vorredner halte ich Gesangsfächer nicht für einen Irrtum, würde aber auch nicht so weit gehen zu verlangen, man müßte sich sklavisch daran halten.


    Wenn man heute Gesangsfächer für einen Irrtum hält, liegt es m.E. daran, daß wir Stimmen heute häufig auf Grund von Schallplatten-Aufnahmen beurteilen, bei denen es nicht mehr nötig ist, Facheinteilungen bzw. -grenzen zu beachten. Die Kataloge sind voll von Aufnahmen mit Sängern und Sängerinnen, die eine Partie wohl für die Schallplatte, aber nie auf der Bühne gesungen haben. Wenn ich also für Fächer plädiere, spreche ich vom Opernalltag, von der Bühnenwirklichkeit, nicht von der manipulierbaren Konserve.


    Ich würde sogar so weit gehen zu behaupten, daß (im Opernalltag) Fächer dem Schutz von Sängern dienen. Man stelle sich einmal vor, ein junger Tenor erhielte einen Vertrag an einer Opernbühne als "Tenor". Niemand könnte dann dem Intendanten verbieten, den jungen Sänger in allem einzusetzen, was ein Tenor zu singen hat - ob nun Pedrillo, Tamino, Otello oder Siegfried (Ich übertreibe absichtlich; ich hoffe, niemand würde auf diese Idee kommen). Theoretisch wäre dies durchaus möglich und in Zeiten, in denen immer mehr Seiten-Einsteiger mit diesem Posten betraut werden, auch nicht undenkbar.


    Bekäme dieser junge Sänger aber einen Fachvertrag z.B. als "lyrischer Tenor", könnte er zu Recht alles ablehnen, was nicht zu diesem Gebiet gehört.


    Natürlich ist ein "Fach" nichts von Geburt Angeborenes und Unveränderbares, sondern verändert sich im Normalfall.


    Aber - selbst einem "Fach-Vertreter" wie mir ist es so gut wie unmöglich, z.B. bei einer Donna Anna das "richtige" Fach zubestimmen. Im Laufe der Zeit haben diese Partie so unterschiedliche Sopranistinnen wie Birgit Nilsson (hochdramatischer Sopran), Joan Sutherland (Koloratursopran), Elisabeth Grümmer (lyrischer bis jugendlich-dramatischer Sopran) oder Anna Netrebko (früher : lyrische Sounbrette) gesungen. Hier kommt es also sehr auf die Sichtweise des Regisseurs bzw. die Hörweise des Dirigenten an.


    Zum Ariadne-Komponisten. Hier kommt es m.E. auf zwei Dinge an : daß ein Mezzo auch die Höhe für den Schluß des Vorspiels hat (ab "Sei'n wir wieder gut"), oder daß ein Sopran sich im Timbre von der Ariadne abhebt. Ähnlich liegen die Dinge beim Octavian.


    Sune