Beiträge von Gustav

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    Original von Frank Georg Bechyna
    Dein Absatz 4 enthält das K e r n p r o b l e m der wissenschaftlich geführten Diskussionen : W a s und wa r u m kommt es in einem Duo aus vieljährigen Partnern zu einer Erosion , einer Auflösung und dem Zerfall eines berühmten Duos ?


    Lieber Frank!


    Vielleicht ist die Antwort ganz einfach und gleichzeitig unendlich schwer. Wie viele Gründe gibt es für das Auseinanderbrechen von "normalen" Partnerschaften? Warum soll es bei einer so diffizielen Beziehung, die permanent zwischen Kunst, Kommerz und "Ehe" pendeln muss, anders sein?


    :hello: Gustav

    Zitat

    Original von Christian B.
    ...sie schafft es nicht, bis zum letzten Satz einen Bogen zu spannen. Aber wer vermag das bei dieser Sonate schon? Die meisten Interpretationen zerfallen zwischen zwei langsamen Sätzen und zwei schnellen Sätzen, die nicht so recht zusammenpassen wollen.


    Lieber Christian B.!


    Vielleicht darf ich an der Stelle von Frank antworten. Mir fallen sofort Kempff, Haskil, Fischer, Andsnes, Erdmann ein und Frank sicherlich noch mehr. Es gibt sie, die Pianisten, die den Bogen schaffen.


    Ich finde auch, dass Horowitz nicht dazu gehört, so sehr ich ihn ja auch sonst schätze. Er verliert sich in Details, wie beeindruckend sie auch sein mögen. Aber alleine das Bassgedröhne finde ich, ebenso wie bei Barnatan, daneben. Wobei ich sagen muss, dass ich, ebenso wie du, mich auf die späte DGG - Aufnahme beziehe. Ich werde mir die frühere noch einmal anhören.


    :hello: Gustav

    Lieber Frank!


    Das hast du einmal wieder interessante Fragen aufgeworfen.


    Zunächst:


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    W e r übergibt ein Werk , sei es komposition oder Aufnahme - vor allem die posthum erschienenen - der Öffentlichkeit .


    Was ich meinte und nicht deutlich genug gesagt habe, war die direkte Veröffentlichung durch den Komponisten. Bei posthum erschienenen Werken muss man natürlich einmal klären, warum sie zu Lebzeiten vom Komponisten nicht veröffentlicht wurden. Ebenso problematisch sind dann natürlich auch unvollendete Werke.


    Zitat

    Eine reine Biographie würde Franz Schubert entzaubern, weil die Wahrheit der grösste Feind des Mythos ist .


    Entzauberung ist in unserer materialistisch - naturwiissenschaftlichen Welt ja eigentlich heute gang und gebe. Und viele würden dem sicherlich zustimmen. Ich nicht! Abgesehen davon, dass wir es, glaube ich, sowieso nicht schaffen, ein Genie wie es Franz Schubert war, mit unseren doch sehr bürgerlichen Vorstellungen und Denkweisen zu erfassen (ließe die Quellenlage überhaupt eine vollständige Offenlegen seines Tun zu), so ist es IMO auch nicht wünschenswert. Ich glaube, dass der Mensch Geheimnise braucht, letzte Dinge, die er nur erahnen kann, aber nicht weiß. Letzlich sind wir jeden Tag, wissend um unsere Sterblichkeit, davon umgeben. Und ich denke, es ist wichtig, dass wir im Angesicht dieser Geheimnisse ein Entsprechendes z.B. in der Kunst finden können, eine Begegnung mit dem Nichterklärbaren und dem Nichtsagbaren.


    Vielleicht lindert es die Angst vor dem letzten, großen Geheimnis.


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    Und eine Roman würde die Sinnbildlichkeit Schuberts schmälern , der eben die...personalisierte , tragisch kompromierte Wirklichkeit .....ist " ( aus " Frankfurter Allgemeine Zeitung , Mittwoch, 14. juli 2010 , Seite 28 ) .


    Nun gut, der letzte Teil ist natürlich schon


    Zitat

    Blickwinkel des Autors


    , wie recht er auch damit hat. Aber ich denke auch, dass ein Roman vor allem diesem Blickwinkel, eben dem des jeweiilgen Autoren Tür und Tor öffnen würde.


    Die Frage ist natürlich dann, inwieweit man sich biographisch solchen Künstlern (und auch anderen Menschen) überhaupt nähern kann, wie und ob man eine Wahrheit überhaupt erkennen kann.


    Nun, das heißt ja fast Eulen nach Athen tragen. Man kann es natürlich objektiv nicht. Bleiben eben die Fakten (wir vertrauen ihnen heutzutage ja so gerne) und es bleibt das Werk. Womit wir den Kreis schließen, denn da gehen die Schwierigkeiten ja weiter.


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    ...dass der Versuch eines Einehitsbildes ohnehin zum Scheitern verurteilt ist...


    Wollen wir das überhaupt? Macht die Vielfältigkeit das Leben nicht viel spannender? Ein Einheitsbild von Schubert, würde es nicht auch eine Einheitsinterpretation seiner Werke bedingen? Nicht nur für uns Sammler ;) eine fürchterliche Vorstellung.


    Lasst uns das Schubertsche Werk nehmen, wie auch das so vieler anderer Komponisten, als ein großes Fragezeichen, als einen Ort, an dem sich ein Künstler mit all seinen Fragen und ein Hörer mit all seinen Fragen treffen und gemeimsam (oder auch getrennt) Antworten finden können.


    Zitat

    Der Schubert - Kitsch sei hier besser nicht erwähnt .


    Warum, um alles in der Welt, gibt es eigentlich diesen Schubert - Kitsch? Brauchte man nach dem Mozart - Kugel - Kitsch einen weiteren früh verstorbenen Götterliebling? Es fällt ja schon auf, dass vor allem diese beiden so sehr verkitscht wurden. Am Werk kann es ja nun wirklich nicht liegen.


    Aber das nur nebenbei.


    :hello: Gustav

    Lieber Frank!


    Das ist sicherlich die Crux. Ein einheitliches, verbindliches Schubertbild kann es nicht geben und da ist auch gut so.


    Ich glaube, ich habe das an anderem Ort schon einmal gesagt. Für ich ist ein Kunstwerk frei, sobald es der Öffentlichkeit übergeben wurde. Und in bestimmten Grenzen (Geschmack, Verantwortung, Anerkennung eines Werkes, Notentext etc) darf der Interpret sich sein eigenes Bild machen. Die Freiheit hat er und meine Freiheit ist es dann zu sagen, ob das angemessen ist bzw. in mein Bild passt. Und da kollidiert Barnatan schlichtweg mit meinem Schubertbild, das keineswegs Allgemeingültigkeit beansprucht.


    Manchmal geht eine völlig andere Sichtwise ja auch auf und schafft neue Einblicke. Du erwähntest hier die Appassionata von Horowitz und Richter.


    Die "wild - leidenschaftliche" Interpretation Richters anlässlich seines USA - Debuts ist wohl mit Sicherheit dem Augenblick geschuldet. Wie kann ein sensibler Künstler in solch einem Moment abgeklärt und zurückhaltend solch eine Musik spielen.


    Die "Entschuldigung" hat Barnatan bei seiner Studio - Einspielung natürlich nicht. Trotzdem könnte es ja aufgehen. Aber ihm fehlt dann doch der große Bogen, der Blick für die Gesamtheit und das, was du so schön, die Seele, den Geist im schubertschen Sinne nanntest.


    "Und hättet ihr die Liebe nicht...". Vielleicht ist das wirklich auch ein Schlüssel für Interpretationen. Mit tiefgehender Liebe den Geist und die Seele eines Werkes erspüren. Und dann kann eine Interpretation noch so gewagt sein, noch so sehr irgendeinem persönlichen oder gerade aktuellem Schubertbild engegengesetzt sein, sie wird immer den Kern der Sonate treffen.


    Ich habe heute übrigens Korstick gehört. Langsamkeit ist noch keine Interpretation. Und langsam spielen oder dirigieren, muss man können. Man muss den Spannungsbogen aufrecht erhalten, sonst bricht alles auseinander. Korstick empfinde ich nur als unerträglich langweilig.


    :hello: Gustav

    Als nächstes hörte ich Walter Klien (1996) und Inon Barnatan (2005), zwei Pianisten, deren Namen ich nicht kannte.


    Klien empfand ich als sehr ungleichmäßig in der Ausführung, wie auch in der Interpretation. Teilweise, wie bei der Einführung des 2. Themas im 2. Satz mochte ich seinen Ansatz und seinen Ton, streckenweise hatte ich aber auch große Schwierigkeiten. Einerseits empfand ich den Klavierton als zu klirrend, andererseits hatte ich immer wieder das Gefühl, dass er zwar etwas darstellend möchte, es aber nicht kann. Zudem fehlte mir die Einheitlichkeit, der große Bogen, auch innerhalb der Sätze.


    Barnatan gefiel mir insgesamt besser. Sein Ton empfand ich als sehr wohlklingend, ebenso auch die Interpretation als größtenteils ausgewogen. Gar nicht mochte ich allerdings die starke Betonung der linken Hand in den ersten beiden Sätzen, die für mich Schubert eine zu monumentale Form gibt. Das ist nicht das Schubertbild, das ich habe. Ich empfinde ihn, neben allem Tiefgang, doch eher leicht in der Form (was nicht anspruchslos bedeuten soll), charmant, tänzerisch oder eben wandernd. Aber eben nicht massiv, dröhnend, schwer. Zum Glück verzichtet Barnatan in den letzten beiden Sätzen auf diese schwere, linke Hand, so dass vor allem der 4. Satz wunderbar zwischen Triumph, Freude und beseligtem Glück hin und her geht.


    :hello: Gustav

    Doch, lieber Musikwanderer, alles richtig. Mnemosyne ist die griechische Göttin der Erinnerung.
    Ich kannte den Namen auch nicht, bei Gustav Schwab taucht er nämlich nicht auf. ;)
    Aber die Edition lohnt wirklich. Nicht ganz billig, aber tolle Aufnahmen.


    :hello: Gustav

    Zitat

    Original von Joseph II.
    Zurück zu den Wurzeln, Bayreuth! Bei dem Weiber-Regime freilich nicht zu erwarten.


    Zurück zu den Wurzeln. Richtig! Um da erst recht auf "Weiber" zu treffen!!! :baeh01:


    :hello: Gustav

    Zitat

    Original von rita
    Gallo soll wegen der Ratten in dieser inszenierung abgesagt haben.


    Rita


    Lebende, liebe Rita???


    Bin ich froh, dass ich nur Karten für die Meistersinger habe.


    :hello: Gustav

    Zitat

    Original von musikwanderer


    Leider sind diese Schauspiel-Aufnahmen so gekürzt, das sie auf eine CD passen - aber immerhin gibt es sie!!!


    Ist hier im Forum jemand, der sich auch für diese klassischen Schauspiele auf CD's interessiert?


    Lieber Musikwanderer!


    Da rufe ich doch einmal ganz laut: Ich!!!


    Die Unfähigkeit der allermeisten heutigen Schauspieler auf deutschen Bühnen überhaupt vernünftig und ohne Mikrofon zu sprechen, hat mich veranlasst, mein Heil im Hörbuch zu suchen. Leider ist die Ausbeute dort, verglichen z.B. mit Großbritannien und Shakespeare, doch recht dürftig. Alleine die Hamlet - Aufnahmen dort sprechen Bände. Bei uns gibt es immerhin (!) zwei gute Faust - Interpretationen, neben der klassischen, von dir angesprochenen, noch eine mit Horst Caspar, Erich Ponto, Antje Weisgerber und Fita Benkhoff. Im 2. Teil sind dann noch Maria Wimmer und Kurt Lieck dabei. Es ist eine Aufnahme auf 5 CD's vom WDR (bei Literaton), also auch heftig gekürzt.


    Dank der Edition Mnemosyne sind eine ganze Reihe von Aufnahmen aus den Radio - Archiven erschienen:


    Goethe - Tasso: 1961 - Quadflieg und 1969 - Ganz (diese als DVD)
    Goethe - Iphigenie: 1956 - Maria Wimmer
    Sophokles/Hölderlin - Antigonae: 1955 - Joana Maria Gorvin
    Kleist - Penthesilea: 1955 - Maria Becker, Will Quadflieg
    Hofmannsthal - Elektra: 1959 - Maria Becker - Maria Wimmer
    Schiller - Wallenstein: 1960 - Ewald Balser
    Hebbel - Nibelungen: 1954 - Maria Becker, Fritz Kortner
    Grillparzer - Goldenes Vließ: 1956 - Maria Becker, Will Quadflieg
    Shakespeare - Lear: 1958 - Fritz Kortner, Wimmer, Gorvin


    Diese Edition lohnt sich jedenfalls.
    Aber nach vielen Aufnahmen muss man schon sehr suchen oder sie gibt es immer noch nur auf LP. Mir fällt dabei eine Maria Magdalena in Auszügen mit Heinrich George, Gustav Gründgens und Helene Thimig von 1932 ein.


    Gründgens wurde ja durch di DGG - Editionen vor ein paar Jahren wieder stärker ins Bild gerückt.


    Also es gibt schon etliches, in den Geschäften sucht man es aber häufig vergebens.


    :hello: Gustav

    Diese vier doch sehr unterschiedlichen Interpretationen habe ich mir in den letzten Tagen angehört.


    Annie Fischer von 1968 fand ich in ihrer Heransgehensweise angenehm unspektakulär. Alles erscheint wie aus einem Guss, baut wunderbar aufeinander auf, ist großräumig gedacht und hat mich manchmal an das Enstehungsjahr erinnert: Ein Schubert in Jeans, modern und ohne Schnörkel.


    Curzon aus Salzburg 1974 fand ich beim ersten Hören in den ersten beiden Sätzen wunderschön, intelligentes, sensibles Spiel, warm und mitfühlend. Die beiden Schlusssätze gefielen mir weniger, ich fand seinen Anschlag ein wenig hart. Beim erneuten Hören verschob sich der Eindruck aber. Satz 3 und 4 fand ich nun besser in die Gesamtanlage eingebunden, Satz 2 nach wie vor überirdisch schön. Allerdings störte mich nun und das kann ich musikalisch kaum richtig ausdrücken, die Betonung aller Nebenstimmen ein wenig. Es war mir oft zu viel Rokoko im Spiel, es fehlte mir das Geradlinige von Annie Fischer. Aber insgesamt eine wirkllich beeindruckende Interpretation.


    Afanassiev live 1985 kam für mich sehr bedeutungsschwanger daher, brachte dann aber leider nur eine Fehlgeburt zustande. Wandert Kempff, verharrt Richter geradezu in Depression, klingt Afanassiev meist so, als ginge er rückwärts. Dazu die ewigen, elenden Pausen, die den letzten Zusammenhalt noch zerstören. Manchmal hatte ich zudem das Gefühl, er würde bestimmte Stellen doch sehr für ein Publikum spielen, das er insgeheim immer fragt: "Habe ich es nicht schön gemacht?". Bei Satz 3 und 4 hat es mich dann schon nur noch gelangweilt.


    Ganz anders Andsnes von 2004. Mühselig und beladen, voller Qual und dunkler Ahnungen im 1. Satz. Gleichzeitig kam mir aber auch die Erinnerung an die stille Sanftmut des Lamm Gottes in den Sinn. Und das Getröstetsein und die Zuversicht: "Du kannst nicht tiefer fallen, als in die Hand Gottes.", wie Gorch Fock es einmal gesagt hat. Und dann die Befreiung im 3. Satz und der endgültige Durchbruch und Triumph, die Erlösung im 4. Großartige Interpretation, wunderbarer Zusammenhang der Sätze mit einem wirklich hoffnungsfrohen Abschluss.


    :hello: Gustav

    Lieber Holger!


    Wenn Hanslick und du recht haben, dann hat Bach also keine protestantische Musik geschrieben, ebensowenig wie Mozart katholische, nur weil beide Werke vorgelegt haben, die eben einen konfessionell geprägten (textlichen) Inhalt haben.


    Wie sollte Bach auch z.B. die Lutherische Abendmahlsvorstellung in Töne fassen?


    Ich sehe es ähnlich. Erst in Verbindung mit dem Text erkenne ich die protestantische Ausrichtung. wobei ich dieses Empfinden dann aber in die Musik transportiere.


    Einzig würde ich noch sagen, dass Bach in seinen Passionsmusiken z.B. sich eher der sinnlich strengeren Ausrichtung des Protestantismus hingibt, in der nach dem Bildersturm einzig das Wort Zentrum der Liturgie blieb. Aber das ist eine Aneignung protestantischen "Lebensgefühls", noch keine entsprechend theologisch ausgerichtete Musik.


    :hello: Gustav

    Liebe Musica!


    Sie bleibt manchen Kulturen und Religionen natürlich nicht nur aus religösen Gründen vorenthalten. Die spezielle Harmonie westlicher klassischer Musik ist nicht für jedes Ohr geschaffen, wie ja auch viele Westeuropäer sich mit Klängen aus dem Orient, Indien, China und ähnlichen Kulturen schwer tun.


    :hello: Gustav

    Zitat

    Original von musica
    Interessieren würde es mich doch, ob z.B. Juden oder Moslems genau so empfinden, wie spielt da der Text eine Rolle.


    Liebe Musica!


    Was die Juden angeht, kann dir sicherlich Frank besser weiterhelfen, einiges hat er ja in seinem Beitrag weiter oben schon gesagt.


    Bei vielen Muslimen habe ich eher eine grundsätzliche Berührungsangst mit allem festgestellt, was nicht zur islamischen Religion gehört, somit auch mit "westlicher" religiöser Musik, wie "offen" sie auch immer ist. Aber meine Erfahrungen beschränken sich auch da vor allem auf Muslime, die nicht unbedingt "weltoffen" aufgewachsen sind.


    Was islamische religiöse Musik angeht, kenne ich mich nicht aus. Ich wüsste z.B. nicht, ob Koranverse auch vertont wurden. So weit ich weiß, ist z.B die Musik der Derwische, die ja eher einer mysthischen Richtung angehören, zusammen mit dem Tanz Mittel, um in eine meditative Trance zu kommen und dabei ohne Text.


    :hello: Gustav


    Lieber Frank!


    Viele Wege führen nach Rom!


    Und viele Wege führen zu Gott oder zu einem persönlichen Heil, wo immer man es findet. Die Freiheit im Denken und die Freiheit des Suchens und Findens und die Freiheit der Entscheidung, nämlich die Freiheit ja oder nein sagen zu können. Nie und durch nichts darf das eingeschränkt werden.


    Auserwähltseinwollen, ob bei Christen, egal welcher Konfession, ob bei Juden, Muslimen oder wem auch immer, zeugt nur von menschlicher Dummheit und Selbstüberschätzung.


    Deshalb sollte man diese Diskussion vielleicht auch nicht auf ausgewiesen religiöse Musik beschränken. Ich höre gerade aus Dido und Aeneas: "Führ mich durch dunkle Schatten" mit Martha Mödl. Wahrlich keine Kantate oder ein liturgischer Text. Und trotzdem Text und Musik und Interpretation erschaffen einen Raum, in dem, denke ich, Gläubige wie Ungläubige wie Agnostiker mit ihren unterschiedlichen Fragestellungen sich bewegen können.


    :hello: Gustav

    Lieber Frank!


    Bach und Brahms waren keine protestantischen Musiker, damit wäre ihr Wirkungsgebiet ja doch recht eingeschränkt. Ich meinte nur, dass sie mir als Protestant näher stehen. Das "Deutsche Reqiuem" z.B. war schon gleich beim ersten Hören Heimat für mich, aus unterschiedlichsten Gründen. Gleiches gilt für Bach. Trotzdem haben beide einen universellen Klang.


    :hello: Gustav

    Zitat

    Deine abschließende Frage, lieber Bernd,


    Zitat:
    Können religiöse Menschen Inhalte in der Musik wahrnehmen, die mir möglicherweise verschlossen bleiben ? Ist für einen gläubigen Christen das Anhören geistlicher Musik auch ein Akt des religiösen Bekenntnisses ?


    traue ich mir, zumindest was die Wahrnehmung betrifft, durchaus mit einem "Ja" zu beantworten: Eben aus dem Grund, den Travinius als einen Wunsch, aus Neid geboren, nennt. Aber das nun als religiöses Bekenntnis, als eine Art Ersatz-Gottesdienst, zu werten, ginge mir viel zu weit. Dafür gibt es ja einen anderen Raum: Die Kirche.


    Was die Wahrnehmnung angeht, gebe ich Musikwanderer recht. Ansonsten würde ich auch sagen, es ist ein Akt des religiösen Erlebens, nicht des Bekenntnisses. Das passiert eher, wenn ich als Teilnemer am Gottesdienst selber die Kirchenlieder mitsinge.


    Lieber Musikwanderer!


    Vielleicht habe ich mich bei den lateinischen Textes falsch ausgedrückt. Im Großen und Ganzen weiß ich, welcher Text nun in etwa kommt. Die genaue Übersetzung Satz für Satz, muss ich mir aber erarbeiten. Hinzu kommt, dass z.B. das Glaubensbekenntnis, wie wir es im Konfirmandenunterricht gelernt haben, in der katholischen Liturgie ja nicht auftaucht. Hier spielen die einzelnen Worte nicht nur eine theologische Rolle. Ich meine damit, dass bestimmte Worte oder Wendungen auf vielschichtigste Art etwas in mir anklingen lassen, dass ich bei Übersetzungen so nicht empfinde. Einen Begriff wie "Agnus Dei" kann ich verstandesgemäß und auch gefühlsmäßig nachvollziehen, ich bin aber aufgrund meiner protestantischen Herkunft nicht in ihm beheimatet.


    :hello: Gustav

    Zitat

    Original von Dr. Holger Kaletha
    Ich glaube deshalb nicht, daß sich speziell des Musikhören eines gläubigen Mernschen von dem des Ungläubigen unterscheidet.


    Und ich glaube, es unterscheidet sich sehr wohl. Natürlich gehe ich als gläubiger Mensch ganz anders an die Texte heran, erlebe sie ganz anders, haben sie einen ganz anderen Sinn, sprechen sie mich auch bedingt durch jahrzehntelange Hörgewohnheiten (v.a. wenn es Texte direkt aus der Bibel sind) ganz anders an als einen nichtgläubigen Menschen. Und dann erlebe ich auch die Musik, wenn sie denn die Verdeutlichung eines Messe- oder Oratorientextes ist, anders. Ob intensiver ist eine ganz andere Frage.


    Als Protestant habe ich aber "Schwierigkeiten" mit liturgischer Musik des Katholizismus. Da ist mir vieles, vor allem der Text, dann eher fremd. Was bei Bach oder Brahms automatisch funkioniert, die Einheit von Text und Musik, muss ich mir bei Mozart, Haydn oder auch Beethoven, Verdi, Rossini etc. immer wieder auch erarbeiten, den Text für mich nämlich übersetzen. So entsteht für mich im Augenblick des Hörens ein leichter Bruch, den ich sozusagen intelektuell kitten muss. Das erleichtert für mich dann nicht das meditative Hören.


    Zudem höre ich Bach und Brahms in einer Kirche ganz anders als im Konzertsaal oder am CD - Player. Der Raum, der "Sitz im Leben" dieser Musik ist ganz entscheidend, damit das Werk mich wirklich umfassend ergreifen (hier eher im Sinne von Besitz ergreifen) kann.


    :hello: Gustav

    Lieber Swjastoslaw!


    Bei Wand geht es mir möglicherweise sogar ähnlich. Auch ich bin in jedes seiner Hamburger Konzerte gepilgert und in einige Lübecker. Aber ich bin beim erneuten Wiederhören nie enttäuscht worden. Ich hatte eigentlich immer das Gefühl beim Hören, ja, genau so muss es sein.


    Aber diese Angst vor dem Konservenerlebnis von gehörten Konzerten hätten wir sicherlich auch bei Furtwängler. Man darf ja nicht vergessen, welch ein Unterschied zwischen live erlebt und der späteren Aufzeichnung besteht. Erst recht, wenn es dann Studioproduktionen sind. Geht man dann den umgekehrten Weg bei Furtwängler - wie müssen erst die realen Konzerte gewirkt haben. Unvorstellbar.


    Zitat

    ...überrascht selbst mich beinharten Fan immer wieder, welch Interpretationen von einem anderen Stern auf uns warten, wenn wir absolut mittelmäßige Tonqualität der Aufnahmen in Kauf zu nehmen bereit sind.


    Ist zwar off - topic, aber kennst du die 1947 live - Aufnahme des Beethoven - Violinkonzertes mit Menuhin vom RIAS? Die verglichen mit der Studioaufnahme. Welch ein Unterschied bei Furtwängler, aber und vor allem auch bei Menuhin. Das ist ja eines der faszinierendsten Merkmale von Fu., dass er immer wieder unterschiedlich klang, dass er nie ein festgefügtes Schema wiederholt hat, sondern die augenblickliche Situation ganz stark auf ihn und damit auf seine Interpretation gewirkt hat.


    Deshalb reicht (aus Kostengründen leider) auch nicht eine Interpretation meinetwegen der 5. Bruckner. 1951 braucht man auch, wenn auch die äußeren Umstände 1942 ganz andere waren und ein ganz anderes Musizieren bedingt haben.


    Zitat

    Musizieren auf der Stuhlkante, als ginge es um das Leben aller beteiligten Musiker.


    Genau darum ging es ja in all diesen Konzerten, die permanent von Luftalarmen unterbrochen wurden und in denen Fu. noch einmal, vor einem möglichen Untergang, die deutsche Kultur zelebrierte. Diese Situation war natürlich (Gottseidank!), einzigartig. Interessant wäre es, zu untersuchen, wie andere Dirigenten in Deutschland darauf reagiert haben und ob ihre Interpretationen aus dieser Zeit ähnlich existenziell klingen. Ich weiß aber nicht, ob eine 5. von z.B. Böhme, Krauss oder Jochum von damals existiert.


    :hello: Gustav

    Lieber Swjastoslaw!


    Bitte verdoppeln was den Teil Furtwängler angeht. Genauso sehe (und höre) ich das auch.


    Wand ist aber wirklich eine faszinierende Alternative. In seinen Konzerten war ich immer in der Lage, alle anderen Interpretationen zu vergessen. Das gelang mir bei Thielemann (obwohl ich ihn sehr schätze) und vor allem bei Sawallisch (live) nicht.


    Aber es ist natürlich problematisch, Furtwängler in dieser Extremsituation des II. Wk. mit jemanden vergleichen zu wollen und zu können. Trotzdem ist es ein Beleg dafür, was bei Bruckner machbar ist.


    Furtwängler ist extrem, aber ich liebe einfach solche Positionen, solange es noch um das Werk geht und das ging es Furtwängle eigentlich immer.


    :hello: Gustav

    Lieber Frank!


    Viele Sätze, die man einfach so über nehmen kann, ohne dass man etwas hinzufügen muss.


    Vielleicht einiges zur Homosexualität Schuberts und Tschaikowsky. Unter Boulevardgesichtspunkten natürlich völlig uninteressant, unter musikalisch - biographischen Aspekten natürlich extrem wichtig. Denn beide hatten unter gesellschaftlichen Repressionen zu leiden und ein gutbürgerliches Leben, wie Wagner oder Verdi es führen konnten, war ihnen verwehrt. Dieser Leidensdruck hat sich natürlich in ihrem Werk niedergeschlagen, das ein anderes wäre, wären sie im gesellschaftlichen Sinne "normal" gewesen. Und beim Hören ihrer Werke (das gilt natürlich für andere homosexuelle Künstler von Bellini bis Britten genauso) muss man das immer wieder auch mit bedenken, will man die Dimensionen ihrer Werke wirklich nachvollziehen können.


    Zitat

    Ich denke nach wie vor, dass kaum etwas so schwierig ist wie zu sagen : Ich weiss es nicht und möchte die letzten Geheimnisse auch nicht kennen, weil diese nur der wissen kann , der sie in sich trägt .


    Eine große Idee. Steckt nicht der Tabu - Gedanke darin. Dass man anerkennt, dass es einen Bereich gibt, der nicht betreten, den man nicht entweihen darf. Allerdings wohl auch ein völlig unmoderner Gedanke in einer Zeit, die bemüht ist, alle letzten Geheimnisse zu enthüllen. Aber vielleicht wäre ein wenig Demut vor bestimmten Bereichen mal wieder angebracht. Vielleicht auch Anerkennen von Dingen, die größer sind als unsere Normalmenschenvernunft.


    Zitat

    Dies halte ich übrigens für einen ganz wichtigen Teil der Gedankenfreiheit !


    Genau!


    Zitat

    Es gibt vielleicht einen Sinn, der nur auf einer höheren Ebene erfahrbar und zu vermuten ist .
    " Denn der Grund , warum unsere Seele von einem Körper umgeben
    wird, könnte der sein , dass sie nur darin fähig ist zu leiden , so dass sie sich anderen mitteilt , um so schliesslich die wichtigste Dimension der Schöpfung zu erfahren : die Liebe " .


    Dem ist nichts hinzu zu fügen.


    :hello: Gustav

    Ich befürchte, wir werden Sänger dieses Kalibers nicht mehr hören.


    Gottseidank werden wir uns aber immer erinnern und uns auch immer wieder von ihm überwältigen lassen können. Und es ist nicht nur sein Don Giovanni, denn er war, unabhängig von stimmlicher Vollendung, der perfekte Giovanni, der bleiben wird. Ich höre alleine nur die Kombination di Stefano - Siepi in den frühen Aufnahmen Ende der Vierziger, in Mignon, Favorita, Barbiere und bin fassungslos und dankbar, dass so etwas möglich war und dass ich heute noch daran teilhaben kann.


    Eine wunderschöne, ausdrucksvolle Stimme, ein großer Künstler - unvergessen.


    :hello: Gustav

    Lieber Frank!


    Da hast du natürlich recht und ich mich sicherlich unklar ausgedrückt.
    Natürlich können wir nicht mit jedem Menschen auf der Welt mitleiden, bei Ärzten wird dies besonders schnell deutlich, wir haben auch ein Recht auf uns, ein Recht auf den Schutz unserer eigenen Person.


    Aber was ich meinte, ist, dass es die vielleicht vornehmste Aufgabe des Menschen ist, wann immer möglich, uns in die Situation anderer Menschen hineinzuversetzen. Eben nicht von vornherein abzublocken, sondern uns mit allen Sinnen dem Nächsten zuzuwenden. So weit es uns möglich ist!


    Die Etikettierung durch Uschida finde ich übrigens interessant. Was genau macht wohl einen typisch wienerischen Komponisten aus? Kommen wir da nicht ganz schnell in den Bereich der Klischees? A bisserl Wiener Schmäh (gut, das wäre wirklich sehr klischeehaft), aber vielleicht eine bestimmte Form der "Gemütlichkeit" oder der Nähe zum Tode? Ich weiß es nicht, was genau das ausmachen würde. Als was würde sie wohl Brahms bezeichnen? Ist er nach wie vor ein norddeutscher Komponist oder vielleicht ein Wiener - Slawe?


    Ich finde die Frage ganz spannend, vor allem die Kriterien, an denen man es misst.


    :hello: Gustav

    Lieber Frank!


    Zitat

    Es gibt ein " ehrliches " Mitlieden !


    Ich bin da skeptisch.


    Wenn sich jemand seinen Finger klemmt (bleiben wir einmal ganz banal), dann können wir diesen Schmerz nachempfinden, weil wir ihn aus eigener Erfahrung kennen. Welche Intensität er beim Anderen hervorruft, können wir aber wir aber kaum noch nachvollziehen.


    Was wir aber können und müssen, ist, uns ihm ehrlich, mitleidsvoll zuwenden.


    Zitat

    Der Freuburger Internist und Direktor des Institus für Medizinethik Professor Maio hat eine sehr umfangreich tätige eigene Forschungsabteilung . Seine Ausführungen sind dann Gott sei Dank noch immer von einer Hoffnung auf einer Hinwendung zum Menschen getragen .


    Genau darauf kommt es an.


    Den Schmerz und das Glück eines Künstlers können wir in seinen Werken erkennen. Und vielleicht in der Musik als einer andersprachlichen Kunst vielleicht eher als in Literatur oder Malerei. Aber können wir wirklich die Stärke, die Intensität miterleben?


    Aber ist das überhaupt wünschenswert? Würde das nicht bedeuten, dass wir, auf die Spitze getrieben, von z.B. D960 quasi nur eine Interpretation hätten? (Wenn denn alle Interpreten um ein "ehrliches Miteleiden" bemüht wären?)


    Schubert und das, was wir über sein Leben wissen (und auch hier kommen ja eigene Interpretationen mit ins Spiel) berührt uns, lässt uns mitleiden.


    Aber:


    Zitat

    Dies ändert nichts daran, dass i c h hoffe , auch eine Aufnahme ( oder mehrere Interpretationen ) gefunden zu haben, die mir nicht nur einen bestmöglichen Zugang zu den letzten drei Klaviersonaten Schuberts zu finden oder sogar gefunden zu haben , sondern auch eine " Lösung " eines Lebensproblems in dieser B - Dur - Klaviersonate D 960 immer wieder finden zu können .


    Kommt da nicht unser eigenes Sein mit hinzu? Suchen wir primär Schubert oder suchen wir auch Antworten für uns?


    Ich denke letzteres und das ist auch vollkommen in Ordnung. So schrecklich es für Künstler vielleicht auch ist, aber mit der Veröffentlichung geben sie ihr "Produkt" frei, frei für uns, als ein Geschenk, vielleicht auch als eine Gnade. Und wir dürfen mit diesem "Produkt" umgehen, sei es, dass man es nur als ein gefällig - wohlklingendes Musikstück nimmt, sei es, wie du es beschrieben hast, als eine Lösung für Lebensprobleme. Oder wir versuchen anhand dieses Kunstwerkes den Komponisten besser verstehen zu lernen. Oder wir machen alles gleichzeitig.


    Welch ein Geschenk!!! Und deshalb, um auf dein zweites Zitat noch einmal zurück zu kommen, aus Dankbarkeit auch die Hinwendung zum Menschen Schubert.


    :hello: Gustav

    Lieber Frank!


    Ich kann gut verstehen, dass man mit dem Verstörenden bei Erdmann Probleme hat. Die "Seele" der Komposition findet man dabei wohl nicht.


    Die Frage ist, bei wem findet man sie oder (hier geht es um deine Frage) findet man immer nur die "Seele", die man finden will oder, aufgrund eigener Disposition, finden kann?


    Ein Grund, warum es keine "ultimativen" Aufnahmen geben kann, ist sicherlich im jeweiligen Hörer selber zu finden. Wir alle gehen mit unterschiedlichen Lebenserfahrungen und persönlichen Vorbedingungen an solche Kunstwerke heran. Filtern wir das Gehörte nicht automatisch durch unser eigenes Sein? Inwieweit gibt es ein objektives Hören?


    Ich denke, ein bestimmter Klang, eine Art der Phrasierung, eine vorgenommene Betonung hier oder da spricht uns an (oder auch nicht), weil sie etwas in uns selber zum Schwingen bringt, dass mit unserer eigenen Person und eben nur mit unserer Person zu tun hat.


    Frage aber: Wo bleibt Schubert dabei? Können wir überhaupt den Schubertschen Kosmos objektiv erfahren, erleben, ja mit durchleiden. Querverweis zum Parsifal. Sind wir als normalsterbliche Menschen in der Lage auf höchster Stufe, d.h. ganz und gar ehrlich, mit anderen Wesen wirklich mitzuleiden?


    Ich habe da meine großen Bedenken. Sicherlich können wir rational Leiden nachvollziehen. Aber die Schwere dieses Leidens, eben der genaue Nachvollzug, das wird wohl unmöglich sein.


    Und so können wir uns dann Schubert auch immer nur annähern, nie aber wirklich im Innersten miterleben.


    Übrigens filtert ja nicht nur der Hörer, der Interpret tut es ja auch. Hier nun die Frage: Wo beginnt eigentlich eine schlechte Interpretation (fern von technischer Unvollkommenheit), wenn man konstatiert, dass die Schubertsche Intention doch nicht vollständig wiedergegeben werden kann?


    Ist Erdmann in diesem Sinne (weil fern von Schubert) nicht vielleich doch eher eine gescheiterte oder sogar schlechte interpretation? Ich denke nicht. Aber hier komme ich, der Hörer, der ein Urteil fällt, wieder als eigene Person mit Vorlieben und Abneigungen, die durch meine Biographie und mein Sein bedingt sind, ins Spiel.


    Ich mag Künstler, die ins Extrem gehen, die etwas wagen und die durchaus ein Kunstwerk auch für ihre eigenen Interpretationen "zurechtbiegen". Das ist eine Gradwanderung. Sobald es in "Vergewaltigung" ausartet, ist Schluss. Aber dies höre ich bei Erdmann noch lange nicht. Da ist viel Erdmann im Schubert, aber das heißt ja auch, dass sich dort ein Interpret mindestens auf Augenhöhe mit einem Kunstwerk trifft und mit diesem um eine neue Erkenntnis ringt. Durchaus mit einer gewissen Rücksichtslosigkeit, aber immer auch (und das ist extrem wichtig) mit einer Liebe zum Werk.


    Erdmann ist nicht die alleinseligmachende Interpretation. Aber es ist ein, für mich äußerst faszinierendes Teil in diesem Riesenpuzzle.


    :hello: Gustav


    PS: Sein Tochter, die 2. Frau Emil Noldes, ist gerade diese Tage gestorben.

    Lieber Frank!


    Zitat

    Ich sende Dir sehr gerne mein Originalmaterial weiterer Aufnahmen zu , wenn Du meine handschridtlichen Kurhinweise teilweise so stehen lässt . Diese waren mir 2006 / 2007 eine Arbeitshilfe gewesen .


    Gerne, aber wie meinst du das mit den Kurzhinweisen?


    Heute wollte ich Ciccolini vollständig hören, aber leider hatte mein CD-Player Schwierigkeiten mit den Sätzen 2 und 3. Nun muss ich sie erst noch auf einem anderen Player versuchen.


    Dafür legte ich dann Erdmann ein. Von dem fiebrig - nervösen Beginn bis zu den quasi hingehuschten Tönen im 4. Satz - begeisternd.


    Das wirkt dann ja schon wie eine Aufhebung der Marterie und einem "Sieg" des reinen Geistes. Auflösung der Form, Ablegen der Erdenschwere, Eindringen in eine Dimension fern jeglichen Leids, jeglichen Schmerzes. Vielleicht auch ein "Gesang der Geister über den Wassern".


    Wunderbar die Tempi, die Erdmann wählt. Das ist natürlich kein "Wandern" mehr, aber es geht auf. Und faszinierend, wie er diese neue Dimension hineinbringt.


    Danach wollte ich Firkussny und Ciccolini nicht mehr hören, weil ich überzeugt bin, dass ich sie direkt nach Erdmann nicht objektiv gehört hätte. Sie müssen also noch warten, vor allem, weil ich morgen noch einmal Erdmann hören werde.


    :hello: Gustav

    Lieber Thomas!


    Danke für die prompte Antwort.


    Ich kenne von ihr vor allem op. 111, eine Aufnahem, die mir die Struktur des Werkes deutlich gemacht hat, wie kaum eine sonst, auch wenn ich das Heroische nicht immer gut ertragen kann.


    Deshalb habe ich natürlich auf ähnliche Interpretationen anderer Werke geschlossen. Es freut mich aber zu hören, dass sie auch anders konnte. Die Wanderer - Fantasie habe ich irgendwo, da werde ich noch einmal hineinhören.


    Aber erstmal ist D960 dran. Ciccolini habe ich heute halb gehört und er hat mich sehr neugierig gemacht.


    :hello: Gustav

    Lieber Frank!


    Zunächst zur Herangehensweise. Da ich weder Klavier spiele noch auch nur annähernd ein Fachmann bin, was Noten angeht, binich einfach auf das vergleichende Hören angewiesen. Und da brauche ich eine gelinde Anzahl von Aufnahmen, zunächst möglichst konträr, um mich in die Möglichkeiten des Werkes hineinzuhören und hineinzufühlen. Wichtig ist dabei für mich auch, Aufnahmen aus allen Perioden der Aufnahmegeschichte zu hören, um eine Veränderung der Annäherung an die Komposition erleben zu können.


    Im Moment springe ich da ziemlich, vielleicht hätte ich D960 eher historisch angehen sollen. Aber sei's drum. Nach Lazic nun wieder zurück: Schnabel.


    Was mich zunächst befremdete war die (teilweise) Monumentalität, mit der an die Sonate heran gegangen ist. Das war mir dann streckenweise zuviel vom klassischen Beethovenbild darin. Schubert ist für mich viel feiner, subtiler, eleganter, aber auch abgründiger. (Hat Elly Ney die Sonate eigentlich auch eingespielt? Und wenn ja, macht sie daraus wie bei ihrem Beethoven einen Titanenkampf?)


    Aber dann begeisterte mich Schnabel doch ungemein. Was ich an ihm immer wieder schätze, ist, dass er Emotionen bis zum Exzess ausspielt. Er lädt Phrasen auf, bis sie fast etwas Hysterisches bekommen und schafft so, für mich, ein Schubert - Bild, das ganz weg vom Götterliebling einen Mann zeigt, der starke Neigungen zu Exaltaltionen hatte. Und genau das kann ich mir bei Schubert gut vorstellen. Romantik und Vorromantik hat ja nichts mit "Candlelightdiner" zu tun, sondern ist eine Welt, die emotional immer wieder an Grenzen gegangen ist.


    Der zweite Satz ist für mich ein Wunder. So viel Melancholie, so viel Stillstand, so viel Aufgabe.


    Und dann der dritte Satz. Mechanisch, maschinenhaft wird hier Freude und Leichtigkeit vorgegauckelt. Größtes Misstrauen gegenüber den Verführungen dieser Welt und eben auch die Unfähigkeit, den "Wonnen der Gewöhnlichkeit" zu frönen.


    Und auch der vierte Satz bringt ja kein reines "heiteres" Erlöstsein. Und ich denke, Schubert war dies sehr wohl bewusst.


    Morgen kommt Ciccolini dran. Mal sehen, was nun kommt.


    :hello: Gustav