Beiträge von hart

    Ein authentisches Museum in Perchtoldsdorf


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    Perchtoldsdorf darf man sich nicht als typisches Dorf vorstellen, die Marktgemeinde hat etwa 15.000 Einwohner und liegt südlich von Wien; von der Staatsoper aus sind es 15 Kilometer zum Hugo-Wolf-Haus.
    Vor Hugo Wolf war schon andere musikalische Prominenz hier; Christoph Willibald Gluck hatte in Perchtoldsdorf von 1781-1787 ein barockes Haus mit großem Garten, wo er sich in den Sommermonaten aufhielt; wie man der Chronik entnimmt, waren auch Glucks Kollegen, die Herren Mozart, Haydn und Johann Friedrich Reichardt hier zu Besuch.

    Die Marktgemeinde Perchtoldsdorf, einst zu Wien gehörend, wurde 1954 wieder selbständig und ist seit dieser Zeit - zusammen mit dem Hausbesitzer - bemüht, das Haus vor dem Verfall zu bewahren; es waren komplizierte Verträge auszuhandeln, aber seit 1973 wurde im Wernerschen Haus in der Brunnergasse 26 ein erstes Hugo-Wolf-Museum eingerichtet, nachdem Dr. Otto Werner, der Enkel von Heinrich und Marie Werner, das Haus und Teile seiner Wolf-Sammlung der Marktgemeinde Perchtoldsdorf übergeben hatte. Seit 2003 präsentiert sich das Haus in Form einer würdigen und authentischen Gedenkstätte.


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    Das Hugo-Wolf-Haus steht in der Brunnergasse, wo noch niemand verdurstet ist, denn es reiht sich hier Weinlokal an Weinlokal. Die Gedenktafel am Haus hat der Perchtoldsdorfer-Männergesangverein am 4. Juni 1905 anbringen lassen.


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    Heinrich Werner beschreibt, unter welchen Bedingungen Hugo Wolf hier komponiert und gelebt hat:


    »Außer Licht, Luft und Ruhe - letztere war freilich die Hauptsache - hat Wolf nicht viel Annehmlichkeiten in dem alten Haus gefunden, zumal er dasselbe ja nur in der kalten Jahreszeit benützen konnte. Mit der Maiensonne kehrte unsere Familie regelmäßig in diese ihre Sommerwohnung zurück, um sie erst bei Einfall der unwirtlichen Herbstnebel zu verlassen. Kein Trinkwasser unter Dach, spärliche Petroleumbeleuchtung, einen allerdings riesigen, aber schlecht brennenden Kachelofen, bei dessen Vollglut er es im Winter nicht über 8 Grad Reaumur brachte, das verstimmte Klavier und die unzulängliche Bedienung der sonst sehr biederen Gärtnersleute, welche in dem einsamen Bewohner einen unwillkommenen Eindringling sahen, der ihren beschaulichen Winterschlaf durch oftmaliges ›Aniklempern‹, wie sie sein Klavierspiel nannten, störte und nach ihrer Ansicht jedenfalls nicht ganz richtig im Kopfe war, all diese Übelstände und noch andere mußte er in Kauf nehmen. Aber all diese ›Greuel‹ wurden bei seinen späteren Aufenthalten so viel als möglich besser gemacht. Der Ofen wurde durch eine andere Heizvorrichtung seiner eigentlichen Bestimmung angenähert und eine Bedienerin wurde gefunden, namens Pepi, die allerdings bucklig war, aber im übrigen von Wolf als ein Juwel bezeichnet wurde. Das hinderte ihn aber nicht, sie zuweilen, wenn er ungestört sein wollte, unwirsch anzufahren oder zu erschrecken, indem er ihr in die Ohren wispelte: "Wissen´s denn nicht, daß ich ein Mörder bin? Aber verraten´s mich nicht«

    Anmerkung: 8 Grad Reaumur entspricht einer Raumtemperatur von 10 ° C


    Wolfs Tagesablauf war straff organisiert und man muss sich das in etwa so vorstellen:
    Frühes Aufstehen, kaltes Bad, Kaffee und Zigaretten, kurzer Spaziergang, Komponieren, Mittagessen im Gasthaus. Nachmittags wieder Kaffee und Zigaretten bei der Kompositionsarbeit, dann ein karges Abendessen, das oft aus kaltem Fleisch bestand, die vegetarische Phase ist für Wolf vorbei; auch eine Flasche Bier verschmäht er nicht.
    Besucher waren unter der Woche unerwünscht, aber an Sonntagen lud er Freunde ein und spielte ihnen die neu entstandenen Werke vor, aber die Geselligkeit kam dabei auch nicht zu kurz.


    Über den Wiener Rechtsanwalt Joseph Reitzes, der Wolf im Sommer 1880 in sein Mayerlinger Haus einlud, bekam Wolf Zugang zur Familie Hugo Werner. Mizzi Werner, die Tochter - von Wolf »Götterwurzen-Mizzi« genannt - musizierte mit Hugo Wolf und das kindliche »Mäusefallensprüchlein« ist auf ihre helle Stimme wie zugeschnitten. Sogar die Rolle der Susanne aus Mozarts »Figaro« studierte Wolf mit Mizzi ein.


    Im Herbst 1887 stand Wolf wieder einmal vor der Frage eines neuen Domizils und entschied sich für das gastliche Haus der Familie Werner in Perchtoldsdorf, wo er am 23. Januar 1888 eintraf und am 24. Januar seine letzte Heine-Vertonung schrieb »Wo wird einst des Wandermüden Ruhestätte sein«.


    Beim Rundgang im Haus sieht man diese Bilder:


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    Das Museum ist nur nachmittags an Sonn- und Feiertagen geöffnet

    Musikstadt Hamburg

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    Nur ein paar Schritte vom Brahms-Museum entfernt, befindet sich in der gleichen Straße, Hausnummer 31, das Telemann-Museum, das thematisch auch Bezug auf Carl Philipp Emanuel Bach und Johann Adolf Hasse nimmt.



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    Georg Philipp Telemann


    Telemann ist mit über 3.600 Werken einer der produktivsten Komponisten der Musikgeschichte. Dieser große Umfang ist teils auf seine flüssige Arbeitsweise, teils auf eine mit 75 Jahren währende lange Schaffensphase zurückzuführen. Telemanns 1.400 erhaltene Kirchenkantaten stellen fast die Hälfte seines gesamten Nachlasses dar. Daneben schrieb er 16 Messen, 23 Psalmen, 46 Passionen, 6 Oratorien sowie Motetten und andere sakrale Werke und 40 Opern.

    Gleichzeitig war er auch noch ein tüchtiger Verleger, was sowohl seinen Wohlstand mehrte als auch zur Verbreitung seiner Musik beitrug.

    In seiner Hamburger Zeit überragte Telemanns Ruf jenen von Johann Sebastian Bach weit, erst im 19. Jahrhundert kehrte sich das Bild um und Telemann geriet weitgehend in Vergessenheit.


    Georg Philipp Telemann war zwar kein Hamburger, wenn man vom Geburtsort ausgeht, er war 1681 in Magdeburg geboren, aber er verbrachte immerhin etwas mehr als die Hälfte seines langen Lebens in Hamburg.

    Telemann entstammte einer gebildeten Familie; als Musiker war er weitgehend Autodidakt; Kompositionsversuche soll er schon im Alter von zehn Jahren gemacht haben, seine erste Oper entstand als er zwölf war und der Unterricht am Klavier soll nur zwei Wochen gedauert haben ...


    Die Eltern waren von den musikalischen Aktivitäten ihres Sohnes keineswegs begeistert - der Vater starb allerdings im Alter von nur 39 Jahren - die Mutter versuchte des Sohnes Eifer zu bremsen, weil Musiker in dieser Zeit kein besonderes Ansehen genossen. Man konfiszierte all seine Instrumente und schickte ihn zur Schule nach Zellerfeld im Harz. Aus der Sicht der Eltern war das keine gute Idee, denn vermutlich wusste sie nicht, dass der dortige Superintendent Caspar Calvör sich in seinen Schriften intensiv mit Musik beschäftigte und den jungen Telemann förderte. Seine nächste Station war das Gymnasium zu Hildesheim, wo der nunmehr 16-Jährige natürlich weiter drauf los komponierte und musizierte, was bedeutet, dass er autodidaktisch weitere Instrumente wie Orgel, Violine, Gambe, Traversflöte, Oboe, Schalmei, Kontrabass und Bassposaune ... spielen lernte.

    1701 beendete Telemann seine Schulausbildung und schrieb sich, auf Druck seiner Mutter, an der Universität Leipzig als Jurastudent ein - wer denkt da nicht an Schumann?

    Schon die Fahrt nach Leipzig ist bemerkenswert, denn sein Weg führte ihn über Halle, wo er den noch ganz jungen Georg Friedrich Händel besuchte.

    In Leipzig war das Jurastudium gerade ein Jahr gediehen, und schon gründete Telemann für die musikalischen Studenten ein 40-köpfiges Amateurorchester (Collegium musicum), das auch öffentliche Konzerte gab. Die juristische Karriere verschwindet im Nebel ... aber man erlebt Telemann als Leiter von Opernaufführungen.


    Als Telemann Leipzig verließ hatte er einige kleinere Engagements, bevor er dann1712 in Frankfurt am Main auftaucht, wo er ebenfalls als Tausendsassa in Sachen Musik fungierte und bis zum Jahr 1729 blieb, um dann nach Hamburg zu wechseln.

    Zu Hamburg bestanden bereits Kontakte, weil er für das damals hochmoderne Opernhaus am Gänsemarkt geschrieben hatte. Einflussreiche Hamburger Fürsprecher holten Telemann 1721 nach Hamburg. Er war zu dieser Zeit 40 Jahre alt und ein deutschlandweit geschätzter, umworbener und wohlhabender Musiker, denn sein kaufmännisches Talent war auch recht gut entwickelt.

    Georg Philipp Telemanns Leben und Wirken ist wohl eine der längsten und fruchtbarsten Verbindungen der Hansestadt mit einem Komponisten. Diese 46 Jahre währende Beziehung begann 1721 mit der Berufung Telemanns zum Kantor des Johanneums und Musikdirektor der fünf Hauptkirchen und dauerte bis zu seinem Tod im Jahr 1767.


    Dennoch hatte er sich seinen Start in der Hansestadt etwas brillanter vorgestellt, denn unverhofft musste er auf Dinge achten, die in Frankfurt für ihn kein Thema waren. So musste er sich mit Ortsansässigen Druckern herumbalgen, die auf ihre angestammten Rechte pochten. Für Telemann gab es einiges zu nörgeln, bis hin zur viel zu kleinen Dienstwohnung. So schaute er interessiert nach Leipzig, wo gerade der Thomaskantor verstorben war und eine Verdoppelung seiner Bezüge im Bereich des Möglichen war, wenn er nach Leipzig wechselte. Qualität hat ihren Preis, die Hamburger besserten nach und damit blieb Musikus Telemann der Hansestadt erhalten.

    1737 ließ er sich in Hamburg für neun Monate zu einem Aufenthalt in Paris beurlauben; seine Pariser Quartette legen Zeugnis von dieser Studienreise ab. In Paris wurden ihm höchste Ehren zuteil. Außer

    Auch auf solche Details wird im Museum hingewiesenAuch auf solche Details wird im Museum hingewiesendem französischen Einfluss enthielten seine Werke aber auch italienische, polnische Stilelemente.


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    Auch auf solche Details wird im Museum hingewiesen.


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    Das Komponistenquartier in Hamburg
    Es ist ein privates Museumsensemble in Hamburg; man findet es in der Peterstraße 29-39, 20355 Hamburg.

    Das Ensemble besteht aus dem bereits seit 1971 hier ansässigen Brahms-Museum, dem Telemann-Museum, dem Carl-Philipp-Emanuel-Bach-Museum und dem Johann-Adolf-Hasse-Museum. Im Mai 2018 kamen die Museen für Fanny und Felix Mendelssohn und Gustav Mahler hinzu.


    Das Brahms-Museum

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    Im Brahms-Museum werden in vier Räumen Musikalien, Schriftstücke, Konzertprogramme, Brahmsiana, Fotos und Brahms-Büsten gezeigt. Ein originales Glanzstück des Museums ist ein von der Hamburger Pianomanufaktur Baumgardten & Heins um 1859 gebautes Tafelklavier, an dem Johannes Brahms 1861/62 unterrichtete und zwei seiner Chordamen begleitet. Der junge Brahms hatte einige seiner Verehrerinnen um sich versammelt.


    Heute wird der weltberühmte Musiker hier groß als »Sohn der Stadt« herausgestellt und zu seiner Ehrenbürgerschaft kam es zu seiner Lebenszeit auch noch, aber seine künstlerischen Erfolge feierte er vor allem im mehr als tausend Kilometer entfernten Wien.

    Beinahe wäre er noch weiter von seiner Heimatstadt weggekommen, denn ein geschäftstüchtiger Impresario hatte die Absicht, den 10-jährigen Jungen als Wunderkind in Amerika zu vermarkten; Brahms´ Musiklehrer, der Pianiste Friedrich Willibald Cassel, wusste das zu verhindern.


    Mit 20 Jahren ging Brahms erstmals auf Konzertreise. Durch Vermittlung des befreundeten ungarischen Geigers Eduard Reményi lernte er Joseph Joachim kennen, und als Robert Schumann 1853 in der von ihm herausgegebenen »Neuen Zeitschrift für Musik« schrieb: »Und er ist gekommen, ein junges Blut, an dessen Wiege Grazien und Helden Wache hielten.«, war das eine Art Ritterschlag für Brahms. Es kam zu Kontakten mit Musikverlagen und anderen bedeutenden Musikern.


    Im Jahre 1859 ließ sich Brahms wieder in seiner Heimatstadt nieder, arbeitete mit dem Hamburger Frauenchor; macht sich dann aber im September 1862 unvermittelt auf den Weg nach Wien. In seinem Hamburger Freundeskreis ging man davon aus, dass er von dort zurückkehren werde, um in seiner Heimatstadt die Philharmonischen Konzerte zu leiten, wenn der aktuelle, schon betagte Kapellmeister Gund aufhört.

    1862 gab er sein erstes Konzert in Wien, das ihm großes Lob einbrachte. Joseph Hellmesberger war begeistert und sagte: »Das ist der Erbe Beethovens!« Dennoch dachte Brahms an eine Rückkehr nach Hamburg.


    Brahms fühlte sich in Hamburg heimisch und hoffte dort auf eine Anstellung als Leiter der Philharmonischen Konzerte. Doch man entschied sich für den Sänger und Dirigenten Julius Stockhausen. Brahms´ Traum von einem bürgerlichen Leben war zerstört, er war zutiefst enttäuscht und sagte einmal:


    »Hätte man mich zur rechten Zeit gewählt, so wäre ich ein ordentlicher bürgerlicher Mensch geworden, hätte mich verheiraten können und gelebt wie andere.«


    Nicht der bescheidene Brahms, sondern sein Freund Joseph Joachim sagt den Hamburgern unverblümt seine Meinung:


    »Wie man bei der Wahl zwischen Stockhausen und Johannes als Leiter eines Konzertinstitutes sich für den ersteren entscheiden kann, verstehe ich mit meinem beschränkten Musikverstand nicht!«


    Also zog er nach Wien, wo er Chormeister der Singakademie wurde; dort schrieb er auch das Deutsche Requiem (das allerdings in Bremen uraufgeführt wurde) und die Ungarischen Tänze. Später folgten die großen Sinfonien, Konzerte und Lieder, die den Komponisten unsterblich machten. Aus Johannes Brahms war ein berühmter Mann geworden, und Hans von Bülow in Hamburg an die Spitze der Philharmonischen Konzerte getreten; dieser drängte nun darauf, dass Brahms von seiner Heimatstadt die ihm längst gebührende Ehre zuteil wird.


    Am 14. Juni1889 wurde Johannes Brahms mit der Ehrenbürgerwürde der Stadt Hamburg ausgezeichnet, wobei es ein zähes Ringen war, bis der Beschluss einstimmig zustande kam.


    »Wir, der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg, beurkunden hierdurch, daß wir im Einvernehmen mit der Bürgerschaft dem im In- und Auslande infolge seines hervorragenden schöpferischen Genies und edlen Wirkens hochgefeierten Tonkünstler und Componisten, Herrn Johannes Brahms, dem werten Sohne unserer Stadt, in welcher von alters her die Tonkunst mit Vorliebe gepflegt wird, und auch Er für seine künstlerische Laufbahn Anregung und erste Ausbildung empfangen hat – in voller Würdigung seines Künstlerruhms, sowie in Anerkennung seiner der Heimat vielfach bewiesenen Anhänglichkeit –, die höchste Auszeichnung unseres Gemeinwesens: Das Ehrenbürgerrecht der Freien und Hansestadt Hamburg verliehen haben. Hamburg, den 14. Juni 1889. Der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg. Carl Petersen, Doktor.«


    Johannes Brahms bedankt sich musikalisch - das Werk »Deutschen Fest- und Gedenksprüche für Doppelchor, op. 109« wird mit der Ehrenbürgerschaft in Verbindung gebracht.

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    Es ist nicht das Geburtshaus von Brahms, er war ja gebürtiger Hamburger, sondern das Haus, wo er mehrere Sommer komponierend verbrachte. Es waren die Jahre 1865-1874.

    Danach folgten die Sommeraufenthalte in Pörtschach am Wörthersee (1877/78), die zehn Sommer in Bad Ischl (erstmals 1880) und die Sommermonate in Mürzzuschlag in der Steiermark (1884/85) - um die wichtigsten Sommeraufenthalte zu nennen.


    Das Baden-Badener Brahmshaus ist die einzige noch vorhandene Wohnung von Johannes Brahms. Das über 150 Jahre alte Haus wurde auf einem Felsen erbaut und erfuhr bisher praktisch keine Veränderung. Die früheren Wohnräume in der Mansarde des Hauses sind als Museum eingerichtet.

    Auch dieses Haus war - man glaubt es kaum - 1967 vom Abriss bedroht und konnte nur gerettet und erhalten werden, weil sich Kunstfreunde in der »Brahmsgesellschaft Baden-Baden« zusammen taten und das Haus kauften.

    In den Räumen findet man Autographen, eine Fotosammlung und andere Dokumente, die auch Clara Schumann mit einbeziehen, die von 1863-1873 mit ihrer Familie in Lichtenthal, einem heutigen Ortsteil von Baden-Baden, wohnte. Brahms besuchte sie dort einige Male, bevor er sich entschloss, dortselbst auch eine Wohnung zu nehmen. Einem Freund schilderte er die Situation so:


    »Ich kam, sah und nahm gleich das erste beste Logis. Und wirklich, es ist so sehr das beste, dass Du Deine Freude haben wirst. Auf einer Anhöhe liegt's, und ich übersehe alle Berge und Wege von Lichtental nach Baden.«


    Im Sommer 1866 traf Brahms mit Vollbart in Baden-Baden ein und das gefiel Clara zunächst überhaupt nicht. Sie monierte, dass sie die Feinheiten seines Gesichts nicht mehr erkennen könne.

    Das Haus ist nicht an allen Tagen und nur wenige Stunden für Besucher zugänglich, aber wenn da plötzlich und unverhofft Kurt Masur vor der Tür steht oder Leute aus Australien kommen, dann macht man schon mal eine Ausnahme, sagte die freundliche Betreuerin des Hauses...

    Sebastian Peschko - *30. Oktober 1909 Berlin - † 29. September 1987 Celle


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    Zum heutigen Todestag des Pianisten Sebastian Peschko


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    Sebastians Weg zur Musik dürfte wohl gradlinig verlaufen sein, denn sein Vater war Organist und Privatlehrer. An der damaligen Hochschule für Musik in Berlin studierte Sebastian Peschko Klavier bei den Professoren Börner und Fischer. Peschko wurde ab 1930 durch ein Bechstein-Stipendium gefördert. Lehrer, die ihn besonders beeinflusst haben, waren Conrad Ansorge und Edwin Fischer, von denen er - so wird berichtet - das Atmen und Phrasieren gelernt habe. Edwin Fischer äußerte einmal: »Nicht ich spiele, es spielt.«, ein Ausspruch, den auch Paul Badura-Skoda bis ins hohe Alter gerne zitierte.
    Das Orgelspiel hatte Sebastian von seinem Vater gelernt, an der Hochschule erweiterte er seine Kenntnisse bei dem Domorganisten und Regerfreund Walter Fischer.


    1933 war Peschko einer der vier Pianisten, die den Mendelssohn-Preis der Hochschule für Musik in Berlin gewannen. Wenn man von Professor Franz Schreker einen Preis ausgehändigt bekommt, dann ist das schon etwas Besonderes, worauf sich eine Karriere aufbauen lässt.


    Die Musikstudenten dieser Zeit konnten in Berlin ihre großen Vorbilder bestaunen, denen man gerne nachfolgen wollte, wie zum Beispiel:
    Wilhelm Furtwängler, Fritz und Adolf Busch, Borislaw Huberman, Pau Casals, Maria Ivogün, Karl Erb, Heinrich Schlusnus, Fritz Kreisler, Frederic Lamond, S. W. Rachmaninoff ...


    Schon ein Jahr später kam Sebastian Peschko ganz groß ins Rampenlicht, weil ihn der damals überaus populäre Bariton Heinrich Schlusnus als Begleiter seiner Liederabende auswählte, er hatte das Glück des Tüchtigen.


    Schlusnus und der Pianist Franz Rupp hatten von 1927 bis 1934 künstlerisch zusammengearbeitet und das hätte auch gewiss weiterhin Bestand gehabt, wenn nicht eine dunkle Zeit heraufgezogen wäre - Frau Annemay Schlusnus beschreibt die Situation so:


    »Die erste große Sorge war daher der Verlust unseres Begleiters, Franz Rupp, der sich mit den Gegebenheiten der Zeit nicht abfinden konnte (es soll erklärend hinzugefügt werden, dass er eine Frau jüdischer Abstammung hatte).
    Ein Ersatz musste schnell gefunden werden. Wir wandten uns an die Hochschule für Musik mit der Bitte, uns einen Nachfolger zu schicken. Man hatte schnell den einen ausgewählt, der 24 Jahre alt, gut aussehend und mit einem verträumten Gesicht, im Rufe stand wirklich sehr begabt zu sein.«


    Der hier von Frau Schlusnus beschriebene Pianist hatte nach seinem Hochschulabschluss zunächst das Geigenspiel von Georg Kulenkampff begleitet; Edwin Fischer hatte ihn an Kulenkampff empfohlen. Als nun Sebastian Peschko die ersten professionellen Podiumserfahrungen erworben hatte und von einer Konzerttournee nach Hause kam, erreichte ihn ein Anruf, der ihn zunächst verdattert reagieren ließ, denn am anderen Ende sprach der leibhaftige Heinrich Schlusnus.
    Nun wurde vereinbart, dass der junge Mann zu einem Probespiel nach Ruheleben zum Jasminweg kommen sollte, eine Gegend wo auch Die Gesangskünstler Emmi Leisner und Margarete Klose wohnten.


    In der idyllischen Gegend am Murellenteich angekommen, wurde er von Annemay Schlusnus herzlich empfangen, die ihm ein Hugo-Wolf-Lied reichte und man ließ dem jungen Mann etwas Zeit sich mit der Situation vertraut zu machen, bevor Heinrich Schlusnus selbst in Erscheinung trat, um den ins Auge gefassten neuen Konzertpartner zu begrüßen; eine von beiden Seiten empfundene Distanz war zu spüren, aber Peschko spielte so, dass sich Schlusnus eine Partnerschaft vorstellen konnte und der Meistersänger sagte, dass er einige Konzerte mit dem neuen Begleiter versuchen wolle, es käme dann darauf an, wie sich das Ganze entwickeln würde. Die Verabschiedung schildert Sebastian Peschko so:


    »Ich ergriff seine Notenmappe - die später viele Jahre mein treuer Begleiter war -, ein freundlicher Blick meines neuen Meisters verabschiedete mich, und dann trabte ich in einen siebenten Himmel hinein. Hinter mir schloss sich eine Tür, die mir später ein Tor zum deutschen Lied geworden ist.«


    Dieses gemeinsame Musizieren währte bis in die 1950er Jahre hinein und so war Sebastian Peschko auch noch dabei als bei Schlusnus die Kräfte schwanden.


    Aber man kann den Pianisten Sebastian Peschko nicht nur auf die Partnerschaft mit Heinrich Schlusnus reduzieren, denn da ist noch eine ganz beachtliche Liste schöner Stimmen zu nennen, welche die Partnerschaft Peschkos suchten:


    Theo Altmeyer, Erna Berger, Walter Berry, Rudolf Bockelmann, Grace Bumbry, Franz Crass, Lisa della Casa, Karl Erb, Nicolai Gedda, Agnes Giebel, Ernst Haefliger, Ilse Hollweg, Werner Hollweg, Heinz Hoppe, Christa Ludwig, Maria Müller, Hermann Prey, Ruth-Margret Pütz, Walther Pützstück, Erna Sack, Hanna Schwarz, Franz Völker, Bernd Weikl, Marcel Wittrich ...


    Aber wie schon eingangs erwähnt, begleitete Peschko auch Instrumentalisten, wobei neben dem bereits genannten Kulenkampff noch Berühmtheiten wie der äußerst pingelige Cellist Enrico Mainardi oder Hans Adomeit zu nennen sind.


    Von 1953 bis 1958 war Peschko bei Radio Bremen für Lied-, Chor- und Kirchenmusik zuständig; und als Rolf Liebermann Leiter der Hauptabteilung Musik beim Norddeutschen Rundfunk war, richtete er für Peschko eine neu geschaffene »Redaktion Lied« im NDR-Funkhaus Hannover ein, wo Peschko ab 1958 als Redakteur, Produzent und Pianist tätig war. Das oft in den Hintergrund gedrängte Lied erlebte in Hannover 1960 mit der Einführung der Konzertreihe »Meister des Liedes« eine Renaissance.


    In diese Zeit fällt auch die ›Entdeckung‹ des Baritons Thomas Quasthoff, dem es damals nicht möglich war sich als Sänger an der Musikhochschule ausbilden zu lassen. Aber was heißt hier Entdeckung, der behinderte Junge wurde dem Professor Sebastian Peschko, Leiter der NDR-Abteilung ›Kammermusik und Lied‹, vom Vater regelrecht aufgedrängt.
    Wie Michael Quasthoff, der Bruder des Sängers, in der Autobiografie schreibt, hatte Vater Quasthoff den ›Lied-Chef nach zwei Dutzend Brief- und Telefonattacken weichgekocht‹, so dass im Kleinen Sendesaal des Funkhauses ein Termin zustande kam. Der Beginn des Treffens wird folgendermaßen beschrieben:


    »Peschko, ein stattlicher Mensch mit weißem Haar, hoher Stirn und würdevollen Zügen, gibt sich förmlich und reserviert. Ich habe nur fünf Minuten Zeit, wiederholt er ungefähr zehn Minuten lang. Eine weitere Viertelstunde sinniert der Professor über die Untiefen des Musikbetriebes und ästhetische Grenzwerte im öffentlichen Raum.«


    Der Vortrag geht noch weiter in diese Richtung wobei Vater und Mutter Quasthoff immer nervöser werden und dann eindringlich darum bitten, dass der Herr Professor ihrem Jungen doch nur fünf Minuten zuhören möge. Nachdem Thomas mit Hilfe seines Vaters einige Stufen erklommen hat, legt er mit einem recht bunten Programm los:


    Da ist Brechts ›Mackie Messer‹-Song, der Gitte-Schlager ›Ich will ´nen Cowboy als Mann‹ und schließlich singt er das ›Ave Maria‹. Peschko findet das bisher Dargebotene gut und fordert zum Weitermachen auf.
    Es werden Opernarien und Gospels geboten, er imitiert Jürgen von Manger und Theo Lingen, beginnt zu jodeln und lässt auch seine Stimme im Stil von Louis Armstrong erklingen; den Schlusspunkt des Vortrags setzt er mit Bill Ramseys ›Zuckerpuppe aus der Bauchtanztruppe‹.
    Jetzt wird Sebastian Peschko zum Entdecker, er hatte dem seltsamen Programm teils mit geschlossenen Augen konzentriert zugehört und die vorhandene stimmliche Qualität erkannt. Nun tritt Peschko den Quasthoff-Eltern wohlwollend entgegen und sagt:


    »Vergessen Sie alles, was ich vorhin gesagt habe. Ich freue mich, dass Sie gekommen sind. Der kleine Bursche hat wirklich famose Anlagen. Ich werde mir etwas einfallen lassen und mich sobald als möglich bei Ihnen melden.«


    Peschko hat dann Thomas Quasthoff Zugang zu der Opernsängerin Charlotte Lehmann verschafft, die sich nach einem Vorsingen, das in ihrem Heim stattfand, bereit erklärte mit dem Jungen zu arbeiten, was bekanntlich mit Erfolg geschah.


    1971 und 1972 gab Sebastian Peschko im Rahmen der Internationalen Sommerspiele Kurse für Liedinterpretationen, trat aber in Salzburg später noch auf andere Weise in Erscheinung.


    Der Name Sebastian Peschko ist bei Lied-Kennern immer noch als Klavier-Begleiter sehr bekannt, weil er mit einer großen Anzahl berühmter Stimmen verbunden ist.
    Weniger bekannt dürfte sein, dass Sebastian Peschko auch als Komponist tätig war und diese Kompositionen nicht etwa im Nachlass als stille Übungen gefunden wurden, sondern noch zu Lebzeiten Sebastian Peschkos - am 30. August 1987 - bei einem Liederabend in der Semperoper mit der bekannten Sopranistin Helen Donath zum Vortrag kamen. Diese Lieder waren fester Bestandteil ihres Programms.
    Ebenso sang sie Peschkos Kompositionen bei den Salzburger Festspielen 1995 bei einem Liederabend am 16. August; vier Lieder, die Peschko nach Gedichten von Christian Morgenstern vertont hatte:
    Der Seufzer / Der Schaukelstuhl / Das Hemmed / Tapetenblume.


    Sebastian Peschko und seine Frau Ali Erika, die sich beim Orgelspiel des jungen Peschko in der Christian-Science-Kirche Berlin kennenlernten, wurden Eltern von drei Töchtern und zwei Söhnen. Auf dem Waldfriedhof in Celle hat der Pianist seine letzte Ruhe gefunden.
     

    Praktischer Hinweis:
    Waldfriedhof 29225 Celle an der Marienwerder Allee. Das Grab von Sebastian Peschko befindet sich ganz in der Nähe der St.-Hedwig-Kirche, wo sich ein kleiner Friedhofseingang befindet. Die Wegstrecke beträgt 120 Meter. Gleich hinter dem Eingang biegt man nach links ab und folgt diesem Weg etwa 100 Meter und biegt dann rechts ab.


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    Kirche und Straßenschilder dienen als Orientierungshilfe


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    Paul Badura-Skoda - * 6. Oktober 1927 Wien - † 25. September 2019


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    Zum heutigen Todestag von Paul Badura-Skoda


    Der kleine Paul sprang einst recht lustig zwischen den Gräbern des Ottakringer Friedhofs herum, es war für ihn ganz selbstverständlich, dass hier Verstecken und Fangen gespielt wurde, für ihn war nur betrüblich, dass hier keine Eisenbahnlokomotive durchfuhr.
    Fast jeden Sonntag wurde der Friedhof von der Familie besucht. An seinen Vater hatte Paul keine direkte Erinnerung, denn er war erst vier Monate alt als Ludwig Badura an den Folgen eines Motorradunfalls starb.


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    Pauls Zugang zur Musik vollzog sich ganz natürlich, denn seine Mutter hatte Zimmer zu vermieten und wählte unter den Interessenten Frau Marta Wiesenthal aus, eine Klavierlehrerin.
    Bei ihr begann dann für den sechsjährigen Knaben der Klavierunterricht.


    Am Wiener Konservatorium hatte der Student in Prof. Viola Thern, die einer Musikerdynastie entstammte, in Sachen Klavier wieder eine weibliche Bezugsperson, die er später als ›einer Art Leitperson‹ bezeichnete. Aber Badura-Skoda studierte nicht nur Klavier, sondern auch Dirigieren, wofür an der Hochschule Prof. Felix Prohaska zuständig war.
    In beiden Fächern machte er dann 1948 seinen Hochschulabschluss mit Auszeichnung und 1949 wollte ihn kein geringerer als Josef Krips zu seiner Assistenz an die Wiener Staatsoper holen und lockte mit dem Lob: ›Sie sind der geborene Dirigent!‹
    Allerdings wurde der junge Pianist von seinem Manager dahingehend beraten, dass er besser seine Pianisten-Karriere vorantreiben sollte, denn noch vor seinem Abschluss gewann der strebsame Pianist den 1. Preis beim Österreichischen Musikwettbewerb, dem noch Siege bei Wettbewerben in Budapest und Paris folgten - darauf ließ sich aufbauen.
    Der in Wien errungene erste Preis beinhaltete auch ein Stipendium für Edwin Fischers Meisterkurs in Luzern, wobei das in dieser Zeit auch außermusikalisch einen Wert an sich darstellte. Auch hochbetagt kam Badura-Skoda immer und immer wieder auf Edwin Fischer zurück, der für ihn ein Leitstern war.


    In der Kriegszeit konnte die Familie bei einem Bauern in der Nähe von Amstetten unterkommen, den sein Stiefvater, Anton Skoda, ausfindig gemacht hatte. Die Familie lebte dort offiziell als Landhilfsarbeiter, inoffiziell hatte er ein Klavier und ein Akkordeon, mit dem er bei Hochzeiten aufspielen und auch für ein paar Stunden die Schrecken des Krieges vergessen konnte.


    Und nach dem Krieg ging es in der Tat schnell voran; entscheidenden Anteil daran hatten Wilhelm Furtwängler und Herbert von Karajan, denn sie engagierten Badura-Skoda als Solist für Konzerte. So spielte Badura-Skoda zum Beispiel 1949 im Wiener Musikverein mit den Wiener Philharmonikern unter Furtwängler Mozarts Konzert für zwei Klaviere in Es-Dur, KV 365; seine Klavierpartnerin war Furtwänglers Tochter Dagmar Bella.
    Karajan war damals zwar noch nicht der ›ganz große‹ Karajan der späteren Jahre, aber Badura-Skoda berichtete vom damaligen Engagement, dass Karajan ihm eine ganze Woche lang Klavierunterricht erteilte, um ihm zu erklären, wie er das Stück zu spielen habe.
    Ein Karrierehöhepunkt folgte dem andern; bei den Salzburger Festspielen 1950 sprang er für den erkrankten Edwin Fischer ein, wo er neben Wolfgang Schneiderhahn und Enrico Mainardi musizierte. Ab 1954 war Badura-Skoda Fischers Assistent, nachdem er seit 1948 bei ihm Meisterkurse besucht hatte.


    Schon ab 1950 kann man von einer großen internationalen Karriere sprechen, denn da gab es Konzerttourneen nach Australien, USA, Kanada, Mexiko und Südamerika; später dann auch nach Japan, in die Sowjetunion und nach China, wo Badura-Skoda als erster westlicher Pianist nach der Kulturrevolution auftrat.


    1951 hatte Paul Badura-Skoda einen Auftritt als Ehemann, er heiratete die 22- jährige Eva Halfar, eine Musikwissenschaftlerin, die in ihrem Genre ebenfalls eine internationale Karriere zustande brachte und dennoch vier Kindern ins Leben half, darunter der Pianist Michael Badura-Skoda (1964-2001).


    Eva Badura-Skoda promovierte mit 24 Jahren, was heute kaum noch vorstellbar ist. Das Ehepaar arbeitete musikwissenschaftlich zusammen, zum Beispiel bei dem Buch ›Mozart -Interpretation‹, das 1957 zunächst in deutscher Sprache erschien und später in Englisch und Japanisch veröffentlicht wurde. Nachdem ein halbes Jahrhundert verstrichen war, hatten beide dann 2008 die Erkenntnisse der letzten Jahrzehnte in einen erweiterten Text (474 Seiten) einfließen lassen. Auch zu dem Buch ›Bach Interpretation‹ (1990) hat Ehefrau Eva einiges beigesteuert.
    Bei all dieser Zusammenarbeit gab es jedoch auch im Garten der Villa noch ein Übungsstudio für den Pianisten.


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    Etwas von seinem zweiten Ausbildungszweig an der Hochschule kam 1956 zum Tragen, als er mit dem Taktstock und einem Kammerorchester der Wiener Symphoniker auf einer Tournee durch Italien unterwegs war.
    Aber als Pianist waren seine Auftritte eine Aneinanderreihung von Superlativen; bei seiner ersten Japan-Tournee 1959/60 trat er allein in Tokio 14 Mal auf.
    Im Beethoven-Jahr 1970 spielte und kommentierte er zusammen mit dem befreundeten Jörg Demus alle Klaviersonaten Beethovens für das Deutsche Fernsehen. Zyklische Aufführungen der 32 Beethoven Sonaten folgten in Mexiko, Chicago, Paris, London, Wien und Barcelona.
    Er ist wohl der einzige Pianist, der wiederholt alle Sonaten von Mozart, Beethoven und Schubert sowohl auf Pianoforte als auch auf modernem Flügel auf CD aufnahm - aber auch öffentlich aufführte.
    Sowohl Frau Eva als auch Paul Badura-Skoda beschäftigten sich intensiv mit der Entwicklung des Hammerklaviers. Er sammelte über viele Jahre hinweg historische Klavierinstrumente; Große Teile dieser Sammlung waren seit 2001 als Leihgabe auf Schloss Kremsegg untergebracht, aber 2018 wurde das Musikinstrumentenmuseum geschlossen.


    Er sammelte, weil es ihn interessierte, wie es wirklich geklungen hat, und er wollte herausfinden, was die Absicht des Komponisten war. In diesem Zusammenhang sagte er einmal:


    »Es ist ja das Schöne, dass es gerade in der Musik so viele Möglichkeiten gibt. Die Noten stehen fest - aber jeder kann etwas hineinlegen. Und es gibt manchmal große Momente, in denen man über sich hinausgetragen wird und spürt: Nicht ich spiele, sondern es spielt, wie der große Edwin Fischer einmal sagte.«


    Spitzenmusiker wie Badura-Skoda arbeiten naturgemäß auch mit anderen großen Musikern zusammen, was in der Regel professionell und auf hohem Niveau von statten geht.
    Bei Paul Badura-Skoda nehmen aber zwei Kollegen eine Sonderstellung ein, wo neben dem professionellen Musizieren auch echte und tiefe Freundschaften entstanden.
    Da war einmal der Pianistenkollege Jörg Demus, der vor allem als Begleiter großer Stimmen bekannt war, die beiden waren fast gleichaltrig. Sie spielten als alte Herren zusammen noch ein Konzert in Linz, da stand Demus zwei Monate vor seinem 90. Geburtstag und Badura-Skoda hatte am Vortag gerade seinen 91. Geburtstag gefeiert. Die ›Salzburger Nachrichten‹ berichteten, dass bei der vierhändig gespielten Zugabe keiner im Saal mehr sitzen blieb; die Begeisterung war Riesengroß.
    Die in Freundschaft mündende Bekanntschaft mit David Oistrach reicht in den Anfang der 1960er Jahre hinein; 1971 kam es bei der Salzburger Mozartwoche zum ersten gemeinsamen Sonatenabend; beide sollen ausgezeichnete Schachspieler gewesen und hatten das auch ausreichend gepflegt, wenn sie nicht gerade mit ihren Instrumenten zu tun hatten.


    Paul Badura-Skoda war auch ein begeisterter und begeisternder Pädagoge, der in dieser Eigenschaft in der Welt herumreiste. Von 1966 bis 1971 war er Artist in Residence an der University of Wisconsin und 1974 unterrichtete er als Gastprofessor am Curtis Institute of Music in Philadelphia. Auch der deutschsprachige Raum wurde nicht ausgespart, von 1975 bis 1981 lehrte er an der damaligen Folkwang Musikhochschule in Essen und 1981 kehrte er zu seinem Ursprung zurück und wurde ordentlicher Professor für Klavier an der Universität für Musik und darstellende Kunst in Wien, wo er bis zu seiner Emeritierung 1994 tätig war.
    Auch als Jurymitglied bei diversen Wettbewerben war Badura-Skoda ein gefragter Mann; so war er 1987 Jurymitglied beim Santander Paloma O´ Shea Klavierwettbewerb, den damals David Allen Wehr gewann.
    1990 und 1995 Jurymitglied beim Internationalen Chopin-Wettbewerb in Warschau und 2013 saß er beim Internationalen Deutschen Pianistenpreis in Frankfurt am Main in der Jury.


    Bezüglich zeitgenössischer Musik ist das freundschaftliche Verhältnis zu Frank Martin zu erwähnen, das sich mit einem Brief vom 11. Juni 1965 anbahnte, den Badura-Skoda, der damals schon ein renommierter Pianist war, an Frank Martin schrieb:


    »Verzeihen Sie, wenn ich mich mit einer ungewöhnlichen Bitte an Sie wende. Schon während meiner Studienzeit am Konservatorium hat mich Ihre Musik tief beeindruckt ...


    Ich möchte Sie aber nicht mit Elogen, die Sie wahrscheinlich all zu oft zu hören bekommen, langweilen, sondern gleich zum Kern der Sache vordringen: es würde mich freuen, wenn Sie für mich ein neues Klavierkonzert schreiben könnten ...«


    Der Briefwechsel erfolgte überwiegend in Französisch während der letzten neun Lebensjahre des Komponisten und informiert über die gute Zusammenarbeit der beiden. Frank Martin hat zwei Werke für Klavier im Auftrag von Badura-Skoda geschrieben und mit einem gewissen Stolz zitierte der Pianist den Komponisten, der nach der Uraufführung seines Zweiten Klavierkonzerts folgende Widmung schrieb:


    »Du hast das Größte fertiggebracht. Du hast mich von meiner eigenen Komposition überzeugt.«


    Die umfangreichen Aktivitäten und die lange Lebensspanne brachten es mit sich, dass Paul Badura-Skoda mit äußeren Zeichen der Anerkennung geradezu überschüttet wurde.

    Neben Ehrendoktorwürden mehrerer Universitäten wurde Paul Badura-Skoda das Österreichische Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst, das Große Silberne Ehrenzeichen mit dem Stern für Verdienste um die Republik Österreich und das Goldene Ehrenzeichen für Verdienste um das Land Wien verliehen und 1978 erhielt er den Bösendorfer-Ring, welchen vor ihm nur Wilhelm Backhaus trug. 1993 wurde der Künstler zum ›Chevalier de la Légion d'honneur‹ ernannt und 1997 zum ›Commandeur des Arts et des Lettres‹.


    Irgendwie passt es nicht so recht zu all diesen Ehrungen, wenn Paul Badura-Skoda - wohl mit einiger Verbitterung - in der Rückschau feststellen musste:
    »Warum ich seit 50 Jahren nicht mehr nach Salzburg eingeladen wurde, verstehe ich nicht. Ich kann ohne Salzburg leben - und umgekehrt auch. Aber es gibt auch die Schubertiade in Vorarlberg. Ich habe alle Schubert-Werke gespielt, aber die haben mich von Anfang an vollkommen ignoriert. Freunde und Manager haben Ihnen geschrieben und noch nicht einmal eine Antwort bekommen.«


    Am 25. September 2019 ging in Wien ein arbeitsreiches, aber beglücktes Leben zu Ende; eigentlich wollte er Ingenieur werden, aber das Musizieren Furtwänglers beeindruckte ihn so sehr, dass sich ihm eine höherwertige Welt erschloss. Neben persönlichen Erinnerungen hinterlässt der vielleicht letzte große Pianist des 20. Jahrhunderts, der noch Berührung mit der Romantik des späten 19. Jahrhunderts hatte, mehr als 200 Aufnahmen, die in fast 70-jährigem Wirken entstanden sind.
    Kurz nach seinem 90. Geburtstag gab er noch ein Konzert im Goldenen Saal des Wiener Musikvereins.
    Seine letzten Lebensjahre waren zwar von schwerer Krankheit geprägt, aber es war ihm trotzdem wichtig weiter zu musizieren. Seine Plattenfirma teilte donnerstags mit:
    ›Paul Badura-Skoda starb am Mittwochabend bei sich zu Hause schmerzfrei und in Frieden.‹
    Zu seinen Ehren wurde am 5. Oktober 2019 in der Wiener Piaristenkirche, die er als Kind und im Alter oft besucht hatte, ein Gottesdienst gefeiert, wobei die e-moll Messe von Anton Bruckner aufgeführt wurde. Am 9. Oktober fand das Begräbnis im engsten Familienkreis statt.


    Praktische Hinweise:
    Adresse: Friedhof Ottakring, Gallitzinstraße 5, 1160 Wien; das ist der 16. Wiener Gemeindebezirk.
    Der Haupteingang befindet sich zwischen Johann-Staud-Straße und Gallitzinstraße.
    Man geht zur Rückseite der Aufbahrungshalle und benutzt den ansteigenden Weg am Feld 5, wobei man sich schon nach wenigen Metern nach rechts wendet und auf das Mausoleum zu läuft; am Mausoleum geht es weiter geradeaus, bis ein Stein deutlich das Gräberfeld 9 anzeigt, wo sich das Grab der Familie Badura-Skoda befindet.


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    Beim Mausoleum geht man noch weiter geradeaus.


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    Hat man den Stein für Gruppe 9 erreicht, ist die weitere Information: Reihe 4, Nummer 10.


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    Anton Rückauf - *13. März 1855 Prag - † 19. September 1903 Alt-Erlaa (bei Wien)


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    Zum heutigen Todestag von Anton Rückauf


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    Bildhauer Franz Vogl

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    Hier steht eine andere Jahreszahl als in den Nachschlagewerken


    Anton Rückauf hat zwar auf dem Wiener Zentralfriedhof ein prächtiges Grabdenkmal, aber er ist heute als Musiker kaum noch bekannt.
    Er besuchte in Prag das renommierte Proksch-Institut, wo er von Marie Proksch am Klavier unterrichtet wurde, die internationale Erfahrungen von Paris mitbrachte, und die pädagogische Arbeit ihres Vaters fortführte. Außerdem besuchte er die alte Prager Orgelschule bei den Lehrern František Zdeněk Skuherský und František Blažek.
    Nach seiner Ausbildung war er selbst am Procksch´en Institut (so die Schreibweise in einer Zeitung von 1903) als Lehrer tätig.
    1878 kam Anton Rückauf dann nach Wien, denn er hatte einige Lieder komponiert und Johannes Brahms war aufmerksam geworden und verschaffte Rückauf ein Stipendium, was dem jungen Mann ermöglichte, bei Gustav Nottebohm und bei Navratil Kontrapunktstudien zu machen. Im Klavierspiel holte er sich bei Theodor Leschetitzky den letzten Schliff.
    Anton Rückauf kam nun in Wien mit dem bekannten Tenor Gustav Walter in Kontakt, mit dessen Unterstützung er in adeligen Kreisen verkehren konnte.
    Von 1882 bis 1984 unternahmen die beiden längere Konzertreisen nach Deutschland; ansonsten gab Rückauf Klavierunterricht und komponierte Lieder.

    Die Liederabende des Duos Walter / Rückauf müssen - orientiert man sich an zeitgenössischen Zeitungsberichten - in dieser Zeit etwas ganz Besonderes gewesen sein.
    Ein in Frakturschrift gesetzter Zeitschriftenbeitrag sei hier in modernen Lettern, aber originaler Schreibweise eingestellt; das hier Beschriebene stammt aus einer Veröffentlichung vom 21. September 1903 und zeigt das öffentliche Wirken von Anton Rückauf recht anschaulich.


    »Es war die Zeit, als Gustav Walter begann, durch seine unvergleichliche Kunst die Schätze unserer reichen Liederliteratur beim Publicum zu erneutem Ansehen zu bringen. Damals associirte er sich mit Anton Rückauf, der Jahre hindurch nicht nur sein untergeordneter Begleiter, sondern ein mitempfindender Freund und Künstler war, der es verstand, die Intentionen Walter´s mit den eigenen in harmonischen Einklang zu bringen. In jener Zeit bildete das Concert Walter´s den einzigen Liederabend der Saison. Daß ein einziger Sänger den ganzen Abend hindurch nur Lieder singen sollte, war eine Neuerung, deren Gelingen nicht ohneweiters gesichert war. Man war früher gewohnt, Lieder nur in Concerten mit sogenannten gemischten Programmen zu hören, und hielt das Dominiren eines Künstlers im Conzert für eine unerhörte Zumutung, die eine gefährliche Monotonie zur Folge haben müßte. Aber ganz so wie früher die Clavierspieler, wußten nun auch die Sänger diese Bedenken zu zerstreuen, und das Publicum gewöhnte sich an die Specialisirung im Kunstgenuß ebenso wie auf anderen Gebieten. Dieser Erfolg war zum nicht geringen Theil ein Verdienst Rückauf´s, der als selbständige künstlerische Persönlichkeit mit seinen Claviervorträgen etwas Abwechslung in das Programm brachte. Keiner unserer jetzigen ›Begleiter‹ hat ihn in dieser Eigenschaft auch nur annähernd erreicht. Das Künstlerpaar Walter-Rückaufhat mit seinen Concerten Schule gemacht.
    In der vorigen Saison hatten wir schon 76 solcher Liederabende zu verzeichnen, von denen freilich nur ein kleiner Theil die Bedeutung der Concerte Walter´s erreichte. Längst verschollene Lieder wurden damals der Vergessenheit entrissen, ältere Perlen in vollendende Fassung gebracht und eine ganze Anzahl neuer Compositionen angeregt.
    Rückauf´s Talent empfing von dieser Thätigkeit die fruchtbarste Anregung, die es dem Componisten ermöglichte, auch selbst kleine Liedwerke zu schaffen, die zeitweilig eine ungewöhnliche Popularität errangen. Sein Stilo lag ungefähr dem von Robert Franz nahe, obgleich auch Brahm´s Jugendwerke auf ihn nicht ohne Einfluß geblieben sind.
    Die modernste neudeutsche Schule lag Rückauf fern, und er trat im Laufe der Jahre als Componist in demselben Maße zurück, als jene an Boden gewann.«


    Anton Rückauf hat sich auch als Komponist von Kammermusik und Opern versucht, konnte aber nicht den Erfolg verbuchen, den er zeitweilig mit seinen Liedkompositionen hatte.
    Seine Oper »Die Rosenthalerin« wurde in Wien abgelehnt, dann aber schließlich in Dresden 1897 ohne durchschlagenden Erfolg aufgeführt.
    Zu seinem Lebensende hin leitete er sehr erfolgreich den Evangelischen Singverein, aber damit war kein Weltruhm zu erreichen.


    Die Herzogin von Oldenburg hatte Anton Rückauf das Schloss Neu-Erlaa (heute 23. Wiener Gemeindebezirk) als Sommeraufenthalt zur Verfügung gestellt, er war schon seit mehr als einem Jahr gesundheitlich angeschlagen und gerade von einem Kuraufenthalt aus Karlsbad zurückgekommen. Er selbst soll jedoch noch Schaffensdrang auf Jahrzehnte hinaus verspürt haben, aber sein Umfeld merkte, dass es dem Ende zu ging. Er hatte ein Krebsleiden und starb an einem Samstag, abends um halb neun, am 19. September 1903.

    Praktische Hinweise:
    Das Grabmal von Anton Rückauf befindet sich auf dem Zentralfriedhof Wien, Simmeringer Landstraße 234.
    Vom Tor 2 kommend geht man der Hauptachse geradeaus und erreicht Gruppe 32 A kurz nach den Alten Arkaden links des Hauptweges.
    Man kann von etwa drei bis fünf Gehminuten ausgehen, Friedhofspläne stehen ausreichend zur Verfügung.

    Nachtrag


    Wenn man das Leben eines Künstlers, in diesem Falle einer Künstlerin, Revue passieren lässt, liegt es in der Natur der Sache, dass man nicht jeden großen Auftritt im Detail ausleuchten kann. Aber es muss zum Beitrag # 839 noch etwas Wichtiges hinzugefügt werden, würde man es nicht tun, wäre das eine unverzeihliche Unterlassungssünde. - Rosette Anday war eine ganz große Mahler-Interpretin!


    Bei den Salzburger Festspielen trat sie auch als Konzertsolistin auf: 1928 sang Rosette Anday am 19. August unter dem Dirigat von Bruno Walter und mit dem Tenorpartner Jacqes Urlus im »Lied von der Erde« von Gustav Mahler.
    1934 war sie mit diesen Mahler-Liedern wiederum in Salzburg unter Walter zu hören, dieses Mal mit dem amerikanischen Tenorpartner Charles Kullmann.
    Der Kulturredakteur Dr. Otto Kunz schrieb im ›Salzburger Volksblatt‹ am 16. August 1934:
    »Prachtvoll Frau Anday in der Alt-Partie. Diese Frau fühlt mit, tiefe Trauer erfüllt ihre Seele. Gustav Mahler selbst scheint in ihr Abschied vom Leben zu nehmen.«



    Rosette Anday - * 22.12.1903 Budapest - † 18.09.1977 Wien


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    Zum heutigen Todestag von Rosette Anday


    Die später als Rosette Anday weltberühmt gewordene Sängerin hieß von Geburt eigentlich Piroska Andauer und war die Tochter des jüdischen Kaufmanns Ludwig Andauer (*1870 - † 1900) und seiner Frau Elvira, geborene Holländer.
    Mit den offiziellen Geburtsnamen von Sängerinnen war das in dieser Generation so eine Sache; in diesem Falle verwundert eine am 4. April 1900 im PESTER LLOYD - einer deutschsprachigen Tageszeitung, - erschiene Todesanzeige, in der die Witwe Ella Andauer in ihrem und im Namen ihres Kindes Piroska, die Öffentlichkeit über das plötzliche Ableben ihres Mannes Ludwig Andauer informiert; es soll ein Freitod gewesen sein und die Vaterschaft stellt sich auch etwas nebulös dar.


    Es wird von einem Philologischen Studium an der Budapester Universität berichtet, das nach der Datenlage jedoch nicht besonders tiefgründig gewesen sein kann. Als sicher gilt, dass Piroska Andauer in Budapest Violine und Gesang studierte. Violine bei Jenö Hubay (Eugen Hubay) und Gesang bei Georg Anthes, Madame Charles Cahier und Gino Tessari studierte. Die Studien waren offensichtlich so erfolgreich, dass die junge Frau bereits 1920 an der Budapester Nationaloper debütieren konnte. Hier geraten die in der Literatur genannten Daten etwas durcheinander, denn sie soll als 18-Jährige an der Wiener Staatsoper debütiert haben.


    Die Geschichte spielte sich mit großer Wahrscheinlichkeit so ab, dass Franz Schalk, Dirigent und Direktor der Wiener Staatsoper, die junge Sängerin in Budapest hörte und so begeistert war, dass er sie unverzüglich an sein Haus nach Wien holte, was verständlich ist, wenn man sich heute die Stimme auf alten Platten anhört.


    Veni, vidi, vici - man kann das etwas modifizieren: sie kam, sie sang, sie siegte, und zwar auf der ganzen Linie. Da kommt also eine völlig Unbekannte aus Budapest herüber und dient sich nicht über kleine Rollen hoch, sondern steigt an diesem berühmten Haus gleich mit Carmen ein.
    Wenn man die Analen der Staatsoper studiert fällt lediglich auf, dass die Neue bereits am 14. September 1921 bei den drei Knaben in der »Zauberflöte« mitwirkte, vermutlich um die Atmosphäre des Hauses zu schnuppern.
    Am 23. September 1921 dann der große Einstieg als Carmen, eine Rolle, in der sie schließlich bis 1951 insgesamt 82 Mal auf der Bühne der Wiener Staatsoper stand. Es sollen insgesamt 106 Rollen des gesamten Alt- und Mezzosopran-Faches gewesen sein, die sie beherrschte.
    Noch in der gleichen Saison gab sie - gefördert von Franz Schalk und Richard Strauss - ihren ersten Liederabend im Großen Musikvereinssaal in Wien. Warum Meister Strauss von der Sängerin so begeistert war, kann man nachvollziehen, wenn man die alte Polydor-Platte von 1928 auflegt und hört wie sie das Lied »Befreit« singt.
    Ab 1922 hatte sie auch zahlreiche Auftritte bei den Salzburger Festspielen; allmählich wurde ihr Künstlername ›Rosette Anday‹ zu einem Markenzeichen und die Sängerin war weltweit begehrt; sie tourte nicht nur durch die bekannten Opernhäuser Deutschlands sondern war auch in Europa und auf dem amerikanischen Kontinent präsent.


    So kam es schließlich auch fern der Heimat zur ersten Eheschließung; während einer dreimonatigen USA-Tournee heiratete sie im Februar 1932 in New York den jüdischen Adligen Egon Ernst von Ketschendorf, aber dem in der New Yorker Saint Thomas Church geschlossenen Ehebund war keine lange Dauer beschieden, schon im Mai 1933 hatte die Gemeinsamkeit ein Ende gefunden.


    Ihre Stimme reifte immer mehr heran, wurde mit der Zeit voluminöser, so dass sie von Mozarts Cherubino und Dorabella zu Verdi und Wagner kam.
    Fünf Jahre nach ihrem Wiener Debüt war sie mit der Rolle der Dalila in Camille Saint-Saëns Oper »Samson und Dalila« gefordert, eine Traumrolle für eine Mezzosopranistin.
    Und sie beglückte Strauss nicht nur mit dem Vortrag seiner Lieder - sie war auch eine großartige Klytämnestra.


    Im Juni 1937 kam es dann in Wien zu einer zweiten Eheschließung mit dem Rechtsanwalt Dr. Karl Bündsdorf. Diese Ehe blieb stabil, aber die politischen Verhältnisse nicht, was diese Verbindung einer Belastung der besonderen Art aussetzte. Ab März 1938 durfte Rosette Anday wegen ihrer jüdischen Herkunft nicht mehr an der Staatsoper auftreten und erhielt demnach auch keine Gage mehr. Der rechtskundige Gatte gab sein Bestes, er war ja ›Arier‹, aber die Zeiten waren äußerst gefährlich, also versuchte man in dieser Situation möglichst unbemerkt zu bleiben.


    Nach Kriegsende gab es relativ schnell auch wieder Salzburger Festspiele, so war sie bei der Uraufführung von »Dantons Tod« am 6. August 1947 mit dabei und ihr letzter Salzburger Auftritt war bei Mozarts Requiem am 24. August 1947.
    1961 konnte sie ihre 40-jährige Zugehörigkeit zur Wiener Staatsoper feiern; in einer Festvorstellung verabschiedete sie sich am 22. Oktober als Klytämnestra in »Elektra«.



    Praktische Hinweise:
    Das Ehrengrab von Rosette Anday befindet sich auf dem Zentralfriedhof Wien, Simmeringer Landstraße 234.
    Vom Tor 2 kommend geht man die Hauptachse geradeaus und erreicht Gruppe 32 C vor der großen Friedhofskirche und links des Hauptweges.
    Man kann von etwa fünf Gehminuten ausgehen, Friedhofspläne stehen ausreichend zur Verfügung.


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    Diese beiden Steine sind andere Gräber, das Grab Anday befindet sich weiter rechts davon


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    Karl Dönch - * 8. Januar 1915 Hagen - † 16. September 1994 Wien


    Über seine Herkunft und wie Karl Dönch zum Sängerberuf kam, ist in der Öffentlichkeit außer dem Geburtsort nichts bekannt. Das Große Sängerlexikon stellt dar, dass Dönch am Konservatorium in Dresden ausgebildet wurde; in anderen Publikationen ist zu lesen, dass er Musik, Gesang und Schauspiel studierte; Hinweise auf seine besondere schauspielerische Begabung ziehen sich wie ein roter Faden durch sein Künstlerleben.


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    Zum heutigen Todestag von Karl Dönch


    Karl Dönchs Debüt fand 1936 am Stadttheater Görlitz statt, wo er in der Rolle des Dr. Bartolo im »Barbier von Sevilla« in Erscheinung trat. Dem folgten Engagements am Grenzlandtheater in Reichenberg (Liberec, Böhmen, 1939-41). In den Jahren 1942 bis 1944 ist eine Tätigkeit am Stadttheater Bonn dokumentiert.


    Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Dönch »Österreicher«, das heißt, dass er für den Rest seines Lebens in Österreich, insbesondere in Wien, fest verwurzelt war; allgemein wird er als deutsch-österreichischer Sänger mit der Stimmlage Bassbariton bezeichnet.
    Dönch nähert sich Österreich über Salzburg und in den Analen des Salzburger Landestheaters ist nachzulesen wie sich die Anfänge nach dem großen Krieg gestalteten.
    Nachdem Intendant van Hamme in Pension gegangen war, konnte keine in allen Belangen geeignete Nachfolge gefunden werden, so dass de Pasetti - damaliger Leiter der Theater- und Musikabteilung des amerikanischen Nachrichtenkontrolldienstes in Österreich - in eine besondere Konstruktion der Theaterleitung einwilligte. Es bildete sich ein Triumvirat aus dem Schauspieler Erwin Faber, dem Operettenkomiker Riegler und Karl Dönch, der das Theater künstlerisch leiten sollte.
    Das erste Stück auf dem Spielplan war »Der Wildschütz« von Lortzing, Dönch sang den Schulmeister Baculus.


    Die »Salzburger Nachrichten« vom Dienstag, 2. Juli 1946 bringen einen Bericht über Karl Dönch, der mit einem Porträtfoto und drei Rollenfotos des Sängers illustriert ist. Einige Textauszüge, die zeigen wie der damals 31-Jährige gesehen wurde, seien hier zitiert:


    »Karl Dönch hat in der vergangenen Saison fünf Opern inszeniert, eine schöne Leistung, wenn man die Schwierigkeiten berücksichtigt, die er bewältigen musste. Abgesehen davon, dass schon das Beschaffen einer Partitur gegenwärtig eine außergewöhnliche Leistung darstellt, stand Dönch meist nur wenig Zeit zu Proben zur Verfügung ...
    Dönchs Künstlerpersönlichkeit wird von zwei Hauptmomenten getragen: seinem schauspielerischen Können und seinem außergewöhnlichen Sicheinfühlen in den Geist des Werkes. Wir schrieben schon einmal, dass Dönch auch als Schauspieler Karriere gemacht hätte. Sein Spiel ist vollkommen ausgereift und abgeschliffen. Die sogenannten Spitzwegtypen sind seine Hauptstärke und in deren Darstellung ist er zweifellos unübertrefflich. Stimmlich zeichnet ihn eine feine Musikalität aus. Jeder Ton sitzt sicher, und nur die Farbe des Tons ist manchmal blass.«


    Nur sechzehn Monate später wird dann Dönchs vorläufiger Abschied von Salzburg angezeigt, in anderer Mission kommt er jedoch wieder in die Stadt; in der Chronik liest sich das so:


    15. Oktober 1947
    Abschiedsabend von Karl Dönch. Der beliebte Opernsänger des Landestheaters gibt im Großen Saal des Mozarteums ein umjubeltes Abschiedskonzert, begleitet von Paul Schilhawsky am Flügel. Karl Dönch übersiedelt an die Staatsoper Wien.«


    An der Wiener Staatsoper erschien Karl Dönch erstmals am 7. November 1947. Unter dem Dirigat von Ference Fricsay wurde »Dantons Tod«, eine Oper des Komponisten Gottfried von Einem, als Übernahme von den Salzburger Festspielen, gegeben; Dönch in der Rolle des Simon, den er auch schon in Salzburg alternierend mit Georg Hann sang.


    Karl Dönch hatte in den Folgejahren mehr als tausend Auftritte an der Wiener Staatsoper absolviert, wobei zu erwähnen ist, dass das nicht immer die ganz großen Rollen waren - zum Beispiel 142 Mal als Mesner in »Tosca« -, aber mit seinem Sixtus Beckmesser brachte er es in 27 Jahren auf beachtliche 93 Vorstellungen und hatte auch Gastverträge mit Opernhäusern in Berlin und Düsseldorf; gastierte als Beckmesser an der Mailänder Scala, am Teatro Colón in Buenos Aires und war von 1966-69 an der Metropolitan Opera New York engagiert, wo er als Beckmesser debütierte, aber auch im »Rosenkavalier« und »Wozzeck« zu hören war. Man kann in diesem Rahmen nicht alle Häuser seines Wirkens nennen, aber Gastspiele am Teatro San Carlos Lissabon und an der Grand Opéra Paris seien noch erwähnt.
    Bei all diesen internationalen Verpflichtungen sollen auch noch seine Mitwirkungen bei den Festspielen in Salzburg, Bregenz und Mörbisch nicht vergessen werden.


    Nachdem Albert Moser von der Wiener Volksoper weggegangen war, erwies sich die Nachfolge als schwierig, weil da allerhand zu beachten war. So kam es zu der Situation, dass die Belegschaft einen Kandidaten aus den eigenen Reihen vorschlug - Kammersänger Karl Dönch.
    Von 1973 bis 1987 war er nun in vielerlei Hinsicht die prägende Persönlichkeit; als Direktor, Regisseur und Darsteller auf der Bühne. Dönch wollte an der Volksoper ein neues Ensemble formen und das vorher übliche Auftreten von Gästen etwas einschränken. Gleich zu Beginn seiner Amtszeit kündigte Dönch an, das Repertoire drastisch auf 35 Werke zu reduzieren.
    Im Gegensatz zu seinem Vorgänger war für Dönch das Singen in deutscher Sprache unverzichtbar. Dönch griff auch dergestalt ins Repertoire ein, indem er keine Musicals mehr spielen ließ. Marcel Prawy schrieb in seinem Buch: »während an der Volksoper noch meine Musicalproduktion lief, kam ein musicalfeindlicher Direktor an die Volksoper, der berühmte Beckmesser Karl Dönch.«


    In Dönchs Direktionszeit wurden insgesamt 190 Abende angeboten, an denen Spielopern der Komponisten Lortzing, Flotow und Nicolai gespielt wurden, 65 Mal »Der Wildschütz«, 43 Vorstellungen der Oper »Zar und Zimmermann« ...
    In den 14 Jahren unter Dönch wurden 42 Opern und 23 Operetten zur Aufführung gebracht.
    Allerdings waren die Kritiken in den verschiedenen Zeitungen nicht gerade berauschend, also in der überwiegenden Zahl schlecht, wenn man das so querbeet liest.


    So schreibt zum Beispiel die »Wochenschau« zur Premiere von »Der Wildschütz« am 3. Dezember 1977:


    »So konnte Karl Dönch den dümmlichen Schulmeister [...] wohl immer noch wie vor siebzehn Jahren an der Staatsoper als komische Figur genüsslich ausspielen, nicht aber mehr partieentsprechend aussingen.«


    1981 hatte Karl Dönch die Kammersängerin Sonja Mottl geheiratet, die seit 1955 Ensemblemitglied der Volksoper war und dort 1.475 Auftritte hatte. Sie starb 2014 und fand ihre letzte Ruhe an der Seite ihres ersten Mannes auf dem Hernalser Friedhof.


    Karl Dönchs Leben, insbesondere sein Theaterleben, war äußerst facettenreich und dies ist auf Tonträgern vielfältig dokumentiert und der Nachwelt erhalten


    Praktische Hinweise:
    Das Ehrengrab von Karl Dönch befindet sich auf dem Zentralfriedhof Wien, Simmeringer Landstraße 234.
    Vom Tor 3 ausgehend erreicht man den Ehrenhain Gruppe 40 in etwa fünf Gehminuten, Friedhofspläne stehen ausreichend zur Verfügung.


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    Sein künstlerisches Wirken ist auf Tonträgern vielfältig dokumentiert.

    Zum Beitrag #93


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    Die Frage nach der Quelle kann ich leider nur unscharf beantworten, weil ich ›irgendwie‹ in den Besitz dieser schwer lesbaren Kopie kam, deren Herkunft ich nicht benennen kann. Zu meinem Beitrag hatte ich den Text mit Hilfe einer Lupe abgetippt. Vielleicht kann Herr Zemp im Internet nach dem Original fahnden ...

    Johan Botha - * 19. August 1955 Rustenburg (Südafrika) - † 8. September 2016 Wien


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    Zum heutigen Todestag von Johan Botha


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    Leider ist die Vergolderarbeit misslungen, denn Blattgold hat eine Lebensdauer von Jahrzehnten, siehe Beitrag 834

    .

    Nach eigener Aussage wuchs Johan auf einer riesigen Farm auf, die 1.700 Hektar groß war und seinen Großeltern gehörte; da gab es tausende Kühe, Schafe, Schweine, natürlich auch wilde Tiere und der Milchzug fuhr durch dieses Gelände, wobei die Dampflok den Kleinen mächtig beeindruckte.
    Elektrisches Licht wurde von einem Generator erzeugt und es gab damals in Südafrika nur zwei Radiosender, einer bot vor allem klassische Musik.
    Botha ist dort ein weitverbreiteter Name, so dass es sich ergab, dass Johans Eltern schon vor ihrer Heirat den gleichen Nachnamen hatten.
    Wenn man sich durch englischsprachige Medien liest, wird hier geschrieben, dass Johan Botha in der kleinen Bauerngemeinde Derby, 80 Meilen von Rustenburg entfernt, geboren wurde, wo sein Vater Postmeister und seine Mutter Postmeisterin war, Botha erzählte einmal:
    »Ich bin zwischen Postsäcken aufgewachsen.«; später zogen sie nach Rustenburg, wo Johan seine Ausbildung fortsetzen konnte ohne aufs Internat zu müssen.


    Seine Berufsentscheidung traf Johan bereits im Alter von fünf Jahren, denn sein Vater und der Opa mütterlicherseits hörten sehr viel Opernmusik und der Junge sang oft kräftig mit, so zum Beispiel bei »La Traviata« - natürlich alle Partien - ; vom Sopran über Bass-Bariton bis zum Tenor hatte er alles drauf, wobei der Vater dann schon einmal mahnte endlich die Klappe zu halten. In Vaters Plattensammlung waren die Stimmen von Enrico Caruso, Beniamino Gigli und Richard Tucker zu hören.


    Zunächst schicken ihn die Eltern zum Chorsingen; als der Junge zehn Jahre alt war, kam ein Geistlicher der niederländisch-reformierten Kirche zum Hausbesuch (auch als etablierter Sänger war Johan Botha sehr religiös) und empfahl den Eltern dem Zehnjährigen Gesangsunterricht geben zu lassen. Da wird ein tschechischer Flüchtling als Gesangslehrer genannt, aber auch eine Frau Jarmilla Tellenger; seiner Lehrerin soll er die Königin der Nacht aus der »Zauberflöte« vorgesungen haben.


    Als Schüler hatte er es nicht ganz leicht, weil Johan Legastheniker war, also weder Wörter flüssig lesen noch buchstabieren konnte und er litt darunter, dass man ihn für dumm hielt. Was er jedoch konnte - Noten lesen!

    Nach dem Abitur absolvierte er 1983-84 seine Militärzeit bei der südafrikanischen Luftwaffe, wo auch Musik ein Thema war; in einer Militärjazzband spielte er Gitarre und Schlagzeug. Aber durchweg lustig war die Sache nicht, bei Grenzkriegen gab es Erlebnisse, die seine Seele nicht so einfach wegstecken konnte, so dass er die Schrecken des Militärlebens durch eine Therapie aufarbeiten musste.
    Dann ging Botha an die Pretoria Technikon Opera School. Hier wies man ihm als erste Rolle den Sir John in Verdis »Falstaff« zu. Aufgrund seiner stimmlichen Bandbreite kommt man erst allmählich darauf, dass Johan Botha ein Tenor ist. Der 22-jährige Botha springt einmal in Pretoria in der Baritonrolle des Carlo Gérrard bei einer Aufführung von »Andrea Chénier« ein. Sein Lehrer, Eric Muller, weissagte damals: »Sie werden einer der besten Wagner-Tenöre der Welt sein« Nach seinem Studium debütierte er 1989 in seiner Heimat - in Roodepoort - als Max im »Freischütz«.


    Auch dem großen Chorleiter Norbert Balatsch (Bayreuther Festspielchor 1972-1999) blieb diese außergewöhnliche Stimme nicht verborgen, er engagierte den Südafrikaner 1990 für den Festspielchor.
    Johan Botha nutzte den dreimonatigen Aufenthalt, um die deutsche Sprache zu lernen und lernte hier auch den Fußballsport kennen, denn in Italien wurde gerade die Weltmeisterschaft ausgetragen. Im Folgenden verlegte er seinen Lebensmittelpunkt nach Europa.

    Presseberichte nennen als Debüt in Deutschland den 26. Januar 1991, wo beim Pfalztheater Kaiserslautern die Premiere von Verdis »Maskenball« über die Bühne ging.
    Die nächsten Stationen waren Dortmund, Hagen, und Bonn, dann hatte sich das Stimmereignis allgemein herumgesprochen, also auch bis zu den großen Häusern.
    Er gastierte an allen drei Berlinern Opernhäusern. Ab 1993 war Botha auch mit der Hamburgischen Staatsoper verbunden, wo er sein Debüt als Florestan in »Fidelio« gab und am 3. Oktober 2014 letztmals als Radames in »Aida« auf der Bühne stand.


    Seinen internationalen Durchbruch schaffte Johan Botha 1993 mit seinem Auftritt als Pinkerton in »Madame Butterfly« an der Pariser ›Opéra Bastille‹. Wie nachzulesen ist, schickte Bothas Manager Einladungen an Spitzenhäuser; man möge sich die Vorstellung in Paris anhören. Johan Botha erklärt die folgenden Reaktionen so:
    »Innerhalb von zwei Wochen hatte ich Verträge mit Covent Garden, der Met, der Wiener Volksoper und der Berliner Oper unterzeichnet.«
    Die Welt stand ihm nun offen und es ist eigentlich müßig alle großen Häuser zu nennen.
    An der »Met« debütierte er im Januar 1997 als Canio in »I Pagliacci« und war dann dort unter anderem in »Lohengrin«, »Die Meistersinger von Nürnberg«, »Turandot«, »Aida«, »Don Carlos« und »Otello« zu sehen und zu hören. Seit dem Sommer 1998 trat Botha auch bei den Salzburger Festspielen auf.


    Und natürlich gehört Wien dazu, die Stadt, welche der Sänger mit Frau und zwei Jungs als Lebensmittelpunkt wählte; 1998 wurde Botha österreichischer Staatsbürger.
    Sein Wiener Debüt gab er zunächst 1994 an der Volksoper, wo er einen hochgelobten Rodolfo unter der Regie von Harry Kupfer sang; eigentlich sang er den Rudolf, denn es war eine deutschsprachige Aufführung.
    Der renommierte Musikkritiker Dr. Wilhelm Sinkovicz fasst das Gehörte in folgende Worte:
    »Von der großen Arie und dem strahlend angesetzten, dann behutsam ins Piano zurückgenommenen hohen C, von den Pianissimi in den Duetten, namentlich jenem im dritten Akt, schwärmen die Wiener Habitués noch heute.«
    An der Wiener Staatsoper debütierte Botha dann am 20. Februar 1996 als Mario Cavaradossi in »Tosca« und wurde bereits im Juni 2003 zum bisher jüngsten österreichischen Kammersänger der Staatsoper Wien ernannt.
    Bei weltweiten Aktivitäten versuchte Botha seine Auftritte auf etwa vierzig pro Jahr zu begrenzen, was ihm auch oft gelang, außer 2013, als die musikalischen Antipoden Verdi und Wagner ihren runden Geburtstag hatten.


    Bothas Repertoire umfasste alle großen Tenorpartien des italienischen und deutschen Fachs. Als Wagner-Sänger machte er ab 1998 auf sich aufmerksam, wo er - wiederum an der Volksoper - als Walther Stolzing in »Die Meistersinger von Nürnberg« zu hören war.
    Endlich - 2010 - konnte der ehemalige Bayreuther Chorsänger als Solist und unter dem Dirigat von Christian Tielemann auf der Bayreuther Festspielbühne stehen. Bis dato hatte Botha Wagner-Partien an vielen großen Bühnen der Welt gesungen, nur nicht in Bayreuth, wo er nun den Siegmund anstelle von Endrik Wottrich sang und recht gute Kritiken bekam, man sprach von einem strahlenden Lichtblick.
    Als Botha 2013 den Siegmund an gleicher Stelle unter Kirill Petrenko bot, wurde seine sängerische Leistung abermals hoch gerühmt, jedoch sein darstellerisches Unvermögen kritisiert. Das wurde mitunter auch verletzend getan und der wuchtige Sänger kontert, wenn er in Kritiken liest, dass er kein glaubwürdiger Liebhaber sei: »Ich singe wie einer«.
    Ferner gab er zu bedenken, dass kein Magersüchtiger Otello singen könne.
    Wenn es um Musikalisches ging war Botha sehr beweglich. In Kaiserslautern und Hagen hatte er »Madame Butterfly«, »Carmen« und »Bajazzo« in deutschen Übersetzungen gesungen. Als nun in Paris der vorgesehene Tenor absagte, lernte er seine Rolle innerhalb von zwei Tagen auf Italienisch.


    Als Sänger wurde er in aller Regel hochgelobt, weil er sich nicht nur auf seine Stimmgewalt konzentrierte, sondern sehr differenziert sang, was nur gelingen konnte, weil er ständig auch an allerkleinsten Feinheiten feilte. Über viele Jahre hinweg arbeitete er in Berlin mit der ausgezeichneten Stimmkennerin Irmgard Hartmann-Dressler an Details; als er zum ersten Kontakt bei ihr erschien und die Bajazzo-Arie sang, sagte sie: »Warum schreien Sie mich so an?« Diese Zusammenarbeit beschrieb er einmal so:
    »Sie ist einerseits eine sehr freundliche Dame. Aber sie hat ein unglaubliches Gehör und korrigiert mich gnadenlos, wenn ich mal einen Fehler mache. Und diese Kontrolle hilft mir ungeheuer weiter. So wie man ein Auto in die Werkstatt bringt, mache ich das Feintuning mit Frau Hartmann.«
    Sein Korrektiv starb hochbetagt im Dezember 2013.


    Obwohl er im deutschen und italienischen Fach gleichermaßen Erfolg hatte, war Botha in Wagner-Rollen weltweit besonders begehrt, weil eben im italienischen Fach ein Reservoier an Tenören zur Verfügung steht, aber ein guter Wagner-Tenor seltener zu finden ist.
    Auch in Strauss-Opern war Botha kaum zu übertreffen; als das Münchner Nationaltheater im November 2013 den 50. Geburtstag der Wiedereröffnung mit »Die Frau ohne Schatten« feierte, und Kirill Petrenko in München seinen Amtsantritt hatte, schrieb der Kritiker Peter Krause:
    »Eine gewohnt sichere Bank ist Johan Botha als gewichtiger Kaiser mit nimmermüde mühelosem Tenorstrahl«.
    Wenn es unbedingt sein musste, war Botha auch in der Lage helfend einzuspringen, so wie zum Beispiel im März 2012, als er nach einer Probe mit seinen Söhnen zum Essen gegangen war und natürlich auch ein Bier getrunken hatte, läutete schon beim Betreten der Wohnung das Telefon. Der Musikverein Wien brauchte binnen einer Stunde einen Ersatz für den mit einer Nierenkolik kurzfristig ausgefallenen Torsten Kerl bei einer Aufführung von Mahlers »Das Lied von der Erde« mit Zubin Metha.
    Botha, der diesen Part letztmals vor sechs Jahren gesungen hatte, sprang ein und in ein Taxi, das ihn mit eiligem Tempo von Hietzing aus zum Musikverein brachte, das Studium des Klavierauszuges konnte auf dieser Fahrt nicht allzu intensiv gewesen sein. Thomas Hampson hatte seine ersten Lieder bereits gesungen als Botha eintraf.
    Obwohl Mahlers Werk unter diesen unglücklichen Umständen nicht wie gewohnt aufgeführt werden konnte, war das Publikum an diesem Abend hell begeistert.
    Man kann an dieser Stelle einen Sprung ins Jahr 2016 machen, wo Mahlers Stück unter Kirill Petrenko aufgeführt wurde; Johan Botha, der in dieser Aufführung singen sollte, war schon schwer krank, musste absagen und Robert Dean Smith sprang für ihn ein.


    Aber zunächst eilte Botha von Erfolg zu Erfolg und konnte auch seinen Eltern die Freude machen, dass sie ihren Sohn öfter hören konnten, weil manche Opernaufführungen der »Met« weltweit in Kinosäle übertragen werden.
    Botha kam auch regelmäßig nach Südafrika, aber bedauerte, dass er nicht öfter gebeten wurde, dort zu singen. Er forderte auch mehr Übersetzungen von Opern in die ›schwarzen Sprachen‹ und fügte hinzu:
    »Zulu-Vokale sind rund und funktionieren in der italienischen Musik.«


    Um nochmals in das Jahr 2012 zurückzukehren - in einer Matinee der Wiener Staatsoper am 15. Juni dieses Jahres, wurde Johan Botha der Titel eines Blue Shield-Botschafters verliehen, wobei Ioan Holender die Laudatio hielt. Der Schutz von Kultur war für Botha ein Anliegen, das weit über den musikalischen Bereich hinaus ging.


    Als Sänger war Botha weit voran gekommen, aber seine Stimme hatte noch Entwicklungspotenzial, schließlich hatte er sich die »Tristan«-Partitur schon ehrfürchtig angesehen, und er erklärte lachend, dass ihn dann der Mut verlassen habe.
    James King, der große und erfahrene Wagner-Tenor, ›drohte‹ dem angehenden Sänger einmal: »Lass Dich nicht dabei erwischen, dass Du Wagner singst, bevor Du alt genug dazu bist.« Ferner gab King dem jungen Botha den Rat: »Eine große Wagner-Karriere wird durch das Wort ›Nein‹ gebaut«. Im Wesentlichen hielt sich Botha auch an diese Ratschläge.
    Aber er näherte sich dem »Tristan« und war zumindest mit Duetten aus diesem Werk auf Tonträgern zu hören, seine Partnerin war Deborah Polaski.
    Für 2017 war in Berlin mit Barenboim mehr »Tristan« geplant, aber dazu sollte es nicht mehr kommen.


    Im Oktober 2015 hatte Botha an der Metropolitan Opera New York unter dem Dirigat von James Levine sieben erfolgreiche Auftritte in »Tannhäuser« gehabt, die letzte Vorstellung am 31. Oktober. Danach wurde der Sänger mit der Diagnose Leberkrebs konfrontiert.
    Da war an Singen nicht mehr zu denken, das Procedere nach so einer Diagnose ist ja allgemein bekannt. Ein Wunder? - Im Juni 2016 war er in Budapest in »Walküre« zu hören und es folgten Auftritte an der Bayerischen Staatsoper mit »Turandot« an der Seite von Nina Stemme.


    Auch in Südafrika ist Johan Botha im August 2016 nochmal in Galakonzerten zu hören, muss jedoch seine letzten Auftritte krankheitsbedingt absagen. Johan Bothas letztes Konzert fand am 16. August in Stellenbosch statt, sein letztes öffentlich gesungenes Lied war »Heimwee« von S. le Roux Marais.


    Wenn man sich quer durch die Literatur liest, gewinnt man den Eindruck, dass Johan Botha nicht nur ein beeindruckender Sänger war, sondern auch ein überaus gütiger und humorvoller Mensch. Zu seiner Frau hatte er einmal gesagt: »Hau mir eine Pfanne über den Kopf, wenn ich 60 bin, und sag: Jetzt ist Schluss.«


    Am 21. September trug man den Ausnahmesänger in Wien zu Grabe; Staatsoperndirektor Ioan Holender brachte es in seiner Trauerrede auf den Punkt: »Johan Botha machte sich Zeit seines Lebens nicht wichtig - er war es durch seine Leistung.«
    Verabschiedet wurde das Ehrenmitglied der Wiener Staatsoper durch das Staatsopernorchester und den Chor des Hauses mit Mozarts »Ave verum« und der »Maurischen Trauermusik« sowie Felix Mendelssohn Bartholdys »Wirf Dein Anliegen auf den Herrn«
    Den musikalischen Schluss der Trauerfeier gestaltete Johan Botha selbst, es war eine Einspielung seiner Interpretation des Walter von Stolzing aus »Die Meistersinger von Nürnberg«.


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    Johan Botha ruht hier im Kreis berühmter Bühnenpersönlichkeiten


    Praktische Hinweise:
    Das Ehrengrab von Johan Botha befindet sich auf dem Zentralfriedhof Wien, Simmeringer Landstraße 234.
    Vom Tor 3 ausgehend erreicht man den Ehrenhain Gruppe 40 in etwa fünf Gehminuten, Friedhofspläne stehen ausreichend zur Verfügung.

    Lieber Carlo,
    Du darfst voraussetzen, dass ich da natürlich längst war (Sommer 2022) und wusste, dass er im Gemeinschaftsgrab Feld 10 beigesetzt wurde.
    Ein Foto des Feldes füge ich hier ein; die im Hintergrund zu sehende Wand besteht aus Metallstäben, in die Namen eingraviert sind,
    den Namen Roland Hermann konnte ich allerdings nicht finden.


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    Caspar Neher

    Caspar Neher revolutionierte mit seinen Entwürfen das Theater der Weimarer Republik. Er verzichtete weitgehend auf Dekorationen; seine Entwürfe sind schlicht und sachlich.
    Oft wird Neher nur in Verbindung mit Bertolt Brecht gesehen, mit dem er das Realgymnasium in Augsburg besuchte, aber er war auch eng mit dem Komponisten Wagner-Régeny befreundet, für den er auch als Librettist arbeitete.


    Die hier eingefügten Bilder stammen aus einer »Macbeth«-Produktion von 1959 an der Metropolitan Opera New York.


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    Karl Böhm - * 28. August 1894 Graz - † 14. August 1981 Salzburg


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    Zum heutigen Geburtstag von Dr. Karl Böhm


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    Die hintere Friedhofsbegrenzung bildet sich aus diesen Gruft-Gräbern.


    Dr. Karl Böhm

    Der Vater war Rechtsanwalt und das Elternhaus hatte die Erwartung, dass der Sohn selbstverständlich in die Fußstapfen des Vaters tritt, zumal eine eigene Kanzlei vorhanden war. Der Vater meinte:


    »Wenn ich das Gefühl habe, dass du wirklich etwas Großes erreichen wirst, kannst du mit meiner vollen Unterstützung rechnen. Aber als Rückhalt muss dir das Jusstudium dienen, damit du, wenn es schiefgeht, in meine Kanzlei eintreten kannst.«


    Das Misstrauen gegen den Künstlerberuf war vom Vater aus berechtigt, denn als Rechtanwalt und Syndikus des Grazer Stadttheaters hatte er Einblicke in das Elend künstlerischer Mittelmäßigkeit.


    Karl war der älteste der drei Böhm-Buben, nach ihm kamen noch Leopold und Walter.
    Schon im Babyalter horchte der kleine Karl auf, wenn aus der nahen Kirche Orgelklänge zu hören waren oder Militärmusik von der Kaserne her erklang; mitunter wurde sogar ein Leierkastenmann als Babysitter engagiert.
    Die Jungs wuchsen in einem musikliebenden Elternhaus heran; Vater Leopold war begeisterter Wagnerianer, der dem Grazer Konzertleben sehr nahe stand. Der später berühmte Dirigent vermittelte der Öffentlichkeit, dass sein Vater eine sehr schöne Stimme gehabt habe, die etwa zwischen Tenor und Bariton lag; als Söhnchen Karl acht Jahre alt war, konnte er Vaters Gesang am Flügel begleiten. Übrigens nahm Leopold Böhm auch Gesangsstunden und war mit seinen jüngeren Söhnen Mitglied des akademischen Gesangvereins.
    In Sachen Musik schätze Dirigent Böhm seine Eltern so ein: »Meine Mutter war unerhört musikalisch, nicht nur musikliebend, während mein Vater musikliebend, aber nicht musikalisch im eigentlichen Sinne war«.


    Die Familie Böhm gehörte zur besseren Gesellschaft, wie man zu sagen pflegt und man besaß in der Nähe von Graz - in Baierdorf - eine Villa.
    Auch die Verwandtschaft der Böhms konnte sich sehen lassen: ein Großonkel von Karl Böhm war der letzte österreichisch-ungarische Kriegsminister und der andere Großonkel war der Opernsänger Carl Link, dem das ›Große Sängerlexikon‹ immerhin mehr als eine Seite widmet und er war auch der erste deutschsprachige Don José an der Berliner Hofoper.


    Zunächst wollte Karl Böhm ja Pianist werden und musste mit dem Klavierunterricht recht unterschiedliche Erfahrungen machen. Ein Lehrer forderte so viel zu üben, dass man eitrige Fingernägel bekommt, also wechselte er zu einer Klavierlehrerin, die mehr Freude an der Musik zu vermitteln wusste. Dann kam er zu Franz Weiß, einem Schullehrer, der Chormeister des Grazer Männergesangvereins war und seine Musikbegeisterung auf den jungen Böhm übertrug.


    Es traf sich auch gut, dass Vater Leopold Böhm alle Grazer Künstler kannte und recht gut vernetzt war, wie man das heutzutage nennt; als Sohn Karl 1913 die Matura bestanden hatte, durfte er für ein Jahr nach Wien gehen. Der Grazer Dirigent Franz Schalk hatte dazu geraten dass der angehende Musikstudent nicht an die Akademie geht, sondern Privatstunden bei Eusebius Mandyczewski, dem langjährigen Archivar der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien nimmt. In der Nachschau beurteilte der alte, erfahrene Böhm diese Studien so:


    »In einem Jahr lernte ich bei ihm das, wofür ich an der Akademie drei Jahre benötigt hätte; die Zeiten mit Mandyczewski waren die fruchtbarsten meiner ganzen Studienzeit.«


    Aber da war ja noch die Absicherung, nämlich Rechtswissenschaften zu studieren, also schrieb er sich parallel zu seinen Musikstudien an der Karl-Franzens-Universität in Graz ein.
    Wenn er jedoch Vorlesungen hörte, dann waren es die von Guido Adler, der Musikgeschichte lehrte.


    Böhm selbst sagte, dass er nie juristische Vorlesungen besuchte, sondern einfach den Prüfungsstoff gepaukt hat, was offenbar ausreichend war, denn am 4. April 1919 promovierte er an der Grazer Universität zum Dr. jur. Auf diesen so hart erarbeiteten Titel legte Karl Böhm zeitlebens einen gewissen wert.


    Inzwischen hatte in Europa ein fürchterlicher Krieg stattgefunden, dem Karl Böhm mit einigem Geschick und Einfallsreichtum weitgehend ausweichen konnte.
    Nachdem der Zwanzigjährige für tauglich eingestuft war, musste er sofort einrücken.
    Der Vater war beruhigt, dass sein Sohn zur »Traindivision« kam, denn die sorgen für den Nachschub, da hat man immer was zu essen.
    Da er ein eigenes Pferd stellen konnte und ein begeisterter Reiter war, musste er also nicht direkt an die Front. Nach einigen beim Militär üblichen Schikanen wurde er dann recht bald Korporal und Zugführer. Ohne eigenes Verschulden wurde Zugführer Böhm von einem Pferd getreten, dann kam eine Bronchitis hinzu, die ein befreundeter Arzt als TBC-verdächtig einstufte; 1916 schied Böhm mit dem Befund ›völlig untauglich‹ aus dem Heer aus.


    Als Kapellmeister Markowitz fragte: »Willst du nicht zu uns ans Theater kommen?«, war das natürlich ein willkommenes Angebot und ein echtes Kontrastprogramm zu den kriegerischen Ereignissen; Karl Böhm bekam einen Vertrag als Korrepetitor am Grazer Theater.
    Am 17. Oktober 1917 dirigierte Karl Böhm an diesem Theater seine erste Oper - »Der Trompeter von Säckingen«, die eigentlich einer Aufführungsdauer von fünf Stunden bedarf, aber der junge Dirigent strich das Werk auf zweieinhalb Stunden herunter.
    Die Aufführung war ein voller Erfolg, wobei zu erwähnen ist, dass das damals noch nicht Dr. Böhm war, denn zwischen seinem zweiten Dirigat, dem »Freischütz«, musste immer noch - mit Hilfe eines Paukers - für das zweite juristische Staatsexamen gebüffelt werden, was bis in die tiefe Nacht hinein geschah.
    Beim dritten Rigorosum war Böhm in Graz schon ein recht bekannter Dirigent, man darf davon ausgehen, dass das eine eher angenehme Prüfungssituation war.
    Als er dann in Graz mit »Fidelio« von der Kritik enthusiastisch gelobt wurde, lag ihm das musikalische Graz zu Füßen; in der Saison 1920/1921 konnte er sich aussuchen was er dirigieren wollte, er hätte nun Opernchef in Graz werden können - strebte aber nach Höherem.


    Während der Generalprobe zu »Othello« erreichte Dr. Böhm ein Telegramm aus München; der Absender war Bruno Walter, der zu einem Probedirigat nach München einlud; als Probedirigate waren am Nationaltheater München »Freischütz« und »Butterfly« vorgesehen.
    Den praktisch sicheren Chefposten in Graz aufs Spiel setzen und zu Dirigaten mit ungewissem Ausgang nach München fahren, was damals auch verkehrstechnisch schwieriger war als heute, das glich einem Vabanquespiel.
    Die Probevorstellungen mit Böhm gefielen zumindest dem Publikum und der Kritik, aber die Theaterleitung ließ den jungen Dirigenten nach der »Butterfly«-Aufführung zunächst im Unklaren; erst nach einer schlaflosen Nacht - von Böhm - wandte sich Bruno Walter an den neuen Kollegen und riet zu einem Verbleib in München, um auf hohem Niveau zu lernen.
    Vor allem konnte Böhm sein noch nicht allzu umfangreiches Repertoire erweitern.
    Zu dem bisher familiären ›Hausgott‹ Richard Wagner brachte ihm Bruno Walter nun Mozart näher.


    Und Böhm ließ sich darauf ein, besuchte möglichst oft Walters Proben sowie Aufführungen, die Walter dirigierte. So geschah es, dass Böhm als jüngster Dirigent im Hause schon im ersten Jahr Mozarts »Entführung« leiten durfte, eine solche Besetzung wäre in Graz nicht möglich gewesen: Richard Tauber sang den Belmonte, Maria Ivogün die Konstanze und Paul Bender den Osmin.
    Nach neunjähriger Tätigkeit verließ Bruno Walter München und wechselte nach Berlin. Der nachfolgende Hans Knappertsbusch war dann von ganz anderem Kaliber, es soll ein Zusammenraufen gewesen sein. Da waren die Sympathien von Thomas Mann besser, denn im Hause Mann stand im Raum, dass Böhm ein guter Schwiegersohn sein könnte.
    Aber dann war da auch noch das Fräulein Thea Linhard in der Rolle der Mimi in »La Bohéme«, eine 17-Jährige - heute kaum vorstellbar. Bruno Walter hatte die zarte Stimme entdeckt und gefördert.
    Nachdem Böhm in seinen sechs Münchner Jahren etwa siebenhundert Opernabende musikalisch gestaltet hatte, kam ein Angebot aus Darmstadt; dort war die Stelle als Generalmusikdirektor vakant. Karl Ebert war in Darmstadt Generalintendant und Rudolf Bing Leiter des Betriebsbüros. In Darmstadt hatte sich also eine unternehmungslustige Truppe zusammengefunden, wobei man stets nach Berlin schielte, um zu sehen was Klemperer da macht und die Berliner Uraufführungen möglichst einige Tage später in Darmstadt aufzuführen. Das waren dann Werke von Hindemith und Křenek und - natürlich besonders bemerkenswert - Alban Bergs »Wozzeck«, bemerkenswert deshalb, weil sich der später berühmte Böhm weltweit für dieses Werk einsetzte.
    Damals kam Berg etwa acht oder zehn Tage vor der Erstaufführung mit seiner Frau nach Darmstadt; Berg zeigte sich mit der Aufführung sehr zufrieden und schrieb anerkennende Worte in Böhms Partitur.


    In Darmstadt hatte Böhm einen sechsjährigen Vertrag, also von 1927 bis 1933. Aus der um neun Jahre jüngeren Thea Linhard war inzwischen Frau Böhm geworden, die nun nicht mehr auf der Opernbühne tätig war und nur noch in Konzerten sang; 1938 kam in Darmstadt auch Sohn Karlheinz zur Welt.
    Als Böhm Ende 1930 eine »Meistersinger«-Aufführung dirigierte und der Bassist Leopold Sachse, der damals Intendant in Hamburg war, dieser Aufführung beiwohnte, war er von dem Gehörten so angetan, dass man Böhm in Hamburg haben wollte. Mit einigen Schwierigkeiten gelang es aus dem Vertrag heraus und nach Hamburg zu kommen, denn Böhm war in Darmstadt nicht nur in der Oper tätig, sondern leitete auch sämtliche Symphoniekonzerte.


    In Hamburg fühlte sich Böhm sehr wohl und von dort aus ergaben sich auch erste Kontakte zu Richard Strauss, weil Böhm hier viele Strauss-Opern auf den Spielplan brachte. Aber es ergaben sich auch Kontakte nach Wien, wo dem Grazer seit Jugendtagen die Musikszene bestens vertraut war. Also stand der einstige Galeriebesucher nun auf dem Dirigentenplatz der Wiener Staatsoper und hob den Taktstock zu »Tristan und Isolde«.


    Mit diesem Werk führte er sich auch in Dresden ein, wo man ihm sogleich die verwaiste Operndirektorstelle anbot. Man hatte dort Fritz Busch durch widerliche politische Machenschaften aus dem Amt gedrängt, womit Karl Böhm absolut nichts zu tun hatte.
    Dennoch war die Leitung eines so traditionsreichen Hauses, mit wunderbarer Akustik und erstklassigem Orchester und Ensemble eine Einladung, die man eigentlich nicht abschlagen konnte.
    Die Historiker Michael H. Kater und Fred K. Prieberg haben dazu allerdings andere Ansichten entwickelt, aber die waren in der glücklichen Lage, dass ihnen solche Angebote nie gemacht wurden.
    Allerdings haben Historiker eine Menge Äußerungen von Böhm zusammengetragen, die für ihn aus heutiger Sicht kein Ruhmesblatt sind, auch wenn er für sich das starke Argument hatte, dass er nie Parteimitglied war; nach eigener Aussage: ›Ich gehöre nur einer Partei an: der musikalischen‹.


    Also die Verlockung Dresden war schon groß, ein hundertzwanzig Musiker starkes Orchester und ein Ensemble in dem Maria Cebotari, Martha Fuchs, Margarethe Teschenmacher, Martha Rohs, Elisabeth Höngen, Christel Goltz, Erna Sack ... und Mathieu Ahlersmeyer, Kurt Böhme, Josef Herrmann, Sven Nielsen, Paul Schöffler... sangen.
    Und diese Damen und Herren standen praktisch jeden Abend zur Verfügung und reisten nicht ständig in der Welt herum.
    Karl Böhm konnte 1936 noch mit seinem Ensemble am Covent Garden in London gastieren und »Rosenkavalier«, »Tristan«, »Don Giovanni« und »Figaro« aufführen.


    Noch während seiner Dresdner Zeit hatte Karl Böhm einige Male sowohl an der Wiener Staatsoper als auch im Konzerthaus dirigiert. Wieder einmal kam Böhm aus einem Vertrag heraus, 1943 wurde er Direktor der Wiener Staatsoper.
    Im Wiener Großen Musikvereinssaal feierte Richard Strauss am 11. Juni 1944 seinen 80. Geburtstag; zu Richard Strauss hatte Böhm engen Kontakt, bei Strauss´ 70. Geburtstag waren sich sich die beiden persönlich begegnet, woraus sich dann eine innige künstlerische Zusammenarbeit und Freundschaft ergab.
    An den Kriegsfronten gab es nichts zu feiern, aber fast zeitgleich - also im Juni 1944 - war Karl Böhm auch noch in der Schweiz tätig, wo sich die Gelegenheit gab Schweizer Franken zu verdienen, die benötigt wurden, um den Aufenthalt von Sohn Karlheinz im renommierten Lyceum Alpinum in Zuoz zu finanzieren.
    Böhm hätte damals in der Schweiz bleiben können, Freunde boten Unterstützung an.
    Dennoch ging er mit einigen Bedenken zurück ins Inferno, man kann das so bezeichnen, denn er dirigierte auch immer mal wieder die Berliner Philharmoniker, wobei er in Berlin den Brand des Schlosses und die Zerstörung der Staatsoper erlebte.


    Bevor die Theater wegen der Kriegsereignisse geschlossen wurden, gab es an der Wiener Staatsoper als letzte Premiere mit Böhm »Capriccio«. In der Bombennacht des 3. März 1945 war Karl Böhm mit seiner Frau bei der brennenden Oper, wo man noch versuchte Mobiliar aus den Flammen zu retten.


    Unmittelbar nach diesen Kriegswirren wollten die Amerikaner, dass 1945 in Salzburg Festspiele stattfinden. Böhm hatte sich aus Wien abgesetzt und war im Salzkammergut bei Käthe Dorsch am Attersee untergekommen.
    Da die Wiener Philharmoniker nicht nach Salzburg kommen konnten, griff man auf ein Mozarteum-Orchester zurück und Böhm sollte die »Entführung« und zwei Konzerte dirigieren. Dem schoben jedoch die Russen einen Riegel vor und erklärten, dass es untragbar sei, dass Böhm bei den Festspielen dirigiert. Schließlich traf das alliierte Verbot auch die Kollegen Furtwängler, Karajan, Knappertsbusch und Krauss.
    Die Amerikaner sahen in Böhm einen Künstler, der als ›leaning toward Nazism‹ bekannt war.
    Als Karl Böhm wieder in Graz war, verbot man ihm sogar Stunden zu geben, also gab Frau Böhm Gesangsstunden und die nun mittellos gewordene Familie wurde von Verwandten unterstützt. In Graz hatten damals die Engländer das Sagen und ließen Böhm sogar einmal ein Bruckner-Konzert dirigieren, aber das Alliierten-Abkommen ließ keine weiteren Auftritte zu.


    Bereits im Dezember 1945 hatte der US-Kulturoffizier Otto de Pasetti - ein gebürtiger Südtiroler, der nach Amerika emigriert war - erkannt, dass Böhm über ein hohes künstlerisches Ansehen verfügt und für den Aufbau der Grazer Oper herangezogen werden könne. Im Januar 1947 erfolgte noch eine Steigerung, denn man stellte fest, dass der Dirigent am Wiederaufbau des kulturellen und musikalischen Lebens in Österreich insgesamt benötigt wird. Zum 1. Mai 1947 wurde das Dirigierverbot aufgehoben.


    Das erste Böhm-Dirigat nach dem Verbot war »Fidelio« im AusweichquartierTheater an der Wien, was im Vorfeld eine gewisse Problematik hatte, weil Drohungen gegen Böhm laut wurden; ein französischer General gewährte Schutz, denn der Afführungsort lag im französischen Sektor.
    Als sich die Nachkriegssituation entspannte und die Musikszene in den Normalmodus zurückkehrte, war Böhm auch in Italien und Südamerika tätig, wo er von 1950 bis 1953 Leiter der deutschen Stagione in Buenos Aires war und auch Werke wie »Jenufa«, »Elektra« und »Wozzeck« sehr erfolgreich zur Aufführung brachte.
    Die Zeit zwischen 1947 bis 1955 bezeichnete Böhm als seine ›Wanderjahre‹ und stellte in der Rückschau fest, dass er mit Ausnahme von Nordamerika fast die ganze Welt bereist hatte. Im Dezember 1960 bemerkte er eine beträchtliche Beeinträchtigung seines Sehvermögens, musste ein Konzert mit den New Yorker Philharmonikern absagen, um sich sofort nach Wien zur Behandlung zu begeben; die Operation gelang.


    Nach so erfolgreicher internationaler Tätigkeit wollte sich Böhm eigentlich nicht mehr in das enge Korsett eines Operndirektors begeben, aber natürlich hatte er mitbekommen, dass er als Kandidat gehandelt wurde. Man einigte sich dergestalt auf einen Kompromiss, dass Böhm nur für sieben Monate in Wien sein müsse und die restliche Zeit für seine Konzertreisen nutzen könne. 1954 wurde mit der Bundestheaterverwaltung ein Vertrag über fünf Jahre geschlossen; es war im Folgenden einiges zu tun, denn am 5. November 1955 sollte die aus Ruinen entstandene Wiener Staatsoper feierlich eröffnet werden; bei der »Fidelio«-Aufführung stand Karl Böhm am Pult, die anderen Festaufführungen dirigierten Knappertsbusch, Kubelik und Fritz Reiner.


    Nach diesen Festvorstellungen flog Böhm für etwa vier Wochen nach Chicago. Nachdem der Rückkehrer in Wien-Schwechat gelandet war, empfing ihn Karl Löbl, Kulturchef von »Bild-Telegraf« und berichtete auf dem Weg zum Terminal von den Missständen an der Staatsoper: Verschlampte alte Produktionen hatten in mittelmäßiger Besetzung das Stammpublikum verärgert - Löbl muss das in vorwurfsvollem Ton gesagt haben, und Böhm entgegnete auf diese Vorhaltungen:
    »Ich denke nicht daran, meine internationale Karriere der Wiener Staatsoper zu opfern«
    Die Redaktion hatte natürlich am nächsten Tag eine wunderbare Schlagzeile, die in der Folgezeit ausgiebig zitiert und kommentiert wurde.


    Bei einer Aufführung von »Fidelio« bekam Böhm nun an der Wiener Staatsoper die Quittung für seine spontane und unbedachte Aussage - er wurde ausgepfiffen, was offenbar organisiert war; Böhm war am Boden zerstört und auch seine Frau trug aus diesen Vorgängen erhebliche gesundheitliche Schäden davon. Der Dirigent und Direktor bat um Entlassung aus seinem Vertrag.
    Obwohl so etwas unvergesslich ist, nahte psychologische Hilfe aus New York; Rudolf Bing, der Weggefährte aus Darmstadter Zeit, inzwischen Chef der Metropolitan Opera, bot ihm an im folgenden Jahr an seinem Haus zu dirigieren.


    In New York konnte sich Böhm nun mit seinem geliebten Mozart trösten, der für ihn gewissermaßen ein Gesundbrunnen war. Einerseits war Rudolf Bing froh, dass er den großen Dirigenten am Haus hatte, andererseits bekam Böhm die Höchstgage und verlangte stets viele Proben für Orchester, Solisten und Chor.
    Bis ins hohe Alter gastierte Böhm an namhaften Opernhäusern und dirigierte berühmte Orchester. Zu Salzburg und den Festspielen hatte Böhm ein ganz besonderes Verhältnis, denn seit 1938 hatte er bis zu seinem 85. Geburtstag 338 Mal hier musikalische Aufführungen geleitet, weshalb der Pausen- und Veranstaltungsraum heute Karl-Böhm-Saal heißt. Politisch korrekte Menschen haben diese Ehrung 2015 relativiert.
    Ansonsten wurden Karl Böhm eine Menge von Ehrungen zuteil: Ehrenbürger von Graz, Ehrenbürger von Wien, Ehrenring der Stadt Wien, Anton-Bruckner-Ring, Goldener Ehrenring der Stadt Bayreuth ... es ließen sich noch ein Dutzend oder mehr Ehrungen hinzufügen.
    Aber auch Schmähungen, wie zum Beispiel das Puppenspiel »Böhm«.


    Mitunter wird auch darüber gestritten ob Karl Böhm ein großer Mozartdirigent war; die Mehrheit wird das wohl bejahen, denn schon recht früh hat ihm Bruno Walter Mozart ans Herz gelegt, und später hat dann Richard Strauss nochmals nachgelegt.
    Diesbezügliche Gemeinsamkeiten gab es mit Nikolaus Harnoncourt nicht, der gegen Böhms Ästhetik opponierte. Noch kurz vor seinem Tode grantelte Böhm in einem Interview:
    »Ich könnte ihm beweisen, dass seine Interpretationen mit Mozart nur wenig zu tun haben. Ich lehne ihn ab.«


    Wie Harnoncourt auch, hatte Karl Böhm dirigieren eigentlich nie gelernt und er war der Ansicht, dass man das auch nicht lernen kann. Als Böhms Vater mal bei den Bayreuther Festspielen den Dirigenten und Wagnerfreund Hans Richter gefragt hatte - wie wird man Dirigent?, sagte dieser:
    »Man geht aufs Podium - und entweder kann man es oder man lernt es nie!«


    Wer einmal sehen und hören möchte, welche überschäumende Begeisterung der greise Karl Böhm bei ganz jungen Leuten auszulösen vermochte, kann bei YouTube den Beitrag
    »Karl Böhm Last concert in Japan & Rehearsal (1980) abrufen.


    Im Sommer 1981 leitete der nun fast 87-Jährige die Proben zu »Elektra« von Richard Strauss; es handelte sich um eine Verfilmung von Götz Friedrich; Karl Böhm verstarb noch während der Dreharbeiten in Salzburg, etwa zwei Monate später starb auch seiner Frau; das Grab findet man auf dem Grazer Steinfeldfriedhof.


    Praktische Hinweise:
    Friedhofstraße 33 / 8020 Graz.
    Der Steinfeldfriedhof liegt in einer erschreckend trostlosen Umgebung von Gleis- und Gewerbeanlagen. Man wendet sich am Haupteingang kurz nach rechts und geht dann links an der Mauer entlang bis zur hinteren Friedhofsbegrenzung, die sich aus Gruft-Gräbern ergibt und gegenüber dem Haupteingang befindet. Die Gruft der Familie Böhm liegt also in diagonaler Linie links vom Haupteingang beim Feld F8.


    Dr. Adolf Stauch

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    Wenn ich mich an der 8. Liste orientiere, wurde der Name Dr. Adolf Stauch noch nicht genannt.
    Dr. Stauch begleitete Rudolf Schock in den 1950er Jahren bei Liederabenden - auf meiner Eintrittskarte steht der Preis von DM 4,50 -, die von der Programmgestaltung her astrein klassisch dargeboten wurden. Vor allem in den späteren Jahren kam dann aber auch ein Publikum, das mit Hugo Wolf nicht so vertraut war und eher den Filmstar Rudolf Schock sehen wollte.
    Aus einer Zeitungskritik sind einige Zeilen abgetippt, die Dr. Adolf Stauch auf besondere Weise würdigen:


    »Der fleißige Künstler, der so seinen Namen anstelle seiner Kunst beklatscht sah, zog immer wieder auch Dr. Adolf Stauch mit in die Beifallswogen, der ihn am Flügel hingebungsvoll und mit viel musikalischem Feingefühl begleitet hatte. Besonders Verdienst hatte sich der Pianist dadurch erworben, dass er, wenn er nach dem letzten Klavierton den Fuß vom Pedal zog, mit energischem Kopfnicken das Signal zum locker sitzenden Applaus gab; der war vorher einmal mitten in Schuberts ›Meer‹ geplatscht, als es erst zu drei Vierteln befahren war.«


    Lieber moderato,

    das ist mal wieder eine ganz heiße Sache mit dem ›Göttlichen‹, da haben die Cover-Designer mit der Kunst mal wieder das übliche Spiel getrieben ...


    Zu seiner Zeit war Guido Reni einer der erfolgreichsten und gefeiertsten Maler Europas, begehrt bei den bedeutendsten Auftraggebern, zu denen etwa der Borghese-Papst Paul V., der Herzog von Mantua oder die englische Königin zählten. Im 19. Jahrhundert aufgrund anderer ästhetischer Vorlieben kaum geschätzt und später durch die einseitige Konzentration auf seinen zeitweisen Rivalen Caravaggio in die zweite Reihe verdrängt, hat er heute im allgemeinen Bewusstsein nicht mehr den Platz, den er verdient.


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