Zum Thema SACD möchte ich folgendes sagen:
Ich habe 5 Jahre meines Lebens damit verbracht die besten Plattenspieler des Welmarktes zusammenzubauen und zu hören. Ob es Linn, Roksan, Wilson Benesch, Well Tempered oder SMEs waren - ich habe mich in unzähligen Tonarm/System Konfigurationen damit beschäftigt. Meinen ersten CD-Player (Marantz aus der ersten Serie) habe ich nach vier Wochen meinen Eltern geschenkt und habe mir einige bereits verschenkte LPs zurückgeholt. Danach hat es ca. 10 Jahre gedauert, bis ich mich mit dem Format anfreunden konnte. Nach diesem Erlebnis hatte ich natürlich die höchsten Erwartungen an die SACD. Ich habe mich auch damit von Anfang an intensiv beschäftigt. Bisher habe ich fast jeden Player der sich zur Zeit auf dem Markt befindet, gehört. Ich muss dazu noch bemerken, dass ich extrem allergisch auf \\\"künstlichen\\\" Klang reagiere. Mono Aufnahmen oder eingeschränkte Breitbandigkeit machen mir nichts aus, aber künstlichen Hall, aus dem Zusammenhang gerissene Instrumentengruppen und Noise Gates, oder unterbrochene Spannungsbögen kann ich mir keine 5 Minuten anhören. Wenn ich in einer Kneipe ein Jazzkonzert höre, klingen die verwendeten Klaviere meistens ziemlich katastrophal, nur schadet das nicht der musikalischen Struktur - daher stört es mich überhaupt nicht.
Was den ein oder anderen stört, ist auf keinen Fall zu verallgemeinern. Ich kenne reihenweise Leute, die sich völlig begeistert Musik über Anlagen anhören, bei denen alle Sibilanten (S + F Laute) verzischt sind. Mich treibt das in den Wahnsinn \\\':wacky:\\\'.
Um es kurz zu machen - einige wenige Aufnahmen habe ich noch nie so gut gehört wie auf SACD. Das sind allerdings alles alte Masterbänder. Ein Highlight war eine Dvorak 9te als fertige DSD-Aufnahme unkomprimiert in Multichannel direkt von der Festplatte, wobei ich sagen muss, dass ich es definitiv nur mit 5 identischen Lautsprechern akzeptiere, eventuell noch mit Geithains, die alle sehr ähnlich klingen und sich nur durch die untere Grenzfrequenz unterscheiden. Bei unterschiedlichen Lautsprechern würde ich Stereo vorziehen. Bei gut aufgenommenen Multichannel Aufnahmen über eine geeignete Anlage gehört, kann man schon ins Schwärmen geraten wenn man die Gewölbe eines Kirchenraumes quasi spürt. Nur werde ich mir aus finanziellen und platzbedingten Gründen wahrscheinlich zuhause so etwas leider nicht hinstellen können.
Weitere Probleme scheint es zu geben weil das DSD-Signal allergisch auf Zeitfehler reagiert und die Masterclocks der meisten Studios nicht genau genug arbeiten und viele Stereo-Layer sind keine Stereo Aufnahmen, sondern \\\"Downmixe\\\" aus Multichannel Aufnahmen frei nach dem Motto - es wird schon keiner merken.
Abschliessend glaube ich, dass wir kein Formatproblem haben, sondern (ich habe zumindest)ein Problem mit den heutigen Aufnahmegepflogenheiten.
Grüsse
Walter
PS. Als Anhang noch 2 Aussagen, denen ich voll zustimme und versichere, dass es keine Ausnahmen sind, sondern durchaus gängige Praxis.
Aus Rezension aller BAX Sinfonien:
Regelrecht düpiert fühle ich mich jedoch durch die Aufnahmetechnik: Die Einspielungen stammen aus dem staubtrockenen BBC Studio 7 in Manchester – eine typische, moderne Multi-Mikrophon-Aufnahme, hinterher mit künstlichem Hall belegt. Die Einspielung beispielsweise der Spring Fire-Sinfonie (die durchaus noch Bestandteil dieser Box hätte sein dürfen), aufgenommen in der All-Saints-Kirche in Tooting, London, klingt weitaus natürlicher, räumlicher und atmender. So ein Klang lässt sich nicht mit Studiomitteln adäquat realisieren. Die dankenswerterweise von Handley gewählte Aufstellung der Streicher mit antiphonalen Violinen, Celli links hinter den ersten, Violen rechts hinter den zweiten Geigen, kommt im Tutti überhaupt nicht zur Wirkung: Mit Staunen vernimmt man erst im Kopfsatz der Dritten, in der reinen Streicher-Fugato-Passage (CD 1, Tr. 4, ab ca. 11’15), einen räumlich klar differenzierbaren Streicherklang, wie er auch im Tutti sein und die Bläser tragen sollte (zweite Violinen rechts deutlich hörbar ab 11’40, erste Violinen und Celli ab etwa 12’00, später Bässe von rechts hinten).
Auch in der Einleitung der fünften Sinfonie kommt das Streichorchester optimal zu seinem Recht, doch solche Passagen bleiben die Ausnahme: Die Streicher werden von den Monster-Blechbläsern – die heute etwa ein Drittel größer gebaut, weiter gebohrt und mithin voluminöser sind als zur Entstehungszeit dieser Sinfonien – regelrecht erschlagen, wo immer diese auftreten. Einen guten Eindruck davon geben unabsichtlich die Cover-Bilder der CD’s Nr. 2 und 3, welche die enorm großen Hörner und Posaunen heutiger Zeit zeigen. Es ist in höchstem Maße unnatürlich, wenn in einem fortissimo des ganzen Orchesters einzig und allein die links positionierten vier Hörner räumlich auszumachen sind, weil sie wie eine Mauer klingen. Oder wenn drei forte blasende, mit Dämpfern versehene Posaunen immer noch lauter sind als eine ganze 16-köpfige Violingruppe! Dieses Ungleichgewicht der Blechbläser hat auch zur Folge, dass die Holzbläser immer wieder nachgeregelt und hochgedreht werden müssen.
So liest es sich wie Hohn, wenn Chandos auf Seite 54 des Booklets suggeriert: »24 Bit-Technologie hat eine um 48 db größere Bandbreite und erreicht eine bis zu 256fach höhere Auflösung von Standard-16Bit-Aufnahmen.« Kaum ein Hörer kommt in diesen Genuss, denn die meisten CD-Player sind gar nicht in der Lage, da mitzuhalten. »Diese Verbesserungen sorgen nun dafür, dass Sie, der Hörer, sich an noch mehr natürlicher Klarheit und Atmosphäre des ›Chandos Sound‹ erfreuen können.« Nichts wäre weniger wahr: Die manipulierte Aufnahmetechnik erzeugt einen opulenten Hollywood-Breitband-Klang ohne Klarheit und Atmosphäre und schon gar nicht natürlich. Und »256fach höhere Auflösung« wozu, wenn durch künstlichen Hall und wegen der Instrumente die klangliche Balance schlicht nicht herstellbarbar ist und nicht einmal die Instrumentengruppen deutlich von einander getrennt wahrgenommen werden können?
Mir persönlich ist eine historische Aufnahme bei allen Defiziten (Mono, Rauschen, Knacken) immer noch lieber, weil sich da eine Menschlichkeit und Wärme im Musizieren äußert, die vielen der heutigen Hightech-Produkte einfach fehlt. Herzblut-Musikern wie Vernon Handley tut man mit diesem »Größer, Schneller, Lauter« ebenso wenig einen Gefallen wie dem Publikum, das sich daran gewöhnt, nur noch durch unmenschliche Lautstärke oder übermäßige Vibrato-Sentimentalität emotional erreicht zu werden. Und auch die Orchestermusiker tun sich keinen Gefallen: Der um etwa 50 Dezibel höhere Lautstärkepegel macht ihr Gehör kaputt; die meisten Blechbläser in London spielen mit Gehörschutz. Alle schreien nach akustischen Umbaumaßnahmen, doch niemand scheint auf die naheliegende Idee zu kommen, einfach die Größe der Instrumente zu reduzieren und sich wieder auf musikalische Qualitäten zu besinnen. Die klangtechnischen Resultate der Chandos-Ideologie sind für meinen Hörgenuss wenigstens ein ganz erheblicher und sehr bitterer Wermutstropfen dieser in musikalischer Hinsicht unverzichtbaren Referenz-Interpretationen der großartigen Sinfonien von Bax durch Vernon Handley.
(http://tinyurl.com/357n9)
Mahler 10te Barshai
Ich stimme mit diesem Urteil von Franz voll überein. Allerdings habe nicht ich dieses Debakel verursacht. Bei der auf CD erschienen Aufnahme handelt es sich um einen Zusammenschnitt von rund 10 Konzertaufnahmen, die im Rahmen einer Tournee der jungen deutschen Philharmonie an 10 verschiedenen Orten von 8 verschiedenen Tonmeistern gemacht worden sind. Von mir stammen zwei dieser Aufnahmen, von denen aber nicht sehr viel in den endgültigen Zusammenschnitt eingeflossen ist. Barshai hat während der Tournee ständig die Instrumentierung verändert, wobei er auf der endgültigen Fassung auch die endgültige Instrumentierung haben wollte. Ich hätte diesen Zusammenschnitt machen sollen (unter anderem auch mit Material auf einer Musikassette), habe mich aber im Hinblick auf das zu erwartende Ergebnis (siehe Kritik) geweigert dies zu tun. Die Folge war ein Streit, der das vorher bestehende persönliche Verhältnis zwischen R. Barshai und mir beendet hat. Ich habe seither keinen Kontakt mehr mit ihm gehabt. Der Zusammenschnitt wurde dann irgendwo in den USA nach den Wünschen von R. Barshai gemacht. Vermutlich steht mein Name auf der CD, weil ich der bekannteste der beteiligten Tonmeister war.
Die Zusammenarbeit zwischen dem Tonmeister und den Musikern ist Vertrauenssache. Deshalb darf ein Tonmeister keine Details der Zusammenarbeit an die Öffentlichkeit gelangen lassen. Ich breche also zum ersten Mal in meinem Berufsleben ein Tabu. Da sich die ganze Geschichte für mich aber rufschädigend auswirkt, breche ich zum ersten Mal (und hoffentlich auch zum letzten Mal) dieses Tabu.
Ich hoffe, dass man mir diese unglaubliche Geschichte, die aber wirklich so geschehen ist, glaubt. Andernfalls kann sie das Sekretariat der Jungen Deutschen Philharmonie bestätigen.
Jürg Jecklin