Beiträge von hart

    Ähnlich wie Graupner geht es auch Joachim Raff ...

    Lieber Tristan,
    um Joachim Raff ist es hier im Forum recht gut bestellt; bereits am 17. Mai 2020 habe ich unter #249 einen recht umfangreichen Beitrag eingestellt und auch im Thread ›Der Musiker Gräber‹ schon am 19. April 2014 im Beitrag #164 über den Beuch des Grabes von Joachim Raff auf dem Frankfurter Hauptfriedhof berichtet.


    Vera Schwarz - * 10. Juli 1889 Agram (Kroatien) - † 4. Dezember 1964 Wien


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    Zum heutigen Todestag von Vera Schwarz


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    Bei der Darstellung des Geburtsjahres ist die Jahreszahl der Grabplatte in der Urnenwand entnommen, in vielen Nachschlagewerken und auch auf CDs wird 1888 genannt.
    Ferner ist darauf hinzuweisen, dass aus Veras Geburtsstadt Agram inzwischen Zagreb geworden ist, in Vera Schwarz´ Sprechstimme glaubt man ein Quäntchen Stolz herauszuhören, wenn sie erklärt: »ich bin eine Kroatin.«


    Vera war in eine strenggläubige jüdische Familie hineingeboren worden, aber es war keine herkömmliche Familie, denn ihr Vater, David Schwarz, war der Erfinder des ersten lenkbaren Aluminium-Luftschiffs und die um acht Jahre jüngere Mutter, Melanie Schwarz, scheint eine lebenstüchtige Frau gewesen zu sein, denn sie führte das Werk ihres Gatten weiter, als dieser - erst 46 Jahre alt - überraschend gestorben war.
    Schon im Januar 1897 war Vera Halbwaise geworden, David Schwarz erlebte also den Aufstieg und das zu Bruchgehen seiner Erfindung am 3. November 1897 nicht mehr.
    Diese Erfindung war vor allem unter militärischen Gesichtspunkten sehr wichtig, weshalb Veras Mutter das Werk des Vaters weiterführte und sie war auch bei dem ersten Flugversuch in Berlin mit dabei und erlebte die Bruchlandung live. Im Prinzip hatte das Fluggerät nämlich funktioniert, weshalb Melanie Schwarz dennoch voller Hoffnung war auf dem richtigen Weg zu sein; schließlich kaufte Graf Zeppelin den Erben die Pläne ab und verfolgte die Sache auf seine Weise weiter.


    Ganz spurlos wird das alles an dem kleinen Mädchen nicht vorbei gegangen sein, aber nähere Einzelheiten sind darüber nicht bekannt. Von Vera Schwarz selbst weiß man, dass die Familie - wer auch immer dazugehörte - gegen Veras Gesangsausbildung war und man ihr das Geld sperren wollte, aber die Mutter förderte die Ausbildung ihrer Tochter nach Kräften und von Margarete Slezak weiß man, dass Melanie Schwarz später ihre Tochter bei Auftritten mit geradezu frenetischem Beifall unterstützt hat. Vera spielte - nach eigenen Angaben - schon als Kind sehr gut Klavier und wollte Pianistin werden.
    Also begab man sich mit der 14-Jährigen zur damals wohl besten Adresse in Wien, die war in der Weimarer Straße 60 im 18. Bezirk, wo Theodor Leschetizky zusammen mit seiner Frau am Klavier unterrichtete.


    In den spärlichen Biografien über Vera Schwarz taucht dann die Information auf, dass ihre Stimme durch Zufall entdeckt wurde, aber welcher Art dieser Zufall war und wer diese Entdeckung machte, ist nicht in Erfahrung zu bringen.
    Als Vera Schwarz längst nicht mehr aktiv sang und in New York und anderswo Gesangsunterricht gab, erklärte sie im März 1959 in einem Radio-Interview ihre Liebe zum Klavier so:
    »aber eigentlich ist Klavier meine Liebe, ich gehe nur in Klavierkonzerte, nie in Gesangskonzerte.«


    Wie auch immer die stimmliche Entdeckung vonstattengegangen sein mag, der finnische Bariton Filip Forstén (auch Phiipp Forstén) war von Veras Stimme begeistert, wie die Sängerin selbst berichtete, wobei es im Booklet einer CD heißt, dass Forstén der Meinung war, dass Veras Stimme für die Opernhäuser des Kontinents nicht groß genug sei, weshalb sie sich zunächst der Operette zuwandte.
    Nach ihrem Gesangsstudium am Wiener Konservatorium debütierte Vera Schwarz am 28. September 1908 als Freda in der Operette »Waldmeister« von Johann Strauß (Sohn) am Theater an der Wien, wo »Waldmeister« einige Jahre zuvor in diesem Haus erstmals aufgeführt wurde. Es muss ein schon etwas beachtliches Debüt gewesen sein, denn sie sang an der Seite des damals sehr populären Tenors Karl Streitmann und am Pult stand Robert Stolz.
    In der Zeitung ›Neues Wiener Tageblatt‹ ist über diese Aufführung zu lesen:
    »Sehr glücklich debütierte in der einst von Frau Pohlner gegebenen Rolle Fräulein Vera Schwarz, eine Wienerin, die gestern zum ersten Mal die Bühne betrat.«


    Im Sommer 1909 war Vera Schwarz als Operettensängerin in Karlsruhe und Graz zu hören; vom Oktober 1911 bis Juli 1912 dann wieder in Wien, wo sie auch Partnerin des berühmten Alexander Girardi war, der als singender Schauspieler einen großen Namen hatte.
    In den Sommerspielzeiten 1912 bis 1914 gastierte Vera Schwarz am Stadttheater im böhmischen Karlsbad.
    Bereits ab 1912 machte die Wahlwienerin erste künstlerische Schritte in Berlin, wo sie dann zwei Jahrzehnte später an der Seite von Richard Tauber große Triumphe feierte.
    Vera Schwarz war ab 1912 für ein Jahr am Berliner Theater am Schiffsbauerdamm
    engagiert, das damals gerade in ›Montis Operettentheater‹ umbenannt worden war, erst ab 1925 ging es in diesem Theater wieder anspruchsvoller zu.


    Als Vera Schwarz im Dezember 1914 in einer Benefizvorstellung der »Fledermaus« als Rosalinde einen großen Erfolg hatte, wusste sie, dass sie auch als Opernsängerin reüssieren könnte, weil da vom sängerischen Anspruch her kaum ein Unterschied zu machen ist. Also strebte sie mit ihrer bisher gewonnenen Bühnenerfahrung und mit Hilfe ihres bewährten Lehrers Forstén einen Wechsel zum ernsteren Fach an. Und das war nun kein zaghaftes Anpirschen über Rollen der Spielopern - im September 1915 stand sie am Stadttheater Hamburg als Elsa im »Lohengrin« auf der Bühne. Dort war sie Nachfolgerin von Lotte Lehmann geworden, die nach Wien gegangen war. Vera Schwarz blieb drei Jahre in Hamburg, bis sie dann an die Berliner Staatsoper berufen wurde, wo sie im September 1919 - wie vorher in Hamburg auch - an der Staatsoper Unter den Linden als Elsa in »Lohengrin« debütierte.
    1919/20 war sie auch Filmschauspielerin geworden und in dem Film »Figaros Hochzeit« zu sehen; 1935, 1952 und 1953 folgten weitere Filme in denen sie mitwirkte.


    Am 10. Februar 1921 gab Vera Schwarz an der Wiener Staatsoper ein Gastspiel als Floria Tosca, wo Alfred Piccaver in der Rolle des Mario Cavaradossi ihr Partner war. In den folgenden Jahren hörte man sie hier als ›Tosca‹ 35 Mal, es war eine ihrer Paraderollen.
    Aber sie gab hier auch die Aida, die Leonore in
    »Troubadour«, die Amelia in »Ein Maskenball«. die Rachel in »Die Jüdin«, die Marietta in »Die tote Stadt«...
    Diese Aufzählung ist nicht vollständig, aber zeigt, dass aus der ehemaligen Operettensängerin eine erstklassige Sängerin geworden war, die auf großen Opernbühnen bestehen konnte.
    Der spätberufene Musikwissenschaftler Dietrich Kröncke erwähnt in seinem Buch ›Richard Strauss und die Juden‹, dass sich die Sängerin selbst ›Wera‹ schrieb und es Strauss war, der sie 1921 von Hamburg nach Wien holte, aber nicht seine Lieblingssängerin wurde, denn am 21. Oktober 1921 schreibt Strauss an seinen Mitdirektor Franz Schalk in Wien:
    »Warum muß das klebrichte Frl. Schwarz berufen werden, um die tote Stadt zu singen? Warum konnte Frl. Geyersbach nicht wenigstens einspringen, nachdem das in Berlin unentbehrliche Frl. Schwarz nicht eingetroffen ist?«
    In einem Brief vom 21. November 1928 liest es sich dann weit positiver, wenn Strauss schreibt: »Ich verkenne nicht die Vorzüge des vortrefflichen Frl. Schwarz, aber als alleinige Vertreterin kann sie (Helena) nicht halten.«


    1924 mündete der Wiener Gastspielvertrag in ein festes Engagement mit mindestens 30 Abenden pro Saison. Daneben gastierte sie auch an anderen Opernhäusern wie zum Beispiel in Budapest, Prag, München, London, Amsterdam und Paris.


    Schon 1928 trat sie mit dem Tenor Hans-Heinz Bollmann, der auch ein hervorragender Opernsänger war, in der Operette »La Barberina« von Leo Ascher mit großem Erfolg auf.
    Im September 1929 löste sie ihren Vertrag in Wien, um sich wieder der Operette zuzuwenden, trat aber in diesem Jahr auch bei den Salzburger Festspielen unter dem Dirigat von Clemens Krauss im »Rosenkavalier« an der Seite von Lotte Lehmann und Richard Mayr als Octavian auf.
    Gerne hätte man Vera Schwarz langfristiger an der Wiener Staatsoper gehabt, weil der absolute Superstar Maria Jeritza viele Wochen, ja Monate im Jahr in Amerika weilte und an der Wiener Staatsoper Aida und Tosca italienisch sang, was in Wien damals nicht gut ankam; man warf der Jeritza vor, dass sie Wien als Probebühne für ihre Auftritte an der »Met« nutzt.
    Aber anstatt sich an Wien zu binden, feierte Vera Schwarz dann vor allem in Berlin an der Seite von Richard Tauber wahre Triumphe, wobei natürlich der geradezu vergötterte Richard Tauber das Zugpferd war.
    Wenn man in Vera Schwarz´ Auftrittsliste schaut, dann sieht man, dass sie schon 1924 und 1927 an der Wiener Staatsoper als Tosca mit Tauber auf der Bühne stand.


    Aber schon weit vor ihrer Vertragsauflösung an der WSO hatte sie im Schlepptau von Richard Tauber in Berlin Sternstunden der Operette erlebt, nämlich bei der deutschen Erstaufführung von »Paganini«, wobei die Uraufführung von »Paganini« in Wien eine Pleite war, was wohl auch an dem Heldentenor Carl Clewing lag, der die Figur des Paganini nicht so eloquent darbieten konnte als dies Richard Tauber vermochte, der jedoch zu diesem Zeitpunkt an der Oper von Stockholm in »Don Giovanni« verpflichtet war und deshalb die Uraufführung nicht singen konnte.


    Eigentlich wollte der Berliner Theaterleiter, Heinz Saltenburg, wegen des Wiener Misserfolgs aus dem Vertrag aussteigen, aber Lehar hatte die Berliner Aufführungen auf dem Klageweg erstritten. Das war also die Vorgeschichte, als Vera Schwarz und Richard Tauber am 30. Januar 1926 in den Kulissen standen und darauf warteten bis sich der Vorhang hob.
    Nachdem das Lied ›Gern hab´ ich die Frau´n geküsst‹ verklungen war, muss die Aufführung minutenlang unterbrochen werden, aber nicht etwa wegen des Textes, wie heute zu befürchten wäre. Die Leute waren so begeistert, dass dieses Lied fünfmal wiederholt werden musste - und dann kam noch das Duett: ›Niemand liebt dich so wie ich‹ ...


    Die Uraufführung der Operette »Das Land des Lächelns« wird im Berliner Metropol -Theater im Oktober 1929 ein weiterer überwältigender Erfolg; die Presse schreibt: »Tauber und Schwarz sind das Erlauchteste, was die Operettenbühne je an Stimme geboten hat« oder »Nie hat der wiedergenesene Richard Tauber, nie hat Vera Schwarz so blühend schön für uns gesungen wie an diesem Abend. Nach jedem Tauber-Lied, nach jedem Vera-Schwarz-Gesange braust wahrer Jubel durch das Haus. Und wenn sie gar zu zweien singen, so will der Beifall überhaupt nicht enden.«
    Mehr als 600 Mal ist Vera Schwarz in diesem Stück als Lisa aufgetreten, zwar nicht immer mit Tauber, aber meistens mit Tauber. Zwischen 1929 und 1932 war sie zeitweise Ensemble-Mitglied des Metrepol-Theaters und wohnte Kurfürstendamm 71.


    In den Jahren 1931 bis 1933 war Vera Schwarz nochmals an der Berliner Staatsoper verpflichtet, wo sie in der Berliner Erstaufführung der einaktigen komischen Oper »Spiel oder Ernst« von Emil Nikolaus von Rezniček und in der Strauss-Oper »Die ägyptische Helena« sang, ein Stück in dem sie schon im Sommer 1928 in Wien gesungen hatte. Daneben trat sie noch in Operetten auf, mit »Wiener Blut« ging ihre Sängerkarriere in Deutschland zu Ende.


    Wie eingangs bereits erwähnt, entstammte Vera Schwarz einem strenggläubigen jüdischen Elternhaus und war spätestens ab 1933 in Berlin nicht mehr erwünscht; konnte also hier auch nicht mehr die Uraufführung des Propagandafilms »Henker, Frauen und Soldaten« erleben, bei dem sie immerhin 1935 noch in einer kleinen Rolle mitgewirkt hatte.
    Sie konnte dann problemlos in ihre Wahlheimat Wien wechseln, wo sie an der Staatsoper wieder ihre großen Rollen sang, am 9. März 1934 die Carmen, im Februar 1935 die Elsa in »Tannhäuser«,1935/36 als Pamina in der »Zauberflöte«, im Dezember 1935 bei der Uraufführung von Franz Salmhofers »Die Dame im Traum«, im Juni 1936 an der Seite von Jussi Björling in »Der Troubadour« und so weiter und so fort ... diese Beispiele sollen nur aufzeigen, dass sie trotz ihrer zwischenzeitlichen ausgiebigen Operettentätigkeit nichts von ihrer Operntauglichkeit eingebüßt hatte.
    Aber der ›Schwanengesang‹ in Österreich war für Vera Schwarz dann doch wieder Operette, im Februar 1938 wurde am Wiener Operntheater drei Mal »Das Land des Lächelns« gegeben; letztmals stand sie hier am 23. Februar mit Richard Tauber auf der Bühne;
    am 12. März 1938 marschierten deutsche Truppen in Österreich ein.


    Nun ergab es sich, dass Fritz Busch für das Festival in Glyndebourne eine Sängerin für die Aufführung von Verdis »Macbeth« suchte; 1938 wurde bei diesem Festival erstmals eine Verdi-Oper neben fünf Mozart-Opern aufgeführt. Aber die für »Macbeth« vorgesehene Sängerin hatte abgesagt, weil ihr die Rolle viel zu schwer war. Grete Busch beschreibt die Situation in Glyndebourne so:


    »Glyndebourne nahm Erich Engels immer wiederholten Rat an und verpflichtete Vera Schwarz. Sie hatte einen einzigen Fehler: sie war nicht mehr jung, aber Glyndebourne gewann in ihr eine Meisterin.«


    Über England emigrierte Vera Schwarz im Dezember 1938 in die USA, wo sie vor allem als Konzertsängerin auftrat, aber auch Opernauftritte in New York und Chicago verzeichnet sind. Und sie hatte sich in USA auch einen Namen als Gesangslehrerin gemacht; sie arbeitete zunächst für Metro-Goldwyn-Mayer und unterrichtete zum Beispiel Nelson Eddy und Jeanette MacDonald, die als Traumpaar des Films galten; auch die von der alten Heimat her bekannte Schauspiel-Sängerin Ilona Massey nahm die Empfehlungen der um ein Dutzend Jahre älteren Vera Schwarz an und es ließen sich noch eine Menge anderer Namen anfügen: Marni Nixon, Patrice Munsel, Hilde Güden, Risë Stevens, John van Kesteren ...


    So ganz neu war für Vera Schwarz das Lehren nicht, denn schon in Wien hatte sie einem jungen Mädchen, dem ab dem zehnten Lebensjahr von verschiedenen Lehrern über einige Jahre hinweg Violinunterricht erteilt wurde, Gesangsunterricht gegeben, was allerdings unter strengster Diskretion vonstattengehen musste, weil vor allem der mächtige Vater von der Gesangsausbildung nichts wissen durfte; die Gesangsschülerin war Margarete Slezak, die Tochter des berühmten Tenors Leo Slezak. Die Gesangsausbildung war so gut, dass Margarete - nach weiteren Studien - bei ihrem Debüt in Brünn in Halévys Oper »La Juive« neben ihrem Vater auftreten konnte.


    Nach dem Zweiten Weltkrieg kam Vera Schwarz immer wieder nach Europa, wo sie ab 1948 auch Meisterklassen am Mozarteum Salzburg unterrichtete. In New York hatte sie für einige Jahre in der 57th Street ein Gesangs-Studio geführt und stellte begeistert fest, dass Amerika wunderschöne Stimmen hat, denn Vera Schwarz pflegte auch Kontakte zu Künstlerinnen der Metropolitan Opera; und sie bereitete auch Sängerinnen gezielt für wichtige Opernaufführungen vor, wie zum Beispiel ihre langjährige Schülerin und Freundin Hilde Güden auf »Die schweigsame Frau« zu den Salzburger Festspielen im August 1959.
    1958 war Vera Schwarz sogar für drei Wochen in pädagogischer Mission auf der Weltausstellung in Brüssel und hat dort erstmals öffentlich unterrichtet, wobei sie mächtig stolz darauf war, dass Österreich, im Gegensatz zu anderen Nationen, die Technik zeigten, Musik ›verkauft‹ hat.
    Ein weiterer Quell der Freude war für sie, dass man damals alte Plattenaufnahmen von 1919, 1920 und 1921von störenden Nebengeräuschen befreien und in weit besserer Qualität hören konnte.


    Die Frage nach ihrer Lieblingsrolle beantwortete sie nach ihrer aktiven Zeit auf der Bühne etwas gewunden, gab dann aber zu Protokoll, dass sie gesanglich die Aida besonders schätzt und wenn es um Gesang und Schauspiel geht, Tosca.
    Nun, alleine an der Wiener Staatsoper, auf dessen Bühne sie fast 250 Mal stand, sang sie die Tosca in 35 Vorstellungen und die Aida 23 Mal.


    Vera Schwarz war eine beachtenswerte Sängerin, was sich noch in Aufnahmen heraushören lässt, die jetzt schon mehr als hundert Jahre alt sind.


    Praktischer Hinweis:
    Ihre letzte Ruhe fand Vera Schwarz in Wien, im Bereich der Feuerhalle. Am Eingang des Friedhofsgeländes befinden sich rechts und links Arkaden. Man geht auf das imposante Gebäude der Feuerhalle zu und an dieser rechts oder links vorbei. Dort, wo das Friedhofsgelände jenseits der Feuerhalle endet, findet man in einer großen Urnenwand die im Foto gezeigte Tafel. Auf dem Friedhofsplan wird die Stelle mit Abteilung MH, Nr. 359 bezeichnet.
    Die Feuerhalle Simmering befindet sich nicht auf dem Gelände des Wiener Zentralfriedhofs, sondern jenseits, Simmeringer Hauptstraße 337.

    Aus technischen Gründen ist es zurzeit nicht möglich ein Foto der Feuerhalle hochzuladen, wenn möglich wird das später ergänzt.


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    Johann Ritter von Herbeck - * 25. Dezember 1831 Wien - † 28. Oktober 1877 Wien


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    Zum heutigen Todestag von Johann Ritter von Herbeck


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    Johann Ritter von Herbeck war in einer Zeitspanne von etwa 25 Jahren eine wichtige Persönlichkeit des Wiener Musiklebens; er pflegte innerhalb des deutschen Sprachraums viele künstlerische Kontakte. Herbeck war Dirigent und Komponist, wobei sein Schwerpunkt der Chorgesang war. Ein ganz wesentliches Verdienst kommt ihm in der Musikgeschichte mit der Entdeckung von verschollenen Werken Franz Schuberts und der Förderung Anton Bruckners zu.


    In Nachschlagewerken wird dargestellt, dass der Junge als Sohn bürgerlicher Eltern geboren wurde. Die in Wien erschienene ›Konstitutionelle Volkszeitung‹ vom Sonntag, den 21. Oktober 1866 beschreibt das in einem Artikel - mit Herbecks Porträt - auf der Titelseite etwas genauer:


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    »Johann Franz Herbeck, geb. zu Wien 25. Dezember 1831, ist der Sohn eines armen Schneiders. Er besuchte schon mit vier Jahren die Schule und verrieth alsbald entschiedene Neigung und Begabung zur Musik. Ein damals viel gesuchter Lehrer Sykora, ertheilte ihm zunächst Unterricht im Gesange, und zwar mit so günstigem Erfolge, daß der Zögling bereits im 10. Lebensjahre als Sängerknabe in das Stift Heiligenkreuz aufgenommen werden konnte, wo er durch seine seltene Sopranstimme und ausgesprochene musikalische Anlage die Aufmerksamkeit berufener Künstler, wie Hellmesberger (Vater), König u. A. auf sich zog, was den Prälaten bewog den Knaben bei dem Kapellmeister Rotter an der Kirche ›am Hof‹ in Wien Harmonielehre studiren zu lassen. Dieser durch einige Monate fortgesetzte Unterricht sowie der früher erwähnte spärliche im Gesange, war Alles, was von Seite der Lehrer für seine musikalische Bildung geschah.
    Die genaue Kenntniß der eigentlichen Musikwissenschaft, sowie einiger Instrumente, verdankte Herbeck seinem eigenen Fleiße und seltenem musikalischen Instinkte. Nach in Wien beendetem Gymnasialbesuche und philosophischen Studien widmete sich Herbeck ausschließlich der Musik.«


    Laut österreichischem Musiklexikon war - entgegen diesem Zeitungsartikel - Johann Herbeck der Sohn eines Schuhmachermeisters, schließlich ist aus beiden Publikationen ersichtlich, dass Herbeck nicht uraltem Adel entstammte.
    Als dieser Zeitungsartikel erschien, war Herbeck 35 Jahre alt und wie man anhand des eingefügten Bildes sieht, fehlt dem Namen hier noch das Adelsprädikat, zur Nobilitierung kam es erst 1874.


    Wenn man sich die Herkunft der Familie betrachtet, die sich auch Hrbek nannte, dann kam sie ursprünglich aus Deutschland; zuerst nach Böhmen und von hier aus nach Wien.
    Johanns Mutter, Therese Triebensee, entstammte einer Familie mit vielschichtiger musikalischer Tradition, so dass außer Zweifel steht woher die außergewöhnliche Begabung des Jungen kam. Aber sie soll eine vergnügungssüchtige, leichtsinnige Person gewesen sein, woraus resultierte, dass es in der in ärmlichen Verhältnissen lebenden Familie oft Streit gab, der Vater soll eine schwache Person gewesen sein, der jedoch das Potenzial seines Sohnes erkannte. Johann kam zwar am Weihnachtstag als Sonntagskind zur Welt, aber sein Bruder Ludwig stellt fest: ›unter recht mißlichen materiellen und moralischen Umständen verfloß seine Kindheit, und in den Lehrjahren hatte er unter den drückendsten Verhältnissen zu leiden.‹


    Johann wurde als Fünfjähriger in die Volksschule zu St. Stefan geschickt. Nachdem vier Klassen absolviert waren, ließ ihn der Vater für zwei Jahre am akademischen Gymnasium studieren, was kein Studium im heutigen Wortsinn gewesen sein kann.
    Aber der Knabe muss hochintelligent gewesen sein, denn es ist überliefert, dass er den Inhalt von zwei Buchseiten nach nur zweimaligem Durchlesen intus hatte.
    Nachdem er die zwei unteren Gymnasialklassen mit gutem Erfolg absolvierte, kam es in den ersten Oktobertagen des Jahres 1843 zur wohl entscheidenden Begegnung mit Georg Hellmesberger, der selbst einmal Gymnasialzögling und Sängerknabe im Zisterzienserstift Heiligenkreuz - südwestlich von Wien - war. Der bekannte Violinist erkannte recht schnell die Begabung des Jungen, wusste aber auch, dass der arme Schneidermeister nicht in der Lage war, von sich aus für die musikalische Ausbildung seines Sohnes zu sorgen. Hellmesberger hatte aber die künstlerische Autorität auf den Prälaten entsprechend einzuwirken.
    Nun hatte sich Johann einer Gesangsprüfung zu unterziehen, welche vom Organisten des Stiftes, Ferdinand Borschitzky vorgenommen wurde. Er bestand diese Prüfung mit Bravour und versetzte die Anwesenden in Staunen.
    Die Knaben erhielten hier unentgeltlich Wohnung, Kost und uniformierte Kleidung; ihre Lebensweise war spartanisch streng, wobei man letzteren Begriff auch Sadismus nennen kann. Der Tag begann um 5 Uhr morgens und es kam schon mal vor, dass man den Schnee von der Bettdecke nehmen musste.
    Ab 1842 sind erste Kompositionsübungen bekannt, sein musikalisches Vorbild war damals Mozart. Auch seine Singstimme - sie wird als biegsame und kräftige Sopranstimme beschrieben - gelangte zu höchster Blüte, so dass alle in der Kirche auszuführenden Sopran-Soli von ihm vorgetragen wurden.
    Da er alles a vista sang, fielen die Wiederholungen für ihn weg und er konnte in der für ihn frei gewordenen Zeit Violine, Viola oder Violoncello üben, letzteres Instrument liebte er, seines elegischen Tones wegen, besonders. Immer wieder reizte ihn das Komponieren, aber das geschah immer in der Angst vom überstrengen Präfekten dabei erwischt zu werden.


    1844 wurde schließlich geduldet, dass man ein von Herbeck komponiertes Streichquartett aufführen durfte. Sogar Kreutzers »Das Nachtlager von Granada« wurde aufgeführt, wobei Herbeck die Gabriele sang. Als das Kloster 1846 ein Jubiläum feierte und dabei Mozarts Requiem aufgeführt wurde, kam sogar der berühmte Bassist Josef Staudigl ins Kloster und Johann hatte Gelegenheit diesen singen zu hören.
    Etwas später ließ man den jungen Mann unter Borschitzkys Anleitung auch an die Orgel, wo er bei Anwesenheit von Kaiserin Maria Louise (Witwe von Napoleon I.) Variationen über die österreichische Volkshymne vortrug, die so zu gefallen wussten, dass sie sich den jungen Mann vorstellen ließ.


    Nachdem das Untergymnasium absolviert war, musste er den folgenden Stoff beim Präfekten absolvieren und durfte sich während der zwei Jahre ungehindert dem Studium der Musik hingeben. Nun kam Johann zeitweilig auch nach Wien, um seine Lektionen entgegen zu nehmen.
    Sein Lehrer war Ludwig Rotter, damals Kapellmeister in der Kirche am Hof in der inneren Stadt. Nachdem Johann am Obergymnasium in Neustadt die Prüfungen mit glänzendem Erfolg abgelegt hatte, verließ er im August 1847 Heiligkreuz, um seine Studien bei Rotter bis zum Spätherbst fortzusetzen.
    Im Oktober trat er als ›Hörer der Philosophie‹ an der Wiener Universität ein, um sich für die eigentliche Hochschule vorzubereiten. Eine schwere Krankheit beendete diese Ansätze, die immer noch prekären Verhältnisse zu Hause trugen zur Genesung nicht bei.


    Ausgerechnet im einst so schlimmen Kloster - er war ja jetzt kein Zögling mehr - konnte er seine Gesundheit wiederherstellen.
    Sein einstiger Sopran hatte sich zwischenzeitlich in einen sonoren Bass verwandelt und er ließ sich mit dem Vortrag »In diesen heiligen Hallen« und der Registerarie bewundern.
    Wieder nach Wien zurückgekehrt, beteiligte er sich an sonntäglichen Aufführungen von Rotter in der Kirche ›am Hof‹, was etwas Geld einbrachte.
    Es waren inzwischen stürmische Zeiten angebrochen, plötzlich befand sich Herbeck ungewollt inmitten dieser Turbulenzen und es war reine Glückssache mit heiler Haut davon gekommen zu sein.


    Seine im Kloster erworbene umfassende Bildung machte es möglich dass Herbeck auch als Hauslehrer zu gebrauchen war. Bei der in Münchendorf - südlich von Wien - ansässigen Familie des Fabrikbesitzers Karl von Thornton war Sohn Ernst zu unterrichten, es war zu Beginn des Winters 1848-49. Im Haus des Fabrikanten erlebte er eine gänzlich andere Atmosphäre als in seinem Elternhaus; natürlich stand ihm nach dem Unterricht im Salon auch ein Klavier zur Verfügung.
    In dieser Zeit entstanden viele Liedkompositionen, vor allem nach Texten von Ludwig Uhland.
    Nebenbei studierte er weiter Philosophie, aber ließ sich auch im Februar 1850 an der juristischen Fakultät der Universität Wien einschreiben, wobei er nebenbei noch Physik hörte, was vermutlich ein Versuch war, die Welt der Töne physikalisch zu verstehen, aber mangelnde mathematische Kenntnisse ließen ihn diesen Versuch abbrechen.
    Johann Herbeck kam nun immer mehr mit den ›besseren Familien‹ Wiens in Kontakt; so auch mit der Familie Halstuker; der zu unterrichtende Knabe Stephan erwies sich zwar als völlig unmusikalisch, aber da war dann noch Marie, eine Tochter des Hauses, die Johanns Interesse geweckt hatte.


    Allerdings sprach sich die Mutter entschieden gegen die Verbindung der beiden aus, da offensichtlich war, dass der junge Mann keine Familie ernähren konnte - noch nicht, kann man hinzufügen, wenn man den weiteren Verlauf kennt. Im Vorgriff sei festgehalten, dass die gegründete Familie im Endeffekt aus drei Jungs und einem Mädchen bestand.


    Um die Jahreswende 1851/52 war der nun Zwanzigjährige zu der Erkenntnis gelangt, dass mit dem Jurastudium in absehbarer Zeit kein Geld zu verdienen ist, er aber mit seinen fundierten Kenntnissen in der Musik eher vorwärts kommen könnte.
    Durch seinen vielfältigen Einsatz als Organist, Violinspieler und Sänger war er den maßgeblichen Herren des Piaristen-Ordens aufgefallen, so dass diese die gesamte künstlerische Leitung der Musikaufführungen in Herbecks Hände legten.
    Herbeck konnte hervorragende Solisten einsetzen, aber auch bei einigen Messen viele Mitglieder des Wiener Männer-Gesangvereins, dem Herbeck nun im Frühling 1852 ebenfalls beitrat.
    Die Mitgliedschaft regte ihn zu Kompositionen an und in diese Zeit fällt auch seine Hochzeit von der etwas eigenartige Daten überliefert sind. Am 5. Juli fand die Trauung morgens um acht Uhr in der kleinen Kapelle St. Stephan in aller Stille statt, Brautleute und Zeugen waren dabei in gewöhnlicher Kleidung erschienen.
    Durch Stundengeben verdiente er den kärglichen Lebensunterhalt, aber er komponierte auch eine Musik zu »Faust«, die er in späteren Jahren etwas kritisch sah. Innerhalb dieses Kreises komponierte Herbeck sehr viele Werke, die auch zur Aufführung kamen, aber es stellte sich heraus, dass man ihn, bei aller Anerkennung seiner Leistung, wegen ›Ungunst der gegenwärtigen Zeitverhältnisse‹ nicht mehr als Chormeister beschäftigen könne. Da war nun nicht nur der finanzielle Verlust, sondern auch das Ansehen seiner Person im öffentlichen Kunstleben.


    1854 war nun Franz Abt, ein damals hochangesehener Komponist, für einige Tage nach Wien gekommen und die beiden verstanden sich auf Anhieb hervorragend. Nach Abts Abreise entstand ein reger Briefverkehr und da ist in einem Abt-Brief nachzulesen:
    »Daß Ihnen noch eine bedeutende Zukunft bevorstehe, diese Entdeckung darf ich mich rühmen, bei dem ersten Zusammentreffen mit Ihnen gemacht zu haben« und in einem anderen Brief:
    »Habe ich Ihnen nicht bei unserem ersten Zusammentreffen gesagt, daß Sie noch ein berühmter Mann werden?«


    Die Begegnung mit Abt trug dahingehend Früchte, dass dieser als Herausgeber der Bände ›Lieder-Perlen aus der Deutschen Sängerhalle‹ auch Lieder von Herbeck veröffentlichte.
    Zu dieser Zeit vertonte Herbeck eine Reihe Gedichte von Otto Roquette.
    Hieraus ergab sich, dass sich Herbecks finanzielle Situation so verbesserte, dass er sich eine Reise nach München leisten konnte, wo 1854 kulturell einiges geboten war.


    Im Frühjahr 1856 wurde Herbeck mit 71 gegen 31 Stimmen zum Chormeister des Wiener Männergesang-Vereins gewählt, der Wahl waren einige Querelen vorausgegangen.
    Einen ganz großen Auftritt hatte Herbeck bei der Grundsteinlegung der mächtigen Votivkirche; er komponierte zu diesem Anlass einen Chor und ein Tedeum,
    Die Kaiserfamilie sowie weltliche und geistliche Würdenträger waren zugegen als Herbeck seinen 200-stimmigen Chor leitete.
    Großes Lob konnte er auch von Heinrich Marschner ernten als dieser nach Wien kam.
    Zu einem Sängertreffen in Salzburg waren aus vielen Städten Gesangvereine gekommen, die vor einer Anzahl gekrönter Häupter sangen und Herbeck hatte die Ehre dem Gesang aus 2000 Kehlen die richtige Form zu geben. Beifall und Lob waren gewaltig und sein Ansehen sowohl außerhalb als auch intern erheblich gestiegen, bei der anstehenden Wahl 1856-57 lautete das Ergebnis 108 gegen 7 Stimmen.
    Als Herbeck mal in Wien mit Franz Liszt zusammen traf, war das für ihn ein Grund auch Werke dieses großen Meisters aufzuführen, aber ein rauschender Erfolg ergab sich daraus nicht, er musste sich sogar mit der Zensur auseinander setzten.
    Erfolgreicher war in Wien die Hebung des Liederschatzes von Friedrich Silcher, die ›Hits‹ waren dabei »Loreley« und »Untreue«.
    Als großen Erfolg befand Herbeck die Aufführung seines Quartetts in D-moll durch Hellmesberger.


    Ganz große Verdienste erwarb sich Herbeck um das Werk Franz Schuberts, den man in Wien zwar als den Komponisten von Liedern kannte, aber zu Herbecks Zeit waren - mit wenigen Ausnahmen - sowohl in Österreich als auch in Deutschland, Schuberts große Werke für Orchester und Chor unbekannt. Sie schlummerten in Archiven und verstaubten in Rumpelkammern. Herbecks erster bedeutender Fund war »Gesang der Geister über den Wassern«; dieses Stück war in Wien 1821 ein einziges Mal öffentlich zu Gehör gebracht worden, anstatt mit großem Chor, war das Stück nur mit acht Stimmen besetzt und konnte in dieser Form nicht gefallen.
    Herbeck fand das Manuskript 1857 in einem Stapel Papier, das der Geschäftsführer einer Musikalienhandlung gerade beiseiteschob; auf Herbecks Frage was das sei war die Antwort: ›Nix als Schmarr´n‹.
    1857 waren in Weimar Festlichkeiten angesagt und Herbeck war von Franz Liszt eingeladen worden und dehnte das zu einer Rundtour aus, die ihn in verschiedene Städte in die nördliche Hälfte Deutschlands führte.
    Weimar - an räumlicher Größe mit Wien verglichen, unbedeutend - war damals das Zentrum deutschen Kunstlebens; Liszt lebte seit zehn Jahren als ›Hofkapellmeister in außerordentlichen Diensten‹ am Hofe des Großherzogs.


    Herbeck konnte in Wien seine 2. Symphonie aufführen, welche die Gesellschaft der Musikfreunde zur öffentlichen Aufführung angenommen hatte. Diese Aufführung gab den Anstoß zur Ernennung als Leiter des zu gründenden Singvereins, gleichzeitig erfolgte seine Ernennung zum Professor der Männergesangschule am Konservatorium der Gesellschaft.
    Als Chormeister plagte er sich gerne für geringen Lohn, aber im Lehrberuf fühlte er sich nicht recht wohl und erachtete diesen Lohn als sauer verdientes Geld.
    Einmal schrieb er in einem Brief: »Ich habe mich während meiner aus freien Stücken aufgegebenen Professur am hiesigen Conservatorium im Jahre 1858 überzeugt, dass mir das Professor sein durchaus ungesund ist ...«


    Im November 1860 stellte Herbeck in Wien ein neues Orchester zusammen und führte Schumanns »Manfred« und ›Symphonische Fragmente‹ von Schubert auf; seinem Tagebuch vertraute er an: »... mit Ausnahme des Scherzo (aus der C-dur Nr. 6) nie und nirgens aufgeführt - unglaublich! Schubert! warum warst du ein Wiener und kein Engländer!«
    Im März 1861 führte Herbeck in einer konzertanten Aufführung auch erstmals Schuberts Singspiel »Der häusliche Krieg« auf.


    Aber Herbeck produzierte auch eine Menge eigener Kompositionen, die er zum Teil unter Pseudonym an die Öffentlichkeit brachte, weil er mitunter annehmen musste, dass seine Werke von der Kritik nicht fair beurteilt wurden; in seinem Tagebuch notierte er zum Beispiel:
    »Melchior Frank- Doppelchor, muß auf stürmisches Verlangen wiederholt werden; ob daselbe der Fall gewesen wäre, hätten die Leute gewußt, daß der Chor von mir componirt ist?«


    Als die Gesellschaft der Musikfreunde im Jahr 1863 beschloss die Särge von Beethoven und Schubert umzubetten, war Herbeck mit dieser Maßnahme überhaupt nicht einverstanden und protestierte wortreich dagegen.
    Dennoch war er dann bei der Zeremonie zugegen; als die beiden Särge am 22. Oktober feierlich beigesetzt wurden sang der Chor unter Herbecks Leitung »Die Ehre Gottes« von Beethoven und Schuberts »Litanei am Fest Allerseelen«.


    Schon seit fünf Jahren hatte Herbeck davon Kenntnis, dass der in Ober-Andritz (heute ein Stadtteil von Graz) wohnende Anselm Hüttenbrenner im Besitz einer unvollendeten Schubert-Symphonie ist und versuchte mit diplomatischer Schläue in den Besitz dieses Werkes - dem im Oktober 1822 komponierten H-moll-Fragment - zu kommen.
    Endlich, am 18. Dezember 1865 konnte er das Werk in Wien aufführen.


    Neben dem großen Engagement für Schuberts Werke, war Herbeck ›der‹ große Förderer Anton Bruckners; schon 1861 saß er in einer Prüfungskommission, die:
    aus Bruckners Lehrer Sechter, Hellmesberger, Dessoff, Schulrat Becker und Herbeck bestand.
    Bruckner hatte nämlich beim Wiener Konservatorium um eine Maturitätsprüfung im Contrapunkt gebeten, die er glänzend bestand, und Herbeck sagte nach dieser etwas eigenartigen Prüfung:
    »Er hätte uns prüfen sollen - wenn ich den zehnten Teil von dem wüsste, was er weiß, wäre ich glücklich.« In der Literatur findet man den Satz:
    »Von dieser Zeit angefangen ließ Herbeck den genialen Contrapunktisten und Orgelspieler nicht mehr aus den Augen«
    Nachdem Herbeck in Wien entsprechend sondiert hatte, ließ er durch einen Mittelsmann bei Bruckner anfragen, ob dieser denn keine Lehrerstelle am Konservatorium anstreben wolle, aber Bruckner hatte daran kein Interesse. Nun begab sich Herbeck 1868 selbst nach Linz und fuhr mit Bruckner zum nahe gelegenen Kloster St. Florian. Auf dieser Fahrt bedrängte er den Widerspenstigen mit der Drohung: »Gehen Sie aber nicht, so reise ich nach Deutschland, um draußen einen Fachmann zu akquirieren, ich meine aber, dass es Österreich zur größeren Ehre gereiche, wenn die Professur , die Sechter früher versehen, von einem Einheimischen bekleidet wird.«


    1866 beginnt für Herbeck ein neuer Lebensabschnitt, er wird nun Hofkapellmeister und arbeitet mit erstrangigen Künstlerinnen wie zum Beispiel Désiré Artôt, Karoline Bettelheim, Marianne Bischoff (Brandt), Louise Dustmann, Marie Wilt ... zusammen und tauscht sich mit dem in München wirkenden Intendanten Karl von Perfall brieflich aus, macht aber auch Besuche in München, wo er unter anderem einer »Meistersinger«-Aufführung beiwohnte und auch mit dem Maler Wilhelm von Kaulbach befreundet war und - auf Anregung Kaulbachs - dem Maler Hans Makart in Wien aus den Startlöchern half und der dann dort über sich hinaus wuchs.
    Baron Perfall hatte Herbeck schon 1864 eine Kapellmeisterstelle am Hoftheater in München angeboten, aber Herbeck hing - trotz einiger Querelen zuhause - an Wien und konnte auch nicht einschätzen inwieweit ihn die Situation in München befriedigen würde. Herbeck hielt viel von der Münchner Oper, weil er dort bessere Wagner-Aufführungen erlebte als in Bayreuth.


    Mit dem Bayreuther Meister war das so eine Sache, einmal verließ dieser erbost und verärgert eine »Rienzi«-Vorstellung in Wien, dann war Wagner in Bayreuth wieder die Freundlichkeit selbst, um, etwas später, wieder schlecht über Herbeck zu reden.
    Da bestand zwischen Franz Liszt und Herbeck ein weit besseres, freundschaftlich, ja herzliches Verhältnis.


    Obwohl die Musik sein Ein und Alles war, hatte er eine Leidenschaft für Bilder und Antiquitäten entwickelt, wobei der Stolz seiner Sammlung ein 1871 erworbener Männerkopf von Tizian war, zwar nur 20x17 Zentimeter groß und unsigniert, wurde aber von Kunstkennern als echt anerkannt.


    Johann Ritter von Herbecks Leben ging früh zu Ende; als er seine letzte Symphonie, die sogenannte ›Orgelsymphonie‹, Ende Juli in nur fünf Tagen geschrieben hatte, sagte er zu seiner Frau:
    »Marie, ich versichere dich, wenn diese Symphonie keinen Erfolg erringt, dann lasse ich das Komponieren sein!« Musikgeschichtlich hatte er diesen Akzent neun Jahre vor Camille Saint-Saëns gesetzt.
    Am Sonntag, 21. Oktober dirigierte Herbeck noch Schuberts Es-Messe, am 23. kam der Arzt und es stellte sich allmählich heraus, dass es eine Lungenentzündung war. In den Folgetagen ging es dem Patienten unter der Aufsicht von drei Ärzten zusehends schlechter, am darauf folgenden Sonntag verließ Johann Ritter von Herbeck kurz vor 10 Uhr diese Welt - er war ein Sonntagskind.


    Praktischer Hinweis:
    Das Grabmal von Johann Ritter von Herbeck befindet sich auf dem Zentralfriedhof Wien, Simmeringer Landstraße 234.
    Vom Tor 2 kommend geht man der Hauptachse geradeaus und erreicht Gruppe 32 A kurz nach den Alten Arkaden links des Hauptweges.
    Man kann von etwa drei bis fünf Gehminuten ausgehen, Friedhofspläne stehen ausreichend zur Verfügung.


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    Ein Ehrenplatz im kleinen Park


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    Nachdem Herbert Alsen im Herbst 1978 gestorben war, setzte man ihm in einem kleinen Park in Mörbisch, der nun seinen Namen trägt, einen Gedenkstein, der vor allem an die großartige Leistung des Sängers bei der Gründung und Konzeption der Seespiele erinnert, die praktisch aus dem Nichts und mit sehr viel Wagemut und Herzblut geschaffen wurden.
    Die verfügbare Landschaft an Österreichs größtem See - auch wenn er nicht ganz zu Österreich gehört - war herrlich, aber viele andere Daten eher dürftig.
    Das Burgenland hatte gerade mal 270.000 Einwohner und Mörbisch lag in einer Art Sackgasse, denn es fehlte das Hinterland, weil hier der sogenannte ›Eiserne Vorhang‹ eine fast unüberwindliche Grenze war, aber eben nur fast, denn südlich von Mörbisch führt ein Fuß- beziehungsweise Radweg nach Ungarn und nach guten drei Kilometern kommt man zu der denkwürdigen Stelle, wo am 19. August 1989 ein Paneuropäisches Picknick stattfand.


    Eigentlich hatte Herbert Alsen mit seinen angedachten Seespielen zunächst eher die ›Storchenstadt‹ Rust - gut fünf Kilometer von Mörbisch entfernt - im Auge, aber dort hatte man kein Interesse.
    In einem Presseartikel vom 30. Juni 1957 - also kurz vor Eröffnung - äußerte sich Alsen zu seinen Plänen in Mörbisch:


    »Die Seespiele sollen nicht Festspiele sein, denn nichts liegt uns ferner, als die übergroße Zahl der Festspielstätten noch zu vergrößern. Nein, wir wollen aus den hiesigen Gegebenheiten etwas Neues entwickeln. Welches Werk wäre hier geeigneter als der ›Zigeunerbaron!‹ Er ist gleichsam in diese Landschaft hineinkomponiert!
    Natürlich wollen wir eine sehenswerte Aufführung herausbringen, dem Werk und seinem Schöpfer in Ehrfurcht dienen, und das Ensemble schöner Stimmen, das sich uns von der Staatsoper und anderen Bühnen Österreichs zur Verfügung gestellt hat, wird diese Absicht verwirklichen.
    Grundlage der Spiele aber sind die Aufgeschlossenheit, der Idealismus, die Tatkraft und künstlerische Begabung der Mörbischer.
    Wo Sie hinkommen, auf den Feldern, in den Weingärten, in den Wohnungen - überall wird der ›Zigeunerbaron‹ gesungen. Das zu erleben ist beglückend! Wer die Schwierigkeiten kennt, unter denen Professor Karl Winkler die Probearbeiten leisten musste, kann ermessen, dass nur die einmalige Begeisterung und Opferbereitschaft aller Mitwirkenden diese Spiele ermöglicht haben.
    Und wir hoffen, dass wir auch den Zuschauern etwas von unserem Idealismus und unserer Begeisterung vermitteln können.«


    Zwischen dem 6. und 21. Juli 1957 wurde der »Zigeunerbaron« auf der 42 x 20 Meter großen Bühne sechs Mal aufgeführt. Die Vorstellungen begannen um 19:00 Uhr, also noch bei Tageslicht, damit sich das Bild der Landschaft und der Szenenwechsel in der Natur mit der Bühnenhandlung verbanden; die MESZ gab es damals noch nicht.


    1955 war das Ehepaar Alsen ins Burgenland gekommen und 1957 gingen dann die ersten Seespiele über die Bühne. Ganz einfach war das nicht, denn es mussten nicht nur Erdhügel aufgeschüttet werden, damit 1.200 Sitzplätze in Form von langen Holzbänken aufgestellt werden konnten, sondern es war auch noch die Zustimmung vom Fürsten Esterhazy einzuholen, wovon ein reger Briefverkehr zeugt, der in der dritten Person geführt wurde.


    Im zweiten Jahr standen dann schon 1.500 Plätze zur Verfügung, dann bald 3.000 und um die Jahrtausendwende saßen dann mehr als 6.000 Gäste auf bequemen Klappstühlen, aber da war der einstige Spiritus Rektor längst nicht mehr da.
    Unter seiner Intendanz fanden auf der Seebühne 25 Premieren statt und auch ganz berühmte Sängerinnen und Sänger wie zum Beispiel: Ljuba Welitsch, Sari Barabas, Helge Rosvaenge, Karl Friedrich ... traten auf der Seebühne auf.


    Heute beherrschen hier andere Namen das Programm, aber da schweigt des Sängers Höflichkeit ...

    Herbert Alsen - * 12. Oktober 1906 Hildesheim - † 25. Oktober 1978 Wien


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    Zum heutigen Todestag von Herbert Alsen


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    Von Geburt aus hieß der Sänger Herbert Murke und legte sich bei Aufnahme seiner Bühnentätigkeit den Künstlernamen Herbert Alsen zu, unter dem er dann in seiner beachtlichen Karriere bekannt wurde, dass es auch eine dänische Insel gleichen Namens gibt, wurde ihm erst später bewusst.
    Der Sohn eines Architekten war evangelisch, spielte aber bereits in seiner Gymnasialzeit als Konzertmeister im bischöflichen Orchester seiner Heimatstadt. Die Erinnerungen an seine Schulzeit im Jesuitengymnasium ließen ihn nicht gerne an diese Zeit zurück zu denken.
    Eigentlich wollte er Geiger werden, aber sein Lehrer riet davon ab eine Karriere als Geiger anzustreben, weil, bei aller Begabung mit diesem Instrument, die Entwicklung der außergewöhnlichen Gesangsstimme weit mehr künstlerischen Erfolg versprechen würde. Während seines Musikstudiums in Berlin studierte er parallel dazu an der Friedrich-Wilhelms-Universität Theaterwissenschaften.


    Im Joseph Haydn-Gedenkjahr 1931/32 wurden in verschiedenen Städten Oratorien des Geehrten aufgeführt und Alsen war bei den ausführenden Sängern mit dabei und wurde direkt von der Tournee-Station Hamburg aus an das Theater Hagen in Westfalen als erster Bassist verpflichtet, wo er als Rocco in »Fidelio« debütierte. Nachdem er hier im ersten Jahr seines Engagements noch zehn weitere Rollen gesungen hatte, ging Alsen im folgenden Jahr an das Landestheater Dessau und war dann 1934-36 am Staatstheater Wiesbaden.


    Am Allerheiligentag des Jahres 1935 gab Alsen dann an der Wiener Staatsoper ein Gastspiel; in einer »Parsifal«-Aufführung sang Herbert Alsen unter dem Dirigat von Felix Weingartner als Gurnemanz, eine Rolle, die er bis 1948 an diesem Hause sang; ab 1936 war er dann festes Mitglied der Staatsoper Wien.
    Wer in Wien erfolgreich singt ist in der Regel auch in Salzburg gefragt; so sang er bei den Salzburger Festspielen 1936-38 den Pogner in den »Meistersingern«, 1939 den Kaspar im »Freischütz«, 1936 und 1941 den Komtur in »Don Giovanni«, 1938 den Landgrafen im »Tannhäuser«, 1939 und 1941 das Bass-Solo in der 9. Sinfonie von Beethoven.
    Nach dem Zweiten Weltkrieg war er in Salzburg im August 1947 an der Uraufführung von »Dantos Tod«, einer Oper von Gottfried von Einem, beteiligt und wirkte ein Jahr später als Rocco in »Fidelio«-Aufführungen unter Wilhelm Furtwängler mit.


    Um in Salzburg zu bleiben wurde der Zeit etwas vorausgeeilt, denn es sind noch Alsens Gastspiele an der Grand Opéra Paris zu erwähnen, die er dort 1935 und 1938 als König Marke in »Tristan und Isolde« absolvierte.
    1937 sang Alsen bei den Festspielen in Glyndebourne unter Fritz Busch den Osmin in »Die Entführung aus dem Serail« und Serastro in »Die Zauberflöte«.


    Im ›Großen Sängerlexikon‹ findet man den lapidaren Eintrag: »Er sang in der Saison 1938-39 an der Metropolitan Oper New York».
    Wenn man in der New York Times vom 9. Januar 1939 blättert, findet man einen Hinweis, dass Herbert Alsen in New York zunächst sein Debüt in »Tannhäuser« gab, die Besetzungsliste nennt: Flagstad, Branzell, Farell, Melchior, Schorr und Alsen sowie Leinsdorf als Dirigent der Aufführung.
    In der New York Times vom 17. Januar1939 findet man sogar eine ausführliche Würdigung des Debüts als König Marke in »Tristan und Isolde«:


    »Für einige Gäste war es vielleicht eine Neuigkeit, als sie durch ihre Programme blätterten, dass auch ein Sänger namens Herbert Alsen in der Besetzung war. Auf jeden Fall ist Mr. Alsens Auftritt als König Marke heute Morgen für die breite Öffentlichkeit von größerem Interesse, da dies sein amerikanisches Debüt war.
    Der neue deutsche Bassbariton stellte seine Qualitäten als Künstler eindrucksvoll unter Beweis. Er sang die beredte, trauernde Musik von König Marke im Bewusstsein ihrer Bedeutung und ihres Platzes im Schema des Musikdramas. Seine Phrasierung hatte die Richtigkeit und das Wissen solider Musikalität, und sein Schauspiel war einfach und zurückhaltend. er ist weit über 1,80 Meter groß und es fällt ihm nicht schwer, gebührend königlich auszusehen. Herr Alsen hat, dieser einen Anhörung nach zu urteilen, eine großzügig ausgestattete Stimme. Am besten schien es in den tieferen Tönen zu sein, aber es lag möglicherweise eher an der unvermeidlichen Nervosität eines Debüts als an inhärenten Mängeln. Er wird in anderen Rollen in der Wagner-Galerie zuhören sein und es wird Zeit sein, die Fülle seiner Talente zu entdecken.«
    (DeepL-Übersetzung)


    Im Wagner-Fach sang er damals ebenfalls an der Oper von Monte Carlo und etwas später auch in Rom. Auch bei den Festspielen von Zoppot - dem damaligen ›Bayreuth des Nordens‹ - wirkte er 1942 mit, wo »Meistersinger« und »Siegfried« gegeben wurde.


    Wie bereits erwähnt, sang Alsen nach dem Zweiten Weltkrieg wieder bei den Salzburger Festspielen und gastierte an der Staatsoper München, an der Nationaloper Budapest, am Teatro Liceo Barcelona sowie am Teatro Comunale Bologna, wobei diese Aufzählung längst nicht vollständig ist. In Nachschlagewerken findet man häufig den Eintrag, dass Herbert Alsen 1959 seine Bühnenkarriere wegen eines Autounfalls beendete, was nach Angaben seiner Nachkommen so nicht richtig ist, sie sagen aus, dass der Vater, respektive Großvater, nicht mit nachlassendem Stimmpotenzial durch Gesangsveranstaltungen tingeln wollte.
    Während seiner Sängerkarriere hatte Alsen sowohl in Wien als auch unterwegs stets einen Chauffeur zur Verfügung; erst in Mörbisch musste er sich ein Auto zulegen und der Unfallgrund war ein technischer Defekt am Fahrzeug, der das Auto auf dem Weg von Eisenstadt nach Mörbisch aus der Kurve trug. Von den dabei erlittenen Verletzungen hat er sich nie vollständig erholt und hatte bis zu seinem Tod immer wieder Schmerzen in der Hüfte und im Bein.
    Nach seiner aktiven Zeit als Sänger gab es doch auch Veränderungen im privaten persönlichen Bereich. Obwohl er in seiner aktiven Zeit als Sänger verrauchte Räume - die es damals noch zuhauf gab - mied und selbst Nichtraucher war, gönnte er sich in seinen späteren Jahren dann doch ab und an mal eine Zigarre.
    Man wird vielleicht auch etwas überrascht sein zu erfahren, dass Herbert Alsen schon immer ein gewisses Faible für Marschmusik hatte und es ihm Vergnügen bereitete mal sonntagmorgens eine entsprechende Platte aufzulegen.


    Seit 1942 war er mit der um 16 Jahre jüngeren Kostümbildnerin Gisela Bossert verheiratet, es muss eine glückliche Begegnung gewesen sein, denn zwischen erstem Kennenlernen und Hochzeit lagen gerade mal vier Wochen, in der Rückschau meinte Frau Gisela lachend:
    ›Ich hab eigentlich einen wildfremden Menschen geheiratet.‹
    1943 wurde Tochter Marina geboren, man hatte eine Familie gegründet und kam 1955 ins Burgenland, wo gerade erste tastende Versuche stattfanden die Gegend dem Tourismus zu erschließen. Kammersänger Alsen - diesen Titel trug er ab 1947 - entwickelte die Idee in Mörbisch Seespiele stattfinden zu lassen. Das war eine kühne Idee, denn bedingt durch die damaligen politischen Verhältnisse, lag Mörbisch damals am Ende der westlichen Welt, Mörbisch war so etwas wie eine Sackgasse direkt am Eisernen Vorhang; es fehlte das Hinterland und nach Wien waren es beachtliche 80 Kilometer.
    Vorteilhaft war dagegen, dass man das Ballett recht preiswert aus Ungarn und der Tschechoslowakei engagieren konnte. Die gesamte Familie Alsen ging ganz in der Aufgabe auf, den Seespielen zum Erfolg zu verhelfen; Mutter Gisela war bis 1991 für den Entwurf der Kostüme zuständig und die 13-jährige Tochter Marina stand auch auf der Bühne als es dann endlich 1957 nach etwa zweijähriger Vorbereitung los ging - »Der Zigeunerbaron« war die erste Aufführung, 1.200 Besucher kamen zur Premiere. 1960 sagte er einmal in einem Interview, dass man die Wiener Operette mit ungarischen Kolorit pflegt, »Die Atmosphäre fordert dazu heraus.«
    1959 kam für Herbert Alsen noch die Intendanz der ›Burgspiele Forchtenstein‹ hinzu und es gelang berühmte Namen auf die Burg zu holen, dem Sommertheater wurde Burgtheaterniveau attestiert, aber heute ist das Geschichte und die Seefestspiele in Mörbisch haben seit dem Tod ihres Begründers auch erhebliche Veränderungen erfahren.


    Seine gewaltige Stimme ist der Nachwelt auf Tonträgern erhalten, die natürlich zur Glanzzeit des Sängers noch nicht so zahlreich produziert wurden, wie dies später der Fall war.
    Es gibt aber eine vollständige »Meistersinger«-Aufnahme mit Toscanini von den Salzburger Festspielen 1937 und zahlreiche Archivaufnahmen aus der Wiener Staatsoper.
    Auch in der Raucheisen Edition ist Herbert Alsen mit vier Liedern vertreten:
    Ludwig v. Beethoven »Prüfung des Küssens« / Franz Schubert »Grenzen der Menschheit« und »Pensa, che questo istante« / Carl Loewe »Der alte Schiffsherr« / Richard Strauss »Im Spätboot«.


    In einem Zeitungsbericht vom Mittwoch, 8. November 1978 steht unter einem Foto von der Trauerfeier: »Eine große Trauergemeinde füllte am Donnerstag den evangelischen Friedhof von Mörbisch, als Kammersänger Professor Herbert Alsen, der vor kurzem im 72. Lebensjahr gestorben war, beigesetzt wurde. Nicht nur das offizielle Burgenland - vertreten durch die Spitzen der Landesregierung - gaben dem Intendanten der Burgenländischen Festspiele das letzte Geleit; unter den Trauergästen befanden sich auch zahlreiche berühmte Schauspieler, Sänger und Regisseure.


    Praktische Hinweise:
    Man findet das Ehrengrab der Gemeinde auf dem evangelischen Friedhof in Mörbisch am See, er liegt an dem Sträßchen Nussau dem kleineren katholischen Friedhof gegenüber.
    Der evangelische Friedhof ist sowohl von der Hauptstraße als auch der Friedhofsgasse aus zugänglich. Beim Eingang an der Friedhofgasse geht man den leicht ansteigenden Weg geradeaus und biegt dann nach links ab.


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    Der Eingang an der Friedhofsgasse


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    Das Kammersänger Bernd Weikl Museum in Bodenmais


    Die Historie der Musik - da gehen in der Regel die Gedanken weit zurück; diese Schau-Stätte in Bodenmais ist ein Novum, denn die Ausstellungsstücke sind einem noch lebenden Künstler gewidmet, der auf sein beeindruckendes Lebenswerk zurück blickt, auf das im Folgenden etwas näher eingegangen werden sollte - dann kann es auch in einem Museum recht lebendig werden.


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    »Licht & Schatten«


    So hat der mehrfache Kammersänger Bernd Weikl seine Lebenserinnerungen beschrieben; ein sehr ehrliches Buch, dem noch andere Bücher des fleißigen Autors zu unterschiedlichen Themen folgten.
    Bernd Weikl wurde am 29. Juli 1942 im neunzehnten Bezirk von Wien - in Döbling - geboren, empfindet jedoch die Gegend um den Großen Arber als seine eigentliche Heimat; in Bodenmais, im östlichen Bayerischen Wald, verlebte er einige Jahre seiner Kindheit und die ersten Schuljahre, die auch von Licht und Schatten geprägt waren. Nachdem der Vater im Notstandsgebiet des Bayrischen Waldes arbeitslos geworden war, findet sich die Familie 1952 in Mainz wieder, wo der Junge das Gymnasium am Kurfürstlichen Schloss besucht, was großartig wirkt, aber dazu ist zu bemerken, dass zu dieser Zeit dort der Unterricht noch im Keller stattfand, wo auch mal Ratten während des Unterrichts gesichtet wurden; das Gutenberggymnasium ist ein späteres Bauwerk.


    Die Eltern beschaffen für Bernd eine Geige und organisieren auch einen Lehrer dazu, aber der junge Mann begeisterte sich eher für die Gitarre, die er vom Vater her kennt, also macht er sich autodidaktisch mit diesem Instrument vertraut und bald folgen öffentliche Auftritte in einer Band, die sich »Die Kolibris« nennt, da ist drei Mal pro Woche Tanzmusik in einem Café angesagt.
    Zur Abiturprüfung im Wahlfach Musik möchte Weikl - neben einer Eigenkomposition für Gitarre - auch als Sänger in Erscheinung treten und wählt die Bravourarie des Herrn van Bett: »O, ich bin klug und weise ...« was ihm zur Abiturprüfung durchaus passend scheint.
    Bei der Einübung des Stücks mit dem Dirigenten des örtlichen Kirchenchors horcht dieser auf und bringt den jungen Mann unverzüglich zu einer Gesangslehrerin, die am Konservatorium wirkt. Die Dame ist von der Stimme so angetan, dass sie zum Gesangsstudium rät. Bis dahin hatte Weikl keinen Gedanken daran verschwendet Berufssänger zu werden, er wollte lediglich etwas für die Abschlussprüfung vortragen und dabei eine gute Figur machen, aber nach dem Schulabschluss etwas anderes studieren.
    Für seinen Vortrag gab es bei der Prüfung die Note zwei, das »Sehr Gut« wurde ihm mit der Begründung verweigert, dass man eine solche Opernarie nur sehr gut vortragen könne, wenn man vorher Gesang studiert habe.


    Also wird zunächst Volkswirtschaft und auch ein bisschen Sinologie studiert, wobei er auch mit dem ZDF in Berührung kam, die den Studenten als Hilfskraft für das Archiv einstellt, wobei der Studioso auch mit Alfred Biolek zu tun hat. Es graust den angehenden Volkswirt zwar, wenn er ab und an am Konservatorium vorbei kommt und bei geöffneten Fenstern die Vokalfolgen der Übenden hört, aber es packt ihn dann doch und er begibt sich in die Hände von Frau Geisse-Winkel, es ist die Tochter des berühmten Wagner-Sängers Nicola Geisse-Winkel. Nun folgen neben der Volkswirtschaft auch noch Gesangsstunden, eine Stunde wöchentlich. Weikl zweifelt ob diese wöchentliche Stunde ausreicht, um als Sänger bestehen zu können; er reist nach München und trägt dort in der Hochschule für Musik und Theater dem berühmten Bariton Karl Schmitt-Walter vor, der das »Stimm-Material« großartig findet, will jedoch die Verantwortung für die Ausbildung nicht übernehmen, weil er selbst nicht mehr so leistungsfähig ist. Nun reist der junge Mann nach Berlin und wird bei der Westberliner Hochschule für Musik vorstellig, die damals von Boris Blacher geleitet wird; dieser verweist ihn auf eine Gesangslehrerin, die aus Bernd Weikl einen Tenor machen möchte, also nichts wie weg ... - allerdings war dann Jahre später Herbert von Karajan auch der Ansicht, dass Bernd Weikl im Besitz einer Tenorstimme sei.


    Zum Wintersemester 1965 verlässt Weikl die Mainzer Universität und schreibt sich an der Musikhochschule in Hannover ein. Das ist nun weit mehr als die Aneinanderreihung von Gesangsstunden, hier wird in dreizehn Fächern unterrichtet: Neben Klavier ist da auch noch Tanz und Ballett sowie Florettfechten ...
    Für den Gesang ist in Hannover Professor Naan Pöld, ein bekannter Tenor aus Estland, zuständig. Während des Studiums wird das Budget mit Gesang bei Hochzeiten und Begräbnissen sowie mit Kleinstrollen am Theater aufgebessert; ein Stipendium der Deutschen Studienstiftung kommt schließlich auch noch hinzu.
    Eine ganz wichtige Person an der Hochschule war die Sachbearbeiterin Fräulein Uhlig, die spätere Frau Weikl. Als Weikl 1970 die Hochschule mit Examen verlässt, ist er bereits seit zwei Jahren am Theater tätig und hat auch bereits bei einem Film mitgewirkt. Ebenfalls noch in seine Studienzeit fällt die Produktion einer selbstfinanzierten Schallplatte mit einer italienischen und französischen Arie; diese Aufnahmen führten schließlich 1968 zu einem Anfängervertrag am Opernhaus Hannover, wo Weikl zunächst Tenor-, Bass- und Baritonwurzen sang. Aber der vielseitig Einsetzbare trat auch als Schauspieler am Landestheater Hannover auf und es kam zuweilen vor, dass er am gleichen Abend sowohl im Schauspiel als auch in der Oper auftrat.

    Ein ähnliches »Doppelleben« ergab sich beim Wechsel von Hannover zum Opernhaus Düsseldorf, wo der Sänger morgens zu den Proben nach Düsseldorf eilte, aber abends auch wieder in Hannover auf der Bühne zu stehen hatte. Als sich der Agent Robert Schulz für den aufstrebenden Sänger interessiert und seine Dienste anbietet, kommt es zu einem Vorsingen an der Staatsoper München, wobei Bernd Weikl den Herren Sawallisch und Dr. Rennert nicht gefallen konnte; hier sollte man jedoch hinzufügen, dass Weikl bereits drei Jahre später hier als hochbezahlter Gast auftreten konnte.


    Weit positiver als in München, reagierten Horst Stein und August Everding an der Staatsoper Hamburg, wo man Weikl einen mit 5.000 Mark dotierten Fachvertrag anbot, der die eintausendzweihundert Mark in Düsseldorf bei weitem überbot.

    Noch während seiner Studienzeit bekam der Musikstudent Karten für »Parsifal« in Bayreuth geschenkt und fuhr mit seiner Frau - das Paar hatte1970 geheiratet - zu den Festspielen. Wieland Wagners Inszenierung konnte die beiden nicht begeistern, weshalb sie die Vorstellung bereits nach dem ersten Akt verließen, wobei der junge Sänger meinte: »Da will ich nie auftreten«; man sollte nie »nie« sagen, einige Zeit später vereinbarte Agent Schulz einen Vorsingtermin im Frankenland und Wolfgang Wagner engagierte Weikl für den Wolfram von Eschenbach in der »Tannhäuser«-Inszenierung von Götz Friedrich. Die Proben waren strapaziös ...
    Natürlich berichtet die internationale Presse über den Bayreuther »Tannhäuser«, wobei Weikl mit Lob geradezu überschüttet wird: Die Süddeutsche Zeitung schreibt von der Entdeckung des Abends, The Times empfiehlt den jungen Sänger ebenfalls in höchsten Tönen und die FAZ spricht von einem Durchbruch in die Spitzenklasse. Und so war es dann auch, hier beginnt, fast explosionsartig, eine international bedeutende Karriere.


    Nach seinem spektakulären Erfolg in Bayreuth, kommt Weikl in seiner Geburtsstadt zunächst mit der Volksoper in Berührung, wo das adaptierte Musical »Karussell« in Szene geht, aber dem Werk ist damals kein großer Erfolg beschieden; Weikl wurde zwar in seiner Rolle als Ausrufer Billy Bigelow gelobt, aber das Publikum war auf so etwas noch nicht eingestimmt; das Genre Musical wurde hierzulande erst in späteren Jahren durch Andrew Lloyd Webber ein Begriff.

    Mit dem Renommee Hamburgische Staatsoper und Bayreuth im Rücken war Bernd Weikl selbstverständlich auch für die Wiener Staatsoper interessant geworden. Der Sänger berichtet von einem Einspringen als Silvio in »I Pagliacci« am 2. November 1972, wo der berühmte Mario del Monaco sein Partner war, aber in den Annalen des Hauses lässt sich das nicht verifizieren.
    Gesichert steht hier jedoch geschrieben, dass Bernd Weikl an diesem Haus in 28 verschiedenen Rollen an mehr als vierhundert Abenden auf der Bühne stand.
    Berühmtheit hat ihren Preis, der Sänger war zum Faktotum der schönen Welt geworden, »jedem zu Diensten zu allen Stunden, umringt von Kunden bald hier, bald dort ...«.
    Abends als Don Giovanni auf der Hamburger Bühne, wo er sich bei »Deh vieni alla finestra ...« mitunter selbst auf der Mandoline begleitete, und am nächsten Morgen um zehn Uhr Probe an der Wiener Staatsoper. Das war weder mit der Bahn noch mit dem Flugzeug zu schaffen; also ging es mit dem schnellen NSU RO 80 durch die Nacht, das ist kein Pappenstiel ... es reichte gerade noch für einen doppelten Mocca in der Kantine, dann beginnen die Proben zum Wiener »Don Giovanni«. Das später erworbene Auto hatte dann einen Stern.

    Bald reüssiert Weikl auch im russischen Fach; 1974 ist er in einer DECCA-Aufnahme als Onegin in »Eugen Onegin« gebucht, Sir Georg Solti dirigiert. Hier reicht sein »Urlaubs-Kroatisch« nicht mehr aus, er muss nun in London den Urtext von Onegin lernen.


    Dem folgt in Hamburg »Chowanschtschina« von Modest Mussorgski; 1976 schlüpft Weikl an der Hamburgischen Staatsoper in die Rolle des Rangoni in »Boris Godunow«.
    Weikl beobachtet die Phasen wo er für einige Zeit als »Barbier vom Dienst« gefragt ist, dem der »Onegin vom Dienst« folgt und diesem »Der Amfortas vom Dienst«.
    Nachdem Weikl an fast allen bedeutenden Häusern gesungen hat, fehlt noch die »Met«, wobei er das schon längst hätte haben können, aber er machte damals noch einen Bogen um »Holländer« und »Wotan«, weil er wusste, dass das nichts für seine lyrische Stimme ist; ach, wie gerne hätte er in New York mit Barbier oder Rodrigo debütiert.
    Als dann die Metropolitan Opera 1977 die Saison mit »Tannhäuser« eröffnen will, bietet sich endlich Gelegenheit, dass Weikl hier als Wolfram von Eschenbach gebraucht wird, ein idealer Einstieg für ihn und die Aufführung wird ein großer Erfolg, auch weil Leonie Rysanek, James Mc Cracken, Grace Bunbry, Kurt Moll ... mit von der Partie sind.
    Andere Länder, andere Sitten, neben dem Wolfram von Eschenbach soll hier Weikl auch noch den »Star« geben, also besteht seine amerikanische Agentin darauf, dass er mit livriertem Chauffeur und Stretchlimousine vom Flughafen in die Stadt gebracht wird, einen andern Star außerhalb des Opernbetriebs trifft er auch, Franz Beckenbauer wohnt direkt über ihm.
    In New York blieb es nicht nur beim »Tannhäuser«; im Laufe der Jahre sang er dort auch Amfortas, den Minister in »Fidelio« und in einigen Strauss-Opern.
    Seinen ersten Auftritt an der Mailänder Scala hat Weikl Ende 1980 als Mastro Ford in »Falstaff« von Giuseppe Verdi.

    Ab 1980 spielt Weikl mit dem Gedanken ob er sich den Hans Sachs zutrauen soll und bespricht sich mit Wolfgang Wagner, der »Die Meistersinger von Nürnberg« 1981 für Bayreuth inszenieren möchte.


    Viele Leute, die etwas von Oper verstehen, raten ab; aber Weikl stürzt sich in die Arbeit, obwohl ihm die Probleme durchaus bekannt sind; er weiß, dass hier mit seiner Höhensicherheit wenig anzufangen ist, viel Mittellage gesungen wird und absolute Standfestigkeit gefragt ist; das sind lange zwei Stunden und fünfzig Minuten.
    Die Premiere 1981 wird für den neuen Sachs kein durchschlagender Erfolg, die Kritiken nicht so überschwänglich als bei seinem »Tannhäuser«-Debüt an gleicher Stelle. Aber im folgenden Jahr fällt die Beurteilung seines »Sachs« in der Fachpresse sehr viel besser aus und er singt diese Rolle immer wieder auch an anderen Häusern. Sowohl Jürgen Kesting als auch Jens Malte-Fischer bewerten Weikls Sachs gut, letzterer meint sogar:
    »eine Partie, in der er seither als konkurrenzlos zu betrachten ist«.
    Auch mit der Darstellung des »Holländer« hat Weikl seine liebe Not, denn das aktuelle Publikum erwartet nach Weikls Eindruck eher einen etwas dämonischen und mit eiserner Stimme daherkommenden Seemann; die von Weikl angebotene weichere Version kommt nicht so gut an. Immer und immer wieder arbeitet er sich dann am »Holländer» auf der ganzen Welt ab ohne dass man seine Sicht auf das Werk teilt.


    In Paris soll es seinerzeit allgemein üblich gewesen sein, dass männliche deutsche Sänger ausgebuht werden; Weikl macht diese unangenehme Erfahrung als er 1987 an der Grand Opera zusammen mit Pavarotti in »L´elsir d´amore« auf der Bühne steht, für den großen Tenor war das kein Problem, er wäre mit dem Bariton-Kollegen gerne auf eine Welttournee gegangen, was sich jedoch letztendlich nicht verwirklichen ließ.

    Die Wirtschaftsuni Linz akzeptiert Weikls frühere Studien in Mainz, obwohl inzwischen zwei Jahrzehnte vergangen waren, also schreibt er sich dort im Juni 1987 ein, ein weiteres »Doppelleben« beginnt, denn der Opern- und Konzertbetrieb geht für ihn in gewohnter Vielseitigkeit weiter; natürlich auch wieder mit den »Meistersingern« in Bayreuth, Fernsehaufnahmen, Fernreisen nach Japan und so weiter ...


    Endlich, am 27. Januar 1989 sollte Weikl nun an der Metropolitan Opera in einer italienischen Rolle - in »Don Carlo« von Verdi - auf der Bühne stehen; der nun Siebenundvierzigjährige hatte seine amerikanische Agentin etwas »erpresst«, um dieses Ziel zu erreichen, und damit gedroht künftig in Europa zu bleiben. Aber schon bei der ersten Klavierprobe stellt James Levine fest, dass hier kein Italiener singt, aber man glaubte dies korrigieren zu können; Weikl arbeitet intensiv mit einer Pianistin des Hauses, wobei er etwas über den erforderlichen Vokalausgleich erfährt. Scheinbar gut gewappnet singt er die Premiere, aber die Kritik ist grottenschlecht, man betraut ihn zukünftig nicht mehr mit italienischen Rollen. Dennoch konnte er in diesen drei Monaten an der »Met« dann noch mit »Salome« und »Werther« erfolgreich sein.

    Es ist in diesem Rahmen nicht möglich, alle wichtigen Stationen dieses umfangreichen aktiven Sängerlebens darzustellen, als Beispiel sei auf Bayreuth verwiesen, das Bernd Weikl am 20. August 1996 als Amfortas in »Parsifal« verlässt. In 25 Sommern hat er hier in etwa 250 Vorstellungen gewirkt.
    Immer wieder weist der wirklich erfahrene Sänger darauf hin, dass es sich bei klassischem Gesang, der in der Regel ohne Mikrofonverstärkung vorgetragen wird, um Schwerstarbeit handelt, und er wird auch nicht müde darzulegen, dass es zwischen dem Sprechtheater und der Oper gewaltige Unterschiede gibt.

    Als Bernd Weikl 1996 Bayreuth verlässt ist er noch im vollen Besitz seiner stimmlichen Möglichkeiten, dennoch wird er in den folgenden Jahren ausgebremst, weil er am 1. Juli 1996 in München einen Vortrag mit dem Thema »Staatliche Kunstförderung - Markt der Beliebigkeit?« hält. Ein Journalist - der sich eher der Dichtkunst verpflichtet fühlte - bog sich Weikls Aussagen dann entsprechend zurecht und zerstörte - nach Ansicht des Sängers - damit den Fortgang von Weikls Weltkarriere. Der Sänger kann auf eine mehr als vier Jahrzehnte dauernde Bühnenpräsens zurückschauen, wobei auch seine künstlerische Konstanz über viele Jahre hinweg zum Ausdruck kommt.

    Es besteht kein Zweifel daran, dass es eine Weltkarriere war, denn davon zeugen nicht nur eine Menge Tonaufnahmen, sondern auch die Exponate im Bernd Weikl-Museum in Bodenmais, einem Ort in der Nähe des Großen Arber. Über dieses Museum gibt es einen sehr guten Filmbeitrag, den der Journalist Werner Huemer 2018 mit dem Kammersänger gefertigt hat. Im Museum scheint das gesamte umfangreiche Schaffen Weikls auf, also nicht nur Auszüge aus CD- und DVD-Aufnahmen, sondern auch seine Arbeiten als Buchautor und Regisseur.
    Auf die Journalistenfrage, wie es ist, wenn man nach vielen Jahrzehnten des Stehens im Rampenlicht, plötzlich dieses Medium der Bühne nicht mehr hat, gab Bernd Weikl diese Antwort:

    »Ja, das ist für mich ganz einfach, ich beschäftige mich ja weiterhin mit vielen Dingen, zum Beispiel mit dem Schreiben von Büchern. Das moderne zeitgenössische Theater hat mir nicht mehr viel gegeben. Ich habe es auch nie groß angegriffen, aber immer betont, dass dabei alles handwerklich stimmen muss. Man muss wissen, wie eine Gesangsstunde abläuft, man muss darauf eingehen, wann und wie ein Sänger richtig zu atmen hat, alles Dinge, die von der Regie nicht mehr beachtet wurden. Damit konnte ich nichts mehr anfangen. Mit dem ›Falstaff‹, den ich 2010 als Sänger der Hauptpartie und als Regisseur gemacht habe, habe ich praktisch meine offizielle Gesangslaufbahn beendet.«


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    Für das nächste Museum reist man in die bayerische Alpen nach Garmisch-Partenkirchen. Dort betreibt das Richard-Strauss-

    Institut ein kleines Museum.


    Es ist im Wohnhaus des Komponisten aus dem Jahr 1908 untergebracht.

    Lieber moderato,
    mit Deinem Beitrag #11 habe ich einige Schwierigkeiten, denn ich komme seit mehr als sieben Jahrzehnten immer mal wieder nach Garmisch-Partenkirchen;
    hier findet man einiges aus meiner Sicht: Richard Strauss in Garmisch-Partenkirchen

    Eine kleine musikalische Gedenkstätte


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    Gleich um die Ecke findet man die Gedenkstätte
    Anschrift: Stadtbücherei Rathausplatz 1, 95478 Kemnath


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    Da Peter Hofmann in den letzten Tagen im Forum Anlass von Diskussionen war, bietet es sich an, auf diesen etwas über die Gedenkstätte und Peter Hofmann zu sagen.

    Peter Hofmann lebte fast zwanzig Jahre im Umfeld von Kemnath, das etwa 25 Kilometer von Bayreuth entfernt liegt. Schloss Schönreuth, das zu Kemnath gehört, liegt drei Kilometer östlich von Kemnath.


    In der Stadtbücherei befindet sich seit 2007 eine Dauerausstellung, die noch zu Lebzeiten des Sängers eingerichtet wurde und das Leben und Wirken von Peter Hofmann zum Inhalt hat, heute kann man von einem Gedenkraum sprechen.


    Eine vom Bildhauer Kurt Arentz, der im Laufe seines Lebens viele berühmte Persönlichkeiten porträtierte, 1983 geschaffene Büste bildet den optischen Mittelpunkt des Raumes. Daneben die erste seiner diversen Goldenen Schallplatten »Rock Classics«.


    Highlights seiner Gesangsauftritte kann man in einer Dia-Show sowie einer DVD-Dokumentation sehen.
    In dieser stillen Gegend, dem Tor zur Oberpfalz, wie sich Kemnath bezeichnet, fiel das zum Teil glamouröse Leben des Weltstars natürlich besonders auf.
    Im August 1983 fand hier ein vermeintliches Sommermärchen der besonderen Art statt, als der Heldentenor im Rahmen eines Medienspektakels »sein« Blumenmädchen Deborah Sasson, eine respektable Sopranistin, gleichsam von der Festspielbühne weg heiratete.
    Das Glück von Peter Hofmann schien vollkommen zu sein: Traumkarriere, Traumauto, Traumfrau, Traumhochzeit – ein Stoff, aus dem man Seifenopern macht.

    Sieben Jahre nach der Traumhochzeit wurde das Paar geschieden. Aus dem Blumenmädchen wurde eine Rock-Lady, aus dem Parsifal schließlich »Old Firehand« in Bad Segeberg. Hofmann verkaufte sein Schloss Schönreuth und wurde immer mehr zur tragischen Figur.


    Natürlich haderte er mit seinem Schicksal und stellte fest, dass diese Parkinson-Krankheit zu ihm, zu seinem sportlichen Typ überhaupt nicht passt; er wehrte sich zunächst dagegen, erinnerte sich an seinen Motorradunfall, von dem er so schnell genas, dass er seine Ärzte in großes Staunen versetzte.
    Er heiratete zum dritten Male; diesmal seine Therapeutin, die ihm 2003 eine Tochter zur Welt brachte, das gab ihm wieder etwas Lebensmut, aber letztendlich war die Krankheit stärker, in der letzten Zeit soll noch Demenz hinzu gekommen sein, wie aus Presseberichten hervor geht.

    In seiner Glanzzeit konnte man den Sänger hoch zu Ross sehen, oder in einem auffallend weißen Rolls-Royce mit dem Kennzeichen BT-PH 1; auch auf einer schweren Harley-Davidson. war er gerne unterwegs. Wer Glück hatte, konnte auch mal Loriot auf dem Sozius sehen ...
    Im Gedenkraum in der Bücherei hängt auch eine Widmung von Loriot, der unter dem Datum des 14. 8. 81 schreibt:
    »Für Peter Hofmann dem unvergesslichen Bayreuther Lohengrin mit herzlichem Dank von LORIOT«


    Im Buch »Der Glückliche schlägt keine Hunde«, von Stefan Lukschy, langjähriger enger Mitarbeiter und Loriot in mehr als drei Jahrzehnten freundschaftlich verbunden, lässt uns der Autor einen Blick in das Hofmannsche Leben zur Glanzzeit des Künstlers tun, wenn er einen Besuch in Schloss Schönreuth schildert:


    »Als wir ihn das erste Mal in seinem neu erworbenen Anwesen besuchten, führte er uns stolz herum. Zuerst gingen wir in den Garten, wo in voller Größe der originale Walkürenfelsen aus Chéreaus inzwischen abgespielter »Ring«-Inszenierung aufgebaut war. Hofmann hatte das riesige Dekorationsstück vor der Vernichtung bewahrt und es den Festspielen abgekauft. Das Einzige, was fehlte, waren zwei kleine Engelsköpfe, die über der Tür zu Brünnhildes Schlafgemach in die Wand eingelassen waren. Die beiden Köpfe hatte sich Chéreau selber als Erinnerungsstücke an seine Bayreuther Zeit mitgenommen.
    "Und jetzt zeige ich euch mein Musikzimmer!" Wir erwarteten einen Steinway-Flügel mit einer Wagner-Büste und staunten nicht schlecht, als wir in einen großen Saal des Schlosses traten, an dessen Wänden Plakate des Films "Easy Rider" hingen und in dessen Mitte ein riesiges Schlagzeug stand. Daneben große "Orange"-Verstärkerboxen und eine Auswahl von Elektrogitarren. Von einem Flügel und einer Wagner-Büste keine Spur. Peter Hofmann liebte Rockmusik - und schwere Motorräder, und Loriot, dem das alles eher fremd war, wurde gezwungen, mit dem Heldentenor eine Runde durch die fränkische Landschaft zu drehen. Loriot mit Sturzhelm auf dem Sozius einer Harley-Davidson, ein seltener Anblick.«

    Peter Hofmann hatte eben seinen ganz eigenen Stil, woraus dann eine besondere Popularität resultierte. Einem Journalisten sagte er einmal so ziemlich am Ende seines Lebens:
    »Es würde mich freuen, wenn sich die Menschen sowohl an das "Phantom der Oper" als auch an die "Walküre" erinnern. Beides gehört zu meinem Leben.«

    Ein Gedenken an Adolph von Henselt

    Adolph von Henselt - * 9. Mai 1814 Schwabach - † 10. Oktober 1889 Warmbrunn


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    Wer als Musikfreund in die Goldschlägerstadt Schwabach kommt und einen Klavierspieler in der Nähe des Ostchors der Stadtkirche sitzen sieht, bemerkt recht schnell, dass das weder Beethoven noch Mozart ist.
    Der Bildhauer Clemens Heinl hat den Bronzeguss im Jahr 2000 geschaffen und dem Werk am Fuß eine erklärende Inschrift beigegeben.


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    Wenn man es ganz genau nimmt, muss man Georg Martin Adolph von Hänselt schreiben, und man sollte auch erklären, dass der Ort Schwabach in der Nähe von Nürnberg liegt.
    Warmbrunn gehört heute zum polnischen Staatsgebiet und ist seit Jahrhunderten ein Kurort am Fuße des Riesengebirges.
    1813 kam Familie Henselt mit vier Kindern aus Thüringen nach Schwabach, wo Vater Philipp Eduard Henselt Teilhaber des Kattun-Fabrikanten Johann Martin Stirner wird. Adolphs Mutter ist die zweite Ehefrau des Vaters.
    Im Januar des Jahres 1817 zieht die inzwischen sechsköpfige Familie von Schwabach nach München, wo der Vater die Kattunfabrik des Grafen von Arco auf Oberköllnbach pachtet.


    Als Adolph acht Jahre alt ist stirbt seine Mutter im Alter von nur 36 Jahren; aber das Leben geht weiter, zunächst erhält Adolphs ältere Schwester Amalie Klavierunterricht und der kleinere Bruder wird an der Violine unterwiesen.
    Aber Adolph wechselt dann zum Klavier und wird zunächst durch Hofsänger Emanuel Lasset an diesem Instrument unterrichtet.
    Ab 1827 hebt Josepha von Flad den 13-Jährigen auf eine höhere Stufe, Josepha von Flad hatte eine vorzügliche musikalische Ausbildung erhalten und auch Kontakte zu Carl Maria von Weber, als dieser 1811 und 1815 in München weilte, und wiederum bei ihrem späteren Besuch in Dresden. Ihre Kompetenz als Klavierlehrerin war unbestritten und was sie ihrem Schüler beigebracht hat, konnte dieser schon bald dem Münchner Publikum zeigen.


    In dem fast nagelneuen Münchner Odeon-Konzertsaal - eröffnet im Januar 1828 - spielte der 14-jährige Adolph Henselt am 12. März 1829 sein erstes öffentliches Konzert.
    Der - vermutlich stolze - Vater konnte diesen Auftritt seines Sohnes noch erleben, stirbt aber am 27. Juni 1830 im Alter von 53 Jahren.

    Man darf wohl vermuten, dass Josepha von Flad ihre Verbindungen zum Hof nutzte, damit der König den nun elternlosen jungen Mann unterstützt; Tatsache ist, dass König Ludwig I. von Bayern Henselt ein Stipendium für ein Klavierstudium bei Johann Nepomuk Hummel in Weimar gewährt; Henselt weilt vom Oktober 1831 bis März 1832 in Weimar.
    Nach seiner Rückkehr gibt er im November noch einmal ein Konzert im Odeon


    Das 1870 erschienene Conversations-Lexikon stellt den Musiker so vor:


    »Henselt, Adolph, einer der ausgezeichnetsten Pianisten und Claviercomponisten der Gegenwart, wurde am 12. Mai 1814 zu Schwabach in Baiern geboren, wo sein Vater Kattunfabrikant war. Mit seinen Eltern zog er im dritten Jahr nach München und erhielt dort Unterricht im Violinspiel. Da ihm aber das Pianoforte mehr zusagte, so vertauschte er die Instrumente und liess sich vom Correpetitor Lasser in den Elementen des Clavierspiels ausbilden. In seinen eifrigen Bestrebungen hatte er das Glück, von einer ausgezeichneten Künstlerin, der Geheimrätin Fladt, einer ehemaligen Mitschülerin C. M. von Weber´s und Meyerbeer´s beim Abt Vogler, Unterricht im Clavierspiel und in der Harmonielehre zu erhalten und den belehrenden Umgang Poissl´s zu genießen. Die Erstere wusste sogar den König Ludwig I. von Baiern für ihren fleissigen Schüler zu interessieren, so dass derselbe, 17 Jahre alt, aus der königl. Privatkasse die Mittel erhielt, nach Weimar zu J. N. Hummel zu gehen, um sich einer höheren Ausbildung zuführen zu lassen. Hier studirte nun H. mit Eifer die Werke seines neuen Lehrers und componirte unter Aufsicht desselben auch selbst ein Clavierconcert, im Übrigen vermochte er es aber nicht, sich an die Spielmethode Hummel´s zu gewöhnen, da er bereits einer durchaus eigenartigen Richtung huldigte, und er kehrte deshalb nach acht Monaten ziemlich unbefriedigt nach München zurück.«


    Von Weimar kommend verweilte Henselt nicht lange in München, sondern reiste - ohne Wissen der Frau von Flad - in das etwa 400 Kilometer entfernte Wien. Der junge Musiker wusste, dass es durchaus noch etwas zu lernen gab; also ging er bis 1836 nach Wien, wo er bei Simon Sechter, der einst sogar Franz Schubert - aber nur ganz kurz - unterrichtete, ein zweijähriges Studium der Komposition absolvierte, insbesondere Polyphonie und Kontrapunkt.
    Diese Studien trugen dergestalt Früchte, dass bereits 1833 erste Henselt-Kompositionen entstanden, die allerdings erst viel später im Druck erschienen.
    1836 ist vermerkt, dass Henselt Ludwig van Beethovens 3. Klavierkonzert c-Moll mit einer eigenen Kadenz spielt.


    In zeitgenössischen Veröffentlichungen ist zu lesen, dass seine Zähigkeit, mit der er sich der Vervollkommnung seines Klavierspiels hingab - er übt monatelang täglich acht bis zehn Stunden - gesundheitliche Schäden nach sich zog. Sein Hauptaugenmerk lag dabei auf den vielseitigen und verschiedenartigen Stellungen der Finger und Handgelenke, was er brieflich in allen Details und ganz ausführlich einer Freundin berichtete. Gesundheitliche Folgen riefen die Ärzte auf den Plan, die eine Erholungsreise anordneten, die zunächst nach Karlsbad führte, wo er auch Chopin trifft.
    Zu diesem Zeitpunkt sind Henselts Lehrjahre eigentlich beendet, dass man nie auslernt ist wieder eine andere Sache ...
    Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Adolph Henselt von folgenden Lehrern unterrichtet wurde:
    Konrad Dinkler, Emanuel Lasser, Josepha von Flad, Johann Nepomuk von Poißl, Johann Nepomuk Hummel, Simon Sechter und Anton Halm.


    Mit so viel musikalischem Wissen und Können ausgerüstet, tritt nun Adolph Henselt eine auf längere Zeit ausgelegte Deutschland-Reise an, die als Erholungs-, Bildungs- und Konzertreise bezeichnet werden kann.
    Das alles verläuft nun sehr erfolgreich, 1836 spielt er am Sächsischen Hof vor, dann spielt er in Berlin in privaten Kreisen, woraus resultiert, dass ihn Ludwig Rellstab - also ein in dieser Zeit recht einflussreicher Mann - als ›den größten Pianisten seiner Zeit‹ bezeichnet.
    Als Henselt ein Jahr später ein öffentliches Konzert in Berlin spielt, wird dagegen von eher verhaltenem Beifall berichtet. Die ganz großen Auftritte soll Henselt eher nicht angestrebt haben; das Musizieren in kleinerem Kreis war ihm lieber.


    Aber da war schließlich nicht nur Rellstabs Lob, auch Robert Schumann pries den jungen Virtuosen in den höchsten Tönen. In seiner ›Neuen Zeitschrift für Musik‹ wird Henselt von Schumann als ›gewaltiger Klavierheros‹ bezeichnet.
    Es entwickelt sich dann ein Briefwechsel mit den Schumanns und als Henselt im Dezember 1837 im Leipziger Gewandhaus konzertiert, kommt es zu einer persönlichen Begegnung und man weiß aus einer Eintragung in Schumanns Tagebuch, dass hier geschrieben steht: ›wie ein Bruder kommt er mir vor‹ und letztendlich kam man dann auch zum ›Du‹; das war am Heiligen Abend, den man gemeinsam verbrachte. Schumann steigerte sich in seinem Lob schließlich sogar auf ein Superlativ, mit dem Ausspruch: ›Henselt wie ein Gott am Klavier‹.


    Man kann hier schon den Ereignissen etwas vorgreifen; nachdem man sich gegenseitig ausgiebig musikalisch gewürdigt hatte - Clara Schumann führte zum Beispiel 1839 Henselts Klavierkonzert erstmals auf - war es für das Ehepaar Schumann sehr hilfreich, dass Henselt sie im Frühjahr 1844 bei ihrer Russlandreise unterstützen konnte, denn Henselt war bereits seit 1838 Kaiserlicher Hofpianist der Zarin.


    Oben wurde ja von dem fast wahnsinnigem Fleiß berichtet, den der lernende Henselt in Wien an den Tag legte, aus dieser Perspektive äußerte er sich einmal kritisch zu Schumann.
    Der äußere Anlass war, dass er von den Kompositionen eines jungen Musikers wenig erbaut war und sich darüber ereiferte:


    »Lernen tun heutzutage die Leute zu wenig, ich meine kontrapunktische Studien machen. Das fing schon bei Schumann an, der glaub ich wär´ weiter gekommen, wenn er etwas weniger Talent gehabt hätte und es ihm folglich nicht so leicht geworden wäre, dann hätt´ er mehr gelernt.«


    Am 24. Oktober 1837 tritt Adolph Henselt in Salzbrunn (heute Szczawno-Zdrój) mit Rosalie Manger in den Stand der Ehe.
    Henselt gibt nun am 29. Dezember 1837 ein Konzert in Leipzig und konzertiert am 11. Januar 1838 noch einmal Dresden; damit verabschiedet er sich aus Deutschland, um nach St. Petersburg zu reisen. Er reist mit den Empfehlungen der Kronprinzessin, der Prinzess Wilhelm und der Prinzess Friedrich aus Berlin. Die Route führt über Breslau und Warschau.
    In Warschau kommt es zu einem Konzert mit dem Violinisten Henri Vieuxtemps, zur Erinnerung komponiert Henselt den Walzer ›Souvenir de Varsovie‹.


    Im März 1838 trifft Henselt dann in St. Petersburg ein, wo er die musikalische Szene beschnuppert und am 15. März ein Konzert von Aloys Tausig, einem Thalberg-Schüler, besucht, denn bereits am nächsten Tag tritt er sozusagen ›halböffentlich‹ auf, nämlich in einem bekannten St. Petersburger Salon, der als Prüfstein für jeden neu angereisten Musiker bekannt ist. Dort musste man bestehen, um am Zarenhof überhaupt wahrgenommen zu werden.
    Am 21. März bestritt Adolph Henselt im Bolschoj-Theater von St. Petersburg sein erstes öffentliches Konzert; auf dem Programm stehen neben eigenen Werken auch Kompositionen von Weber und Chopin sowie Konzert-Variationen über ein Thema von Meyerbeer.
    Der Erfolg dieses Konzertes war so überwältigend, dass die Zarin den Wunsch äußert. Henselt möge auf längere Dauer in St. Petersburg bleiben.
    Es wurde ja bereits oben erwähnt, dass die ganz großen öffentlichen Auftritte nicht Henselts Sache waren und so erstaunt es, dass er hier so groß Furore machte. Man kann es jetzt bereits vorweg nehmen - Während seines 51-jährigen Aufenthaltes in Russland zählt die Forschung nur elf öffentliche Konzerte, die Henselt für das breite Publikum gespielt haben soll. Henselt spielte in der Regel in Salons einflussreicher Personen, aber auch in vielen Lehranstalten. Als Henselt seine Virtuosen-Laufbahn beendet, hatte er nur 25 öffentliche Konzerte gegeben und ist damit in seiner Zeit trotzdem zu großem Ruhm gelangt.


    Aber er sinnt auch darüber nach, was gewesen wäre wenn ..., denn seine am Klavier produzierte Kunst war zu seiner Zeit noch nicht konservierbar.
    Wir kennen seine Gedanken aus einem Brief an die Musikwissenschaftlerin Marie Lipsius, wo er unter dem Datum 7. Oktober 1874 schreibt:
    »... nach dem, wie ich angefangen - ich war im 19. Lebensjahr, als ich mein op.14 geschrieben - war man berechtigt, viel mehr von mir zu erwarten, als ich geleistet. Wenn ich nicht zum Clavierspieler erzogen worden wäre, würde ich in der Composition Bedeutenderes geleistet haben.«


    Ein halbes Jahr später schreibt er an die gleiche Adresse:
    »... Mir wird immer angst und bange, wenn man von mir als Komponisten spricht und von meinen Werken. Aber das ist viel zu wenig. Ich habe nur ein Zeugnis gegeben, dass ich hätte Komponist werden können, aber meine Verhältnisse waren dazu nicht angetan: vor allem hätte das Streben nach Virtuosität niemals über mich kommen müssen ...«


    Sein Freund Franz Liszt wäre wohl auch nicht so recht zum Komponieren gekommen, wenn ihn seine Lebensgefährtin, Caroline von Sayn-Wittgenstein, nicht auf Schritt und Tritt begleitet und zum Schaffen seiner Werke angehalten hätte.


    Nach 1838 beginnt bei Henselt der Wandel vom Klaviervirtuosen zum Klavierpädagogen; im Frühjahr 1839 gibt er noch einige Konzerte, dann ist für die nächsten zehn Jahre in der Öffentlichkeit nichts mehr von ihm zu hören; vielleicht weil er Vaterfreuden entgegensieht, am 19. April 1839 wird ein Sohn geboren.
    Zum neuen Familienstand passt, dass Adolph Henselt nun auf Wunsch von Zarin Alexandra Feodorowna Hofpianist wird.
    Der erst fünfundzwanzigjährige Adolph Hensel unterrichtet den einundzwanzigjährigen Alexander, den späteren Zaren Alexander II. und weitere Kinder der Zarin.
    Etwa vierzig Jahre später beschreibt Liszt in einem Brief an Fürstin Sayn-Wittgenstein Henselts Status so:


    »Die Petersburger Atmosphäre ist bis jetzt den Musikkünstlern nur in finanzieller Hinsicht günstig, va bene! Nachdem Henselt die russischen Großfürstinnen im Klavierspiel unterrichtet hat, ist er Musikinspektor des Kaiserlichen Töchterinstituts geworden. Als solcher ist er Kommandeur des Wladimir-Ordens mit dem entsprechenden Titel Exzellenz - Die kleine Exzellenz, wie die Russen sagen, die mit der großen bekleidet sind.«


    Bei dieser Tätigkeit am Hofe hat Henselt aber weiter Kontakt mit der musikalischen Außenwelt. So bestürmt ihn der im englischen Brighton weilende Thalberg, Henselt möge die ›Schulmeisterei‹ in Russland aufgeben, um nach England zu kommen, wo eine Menge Geld zu verdienen sei.
    Der Schulmeister bleibt aber in St. Petersburg und beginnt im September 1839 an seinem Klavierkonzert f-moll, op.16 zu arbeiten, das 1841 weitgehend fertig ist und schließlich 1845 durch Clara Schumann im Gewandhaus Leipzig aus der Taufe gehoben wird.
    Ansonsten sitzt der Meister in den Wintermonaten sonntags zu Hause und veranstaltet in seinem Haus Matineen, wobei er am liebsten Weber, Chopin und Bach spielt.


    Henselt wird auch journalistisch tätig und gründet das Journal ›Nouvellist‹, ein Heft mit einem musikalischen und literarischen Teil; auch ein neues Klavier ist fällig, er bestellt bei der Wiener Klavierfabrik Johann Baptist Streicher ein Piano.


    Auch pädagogisch ist der Klavierspieler wieder gefordert, Theresia von Oldenburg hatte ein neues Institut gegründet und Henselt sollte dort unterrichten; das alles findet im Dunstkreis des Hofes statt, da sind in großer Zahl Prinzessinnen, Prinzen, Großfürstinnen ...
    Nach all dem ›Geklimper‹ dann eine Begegnung auf Augenhöhe, am 16. April 1842 kommt Franz Liszt nach St. Petersburg und gibt zwölf Tage später ein Konzert, wobei auch Henselt-Werke im Programm sind. Liszt besucht Henselt auch in seinem Privathaus und es entwickelt sich eine lebenslange Freundschaft. Natürlich ist Henselt auch beim Abschiedsessen für Liszt am 16. Mai dabei, das im Salon Wielhorski gegeben wird.
    Ein Jahr später kommt dann Liszt nochmals nach St. Petersburg und in späterer Zeit besucht Henselt Liszt in Weimar.


    Im Februar 1844 kommen die Schumanns nach St. Petersburg, wobei sich - neben den Soloauftritten Claras - auch im kleineren Rahmen ein vierhändiges Spiel - Clara Schumann mit Henselt - ergibt, Robert Schumann bleibt in St. Petersburg weitgehend außen vor.


    Zwischendurch kommt Henselt auch aus Russland heraus und besucht Breslau und München. Nach zehn Jahren öffentlicher Abstinenz, zieht er ab 1850 noch weitere Kreise und gibt im Pariser Salle Érard ein Konzert und reist zwei Jahre später auch nach England, wobei er die ganz große Öffentlichkeit auch hier nicht sucht.
    Interessantes wird von einem typischen Henselt-Konzert in Berlin berichtet - also wieder einmal nicht der ganz große Auftritt - wo er auf der Rückreise von England im Salon des Instrumentenbauers Heinrich Kistling ein Konzert gibt, von dem folgendes überliefert ist:


    »Mit einer Ausdauer, die an das Unbegreifliche grenzt, spielte er gegen 20 Musikstücke und bewies sich als Meister der Meister.«


    Diese Meisterschaft trug auch monetäre Früchte, im September 1852 erwarb er im Niederschlesischen Gersdorf (heute polnisch Gieraltow) ein Rittergut mit Schloss, wo er sich dann in den folgenden Jahren (1852-1866) über die Sommermonate aufhielt.
    Er gibt Konzerte in Odessa, Kiew, St. Petersburg; aber auch in Breslau und Berlin; etwa ab 1854 spielt er aber nur noch im kleinen privaten Kreis und bei Wohlfahrtsveranstaltungen.


    Seine Hauptaufgabe ist nun die Überwachung von fünf musikalischen Lehranstalten in St. Petersburg und auch Moskau. Aufgrund seiner Verdienste wird der Hofmusiker im März 1861 in den Adelsstand erhoben, wobei Henselt auch an seinen Sohn dachte, der damals Offizier in der Preußischen Armee war, und da galt so ein Titel etwas.
    Aber auch der Adelstitel bewahrte Adolph von Henselt nicht davor, dass ihm die Kosten für Rittergut und Schloss allmählich über den Kopf wuchsen. 1866 verkaufte er das stattliche Anwesen für 67.000 Taler und verwendete den Erlös zum Kauf einer Villa in Bad Warmbrunn, wo die schlesische Familie seiner Frau Rosalie zuhause war.


    Henselt war nun 52 Jahre alt und es sind jeweils Konzerte im kleinen Kreis vermerkt, beispielsweise in Leipzig oder Dresden, aber im November 1867 reist er wieder nach England, um dort in der Klavierfabrik Broadwood ein Konzert zu geben.
    1868 schreibt er ein Lehrbuch: »Auf langjährigen Erfahrungen begründete Regeln für den Klavierunterricht. Zusammengestellt von Adolph Henselt. Anleitung für Lehrer und Schülerinnen der seiner Aufsicht unterstellten staatlichen Einrichtungen.«
    Zudem veröffentlicht er sein Buch ›Fragen zur elementaren Musiktheorie‹.
    Im Januar 1878 trifft die Familie ein harter Schlag, Sohn Alexander - inzwischen beim russischen Militär - stirbt an Lungenentzündung. Die Mutter trifft der Verlust so schwer, dass sie die Sprache verliert und dabei viele Jahre sichtbar leidet.


    1881 veröffentlicht er bei Schlesinger in Berlin das Buch »Haute ecole du piano« und das nächste größere Ereignis in Hensels Leben ist sein 25-jähriges Jubiläum als Generalmusikinspektor in St. Petersburg, das im Mai 1883 gebührend gefeiert wird und Henselt den Orden des hl. Stanislav 1. Klasse beschert. Franz Liszt gratuliert schriftlich und fügt ein Albumblatt bei. Die nun fällige Dankesrede des Jubilars wird in französischer Sprache, also der Sprache des Adels, gehalten.
    Eine weitere Ehrung wird Henselt Anfang 1888 zuteil; er wird Ehrenmitglied des St. Petersburger Konservatoriums, das sein 25-jähriges Bestehen feiert. Dem folgt ein weiteres Jubiläum auf dem Fuße, es sind nämlich im März 50 Jahre her seit Adolph Henselt sein erstes Konzert in St. Petersburg gab.


    Die Jahre waren ins Land gegangen und der vieldekorierte Jubilar war gesundheitlich beeinträchtigt, sein Arbeiten an vielen Fronten hatte Spuren hinterlassen. Im Februar 1889 empfahl sein Arzt in der kalten Jahreszeit nicht mehr nach Moskau zu fahren.
    Adolph von Henselt ist noch ein Sommeraufenthalt in Warmbrunn vergönnt, mit dem zu Ende gehenden Sommer wird sein Gesundheitszustand immer labiler, ein Herzfehler und Wassersucht bringen das Ende. Man spielt dem Todkranken noch auf dem Klavier die ›Oberon‹-Ouvertüre vor, er wird ohnmächtig und verstirbt am 10. Oktober 1889.

    Ein authentisches Museum in Perchtoldsdorf


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    Perchtoldsdorf darf man sich nicht als typisches Dorf vorstellen, die Marktgemeinde hat etwa 15.000 Einwohner und liegt südlich von Wien; von der Staatsoper aus sind es 15 Kilometer zum Hugo-Wolf-Haus.
    Vor Hugo Wolf war schon andere musikalische Prominenz hier; Christoph Willibald Gluck hatte in Perchtoldsdorf von 1781-1787 ein barockes Haus mit großem Garten, wo er sich in den Sommermonaten aufhielt; wie man der Chronik entnimmt, waren auch Glucks Kollegen, die Herren Mozart, Haydn und Johann Friedrich Reichardt hier zu Besuch.

    Die Marktgemeinde Perchtoldsdorf, einst zu Wien gehörend, wurde 1954 wieder selbständig und ist seit dieser Zeit - zusammen mit dem Hausbesitzer - bemüht, das Haus vor dem Verfall zu bewahren; es waren komplizierte Verträge auszuhandeln, aber seit 1973 wurde im Wernerschen Haus in der Brunnergasse 26 ein erstes Hugo-Wolf-Museum eingerichtet, nachdem Dr. Otto Werner, der Enkel von Heinrich und Marie Werner, das Haus und Teile seiner Wolf-Sammlung der Marktgemeinde Perchtoldsdorf übergeben hatte. Seit 2003 präsentiert sich das Haus in Form einer würdigen und authentischen Gedenkstätte.


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    Das Hugo-Wolf-Haus steht in der Brunnergasse, wo noch niemand verdurstet ist, denn es reiht sich hier Weinlokal an Weinlokal. Die Gedenktafel am Haus hat der Perchtoldsdorfer-Männergesangverein am 4. Juni 1905 anbringen lassen.


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    Heinrich Werner beschreibt, unter welchen Bedingungen Hugo Wolf hier komponiert und gelebt hat:


    »Außer Licht, Luft und Ruhe - letztere war freilich die Hauptsache - hat Wolf nicht viel Annehmlichkeiten in dem alten Haus gefunden, zumal er dasselbe ja nur in der kalten Jahreszeit benützen konnte. Mit der Maiensonne kehrte unsere Familie regelmäßig in diese ihre Sommerwohnung zurück, um sie erst bei Einfall der unwirtlichen Herbstnebel zu verlassen. Kein Trinkwasser unter Dach, spärliche Petroleumbeleuchtung, einen allerdings riesigen, aber schlecht brennenden Kachelofen, bei dessen Vollglut er es im Winter nicht über 8 Grad Reaumur brachte, das verstimmte Klavier und die unzulängliche Bedienung der sonst sehr biederen Gärtnersleute, welche in dem einsamen Bewohner einen unwillkommenen Eindringling sahen, der ihren beschaulichen Winterschlaf durch oftmaliges ›Aniklempern‹, wie sie sein Klavierspiel nannten, störte und nach ihrer Ansicht jedenfalls nicht ganz richtig im Kopfe war, all diese Übelstände und noch andere mußte er in Kauf nehmen. Aber all diese ›Greuel‹ wurden bei seinen späteren Aufenthalten so viel als möglich besser gemacht. Der Ofen wurde durch eine andere Heizvorrichtung seiner eigentlichen Bestimmung angenähert und eine Bedienerin wurde gefunden, namens Pepi, die allerdings bucklig war, aber im übrigen von Wolf als ein Juwel bezeichnet wurde. Das hinderte ihn aber nicht, sie zuweilen, wenn er ungestört sein wollte, unwirsch anzufahren oder zu erschrecken, indem er ihr in die Ohren wispelte: "Wissen´s denn nicht, daß ich ein Mörder bin? Aber verraten´s mich nicht«

    Anmerkung: 8 Grad Reaumur entspricht einer Raumtemperatur von 10 ° C


    Wolfs Tagesablauf war straff organisiert und man muss sich das in etwa so vorstellen:
    Frühes Aufstehen, kaltes Bad, Kaffee und Zigaretten, kurzer Spaziergang, Komponieren, Mittagessen im Gasthaus. Nachmittags wieder Kaffee und Zigaretten bei der Kompositionsarbeit, dann ein karges Abendessen, das oft aus kaltem Fleisch bestand, die vegetarische Phase ist für Wolf vorbei; auch eine Flasche Bier verschmäht er nicht.
    Besucher waren unter der Woche unerwünscht, aber an Sonntagen lud er Freunde ein und spielte ihnen die neu entstandenen Werke vor, aber die Geselligkeit kam dabei auch nicht zu kurz.


    Über den Wiener Rechtsanwalt Joseph Reitzes, der Wolf im Sommer 1880 in sein Mayerlinger Haus einlud, bekam Wolf Zugang zur Familie Hugo Werner. Mizzi Werner, die Tochter - von Wolf »Götterwurzen-Mizzi« genannt - musizierte mit Hugo Wolf und das kindliche »Mäusefallensprüchlein« ist auf ihre helle Stimme wie zugeschnitten. Sogar die Rolle der Susanne aus Mozarts »Figaro« studierte Wolf mit Mizzi ein.


    Im Herbst 1887 stand Wolf wieder einmal vor der Frage eines neuen Domizils und entschied sich für das gastliche Haus der Familie Werner in Perchtoldsdorf, wo er am 23. Januar 1888 eintraf und am 24. Januar seine letzte Heine-Vertonung schrieb »Wo wird einst des Wandermüden Ruhestätte sein«.


    Beim Rundgang im Haus sieht man diese Bilder:


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    Das Museum ist nur nachmittags an Sonn- und Feiertagen geöffnet

    Musikstadt Hamburg

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    Nur ein paar Schritte vom Brahms-Museum entfernt, befindet sich in der gleichen Straße, Hausnummer 31, das Telemann-Museum, das thematisch auch Bezug auf Carl Philipp Emanuel Bach und Johann Adolf Hasse nimmt.



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    Georg Philipp Telemann


    Telemann ist mit über 3.600 Werken einer der produktivsten Komponisten der Musikgeschichte. Dieser große Umfang ist teils auf seine flüssige Arbeitsweise, teils auf eine mit 75 Jahren währende lange Schaffensphase zurückzuführen. Telemanns 1.400 erhaltene Kirchenkantaten stellen fast die Hälfte seines gesamten Nachlasses dar. Daneben schrieb er 16 Messen, 23 Psalmen, 46 Passionen, 6 Oratorien sowie Motetten und andere sakrale Werke und 40 Opern.

    Gleichzeitig war er auch noch ein tüchtiger Verleger, was sowohl seinen Wohlstand mehrte als auch zur Verbreitung seiner Musik beitrug.

    In seiner Hamburger Zeit überragte Telemanns Ruf jenen von Johann Sebastian Bach weit, erst im 19. Jahrhundert kehrte sich das Bild um und Telemann geriet weitgehend in Vergessenheit.


    Georg Philipp Telemann war zwar kein Hamburger, wenn man vom Geburtsort ausgeht, er war 1681 in Magdeburg geboren, aber er verbrachte immerhin etwas mehr als die Hälfte seines langen Lebens in Hamburg.

    Telemann entstammte einer gebildeten Familie; als Musiker war er weitgehend Autodidakt; Kompositionsversuche soll er schon im Alter von zehn Jahren gemacht haben, seine erste Oper entstand als er zwölf war und der Unterricht am Klavier soll nur zwei Wochen gedauert haben ...


    Die Eltern waren von den musikalischen Aktivitäten ihres Sohnes keineswegs begeistert - der Vater starb allerdings im Alter von nur 39 Jahren - die Mutter versuchte des Sohnes Eifer zu bremsen, weil Musiker in dieser Zeit kein besonderes Ansehen genossen. Man konfiszierte all seine Instrumente und schickte ihn zur Schule nach Zellerfeld im Harz. Aus der Sicht der Eltern war das keine gute Idee, denn vermutlich wusste sie nicht, dass der dortige Superintendent Caspar Calvör sich in seinen Schriften intensiv mit Musik beschäftigte und den jungen Telemann förderte. Seine nächste Station war das Gymnasium zu Hildesheim, wo der nunmehr 16-Jährige natürlich weiter drauf los komponierte und musizierte, was bedeutet, dass er autodidaktisch weitere Instrumente wie Orgel, Violine, Gambe, Traversflöte, Oboe, Schalmei, Kontrabass und Bassposaune ... spielen lernte.

    1701 beendete Telemann seine Schulausbildung und schrieb sich, auf Druck seiner Mutter, an der Universität Leipzig als Jurastudent ein - wer denkt da nicht an Schumann?

    Schon die Fahrt nach Leipzig ist bemerkenswert, denn sein Weg führte ihn über Halle, wo er den noch ganz jungen Georg Friedrich Händel besuchte.

    In Leipzig war das Jurastudium gerade ein Jahr gediehen, und schon gründete Telemann für die musikalischen Studenten ein 40-köpfiges Amateurorchester (Collegium musicum), das auch öffentliche Konzerte gab. Die juristische Karriere verschwindet im Nebel ... aber man erlebt Telemann als Leiter von Opernaufführungen.


    Als Telemann Leipzig verließ hatte er einige kleinere Engagements, bevor er dann1712 in Frankfurt am Main auftaucht, wo er ebenfalls als Tausendsassa in Sachen Musik fungierte und bis zum Jahr 1729 blieb, um dann nach Hamburg zu wechseln.

    Zu Hamburg bestanden bereits Kontakte, weil er für das damals hochmoderne Opernhaus am Gänsemarkt geschrieben hatte. Einflussreiche Hamburger Fürsprecher holten Telemann 1721 nach Hamburg. Er war zu dieser Zeit 40 Jahre alt und ein deutschlandweit geschätzter, umworbener und wohlhabender Musiker, denn sein kaufmännisches Talent war auch recht gut entwickelt.

    Georg Philipp Telemanns Leben und Wirken ist wohl eine der längsten und fruchtbarsten Verbindungen der Hansestadt mit einem Komponisten. Diese 46 Jahre währende Beziehung begann 1721 mit der Berufung Telemanns zum Kantor des Johanneums und Musikdirektor der fünf Hauptkirchen und dauerte bis zu seinem Tod im Jahr 1767.


    Dennoch hatte er sich seinen Start in der Hansestadt etwas brillanter vorgestellt, denn unverhofft musste er auf Dinge achten, die in Frankfurt für ihn kein Thema waren. So musste er sich mit Ortsansässigen Druckern herumbalgen, die auf ihre angestammten Rechte pochten. Für Telemann gab es einiges zu nörgeln, bis hin zur viel zu kleinen Dienstwohnung. So schaute er interessiert nach Leipzig, wo gerade der Thomaskantor verstorben war und eine Verdoppelung seiner Bezüge im Bereich des Möglichen war, wenn er nach Leipzig wechselte. Qualität hat ihren Preis, die Hamburger besserten nach und damit blieb Musikus Telemann der Hansestadt erhalten.

    1737 ließ er sich in Hamburg für neun Monate zu einem Aufenthalt in Paris beurlauben; seine Pariser Quartette legen Zeugnis von dieser Studienreise ab. In Paris wurden ihm höchste Ehren zuteil. Außer

    Auch auf solche Details wird im Museum hingewiesenAuch auf solche Details wird im Museum hingewiesendem französischen Einfluss enthielten seine Werke aber auch italienische, polnische Stilelemente.


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    Auch auf solche Details wird im Museum hingewiesen.


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    Das Komponistenquartier in Hamburg
    Es ist ein privates Museumsensemble in Hamburg; man findet es in der Peterstraße 29-39, 20355 Hamburg.

    Das Ensemble besteht aus dem bereits seit 1971 hier ansässigen Brahms-Museum, dem Telemann-Museum, dem Carl-Philipp-Emanuel-Bach-Museum und dem Johann-Adolf-Hasse-Museum. Im Mai 2018 kamen die Museen für Fanny und Felix Mendelssohn und Gustav Mahler hinzu.


    Das Brahms-Museum

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    Im Brahms-Museum werden in vier Räumen Musikalien, Schriftstücke, Konzertprogramme, Brahmsiana, Fotos und Brahms-Büsten gezeigt. Ein originales Glanzstück des Museums ist ein von der Hamburger Pianomanufaktur Baumgardten & Heins um 1859 gebautes Tafelklavier, an dem Johannes Brahms 1861/62 unterrichtete und zwei seiner Chordamen begleitet. Der junge Brahms hatte einige seiner Verehrerinnen um sich versammelt.


    Heute wird der weltberühmte Musiker hier groß als »Sohn der Stadt« herausgestellt und zu seiner Ehrenbürgerschaft kam es zu seiner Lebenszeit auch noch, aber seine künstlerischen Erfolge feierte er vor allem im mehr als tausend Kilometer entfernten Wien.

    Beinahe wäre er noch weiter von seiner Heimatstadt weggekommen, denn ein geschäftstüchtiger Impresario hatte die Absicht, den 10-jährigen Jungen als Wunderkind in Amerika zu vermarkten; Brahms´ Musiklehrer, der Pianiste Friedrich Willibald Cassel, wusste das zu verhindern.


    Mit 20 Jahren ging Brahms erstmals auf Konzertreise. Durch Vermittlung des befreundeten ungarischen Geigers Eduard Reményi lernte er Joseph Joachim kennen, und als Robert Schumann 1853 in der von ihm herausgegebenen »Neuen Zeitschrift für Musik« schrieb: »Und er ist gekommen, ein junges Blut, an dessen Wiege Grazien und Helden Wache hielten.«, war das eine Art Ritterschlag für Brahms. Es kam zu Kontakten mit Musikverlagen und anderen bedeutenden Musikern.


    Im Jahre 1859 ließ sich Brahms wieder in seiner Heimatstadt nieder, arbeitete mit dem Hamburger Frauenchor; macht sich dann aber im September 1862 unvermittelt auf den Weg nach Wien. In seinem Hamburger Freundeskreis ging man davon aus, dass er von dort zurückkehren werde, um in seiner Heimatstadt die Philharmonischen Konzerte zu leiten, wenn der aktuelle, schon betagte Kapellmeister Gund aufhört.

    1862 gab er sein erstes Konzert in Wien, das ihm großes Lob einbrachte. Joseph Hellmesberger war begeistert und sagte: »Das ist der Erbe Beethovens!« Dennoch dachte Brahms an eine Rückkehr nach Hamburg.


    Brahms fühlte sich in Hamburg heimisch und hoffte dort auf eine Anstellung als Leiter der Philharmonischen Konzerte. Doch man entschied sich für den Sänger und Dirigenten Julius Stockhausen. Brahms´ Traum von einem bürgerlichen Leben war zerstört, er war zutiefst enttäuscht und sagte einmal:


    »Hätte man mich zur rechten Zeit gewählt, so wäre ich ein ordentlicher bürgerlicher Mensch geworden, hätte mich verheiraten können und gelebt wie andere.«


    Nicht der bescheidene Brahms, sondern sein Freund Joseph Joachim sagt den Hamburgern unverblümt seine Meinung:


    »Wie man bei der Wahl zwischen Stockhausen und Johannes als Leiter eines Konzertinstitutes sich für den ersteren entscheiden kann, verstehe ich mit meinem beschränkten Musikverstand nicht!«


    Also zog er nach Wien, wo er Chormeister der Singakademie wurde; dort schrieb er auch das Deutsche Requiem (das allerdings in Bremen uraufgeführt wurde) und die Ungarischen Tänze. Später folgten die großen Sinfonien, Konzerte und Lieder, die den Komponisten unsterblich machten. Aus Johannes Brahms war ein berühmter Mann geworden, und Hans von Bülow in Hamburg an die Spitze der Philharmonischen Konzerte getreten; dieser drängte nun darauf, dass Brahms von seiner Heimatstadt die ihm längst gebührende Ehre zuteil wird.


    Am 14. Juni1889 wurde Johannes Brahms mit der Ehrenbürgerwürde der Stadt Hamburg ausgezeichnet, wobei es ein zähes Ringen war, bis der Beschluss einstimmig zustande kam.


    »Wir, der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg, beurkunden hierdurch, daß wir im Einvernehmen mit der Bürgerschaft dem im In- und Auslande infolge seines hervorragenden schöpferischen Genies und edlen Wirkens hochgefeierten Tonkünstler und Componisten, Herrn Johannes Brahms, dem werten Sohne unserer Stadt, in welcher von alters her die Tonkunst mit Vorliebe gepflegt wird, und auch Er für seine künstlerische Laufbahn Anregung und erste Ausbildung empfangen hat – in voller Würdigung seines Künstlerruhms, sowie in Anerkennung seiner der Heimat vielfach bewiesenen Anhänglichkeit –, die höchste Auszeichnung unseres Gemeinwesens: Das Ehrenbürgerrecht der Freien und Hansestadt Hamburg verliehen haben. Hamburg, den 14. Juni 1889. Der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg. Carl Petersen, Doktor.«


    Johannes Brahms bedankt sich musikalisch - das Werk »Deutschen Fest- und Gedenksprüche für Doppelchor, op. 109« wird mit der Ehrenbürgerschaft in Verbindung gebracht.

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    Es ist nicht das Geburtshaus von Brahms, er war ja gebürtiger Hamburger, sondern das Haus, wo er mehrere Sommer komponierend verbrachte. Es waren die Jahre 1865-1874.

    Danach folgten die Sommeraufenthalte in Pörtschach am Wörthersee (1877/78), die zehn Sommer in Bad Ischl (erstmals 1880) und die Sommermonate in Mürzzuschlag in der Steiermark (1884/85) - um die wichtigsten Sommeraufenthalte zu nennen.


    Das Baden-Badener Brahmshaus ist die einzige noch vorhandene Wohnung von Johannes Brahms. Das über 150 Jahre alte Haus wurde auf einem Felsen erbaut und erfuhr bisher praktisch keine Veränderung. Die früheren Wohnräume in der Mansarde des Hauses sind als Museum eingerichtet.

    Auch dieses Haus war - man glaubt es kaum - 1967 vom Abriss bedroht und konnte nur gerettet und erhalten werden, weil sich Kunstfreunde in der »Brahmsgesellschaft Baden-Baden« zusammen taten und das Haus kauften.

    In den Räumen findet man Autographen, eine Fotosammlung und andere Dokumente, die auch Clara Schumann mit einbeziehen, die von 1863-1873 mit ihrer Familie in Lichtenthal, einem heutigen Ortsteil von Baden-Baden, wohnte. Brahms besuchte sie dort einige Male, bevor er sich entschloss, dortselbst auch eine Wohnung zu nehmen. Einem Freund schilderte er die Situation so:


    »Ich kam, sah und nahm gleich das erste beste Logis. Und wirklich, es ist so sehr das beste, dass Du Deine Freude haben wirst. Auf einer Anhöhe liegt's, und ich übersehe alle Berge und Wege von Lichtental nach Baden.«


    Im Sommer 1866 traf Brahms mit Vollbart in Baden-Baden ein und das gefiel Clara zunächst überhaupt nicht. Sie monierte, dass sie die Feinheiten seines Gesichts nicht mehr erkennen könne.

    Das Haus ist nicht an allen Tagen und nur wenige Stunden für Besucher zugänglich, aber wenn da plötzlich und unverhofft Kurt Masur vor der Tür steht oder Leute aus Australien kommen, dann macht man schon mal eine Ausnahme, sagte die freundliche Betreuerin des Hauses...

    Sebastian Peschko - *30. Oktober 1909 Berlin - † 29. September 1987 Celle


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    Zum heutigen Todestag des Pianisten Sebastian Peschko


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    Sebastians Weg zur Musik dürfte wohl gradlinig verlaufen sein, denn sein Vater war Organist und Privatlehrer. An der damaligen Hochschule für Musik in Berlin studierte Sebastian Peschko Klavier bei den Professoren Börner und Fischer. Peschko wurde ab 1930 durch ein Bechstein-Stipendium gefördert. Lehrer, die ihn besonders beeinflusst haben, waren Conrad Ansorge und Edwin Fischer, von denen er - so wird berichtet - das Atmen und Phrasieren gelernt habe. Edwin Fischer äußerte einmal: »Nicht ich spiele, es spielt.«, ein Ausspruch, den auch Paul Badura-Skoda bis ins hohe Alter gerne zitierte.
    Das Orgelspiel hatte Sebastian von seinem Vater gelernt, an der Hochschule erweiterte er seine Kenntnisse bei dem Domorganisten und Regerfreund Walter Fischer.


    1933 war Peschko einer der vier Pianisten, die den Mendelssohn-Preis der Hochschule für Musik in Berlin gewannen. Wenn man von Professor Franz Schreker einen Preis ausgehändigt bekommt, dann ist das schon etwas Besonderes, worauf sich eine Karriere aufbauen lässt.


    Die Musikstudenten dieser Zeit konnten in Berlin ihre großen Vorbilder bestaunen, denen man gerne nachfolgen wollte, wie zum Beispiel:
    Wilhelm Furtwängler, Fritz und Adolf Busch, Borislaw Huberman, Pau Casals, Maria Ivogün, Karl Erb, Heinrich Schlusnus, Fritz Kreisler, Frederic Lamond, S. W. Rachmaninoff ...


    Schon ein Jahr später kam Sebastian Peschko ganz groß ins Rampenlicht, weil ihn der damals überaus populäre Bariton Heinrich Schlusnus als Begleiter seiner Liederabende auswählte, er hatte das Glück des Tüchtigen.


    Schlusnus und der Pianist Franz Rupp hatten von 1927 bis 1934 künstlerisch zusammengearbeitet und das hätte auch gewiss weiterhin Bestand gehabt, wenn nicht eine dunkle Zeit heraufgezogen wäre - Frau Annemay Schlusnus beschreibt die Situation so:


    »Die erste große Sorge war daher der Verlust unseres Begleiters, Franz Rupp, der sich mit den Gegebenheiten der Zeit nicht abfinden konnte (es soll erklärend hinzugefügt werden, dass er eine Frau jüdischer Abstammung hatte).
    Ein Ersatz musste schnell gefunden werden. Wir wandten uns an die Hochschule für Musik mit der Bitte, uns einen Nachfolger zu schicken. Man hatte schnell den einen ausgewählt, der 24 Jahre alt, gut aussehend und mit einem verträumten Gesicht, im Rufe stand wirklich sehr begabt zu sein.«


    Der hier von Frau Schlusnus beschriebene Pianist hatte nach seinem Hochschulabschluss zunächst das Geigenspiel von Georg Kulenkampff begleitet; Edwin Fischer hatte ihn an Kulenkampff empfohlen. Als nun Sebastian Peschko die ersten professionellen Podiumserfahrungen erworben hatte und von einer Konzerttournee nach Hause kam, erreichte ihn ein Anruf, der ihn zunächst verdattert reagieren ließ, denn am anderen Ende sprach der leibhaftige Heinrich Schlusnus.
    Nun wurde vereinbart, dass der junge Mann zu einem Probespiel nach Ruheleben zum Jasminweg kommen sollte, eine Gegend wo auch Die Gesangskünstler Emmi Leisner und Margarete Klose wohnten.


    In der idyllischen Gegend am Murellenteich angekommen, wurde er von Annemay Schlusnus herzlich empfangen, die ihm ein Hugo-Wolf-Lied reichte und man ließ dem jungen Mann etwas Zeit sich mit der Situation vertraut zu machen, bevor Heinrich Schlusnus selbst in Erscheinung trat, um den ins Auge gefassten neuen Konzertpartner zu begrüßen; eine von beiden Seiten empfundene Distanz war zu spüren, aber Peschko spielte so, dass sich Schlusnus eine Partnerschaft vorstellen konnte und der Meistersänger sagte, dass er einige Konzerte mit dem neuen Begleiter versuchen wolle, es käme dann darauf an, wie sich das Ganze entwickeln würde. Die Verabschiedung schildert Sebastian Peschko so:


    »Ich ergriff seine Notenmappe - die später viele Jahre mein treuer Begleiter war -, ein freundlicher Blick meines neuen Meisters verabschiedete mich, und dann trabte ich in einen siebenten Himmel hinein. Hinter mir schloss sich eine Tür, die mir später ein Tor zum deutschen Lied geworden ist.«


    Dieses gemeinsame Musizieren währte bis in die 1950er Jahre hinein und so war Sebastian Peschko auch noch dabei als bei Schlusnus die Kräfte schwanden.


    Aber man kann den Pianisten Sebastian Peschko nicht nur auf die Partnerschaft mit Heinrich Schlusnus reduzieren, denn da ist noch eine ganz beachtliche Liste schöner Stimmen zu nennen, welche die Partnerschaft Peschkos suchten:


    Theo Altmeyer, Erna Berger, Walter Berry, Rudolf Bockelmann, Grace Bumbry, Franz Crass, Lisa della Casa, Karl Erb, Nicolai Gedda, Agnes Giebel, Ernst Haefliger, Ilse Hollweg, Werner Hollweg, Heinz Hoppe, Christa Ludwig, Maria Müller, Hermann Prey, Ruth-Margret Pütz, Walther Pützstück, Erna Sack, Hanna Schwarz, Franz Völker, Bernd Weikl, Marcel Wittrich ...


    Aber wie schon eingangs erwähnt, begleitete Peschko auch Instrumentalisten, wobei neben dem bereits genannten Kulenkampff noch Berühmtheiten wie der äußerst pingelige Cellist Enrico Mainardi oder Hans Adomeit zu nennen sind.


    Von 1953 bis 1958 war Peschko bei Radio Bremen für Lied-, Chor- und Kirchenmusik zuständig; und als Rolf Liebermann Leiter der Hauptabteilung Musik beim Norddeutschen Rundfunk war, richtete er für Peschko eine neu geschaffene »Redaktion Lied« im NDR-Funkhaus Hannover ein, wo Peschko ab 1958 als Redakteur, Produzent und Pianist tätig war. Das oft in den Hintergrund gedrängte Lied erlebte in Hannover 1960 mit der Einführung der Konzertreihe »Meister des Liedes« eine Renaissance.


    In diese Zeit fällt auch die ›Entdeckung‹ des Baritons Thomas Quasthoff, dem es damals nicht möglich war sich als Sänger an der Musikhochschule ausbilden zu lassen. Aber was heißt hier Entdeckung, der behinderte Junge wurde dem Professor Sebastian Peschko, Leiter der NDR-Abteilung ›Kammermusik und Lied‹, vom Vater regelrecht aufgedrängt.
    Wie Michael Quasthoff, der Bruder des Sängers, in der Autobiografie schreibt, hatte Vater Quasthoff den ›Lied-Chef nach zwei Dutzend Brief- und Telefonattacken weichgekocht‹, so dass im Kleinen Sendesaal des Funkhauses ein Termin zustande kam. Der Beginn des Treffens wird folgendermaßen beschrieben:


    »Peschko, ein stattlicher Mensch mit weißem Haar, hoher Stirn und würdevollen Zügen, gibt sich förmlich und reserviert. Ich habe nur fünf Minuten Zeit, wiederholt er ungefähr zehn Minuten lang. Eine weitere Viertelstunde sinniert der Professor über die Untiefen des Musikbetriebes und ästhetische Grenzwerte im öffentlichen Raum.«


    Der Vortrag geht noch weiter in diese Richtung wobei Vater und Mutter Quasthoff immer nervöser werden und dann eindringlich darum bitten, dass der Herr Professor ihrem Jungen doch nur fünf Minuten zuhören möge. Nachdem Thomas mit Hilfe seines Vaters einige Stufen erklommen hat, legt er mit einem recht bunten Programm los:


    Da ist Brechts ›Mackie Messer‹-Song, der Gitte-Schlager ›Ich will ´nen Cowboy als Mann‹ und schließlich singt er das ›Ave Maria‹. Peschko findet das bisher Dargebotene gut und fordert zum Weitermachen auf.
    Es werden Opernarien und Gospels geboten, er imitiert Jürgen von Manger und Theo Lingen, beginnt zu jodeln und lässt auch seine Stimme im Stil von Louis Armstrong erklingen; den Schlusspunkt des Vortrags setzt er mit Bill Ramseys ›Zuckerpuppe aus der Bauchtanztruppe‹.
    Jetzt wird Sebastian Peschko zum Entdecker, er hatte dem seltsamen Programm teils mit geschlossenen Augen konzentriert zugehört und die vorhandene stimmliche Qualität erkannt. Nun tritt Peschko den Quasthoff-Eltern wohlwollend entgegen und sagt:


    »Vergessen Sie alles, was ich vorhin gesagt habe. Ich freue mich, dass Sie gekommen sind. Der kleine Bursche hat wirklich famose Anlagen. Ich werde mir etwas einfallen lassen und mich sobald als möglich bei Ihnen melden.«


    Peschko hat dann Thomas Quasthoff Zugang zu der Opernsängerin Charlotte Lehmann verschafft, die sich nach einem Vorsingen, das in ihrem Heim stattfand, bereit erklärte mit dem Jungen zu arbeiten, was bekanntlich mit Erfolg geschah.


    1971 und 1972 gab Sebastian Peschko im Rahmen der Internationalen Sommerspiele Kurse für Liedinterpretationen, trat aber in Salzburg später noch auf andere Weise in Erscheinung.


    Der Name Sebastian Peschko ist bei Lied-Kennern immer noch als Klavier-Begleiter sehr bekannt, weil er mit einer großen Anzahl berühmter Stimmen verbunden ist.
    Weniger bekannt dürfte sein, dass Sebastian Peschko auch als Komponist tätig war und diese Kompositionen nicht etwa im Nachlass als stille Übungen gefunden wurden, sondern noch zu Lebzeiten Sebastian Peschkos - am 30. August 1987 - bei einem Liederabend in der Semperoper mit der bekannten Sopranistin Helen Donath zum Vortrag kamen. Diese Lieder waren fester Bestandteil ihres Programms.
    Ebenso sang sie Peschkos Kompositionen bei den Salzburger Festspielen 1995 bei einem Liederabend am 16. August; vier Lieder, die Peschko nach Gedichten von Christian Morgenstern vertont hatte:
    Der Seufzer / Der Schaukelstuhl / Das Hemmed / Tapetenblume.


    Sebastian Peschko und seine Frau Ali Erika, die sich beim Orgelspiel des jungen Peschko in der Christian-Science-Kirche Berlin kennenlernten, wurden Eltern von drei Töchtern und zwei Söhnen. Auf dem Waldfriedhof in Celle hat der Pianist seine letzte Ruhe gefunden.
     

    Praktischer Hinweis:
    Waldfriedhof 29225 Celle an der Marienwerder Allee. Das Grab von Sebastian Peschko befindet sich ganz in der Nähe der St.-Hedwig-Kirche, wo sich ein kleiner Friedhofseingang befindet. Die Wegstrecke beträgt 120 Meter. Gleich hinter dem Eingang biegt man nach links ab und folgt diesem Weg etwa 100 Meter und biegt dann rechts ab.


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    Kirche und Straßenschilder dienen als Orientierungshilfe


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    Paul Badura-Skoda - * 6. Oktober 1927 Wien - † 25. September 2019


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    Zum heutigen Todestag von Paul Badura-Skoda


    Der kleine Paul sprang einst recht lustig zwischen den Gräbern des Ottakringer Friedhofs herum, es war für ihn ganz selbstverständlich, dass hier Verstecken und Fangen gespielt wurde, für ihn war nur betrüblich, dass hier keine Eisenbahnlokomotive durchfuhr.
    Fast jeden Sonntag wurde der Friedhof von der Familie besucht. An seinen Vater hatte Paul keine direkte Erinnerung, denn er war erst vier Monate alt als Ludwig Badura an den Folgen eines Motorradunfalls starb.


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    Pauls Zugang zur Musik vollzog sich ganz natürlich, denn seine Mutter hatte Zimmer zu vermieten und wählte unter den Interessenten Frau Marta Wiesenthal aus, eine Klavierlehrerin.
    Bei ihr begann dann für den sechsjährigen Knaben der Klavierunterricht.


    Am Wiener Konservatorium hatte der Student in Prof. Viola Thern, die einer Musikerdynastie entstammte, in Sachen Klavier wieder eine weibliche Bezugsperson, die er später als ›einer Art Leitperson‹ bezeichnete. Aber Badura-Skoda studierte nicht nur Klavier, sondern auch Dirigieren, wofür an der Hochschule Prof. Felix Prohaska zuständig war.
    In beiden Fächern machte er dann 1948 seinen Hochschulabschluss mit Auszeichnung und 1949 wollte ihn kein geringerer als Josef Krips zu seiner Assistenz an die Wiener Staatsoper holen und lockte mit dem Lob: ›Sie sind der geborene Dirigent!‹
    Allerdings wurde der junge Pianist von seinem Manager dahingehend beraten, dass er besser seine Pianisten-Karriere vorantreiben sollte, denn noch vor seinem Abschluss gewann der strebsame Pianist den 1. Preis beim Österreichischen Musikwettbewerb, dem noch Siege bei Wettbewerben in Budapest und Paris folgten - darauf ließ sich aufbauen.
    Der in Wien errungene erste Preis beinhaltete auch ein Stipendium für Edwin Fischers Meisterkurs in Luzern, wobei das in dieser Zeit auch außermusikalisch einen Wert an sich darstellte. Auch hochbetagt kam Badura-Skoda immer und immer wieder auf Edwin Fischer zurück, der für ihn ein Leitstern war.


    In der Kriegszeit konnte die Familie bei einem Bauern in der Nähe von Amstetten unterkommen, den sein Stiefvater, Anton Skoda, ausfindig gemacht hatte. Die Familie lebte dort offiziell als Landhilfsarbeiter, inoffiziell hatte er ein Klavier und ein Akkordeon, mit dem er bei Hochzeiten aufspielen und auch für ein paar Stunden die Schrecken des Krieges vergessen konnte.


    Und nach dem Krieg ging es in der Tat schnell voran; entscheidenden Anteil daran hatten Wilhelm Furtwängler und Herbert von Karajan, denn sie engagierten Badura-Skoda als Solist für Konzerte. So spielte Badura-Skoda zum Beispiel 1949 im Wiener Musikverein mit den Wiener Philharmonikern unter Furtwängler Mozarts Konzert für zwei Klaviere in Es-Dur, KV 365; seine Klavierpartnerin war Furtwänglers Tochter Dagmar Bella.
    Karajan war damals zwar noch nicht der ›ganz große‹ Karajan der späteren Jahre, aber Badura-Skoda berichtete vom damaligen Engagement, dass Karajan ihm eine ganze Woche lang Klavierunterricht erteilte, um ihm zu erklären, wie er das Stück zu spielen habe.
    Ein Karrierehöhepunkt folgte dem andern; bei den Salzburger Festspielen 1950 sprang er für den erkrankten Edwin Fischer ein, wo er neben Wolfgang Schneiderhahn und Enrico Mainardi musizierte. Ab 1954 war Badura-Skoda Fischers Assistent, nachdem er seit 1948 bei ihm Meisterkurse besucht hatte.


    Schon ab 1950 kann man von einer großen internationalen Karriere sprechen, denn da gab es Konzerttourneen nach Australien, USA, Kanada, Mexiko und Südamerika; später dann auch nach Japan, in die Sowjetunion und nach China, wo Badura-Skoda als erster westlicher Pianist nach der Kulturrevolution auftrat.


    1951 hatte Paul Badura-Skoda einen Auftritt als Ehemann, er heiratete die 22- jährige Eva Halfar, eine Musikwissenschaftlerin, die in ihrem Genre ebenfalls eine internationale Karriere zustande brachte und dennoch vier Kindern ins Leben half, darunter der Pianist Michael Badura-Skoda (1964-2001).


    Eva Badura-Skoda promovierte mit 24 Jahren, was heute kaum noch vorstellbar ist. Das Ehepaar arbeitete musikwissenschaftlich zusammen, zum Beispiel bei dem Buch ›Mozart -Interpretation‹, das 1957 zunächst in deutscher Sprache erschien und später in Englisch und Japanisch veröffentlicht wurde. Nachdem ein halbes Jahrhundert verstrichen war, hatten beide dann 2008 die Erkenntnisse der letzten Jahrzehnte in einen erweiterten Text (474 Seiten) einfließen lassen. Auch zu dem Buch ›Bach Interpretation‹ (1990) hat Ehefrau Eva einiges beigesteuert.
    Bei all dieser Zusammenarbeit gab es jedoch auch im Garten der Villa noch ein Übungsstudio für den Pianisten.


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    Etwas von seinem zweiten Ausbildungszweig an der Hochschule kam 1956 zum Tragen, als er mit dem Taktstock und einem Kammerorchester der Wiener Symphoniker auf einer Tournee durch Italien unterwegs war.
    Aber als Pianist waren seine Auftritte eine Aneinanderreihung von Superlativen; bei seiner ersten Japan-Tournee 1959/60 trat er allein in Tokio 14 Mal auf.
    Im Beethoven-Jahr 1970 spielte und kommentierte er zusammen mit dem befreundeten Jörg Demus alle Klaviersonaten Beethovens für das Deutsche Fernsehen. Zyklische Aufführungen der 32 Beethoven Sonaten folgten in Mexiko, Chicago, Paris, London, Wien und Barcelona.
    Er ist wohl der einzige Pianist, der wiederholt alle Sonaten von Mozart, Beethoven und Schubert sowohl auf Pianoforte als auch auf modernem Flügel auf CD aufnahm - aber auch öffentlich aufführte.
    Sowohl Frau Eva als auch Paul Badura-Skoda beschäftigten sich intensiv mit der Entwicklung des Hammerklaviers. Er sammelte über viele Jahre hinweg historische Klavierinstrumente; Große Teile dieser Sammlung waren seit 2001 als Leihgabe auf Schloss Kremsegg untergebracht, aber 2018 wurde das Musikinstrumentenmuseum geschlossen.


    Er sammelte, weil es ihn interessierte, wie es wirklich geklungen hat, und er wollte herausfinden, was die Absicht des Komponisten war. In diesem Zusammenhang sagte er einmal:


    »Es ist ja das Schöne, dass es gerade in der Musik so viele Möglichkeiten gibt. Die Noten stehen fest - aber jeder kann etwas hineinlegen. Und es gibt manchmal große Momente, in denen man über sich hinausgetragen wird und spürt: Nicht ich spiele, sondern es spielt, wie der große Edwin Fischer einmal sagte.«


    Spitzenmusiker wie Badura-Skoda arbeiten naturgemäß auch mit anderen großen Musikern zusammen, was in der Regel professionell und auf hohem Niveau von statten geht.
    Bei Paul Badura-Skoda nehmen aber zwei Kollegen eine Sonderstellung ein, wo neben dem professionellen Musizieren auch echte und tiefe Freundschaften entstanden.
    Da war einmal der Pianistenkollege Jörg Demus, der vor allem als Begleiter großer Stimmen bekannt war, die beiden waren fast gleichaltrig. Sie spielten als alte Herren zusammen noch ein Konzert in Linz, da stand Demus zwei Monate vor seinem 90. Geburtstag und Badura-Skoda hatte am Vortag gerade seinen 91. Geburtstag gefeiert. Die ›Salzburger Nachrichten‹ berichteten, dass bei der vierhändig gespielten Zugabe keiner im Saal mehr sitzen blieb; die Begeisterung war Riesengroß.
    Die in Freundschaft mündende Bekanntschaft mit David Oistrach reicht in den Anfang der 1960er Jahre hinein; 1971 kam es bei der Salzburger Mozartwoche zum ersten gemeinsamen Sonatenabend; beide sollen ausgezeichnete Schachspieler gewesen und hatten das auch ausreichend gepflegt, wenn sie nicht gerade mit ihren Instrumenten zu tun hatten.


    Paul Badura-Skoda war auch ein begeisterter und begeisternder Pädagoge, der in dieser Eigenschaft in der Welt herumreiste. Von 1966 bis 1971 war er Artist in Residence an der University of Wisconsin und 1974 unterrichtete er als Gastprofessor am Curtis Institute of Music in Philadelphia. Auch der deutschsprachige Raum wurde nicht ausgespart, von 1975 bis 1981 lehrte er an der damaligen Folkwang Musikhochschule in Essen und 1981 kehrte er zu seinem Ursprung zurück und wurde ordentlicher Professor für Klavier an der Universität für Musik und darstellende Kunst in Wien, wo er bis zu seiner Emeritierung 1994 tätig war.
    Auch als Jurymitglied bei diversen Wettbewerben war Badura-Skoda ein gefragter Mann; so war er 1987 Jurymitglied beim Santander Paloma O´ Shea Klavierwettbewerb, den damals David Allen Wehr gewann.
    1990 und 1995 Jurymitglied beim Internationalen Chopin-Wettbewerb in Warschau und 2013 saß er beim Internationalen Deutschen Pianistenpreis in Frankfurt am Main in der Jury.


    Bezüglich zeitgenössischer Musik ist das freundschaftliche Verhältnis zu Frank Martin zu erwähnen, das sich mit einem Brief vom 11. Juni 1965 anbahnte, den Badura-Skoda, der damals schon ein renommierter Pianist war, an Frank Martin schrieb:


    »Verzeihen Sie, wenn ich mich mit einer ungewöhnlichen Bitte an Sie wende. Schon während meiner Studienzeit am Konservatorium hat mich Ihre Musik tief beeindruckt ...


    Ich möchte Sie aber nicht mit Elogen, die Sie wahrscheinlich all zu oft zu hören bekommen, langweilen, sondern gleich zum Kern der Sache vordringen: es würde mich freuen, wenn Sie für mich ein neues Klavierkonzert schreiben könnten ...«


    Der Briefwechsel erfolgte überwiegend in Französisch während der letzten neun Lebensjahre des Komponisten und informiert über die gute Zusammenarbeit der beiden. Frank Martin hat zwei Werke für Klavier im Auftrag von Badura-Skoda geschrieben und mit einem gewissen Stolz zitierte der Pianist den Komponisten, der nach der Uraufführung seines Zweiten Klavierkonzerts folgende Widmung schrieb:


    »Du hast das Größte fertiggebracht. Du hast mich von meiner eigenen Komposition überzeugt.«


    Die umfangreichen Aktivitäten und die lange Lebensspanne brachten es mit sich, dass Paul Badura-Skoda mit äußeren Zeichen der Anerkennung geradezu überschüttet wurde.

    Neben Ehrendoktorwürden mehrerer Universitäten wurde Paul Badura-Skoda das Österreichische Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst, das Große Silberne Ehrenzeichen mit dem Stern für Verdienste um die Republik Österreich und das Goldene Ehrenzeichen für Verdienste um das Land Wien verliehen und 1978 erhielt er den Bösendorfer-Ring, welchen vor ihm nur Wilhelm Backhaus trug. 1993 wurde der Künstler zum ›Chevalier de la Légion d'honneur‹ ernannt und 1997 zum ›Commandeur des Arts et des Lettres‹.


    Irgendwie passt es nicht so recht zu all diesen Ehrungen, wenn Paul Badura-Skoda - wohl mit einiger Verbitterung - in der Rückschau feststellen musste:
    »Warum ich seit 50 Jahren nicht mehr nach Salzburg eingeladen wurde, verstehe ich nicht. Ich kann ohne Salzburg leben - und umgekehrt auch. Aber es gibt auch die Schubertiade in Vorarlberg. Ich habe alle Schubert-Werke gespielt, aber die haben mich von Anfang an vollkommen ignoriert. Freunde und Manager haben Ihnen geschrieben und noch nicht einmal eine Antwort bekommen.«


    Am 25. September 2019 ging in Wien ein arbeitsreiches, aber beglücktes Leben zu Ende; eigentlich wollte er Ingenieur werden, aber das Musizieren Furtwänglers beeindruckte ihn so sehr, dass sich ihm eine höherwertige Welt erschloss. Neben persönlichen Erinnerungen hinterlässt der vielleicht letzte große Pianist des 20. Jahrhunderts, der noch Berührung mit der Romantik des späten 19. Jahrhunderts hatte, mehr als 200 Aufnahmen, die in fast 70-jährigem Wirken entstanden sind.
    Kurz nach seinem 90. Geburtstag gab er noch ein Konzert im Goldenen Saal des Wiener Musikvereins.
    Seine letzten Lebensjahre waren zwar von schwerer Krankheit geprägt, aber es war ihm trotzdem wichtig weiter zu musizieren. Seine Plattenfirma teilte donnerstags mit:
    ›Paul Badura-Skoda starb am Mittwochabend bei sich zu Hause schmerzfrei und in Frieden.‹
    Zu seinen Ehren wurde am 5. Oktober 2019 in der Wiener Piaristenkirche, die er als Kind und im Alter oft besucht hatte, ein Gottesdienst gefeiert, wobei die e-moll Messe von Anton Bruckner aufgeführt wurde. Am 9. Oktober fand das Begräbnis im engsten Familienkreis statt.


    Praktische Hinweise:
    Adresse: Friedhof Ottakring, Gallitzinstraße 5, 1160 Wien; das ist der 16. Wiener Gemeindebezirk.
    Der Haupteingang befindet sich zwischen Johann-Staud-Straße und Gallitzinstraße.
    Man geht zur Rückseite der Aufbahrungshalle und benutzt den ansteigenden Weg am Feld 5, wobei man sich schon nach wenigen Metern nach rechts wendet und auf das Mausoleum zu läuft; am Mausoleum geht es weiter geradeaus, bis ein Stein deutlich das Gräberfeld 9 anzeigt, wo sich das Grab der Familie Badura-Skoda befindet.


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    Beim Mausoleum geht man noch weiter geradeaus.


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    Hat man den Stein für Gruppe 9 erreicht, ist die weitere Information: Reihe 4, Nummer 10.


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    Anton Rückauf - *13. März 1855 Prag - † 19. September 1903 Alt-Erlaa (bei Wien)


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    Zum heutigen Todestag von Anton Rückauf


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    Bildhauer Franz Vogl

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    Hier steht eine andere Jahreszahl als in den Nachschlagewerken


    Anton Rückauf hat zwar auf dem Wiener Zentralfriedhof ein prächtiges Grabdenkmal, aber er ist heute als Musiker kaum noch bekannt.
    Er besuchte in Prag das renommierte Proksch-Institut, wo er von Marie Proksch am Klavier unterrichtet wurde, die internationale Erfahrungen von Paris mitbrachte, und die pädagogische Arbeit ihres Vaters fortführte. Außerdem besuchte er die alte Prager Orgelschule bei den Lehrern František Zdeněk Skuherský und František Blažek.
    Nach seiner Ausbildung war er selbst am Procksch´en Institut (so die Schreibweise in einer Zeitung von 1903) als Lehrer tätig.
    1878 kam Anton Rückauf dann nach Wien, denn er hatte einige Lieder komponiert und Johannes Brahms war aufmerksam geworden und verschaffte Rückauf ein Stipendium, was dem jungen Mann ermöglichte, bei Gustav Nottebohm und bei Navratil Kontrapunktstudien zu machen. Im Klavierspiel holte er sich bei Theodor Leschetitzky den letzten Schliff.
    Anton Rückauf kam nun in Wien mit dem bekannten Tenor Gustav Walter in Kontakt, mit dessen Unterstützung er in adeligen Kreisen verkehren konnte.
    Von 1882 bis 1984 unternahmen die beiden längere Konzertreisen nach Deutschland; ansonsten gab Rückauf Klavierunterricht und komponierte Lieder.

    Die Liederabende des Duos Walter / Rückauf müssen - orientiert man sich an zeitgenössischen Zeitungsberichten - in dieser Zeit etwas ganz Besonderes gewesen sein.
    Ein in Frakturschrift gesetzter Zeitschriftenbeitrag sei hier in modernen Lettern, aber originaler Schreibweise eingestellt; das hier Beschriebene stammt aus einer Veröffentlichung vom 21. September 1903 und zeigt das öffentliche Wirken von Anton Rückauf recht anschaulich.


    »Es war die Zeit, als Gustav Walter begann, durch seine unvergleichliche Kunst die Schätze unserer reichen Liederliteratur beim Publicum zu erneutem Ansehen zu bringen. Damals associirte er sich mit Anton Rückauf, der Jahre hindurch nicht nur sein untergeordneter Begleiter, sondern ein mitempfindender Freund und Künstler war, der es verstand, die Intentionen Walter´s mit den eigenen in harmonischen Einklang zu bringen. In jener Zeit bildete das Concert Walter´s den einzigen Liederabend der Saison. Daß ein einziger Sänger den ganzen Abend hindurch nur Lieder singen sollte, war eine Neuerung, deren Gelingen nicht ohneweiters gesichert war. Man war früher gewohnt, Lieder nur in Concerten mit sogenannten gemischten Programmen zu hören, und hielt das Dominiren eines Künstlers im Conzert für eine unerhörte Zumutung, die eine gefährliche Monotonie zur Folge haben müßte. Aber ganz so wie früher die Clavierspieler, wußten nun auch die Sänger diese Bedenken zu zerstreuen, und das Publicum gewöhnte sich an die Specialisirung im Kunstgenuß ebenso wie auf anderen Gebieten. Dieser Erfolg war zum nicht geringen Theil ein Verdienst Rückauf´s, der als selbständige künstlerische Persönlichkeit mit seinen Claviervorträgen etwas Abwechslung in das Programm brachte. Keiner unserer jetzigen ›Begleiter‹ hat ihn in dieser Eigenschaft auch nur annähernd erreicht. Das Künstlerpaar Walter-Rückaufhat mit seinen Concerten Schule gemacht.
    In der vorigen Saison hatten wir schon 76 solcher Liederabende zu verzeichnen, von denen freilich nur ein kleiner Theil die Bedeutung der Concerte Walter´s erreichte. Längst verschollene Lieder wurden damals der Vergessenheit entrissen, ältere Perlen in vollendende Fassung gebracht und eine ganze Anzahl neuer Compositionen angeregt.
    Rückauf´s Talent empfing von dieser Thätigkeit die fruchtbarste Anregung, die es dem Componisten ermöglichte, auch selbst kleine Liedwerke zu schaffen, die zeitweilig eine ungewöhnliche Popularität errangen. Sein Stilo lag ungefähr dem von Robert Franz nahe, obgleich auch Brahm´s Jugendwerke auf ihn nicht ohne Einfluß geblieben sind.
    Die modernste neudeutsche Schule lag Rückauf fern, und er trat im Laufe der Jahre als Componist in demselben Maße zurück, als jene an Boden gewann.«


    Anton Rückauf hat sich auch als Komponist von Kammermusik und Opern versucht, konnte aber nicht den Erfolg verbuchen, den er zeitweilig mit seinen Liedkompositionen hatte.
    Seine Oper »Die Rosenthalerin« wurde in Wien abgelehnt, dann aber schließlich in Dresden 1897 ohne durchschlagenden Erfolg aufgeführt.
    Zu seinem Lebensende hin leitete er sehr erfolgreich den Evangelischen Singverein, aber damit war kein Weltruhm zu erreichen.


    Die Herzogin von Oldenburg hatte Anton Rückauf das Schloss Neu-Erlaa (heute 23. Wiener Gemeindebezirk) als Sommeraufenthalt zur Verfügung gestellt, er war schon seit mehr als einem Jahr gesundheitlich angeschlagen und gerade von einem Kuraufenthalt aus Karlsbad zurückgekommen. Er selbst soll jedoch noch Schaffensdrang auf Jahrzehnte hinaus verspürt haben, aber sein Umfeld merkte, dass es dem Ende zu ging. Er hatte ein Krebsleiden und starb an einem Samstag, abends um halb neun, am 19. September 1903.

    Praktische Hinweise:
    Das Grabmal von Anton Rückauf befindet sich auf dem Zentralfriedhof Wien, Simmeringer Landstraße 234.
    Vom Tor 2 kommend geht man der Hauptachse geradeaus und erreicht Gruppe 32 A kurz nach den Alten Arkaden links des Hauptweges.
    Man kann von etwa drei bis fünf Gehminuten ausgehen, Friedhofspläne stehen ausreichend zur Verfügung.

    Nachtrag


    Wenn man das Leben eines Künstlers, in diesem Falle einer Künstlerin, Revue passieren lässt, liegt es in der Natur der Sache, dass man nicht jeden großen Auftritt im Detail ausleuchten kann. Aber es muss zum Beitrag # 839 noch etwas Wichtiges hinzugefügt werden, würde man es nicht tun, wäre das eine unverzeihliche Unterlassungssünde. - Rosette Anday war eine ganz große Mahler-Interpretin!


    Bei den Salzburger Festspielen trat sie auch als Konzertsolistin auf: 1928 sang Rosette Anday am 19. August unter dem Dirigat von Bruno Walter und mit dem Tenorpartner Jacqes Urlus im »Lied von der Erde« von Gustav Mahler.
    1934 war sie mit diesen Mahler-Liedern wiederum in Salzburg unter Walter zu hören, dieses Mal mit dem amerikanischen Tenorpartner Charles Kullmann.
    Der Kulturredakteur Dr. Otto Kunz schrieb im ›Salzburger Volksblatt‹ am 16. August 1934:
    »Prachtvoll Frau Anday in der Alt-Partie. Diese Frau fühlt mit, tiefe Trauer erfüllt ihre Seele. Gustav Mahler selbst scheint in ihr Abschied vom Leben zu nehmen.«



    Rosette Anday - * 22.12.1903 Budapest - † 18.09.1977 Wien


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    Zum heutigen Todestag von Rosette Anday


    Die später als Rosette Anday weltberühmt gewordene Sängerin hieß von Geburt eigentlich Piroska Andauer und war die Tochter des jüdischen Kaufmanns Ludwig Andauer (*1870 - † 1900) und seiner Frau Elvira, geborene Holländer.
    Mit den offiziellen Geburtsnamen von Sängerinnen war das in dieser Generation so eine Sache; in diesem Falle verwundert eine am 4. April 1900 im PESTER LLOYD - einer deutschsprachigen Tageszeitung, - erschiene Todesanzeige, in der die Witwe Ella Andauer in ihrem und im Namen ihres Kindes Piroska, die Öffentlichkeit über das plötzliche Ableben ihres Mannes Ludwig Andauer informiert; es soll ein Freitod gewesen sein und die Vaterschaft stellt sich auch etwas nebulös dar.


    Es wird von einem Philologischen Studium an der Budapester Universität berichtet, das nach der Datenlage jedoch nicht besonders tiefgründig gewesen sein kann. Als sicher gilt, dass Piroska Andauer in Budapest Violine und Gesang studierte. Violine bei Jenö Hubay (Eugen Hubay) und Gesang bei Georg Anthes, Madame Charles Cahier und Gino Tessari studierte. Die Studien waren offensichtlich so erfolgreich, dass die junge Frau bereits 1920 an der Budapester Nationaloper debütieren konnte. Hier geraten die in der Literatur genannten Daten etwas durcheinander, denn sie soll als 18-Jährige an der Wiener Staatsoper debütiert haben.


    Die Geschichte spielte sich mit großer Wahrscheinlichkeit so ab, dass Franz Schalk, Dirigent und Direktor der Wiener Staatsoper, die junge Sängerin in Budapest hörte und so begeistert war, dass er sie unverzüglich an sein Haus nach Wien holte, was verständlich ist, wenn man sich heute die Stimme auf alten Platten anhört.


    Veni, vidi, vici - man kann das etwas modifizieren: sie kam, sie sang, sie siegte, und zwar auf der ganzen Linie. Da kommt also eine völlig Unbekannte aus Budapest herüber und dient sich nicht über kleine Rollen hoch, sondern steigt an diesem berühmten Haus gleich mit Carmen ein.
    Wenn man die Analen der Staatsoper studiert fällt lediglich auf, dass die Neue bereits am 14. September 1921 bei den drei Knaben in der »Zauberflöte« mitwirkte, vermutlich um die Atmosphäre des Hauses zu schnuppern.
    Am 23. September 1921 dann der große Einstieg als Carmen, eine Rolle, in der sie schließlich bis 1951 insgesamt 82 Mal auf der Bühne der Wiener Staatsoper stand. Es sollen insgesamt 106 Rollen des gesamten Alt- und Mezzosopran-Faches gewesen sein, die sie beherrschte.
    Noch in der gleichen Saison gab sie - gefördert von Franz Schalk und Richard Strauss - ihren ersten Liederabend im Großen Musikvereinssaal in Wien. Warum Meister Strauss von der Sängerin so begeistert war, kann man nachvollziehen, wenn man die alte Polydor-Platte von 1928 auflegt und hört wie sie das Lied »Befreit« singt.
    Ab 1922 hatte sie auch zahlreiche Auftritte bei den Salzburger Festspielen; allmählich wurde ihr Künstlername ›Rosette Anday‹ zu einem Markenzeichen und die Sängerin war weltweit begehrt; sie tourte nicht nur durch die bekannten Opernhäuser Deutschlands sondern war auch in Europa und auf dem amerikanischen Kontinent präsent.


    So kam es schließlich auch fern der Heimat zur ersten Eheschließung; während einer dreimonatigen USA-Tournee heiratete sie im Februar 1932 in New York den jüdischen Adligen Egon Ernst von Ketschendorf, aber dem in der New Yorker Saint Thomas Church geschlossenen Ehebund war keine lange Dauer beschieden, schon im Mai 1933 hatte die Gemeinsamkeit ein Ende gefunden.


    Ihre Stimme reifte immer mehr heran, wurde mit der Zeit voluminöser, so dass sie von Mozarts Cherubino und Dorabella zu Verdi und Wagner kam.
    Fünf Jahre nach ihrem Wiener Debüt war sie mit der Rolle der Dalila in Camille Saint-Saëns Oper »Samson und Dalila« gefordert, eine Traumrolle für eine Mezzosopranistin.
    Und sie beglückte Strauss nicht nur mit dem Vortrag seiner Lieder - sie war auch eine großartige Klytämnestra.


    Im Juni 1937 kam es dann in Wien zu einer zweiten Eheschließung mit dem Rechtsanwalt Dr. Karl Bündsdorf. Diese Ehe blieb stabil, aber die politischen Verhältnisse nicht, was diese Verbindung einer Belastung der besonderen Art aussetzte. Ab März 1938 durfte Rosette Anday wegen ihrer jüdischen Herkunft nicht mehr an der Staatsoper auftreten und erhielt demnach auch keine Gage mehr. Der rechtskundige Gatte gab sein Bestes, er war ja ›Arier‹, aber die Zeiten waren äußerst gefährlich, also versuchte man in dieser Situation möglichst unbemerkt zu bleiben.


    Nach Kriegsende gab es relativ schnell auch wieder Salzburger Festspiele, so war sie bei der Uraufführung von »Dantons Tod« am 6. August 1947 mit dabei und ihr letzter Salzburger Auftritt war bei Mozarts Requiem am 24. August 1947.
    1961 konnte sie ihre 40-jährige Zugehörigkeit zur Wiener Staatsoper feiern; in einer Festvorstellung verabschiedete sie sich am 22. Oktober als Klytämnestra in »Elektra«.



    Praktische Hinweise:
    Das Ehrengrab von Rosette Anday befindet sich auf dem Zentralfriedhof Wien, Simmeringer Landstraße 234.
    Vom Tor 2 kommend geht man die Hauptachse geradeaus und erreicht Gruppe 32 C vor der großen Friedhofskirche und links des Hauptweges.
    Man kann von etwa fünf Gehminuten ausgehen, Friedhofspläne stehen ausreichend zur Verfügung.


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    Diese beiden Steine sind andere Gräber, das Grab Anday befindet sich weiter rechts davon


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    Karl Dönch - * 8. Januar 1915 Hagen - † 16. September 1994 Wien


    Über seine Herkunft und wie Karl Dönch zum Sängerberuf kam, ist in der Öffentlichkeit außer dem Geburtsort nichts bekannt. Das Große Sängerlexikon stellt dar, dass Dönch am Konservatorium in Dresden ausgebildet wurde; in anderen Publikationen ist zu lesen, dass er Musik, Gesang und Schauspiel studierte; Hinweise auf seine besondere schauspielerische Begabung ziehen sich wie ein roter Faden durch sein Künstlerleben.


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    Zum heutigen Todestag von Karl Dönch


    Karl Dönchs Debüt fand 1936 am Stadttheater Görlitz statt, wo er in der Rolle des Dr. Bartolo im »Barbier von Sevilla« in Erscheinung trat. Dem folgten Engagements am Grenzlandtheater in Reichenberg (Liberec, Böhmen, 1939-41). In den Jahren 1942 bis 1944 ist eine Tätigkeit am Stadttheater Bonn dokumentiert.


    Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Dönch »Österreicher«, das heißt, dass er für den Rest seines Lebens in Österreich, insbesondere in Wien, fest verwurzelt war; allgemein wird er als deutsch-österreichischer Sänger mit der Stimmlage Bassbariton bezeichnet.
    Dönch nähert sich Österreich über Salzburg und in den Analen des Salzburger Landestheaters ist nachzulesen wie sich die Anfänge nach dem großen Krieg gestalteten.
    Nachdem Intendant van Hamme in Pension gegangen war, konnte keine in allen Belangen geeignete Nachfolge gefunden werden, so dass de Pasetti - damaliger Leiter der Theater- und Musikabteilung des amerikanischen Nachrichtenkontrolldienstes in Österreich - in eine besondere Konstruktion der Theaterleitung einwilligte. Es bildete sich ein Triumvirat aus dem Schauspieler Erwin Faber, dem Operettenkomiker Riegler und Karl Dönch, der das Theater künstlerisch leiten sollte.
    Das erste Stück auf dem Spielplan war »Der Wildschütz« von Lortzing, Dönch sang den Schulmeister Baculus.


    Die »Salzburger Nachrichten« vom Dienstag, 2. Juli 1946 bringen einen Bericht über Karl Dönch, der mit einem Porträtfoto und drei Rollenfotos des Sängers illustriert ist. Einige Textauszüge, die zeigen wie der damals 31-Jährige gesehen wurde, seien hier zitiert:


    »Karl Dönch hat in der vergangenen Saison fünf Opern inszeniert, eine schöne Leistung, wenn man die Schwierigkeiten berücksichtigt, die er bewältigen musste. Abgesehen davon, dass schon das Beschaffen einer Partitur gegenwärtig eine außergewöhnliche Leistung darstellt, stand Dönch meist nur wenig Zeit zu Proben zur Verfügung ...
    Dönchs Künstlerpersönlichkeit wird von zwei Hauptmomenten getragen: seinem schauspielerischen Können und seinem außergewöhnlichen Sicheinfühlen in den Geist des Werkes. Wir schrieben schon einmal, dass Dönch auch als Schauspieler Karriere gemacht hätte. Sein Spiel ist vollkommen ausgereift und abgeschliffen. Die sogenannten Spitzwegtypen sind seine Hauptstärke und in deren Darstellung ist er zweifellos unübertrefflich. Stimmlich zeichnet ihn eine feine Musikalität aus. Jeder Ton sitzt sicher, und nur die Farbe des Tons ist manchmal blass.«


    Nur sechzehn Monate später wird dann Dönchs vorläufiger Abschied von Salzburg angezeigt, in anderer Mission kommt er jedoch wieder in die Stadt; in der Chronik liest sich das so:


    15. Oktober 1947
    Abschiedsabend von Karl Dönch. Der beliebte Opernsänger des Landestheaters gibt im Großen Saal des Mozarteums ein umjubeltes Abschiedskonzert, begleitet von Paul Schilhawsky am Flügel. Karl Dönch übersiedelt an die Staatsoper Wien.«


    An der Wiener Staatsoper erschien Karl Dönch erstmals am 7. November 1947. Unter dem Dirigat von Ference Fricsay wurde »Dantons Tod«, eine Oper des Komponisten Gottfried von Einem, als Übernahme von den Salzburger Festspielen, gegeben; Dönch in der Rolle des Simon, den er auch schon in Salzburg alternierend mit Georg Hann sang.


    Karl Dönch hatte in den Folgejahren mehr als tausend Auftritte an der Wiener Staatsoper absolviert, wobei zu erwähnen ist, dass das nicht immer die ganz großen Rollen waren - zum Beispiel 142 Mal als Mesner in »Tosca« -, aber mit seinem Sixtus Beckmesser brachte er es in 27 Jahren auf beachtliche 93 Vorstellungen und hatte auch Gastverträge mit Opernhäusern in Berlin und Düsseldorf; gastierte als Beckmesser an der Mailänder Scala, am Teatro Colón in Buenos Aires und war von 1966-69 an der Metropolitan Opera New York engagiert, wo er als Beckmesser debütierte, aber auch im »Rosenkavalier« und »Wozzeck« zu hören war. Man kann in diesem Rahmen nicht alle Häuser seines Wirkens nennen, aber Gastspiele am Teatro San Carlos Lissabon und an der Grand Opéra Paris seien noch erwähnt.
    Bei all diesen internationalen Verpflichtungen sollen auch noch seine Mitwirkungen bei den Festspielen in Salzburg, Bregenz und Mörbisch nicht vergessen werden.


    Nachdem Albert Moser von der Wiener Volksoper weggegangen war, erwies sich die Nachfolge als schwierig, weil da allerhand zu beachten war. So kam es zu der Situation, dass die Belegschaft einen Kandidaten aus den eigenen Reihen vorschlug - Kammersänger Karl Dönch.
    Von 1973 bis 1987 war er nun in vielerlei Hinsicht die prägende Persönlichkeit; als Direktor, Regisseur und Darsteller auf der Bühne. Dönch wollte an der Volksoper ein neues Ensemble formen und das vorher übliche Auftreten von Gästen etwas einschränken. Gleich zu Beginn seiner Amtszeit kündigte Dönch an, das Repertoire drastisch auf 35 Werke zu reduzieren.
    Im Gegensatz zu seinem Vorgänger war für Dönch das Singen in deutscher Sprache unverzichtbar. Dönch griff auch dergestalt ins Repertoire ein, indem er keine Musicals mehr spielen ließ. Marcel Prawy schrieb in seinem Buch: »während an der Volksoper noch meine Musicalproduktion lief, kam ein musicalfeindlicher Direktor an die Volksoper, der berühmte Beckmesser Karl Dönch.«


    In Dönchs Direktionszeit wurden insgesamt 190 Abende angeboten, an denen Spielopern der Komponisten Lortzing, Flotow und Nicolai gespielt wurden, 65 Mal »Der Wildschütz«, 43 Vorstellungen der Oper »Zar und Zimmermann« ...
    In den 14 Jahren unter Dönch wurden 42 Opern und 23 Operetten zur Aufführung gebracht.
    Allerdings waren die Kritiken in den verschiedenen Zeitungen nicht gerade berauschend, also in der überwiegenden Zahl schlecht, wenn man das so querbeet liest.


    So schreibt zum Beispiel die »Wochenschau« zur Premiere von »Der Wildschütz« am 3. Dezember 1977:


    »So konnte Karl Dönch den dümmlichen Schulmeister [...] wohl immer noch wie vor siebzehn Jahren an der Staatsoper als komische Figur genüsslich ausspielen, nicht aber mehr partieentsprechend aussingen.«


    1981 hatte Karl Dönch die Kammersängerin Sonja Mottl geheiratet, die seit 1955 Ensemblemitglied der Volksoper war und dort 1.475 Auftritte hatte. Sie starb 2014 und fand ihre letzte Ruhe an der Seite ihres ersten Mannes auf dem Hernalser Friedhof.


    Karl Dönchs Leben, insbesondere sein Theaterleben, war äußerst facettenreich und dies ist auf Tonträgern vielfältig dokumentiert und der Nachwelt erhalten


    Praktische Hinweise:
    Das Ehrengrab von Karl Dönch befindet sich auf dem Zentralfriedhof Wien, Simmeringer Landstraße 234.
    Vom Tor 3 ausgehend erreicht man den Ehrenhain Gruppe 40 in etwa fünf Gehminuten, Friedhofspläne stehen ausreichend zur Verfügung.


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    Sein künstlerisches Wirken ist auf Tonträgern vielfältig dokumentiert.

    Zum Beitrag #93


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    Die Frage nach der Quelle kann ich leider nur unscharf beantworten, weil ich ›irgendwie‹ in den Besitz dieser schwer lesbaren Kopie kam, deren Herkunft ich nicht benennen kann. Zu meinem Beitrag hatte ich den Text mit Hilfe einer Lupe abgetippt. Vielleicht kann Herr Zemp im Internet nach dem Original fahnden ...

    Johan Botha - * 19. August 1955 Rustenburg (Südafrika) - † 8. September 2016 Wien


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    Zum heutigen Todestag von Johan Botha


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    Leider ist die Vergolderarbeit misslungen, denn Blattgold hat eine Lebensdauer von Jahrzehnten, siehe Beitrag 834

    .

    Nach eigener Aussage wuchs Johan auf einer riesigen Farm auf, die 1.700 Hektar groß war und seinen Großeltern gehörte; da gab es tausende Kühe, Schafe, Schweine, natürlich auch wilde Tiere und der Milchzug fuhr durch dieses Gelände, wobei die Dampflok den Kleinen mächtig beeindruckte.
    Elektrisches Licht wurde von einem Generator erzeugt und es gab damals in Südafrika nur zwei Radiosender, einer bot vor allem klassische Musik.
    Botha ist dort ein weitverbreiteter Name, so dass es sich ergab, dass Johans Eltern schon vor ihrer Heirat den gleichen Nachnamen hatten.
    Wenn man sich durch englischsprachige Medien liest, wird hier geschrieben, dass Johan Botha in der kleinen Bauerngemeinde Derby, 80 Meilen von Rustenburg entfernt, geboren wurde, wo sein Vater Postmeister und seine Mutter Postmeisterin war, Botha erzählte einmal:
    »Ich bin zwischen Postsäcken aufgewachsen.«; später zogen sie nach Rustenburg, wo Johan seine Ausbildung fortsetzen konnte ohne aufs Internat zu müssen.


    Seine Berufsentscheidung traf Johan bereits im Alter von fünf Jahren, denn sein Vater und der Opa mütterlicherseits hörten sehr viel Opernmusik und der Junge sang oft kräftig mit, so zum Beispiel bei »La Traviata« - natürlich alle Partien - ; vom Sopran über Bass-Bariton bis zum Tenor hatte er alles drauf, wobei der Vater dann schon einmal mahnte endlich die Klappe zu halten. In Vaters Plattensammlung waren die Stimmen von Enrico Caruso, Beniamino Gigli und Richard Tucker zu hören.


    Zunächst schicken ihn die Eltern zum Chorsingen; als der Junge zehn Jahre alt war, kam ein Geistlicher der niederländisch-reformierten Kirche zum Hausbesuch (auch als etablierter Sänger war Johan Botha sehr religiös) und empfahl den Eltern dem Zehnjährigen Gesangsunterricht geben zu lassen. Da wird ein tschechischer Flüchtling als Gesangslehrer genannt, aber auch eine Frau Jarmilla Tellenger; seiner Lehrerin soll er die Königin der Nacht aus der »Zauberflöte« vorgesungen haben.


    Als Schüler hatte er es nicht ganz leicht, weil Johan Legastheniker war, also weder Wörter flüssig lesen noch buchstabieren konnte und er litt darunter, dass man ihn für dumm hielt. Was er jedoch konnte - Noten lesen!

    Nach dem Abitur absolvierte er 1983-84 seine Militärzeit bei der südafrikanischen Luftwaffe, wo auch Musik ein Thema war; in einer Militärjazzband spielte er Gitarre und Schlagzeug. Aber durchweg lustig war die Sache nicht, bei Grenzkriegen gab es Erlebnisse, die seine Seele nicht so einfach wegstecken konnte, so dass er die Schrecken des Militärlebens durch eine Therapie aufarbeiten musste.
    Dann ging Botha an die Pretoria Technikon Opera School. Hier wies man ihm als erste Rolle den Sir John in Verdis »Falstaff« zu. Aufgrund seiner stimmlichen Bandbreite kommt man erst allmählich darauf, dass Johan Botha ein Tenor ist. Der 22-jährige Botha springt einmal in Pretoria in der Baritonrolle des Carlo Gérrard bei einer Aufführung von »Andrea Chénier« ein. Sein Lehrer, Eric Muller, weissagte damals: »Sie werden einer der besten Wagner-Tenöre der Welt sein« Nach seinem Studium debütierte er 1989 in seiner Heimat - in Roodepoort - als Max im »Freischütz«.


    Auch dem großen Chorleiter Norbert Balatsch (Bayreuther Festspielchor 1972-1999) blieb diese außergewöhnliche Stimme nicht verborgen, er engagierte den Südafrikaner 1990 für den Festspielchor.
    Johan Botha nutzte den dreimonatigen Aufenthalt, um die deutsche Sprache zu lernen und lernte hier auch den Fußballsport kennen, denn in Italien wurde gerade die Weltmeisterschaft ausgetragen. Im Folgenden verlegte er seinen Lebensmittelpunkt nach Europa.

    Presseberichte nennen als Debüt in Deutschland den 26. Januar 1991, wo beim Pfalztheater Kaiserslautern die Premiere von Verdis »Maskenball« über die Bühne ging.
    Die nächsten Stationen waren Dortmund, Hagen, und Bonn, dann hatte sich das Stimmereignis allgemein herumgesprochen, also auch bis zu den großen Häusern.
    Er gastierte an allen drei Berlinern Opernhäusern. Ab 1993 war Botha auch mit der Hamburgischen Staatsoper verbunden, wo er sein Debüt als Florestan in »Fidelio« gab und am 3. Oktober 2014 letztmals als Radames in »Aida« auf der Bühne stand.


    Seinen internationalen Durchbruch schaffte Johan Botha 1993 mit seinem Auftritt als Pinkerton in »Madame Butterfly« an der Pariser ›Opéra Bastille‹. Wie nachzulesen ist, schickte Bothas Manager Einladungen an Spitzenhäuser; man möge sich die Vorstellung in Paris anhören. Johan Botha erklärt die folgenden Reaktionen so:
    »Innerhalb von zwei Wochen hatte ich Verträge mit Covent Garden, der Met, der Wiener Volksoper und der Berliner Oper unterzeichnet.«
    Die Welt stand ihm nun offen und es ist eigentlich müßig alle großen Häuser zu nennen.
    An der »Met« debütierte er im Januar 1997 als Canio in »I Pagliacci« und war dann dort unter anderem in »Lohengrin«, »Die Meistersinger von Nürnberg«, »Turandot«, »Aida«, »Don Carlos« und »Otello« zu sehen und zu hören. Seit dem Sommer 1998 trat Botha auch bei den Salzburger Festspielen auf.


    Und natürlich gehört Wien dazu, die Stadt, welche der Sänger mit Frau und zwei Jungs als Lebensmittelpunkt wählte; 1998 wurde Botha österreichischer Staatsbürger.
    Sein Wiener Debüt gab er zunächst 1994 an der Volksoper, wo er einen hochgelobten Rodolfo unter der Regie von Harry Kupfer sang; eigentlich sang er den Rudolf, denn es war eine deutschsprachige Aufführung.
    Der renommierte Musikkritiker Dr. Wilhelm Sinkovicz fasst das Gehörte in folgende Worte:
    »Von der großen Arie und dem strahlend angesetzten, dann behutsam ins Piano zurückgenommenen hohen C, von den Pianissimi in den Duetten, namentlich jenem im dritten Akt, schwärmen die Wiener Habitués noch heute.«
    An der Wiener Staatsoper debütierte Botha dann am 20. Februar 1996 als Mario Cavaradossi in »Tosca« und wurde bereits im Juni 2003 zum bisher jüngsten österreichischen Kammersänger der Staatsoper Wien ernannt.
    Bei weltweiten Aktivitäten versuchte Botha seine Auftritte auf etwa vierzig pro Jahr zu begrenzen, was ihm auch oft gelang, außer 2013, als die musikalischen Antipoden Verdi und Wagner ihren runden Geburtstag hatten.


    Bothas Repertoire umfasste alle großen Tenorpartien des italienischen und deutschen Fachs. Als Wagner-Sänger machte er ab 1998 auf sich aufmerksam, wo er - wiederum an der Volksoper - als Walther Stolzing in »Die Meistersinger von Nürnberg« zu hören war.
    Endlich - 2010 - konnte der ehemalige Bayreuther Chorsänger als Solist und unter dem Dirigat von Christian Tielemann auf der Bayreuther Festspielbühne stehen. Bis dato hatte Botha Wagner-Partien an vielen großen Bühnen der Welt gesungen, nur nicht in Bayreuth, wo er nun den Siegmund anstelle von Endrik Wottrich sang und recht gute Kritiken bekam, man sprach von einem strahlenden Lichtblick.
    Als Botha 2013 den Siegmund an gleicher Stelle unter Kirill Petrenko bot, wurde seine sängerische Leistung abermals hoch gerühmt, jedoch sein darstellerisches Unvermögen kritisiert. Das wurde mitunter auch verletzend getan und der wuchtige Sänger kontert, wenn er in Kritiken liest, dass er kein glaubwürdiger Liebhaber sei: »Ich singe wie einer«.
    Ferner gab er zu bedenken, dass kein Magersüchtiger Otello singen könne.
    Wenn es um Musikalisches ging war Botha sehr beweglich. In Kaiserslautern und Hagen hatte er »Madame Butterfly«, »Carmen« und »Bajazzo« in deutschen Übersetzungen gesungen. Als nun in Paris der vorgesehene Tenor absagte, lernte er seine Rolle innerhalb von zwei Tagen auf Italienisch.


    Als Sänger wurde er in aller Regel hochgelobt, weil er sich nicht nur auf seine Stimmgewalt konzentrierte, sondern sehr differenziert sang, was nur gelingen konnte, weil er ständig auch an allerkleinsten Feinheiten feilte. Über viele Jahre hinweg arbeitete er in Berlin mit der ausgezeichneten Stimmkennerin Irmgard Hartmann-Dressler an Details; als er zum ersten Kontakt bei ihr erschien und die Bajazzo-Arie sang, sagte sie: »Warum schreien Sie mich so an?« Diese Zusammenarbeit beschrieb er einmal so:
    »Sie ist einerseits eine sehr freundliche Dame. Aber sie hat ein unglaubliches Gehör und korrigiert mich gnadenlos, wenn ich mal einen Fehler mache. Und diese Kontrolle hilft mir ungeheuer weiter. So wie man ein Auto in die Werkstatt bringt, mache ich das Feintuning mit Frau Hartmann.«
    Sein Korrektiv starb hochbetagt im Dezember 2013.


    Obwohl er im deutschen und italienischen Fach gleichermaßen Erfolg hatte, war Botha in Wagner-Rollen weltweit besonders begehrt, weil eben im italienischen Fach ein Reservoier an Tenören zur Verfügung steht, aber ein guter Wagner-Tenor seltener zu finden ist.
    Auch in Strauss-Opern war Botha kaum zu übertreffen; als das Münchner Nationaltheater im November 2013 den 50. Geburtstag der Wiedereröffnung mit »Die Frau ohne Schatten« feierte, und Kirill Petrenko in München seinen Amtsantritt hatte, schrieb der Kritiker Peter Krause:
    »Eine gewohnt sichere Bank ist Johan Botha als gewichtiger Kaiser mit nimmermüde mühelosem Tenorstrahl«.
    Wenn es unbedingt sein musste, war Botha auch in der Lage helfend einzuspringen, so wie zum Beispiel im März 2012, als er nach einer Probe mit seinen Söhnen zum Essen gegangen war und natürlich auch ein Bier getrunken hatte, läutete schon beim Betreten der Wohnung das Telefon. Der Musikverein Wien brauchte binnen einer Stunde einen Ersatz für den mit einer Nierenkolik kurzfristig ausgefallenen Torsten Kerl bei einer Aufführung von Mahlers »Das Lied von der Erde« mit Zubin Metha.
    Botha, der diesen Part letztmals vor sechs Jahren gesungen hatte, sprang ein und in ein Taxi, das ihn mit eiligem Tempo von Hietzing aus zum Musikverein brachte, das Studium des Klavierauszuges konnte auf dieser Fahrt nicht allzu intensiv gewesen sein. Thomas Hampson hatte seine ersten Lieder bereits gesungen als Botha eintraf.
    Obwohl Mahlers Werk unter diesen unglücklichen Umständen nicht wie gewohnt aufgeführt werden konnte, war das Publikum an diesem Abend hell begeistert.
    Man kann an dieser Stelle einen Sprung ins Jahr 2016 machen, wo Mahlers Stück unter Kirill Petrenko aufgeführt wurde; Johan Botha, der in dieser Aufführung singen sollte, war schon schwer krank, musste absagen und Robert Dean Smith sprang für ihn ein.


    Aber zunächst eilte Botha von Erfolg zu Erfolg und konnte auch seinen Eltern die Freude machen, dass sie ihren Sohn öfter hören konnten, weil manche Opernaufführungen der »Met« weltweit in Kinosäle übertragen werden.
    Botha kam auch regelmäßig nach Südafrika, aber bedauerte, dass er nicht öfter gebeten wurde, dort zu singen. Er forderte auch mehr Übersetzungen von Opern in die ›schwarzen Sprachen‹ und fügte hinzu:
    »Zulu-Vokale sind rund und funktionieren in der italienischen Musik.«


    Um nochmals in das Jahr 2012 zurückzukehren - in einer Matinee der Wiener Staatsoper am 15. Juni dieses Jahres, wurde Johan Botha der Titel eines Blue Shield-Botschafters verliehen, wobei Ioan Holender die Laudatio hielt. Der Schutz von Kultur war für Botha ein Anliegen, das weit über den musikalischen Bereich hinaus ging.


    Als Sänger war Botha weit voran gekommen, aber seine Stimme hatte noch Entwicklungspotenzial, schließlich hatte er sich die »Tristan«-Partitur schon ehrfürchtig angesehen, und er erklärte lachend, dass ihn dann der Mut verlassen habe.
    James King, der große und erfahrene Wagner-Tenor, ›drohte‹ dem angehenden Sänger einmal: »Lass Dich nicht dabei erwischen, dass Du Wagner singst, bevor Du alt genug dazu bist.« Ferner gab King dem jungen Botha den Rat: »Eine große Wagner-Karriere wird durch das Wort ›Nein‹ gebaut«. Im Wesentlichen hielt sich Botha auch an diese Ratschläge.
    Aber er näherte sich dem »Tristan« und war zumindest mit Duetten aus diesem Werk auf Tonträgern zu hören, seine Partnerin war Deborah Polaski.
    Für 2017 war in Berlin mit Barenboim mehr »Tristan« geplant, aber dazu sollte es nicht mehr kommen.


    Im Oktober 2015 hatte Botha an der Metropolitan Opera New York unter dem Dirigat von James Levine sieben erfolgreiche Auftritte in »Tannhäuser« gehabt, die letzte Vorstellung am 31. Oktober. Danach wurde der Sänger mit der Diagnose Leberkrebs konfrontiert.
    Da war an Singen nicht mehr zu denken, das Procedere nach so einer Diagnose ist ja allgemein bekannt. Ein Wunder? - Im Juni 2016 war er in Budapest in »Walküre« zu hören und es folgten Auftritte an der Bayerischen Staatsoper mit »Turandot« an der Seite von Nina Stemme.


    Auch in Südafrika ist Johan Botha im August 2016 nochmal in Galakonzerten zu hören, muss jedoch seine letzten Auftritte krankheitsbedingt absagen. Johan Bothas letztes Konzert fand am 16. August in Stellenbosch statt, sein letztes öffentlich gesungenes Lied war »Heimwee« von S. le Roux Marais.


    Wenn man sich quer durch die Literatur liest, gewinnt man den Eindruck, dass Johan Botha nicht nur ein beeindruckender Sänger war, sondern auch ein überaus gütiger und humorvoller Mensch. Zu seiner Frau hatte er einmal gesagt: »Hau mir eine Pfanne über den Kopf, wenn ich 60 bin, und sag: Jetzt ist Schluss.«


    Am 21. September trug man den Ausnahmesänger in Wien zu Grabe; Staatsoperndirektor Ioan Holender brachte es in seiner Trauerrede auf den Punkt: »Johan Botha machte sich Zeit seines Lebens nicht wichtig - er war es durch seine Leistung.«
    Verabschiedet wurde das Ehrenmitglied der Wiener Staatsoper durch das Staatsopernorchester und den Chor des Hauses mit Mozarts »Ave verum« und der »Maurischen Trauermusik« sowie Felix Mendelssohn Bartholdys »Wirf Dein Anliegen auf den Herrn«
    Den musikalischen Schluss der Trauerfeier gestaltete Johan Botha selbst, es war eine Einspielung seiner Interpretation des Walter von Stolzing aus »Die Meistersinger von Nürnberg«.


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    Johan Botha ruht hier im Kreis berühmter Bühnenpersönlichkeiten


    Praktische Hinweise:
    Das Ehrengrab von Johan Botha befindet sich auf dem Zentralfriedhof Wien, Simmeringer Landstraße 234.
    Vom Tor 3 ausgehend erreicht man den Ehrenhain Gruppe 40 in etwa fünf Gehminuten, Friedhofspläne stehen ausreichend zur Verfügung.

    Lieber Carlo,
    Du darfst voraussetzen, dass ich da natürlich längst war (Sommer 2022) und wusste, dass er im Gemeinschaftsgrab Feld 10 beigesetzt wurde.
    Ein Foto des Feldes füge ich hier ein; die im Hintergrund zu sehende Wand besteht aus Metallstäben, in die Namen eingraviert sind,
    den Namen Roland Hermann konnte ich allerdings nicht finden.


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    Caspar Neher

    Caspar Neher revolutionierte mit seinen Entwürfen das Theater der Weimarer Republik. Er verzichtete weitgehend auf Dekorationen; seine Entwürfe sind schlicht und sachlich.
    Oft wird Neher nur in Verbindung mit Bertolt Brecht gesehen, mit dem er das Realgymnasium in Augsburg besuchte, aber er war auch eng mit dem Komponisten Wagner-Régeny befreundet, für den er auch als Librettist arbeitete.


    Die hier eingefügten Bilder stammen aus einer »Macbeth«-Produktion von 1959 an der Metropolitan Opera New York.


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