Beiträge von tom



    Die erste Einspielung mit modernem Hammerflügel stammt von Claudio Arrau aus dem Jahr 1942, die aber erst 1998 veröffentlicht worden ist und zwar wie in Martin Elstes "Meilensteine ..." nachzulesen ist, Arraus Plattenfirma


    "auch mit der neu verpflichteten Landowska den Variationszyklus aufnahm und keine Repertoireüberschneidungen haben wollte",


    was natürlich keine Erklärung dafür ist, daß diese Aufnahme jahrzehntelang in der Ice-Box "schmorte".


    1952 erschien dann eine Aufnahme mit Rosalyn Tureck, gleichfalls auf modernem Hammerflügel (Veröffentlichung wohl noch in 1952).


    1955 hat Gould mit seiner 1. Studioaufnahme die Fenster für eine neue Bachsicht geöffnet.

    Zitat

    Original von Frank Georg Bechyna
    " Kampfpreise " machen Aufnahmen weder besser geschweige den gut .


    Roslyn Tureck hing bei J S Bach immer einem schrecklich romantisierenden Stil an .


    Aber sie - nämlich Kampfpreise - mögen gelegentlich dazu beitragen, sich mit einer in die Jahre gekommenen Interpretation auseinanderzusetzen. Denn Zeit und Muße hierzu findet man im Regelfall vor dem CD-Player. Im übrigen meine ich, daß Frau Tureck wedrer einem romantischen, geschweige denn schrecklich romantischen Stil, anhing. Selbst wenn sie einem romantischen Stil anhing, was sollte daran schrecklich sein? Die Aufnahme stellt ein Zeitdokument der 50er Jahre dar. Weiter oben habe ich mal geschrieben:


    [/quote]
    "Manche meinen, Frau Turek mit Glenn Gould vergleichen zu müssen, der ja schließlich auch Sopran-, Mittel- und Baßstimmen unterscheidbar/durchhörbar/transparent gespielt hat. Hierbei wird jedoch für meinen Geschmack vernachlässigt, daß Glenn Gould durchaus mit Esprit gespielt hat, etwas was ich bei Rosalyn Tureck vermisse. Ihr Spiel erscheint mir zu einseitig, zu überdeutlich kontrapunktisch. Der Hinweis eines Kritikers, den Daniel zitiert, nämlich daß Frau Tureck "jeden einzelnen Ton liebkost hat" könnte in diesem Zusammenhang durchaus auch als versteckte Kritik an der Grande Dame des Bachspiels gemeint gewesen sein."
    [/quote]


    Das gilt auch für die oben erwähnte Aufnahme, nämlich überdeutliche Kontrapunktik, überdeutliches Herausmeißeln der Töne. Man hört geradezu, daß sie jedenfalls bemüht war die Einspielung mit analytischem Scharfsinn auszustatten. Wenn das Merkmale romantisierender Wiedergabekultur sind, hast Du natürlich recht; dann handelte es sich tatschlich um eine solche Aufnahme. Ich persönlich bin jedoch, wie deutlich geworden ist, nicht dieser Auffassung. Vielleicht sollte man bei der Zuordnung "romantisch" etwas vorsichtiger sein. So wird z.B. Edwin Fischer heutzutage gemeinhin als romantischer Pianist angesehen. Höre ich jedoch seine Einspielung des WTK 1 + 2 bemerke ich reichhaltige Konturierung und ein Bemühen die einzelnen Stimmen deutlich herauszuarbeiten. Da kenne ich wesentlich "romantischere" Aufnahmen dieses Künstlers.


    :)

    Zitat

    Original von a.b.


    Warum hörst Du dann überhaupt Musik? Dann reicht doch das Lesen von Partitur und Rezeption.
    ?(



    Möglicherweise, weil ihm das konsumierende Hören von Musik allein nicht ausreicht. Ich jedenfalls finde den Ansatz, sich, bevor man sich in die - zugegebenermaßen schwierigen - Gefilde vergleichender Interpretation begibt, zunächst einmal ein Werk in theoretischer Hinsicht zu verstehen und zu durchdringen, sehr interessant und auch sehr lobenswert. Alles andere, nämlich das Interesse an der Feststellung der Unterschiede verschiedener Interpretationen, wird mit der Zeit - zwangsläufig - von ganz allein kommen.


    :hello:

    Zitat

    Original von William B.A.
    Hallo, liebe Beethovenfreunde,


    [...]
    Natürlich nimmt er da, in den Anfangsdreißigern, die Arietta noch etwas schneller als in seinem dreißig Jahre später entstandenen Zyklus, kommen die Dynamik-Spitzen noch etwas kerniger als am Ende des Jahrtausends,
    [...]




    Warum sollte die schnellere und kernige Spielweise in den jüngeren Jahren natürlich sein? Ich erinnere nur an Rudolf Serkin, dessen bei DG erschienene späte Liveaufnahme der letzten Sonaten nur so strotzt vor Spielwut sowie Ausdruckswillen und -fähigkeit (trotz einiger gelegentlicher - aber verzeihlicher Patzer). Die Trillerketten in der Arietta, in der Weise , wie Serkin sie spielt, zählen jedenfalls für mich zum schönsten an Beethoveninterpretation überhaupt, wobei ich die von mir außerordentlich geschätzte Youra Guller ausdrücklich außen vor lasse.

    Kriminale Hörbücher? Kürzlich hatte ich hier eine wahre Offenbarung. Diese heißt Gerard Donovan "Winter in Maine". Da lebt jemand mit 3000 Buchern und seinem Hund allein im Wald. Eines tages wird der Hund erschossen und der "sympatische" Held gerät aus den Fugen. Mehrere Leichen pflastern den weiteren Verlauf der sprachgewaltigen Erzählung. Irgendjemand hat hierzu geschrieben, das Buch besitze, ähnlich wie Salingers "Fänger im Roggen" Kultstatus. Mag sein. Jedenfalls hab ich mir auch das Buch nach der Hörerfahrung zugelegt, was möglicherweise nicht selbstverständlich ist.

    Das nächste Projekt, das in Angriff zu nehmen ist, heißt Joao Carlos Martins. Für mich, neben Gould, der Bachinterpret schlechthin. Zwar besitze ich Einspielungen der Partiten und einige Klavierkonzerte, aber bereits dieses schmale Repertoire zeigt einen Künstler, dessen Bachzugriff sehr vital und sehr individuell ist, bei dem man pure Spielfreude wahrzunehmen meint; jedenfalls geht es mir so.


    Apropos, eine schmerzliche Lücke konnte ich kürzlich schließen: nämlich Carl Seemann, der insbesondere als Kammermusiker, vor allem mit Wolfgang Schneiderhan, musiziert hat, weniger jedoch als Solist bekannt geworden ist. Seine Einspielung der Bachpartiten mag man vielleicht als eigenwillig und bisweilen ein schroff bezeichnen können, gerade deshalb heben sie sich aber erholsam vom gelegentlich wahrzunehmenden Mainstream ab.

    Vielleicht etwas ungewöhnlich, aber die Einspielung des d-Moll Konzerts (BWV 974) habe ich nie so kontrastreich gespielt gehört, wie bei Gould (insbesondere im 2. Satz), was mir ausgespochen gut gefällt. Aber vielleicht ist dieses Denken in Kontrasten auch gerade typisch für Gould. Man denke nur an seinen Beethoven oder Mozart. Erfreulicherweise ist dieses Werk auf der CD gekoppelt mit Carl Philipp Emanuel Bachs "Würtembergischer Sonate". In meinen Augen eine sehr erfreuliche Entdeckung.

    Der Freischützbeitrag hat mich animiert, Keilbeths Deutung aus 1959 einzuwerfen. Eine dramatischere Wolfsschluchtszene kann ich mir nur schwer vorstellen, zumal dis Aufnahme auch klangtechnisch sehr überzeugt; und das trotz des Alters.

    Dass Musik Gelegenheit für unterschiedliche Interpretationsansätze liefert, dürfte unstreitig sein. Entscheident ist meines Erachtens, daß der Dirigent seine eigene Vorstellung von einem Werk hat und versucht diese umzusetzen. Der Dirigent sollte eine präzise Vorstellung davon haben, wie das Werk klingen soll, d.h. er sollte dem Orchester klanglich immer einen Schritt voraus (3 bis 4 Sekunden) sein, sollte das hören, was er zu hören wünscht, bevor das Orchesteran die entsprechende Stelle erreicht. Erst dann kann man wohl davon sprechen, daß er der Interpretation seinen "Stempel" aufdrückt. Dirigenten können also durchaus sehr bedeutsam für die Umsetzung eines Werkes sein.

    Zitat

    Original von iLLumination


    Soweit ich weiß, sagte er mal, dass er ohne das Summen Angst hätte schlechter zu spielen. Also konnte er es wohl tatsächlich nicht abstellen.



    Ich weiß nicht mehr genau, wo ich es gelesen habe; vielleicht bei Stegemann. Danach soll Gould überlegt haben, sozusagen als Schallschlucker, zwischen sich und dem Aufnahmemikrophon, einen Schirm oder Paravent aufzustellen, was dann allerdings wohl nach Goulds Einschätzung zu einer Behinderung seines Spiels geführt hätte.



    Zumal Gould nach eigenem Bekunden das Mitsummen gerne unterlassen hätte, wenn er es denn gekonnt hätte.

    Zitat

    Original von Ulli


    Wenn ich dann bei den Interpreten Namen wie Capella Istropolitana lese, habe ich bereits genug gelesen.



    Nun, hinsichtlich der Capella Istropolitana, die ja bei Naxos auch empfehlenswerte Aufnahmen vorgelegt hat und meiner Ansicht nach zu den guten Kammerorchesterensembles gehört, kann man ruhig etwas großzügiger sein.


    :hello:

    Schweitzerim Jahr 1926:


    Zitat

    „(...) wer sich mit der Orgel beschäftigt, wird über alles Menschliche und Allzumenschliche hinausgetragen und zur reinen Freude an der Wahrheit geläutert und verehrt Orgel und Orgelklang als die großen seelischen Erzieher zum Erleben der Ewigkeitsgesinnung."


    Orgelspiel als Meditation,eben keine ungebändigte Leidenschaftlichkeit und Unruhe, keine Zurschaustellung technischen Könnens. Insofern halte ich diese Interpretation insofern für überzeugend, als sie meines Erachtens glaubwürdig ist.


    Auf die Frage, wie nahe Schweitzer dem historischen Bach kam, kommt es deshalb nach meiner Einschätzung überhaupt nicht an. Gelegentliche spieltechnische Mängel sind deshalb nebensächlich.


    :hello:

    Zitat

    Original von Blackadder
    Hab ich hier noch gar nicht?



    Supervixen (Meyer, Russ)



    Wie nett, wenn auch dieser Film allenfalls dadurch auffällt, daß hier jemand seine persönlichen Obsessionen, einige würden sagen "ungehemmt", auslebt. Aber vielleicht habe ich die Meyerschen Absichten bislang nicht richtig zu deuten gewußt. Vielleicht handelt es sich ja doch um eine engagierte Anklage gegen Rassismus und Spießbürgertum in den USA Ende der 60er Anfang der 70er Jahre. Wer weiß! ?(

    Zitat

    Original von Alviano
    Zu Harnoncourt möchte ich auch noch was sagen. Dass teilweise das Orchester und die Sänger mit (z.B.) der Intonation kämpfen - wer würde das ernstlich bestreiten wollen?



    Nun ja, bedaulicherweise hat es wohl tatsächlich einige qualitative Ausreißer gegeben, vor allem was einige Knabensoprane anbetrifft, die leider zum Teil den Anforderungen an die "Spitzentöne" nicht ganz gerecht wurden. Ich kann mich insoweit an zwei oder drei Fälle erinnern. Trotzdem verdient mE das Kantatenprojekt Harnoncourt/Leonhardt was instrumentalen und chorischen Ausdruck sowie sängerische (Solo) Qualität betrifft allergrößten Respekt.


    :yes:

    Vor einigen Jahren war für mich eine tolle Entdeckung die Einspielung der "Klavier"-Konzerte mit Joao Carlos Martins, der inwzischen wohl, wenn ich richtig informiert bin, seine Pianistenkarriere krankheitsbedingt aufgeben mußte. Besonders beeindruckend war für mich der eher kammermusikalische Ansatz der Konzerte mit sehr dominantem Klavier. Martins wurde begleitet von einer Minisetzung bulgarischer Mitstreiter. Zudem bevorzugte Martins einen erkennbar pedalsparsamen Ansatz. Insgesamt erinnern die Konzertaufnahmen sehr an die Spielweise Glenn Goulds. Die Konzertanfnahmen sind erschienen im Rahmen einer Gesamteinspielung der Klavierwerke (Solo und Konzert) Bachs. Klangtechnisch sind jedenfalls die Konzerte sehr direkt ohne hallig zu wirken, abgebildet, was mir sehr gut gefällt.

    Marie-Claire Alain ist bislang noch nicht erwähnt worden?


    Ihre dritte "Gesamt"-Aufnahme, diesmal digital, der Orgelwerke ist meines Erachtens eine echte Schatztruhe. Ähnlich wie Koopman registriert sie sehr abwechselungsreich und klar, was Langeweile nicht aufkommen läßt und sehr zur Durchhörbarkeit der verschiedenen Stimmen beiträgt. Abweichend von Koopman neigt sie allerdings nicht zu übermäßiger Verziehrung, was ihrem Spiel nach meinem Höreindruck einen im besten Sinne des Wortes eher nüchternen, abgeklärten Charme, vielleicht gespeist aus der Erfahrung eines langen - jahrzehntelangen - Interpretinnendaseins, verschafft.


    Ob diese Aufnahme "ultimativ" ist, vermag ich nicht zu sagen, sie vermag aber in jedem Fall neben Aufnahmen von Preston, Walcha, Koopman und anderen zu bestehen.

    Etwas in Eile zu Joseph Keilberths Freischütz:


    1.) makelloses Sängerensemble;
    2.) sehr guter Orchesterklang;
    3.) hervorragende Tonqualität (vor allem erstaunlich, wenn man das Produktionsdatum bedenkt);


    Fazit: im Vergleich zu Carlos Kleiber, Lovro von Matacic und Bruno Weill (insoweit ist mir ein Hörvergleich möglich) zweifellos mit Abstand die beste Aufnahme, vielleicht auch die authentischste, denn man hört förmlich den Wald rauschen.


    Beste Grüße aus - derzeit - Hannover

    JS oder CPE oder JC?


    Wahrscheinlich JS?!


    Zunächst zwei Extreme:


    Vielleicht Corboz? Außerordentlich klangprächtige, trompetendominierte (Maurice André) Aufnahme mit modernen Instrumenten mit wenig Transparenz.


    Oder vielleicht Rifkin? Speziell für BWV 243 (im Gegensatz zur H-Moll-Messe) vielleicht der falsche Interpret, da vor dem Hintergrund seines solistischen Konzepts für meinen Geschmack einfach zu wenig Dynamik erzeugt wird. Dafür aber ein dickes Plus für die Durchhörbarkeit.


    Meine Lieblingsaufnahme ist allerdings diejenige mit Christophers und "The Sixteen" aus der Brilliant-Edition. Klanglich hervorragend, außerordentlich dynamisch, sehr transparent musiziert.

    Hallo Thomas,


    Zitat

    Die Erfindung des Menschlichen" gekauft. Dort werden so gut wie alle Stücke Shakespeares besprochen. Ich nahm mir vor, sie der Reihe nach zu lesen.


    Das dürfte ja wahrscheinlich eher lexikalischen Charakter haben? Wer liest schon Lexika von A bis Z. Deswegen würde ich mich an Deiner Stelle nicht grämen.


    Aber reden wir an dieser Stelle besser nicht von Büchern. Da bin schon froh, wenigstens in allen Büchern, die bei mir so herumstehen, gelesen zu haben.


    ;)