ZitatOriginal von Gerrit_Stolte
ja sie dürfen's; interpretieren meine ich.
Ich möchte sogar noch einen Schritt weitergehen:
sie müssen es sogar
Ein objektives Abspielen des Notentextes nach mathematischen Gesichtspunkten würde alles liefern, nur keine Musik!
Wird sich der eine oder andere fragen: wo bleibt da die Werktreue?
Die Werktreue besteht darin, den Sinn hinter den Notenköpfen und Vortragszeichen zu erkennen, und dem Hörer diesen Sinn mit akustischen (und gestischen) Mitteln erlebbar zu machen.
Wenn forte dasteht, muß natürlich forte gespielt werden, wenn Allegro dasteht, darf nicht getrödelt werden, und wenn staccato dasteht, darf nicht geschmiert werden. Man sollte denken, das ist selbstverständlich. Leider ist es das nicht.
Aber darüber hinaus: eine Folge von Achtelnoten in der Partitur sagt noch lange nicht, daß es sich um Noten gleichen Gewichts, gleicher Dauer und gleicher Lautstärke handelt! Ob es da Motivgruppen, Sequenzen, Auftakte, eine Steigerung oder eine Beruhigung gibt, diese Details sind sehr häufig garnicht notiert. Es ist daher falsch, wenn man die Noten einfach eine wie die andere herunterspielt. Erst wenn jeder Ton seinen speziellen Sinn innerhalb des Zusammenhangs hat, ist es richtig. Davon bekommt der Konzertbesucher natürlich nichts mit. Er kennt ja den Notentext normalerweise nicht.
Um nochmal zur Ausgangsfrage zurückzukommen: der Musiker interpretiert immer. Und wenn er meint, er interpretiert nicht, dann interpretiert er doch.
Noten sind gefrorene Musik. Vor dem Genuss müssen sie aufgetaut werden. Sonst wird man sich die Zähne daran ausbeißen.
Gruß
Heinz