Also ich bin wirklich etwas erstaunt, dass sich die Diskussion in diesem Thread fast ausschließlich auf den ersten Teil von Alfreds Eingangsposting konzentriert.
Meines Erachtens haben wir hier im Großen und Ganzen eine ausgezeichnete Diskussionskultur. Das sich hier jeder ehrlich zu seinem persönlichen Eindruck von einem Künstler oder einer Aufnahme äußern kann, und das in aller Regel auch in einer wohlformulierten und zivilisierten Weise tut, macht dieses Forum gerade so wertvoll. Wenn ich im Vergleich dazu eines der regelmäßig erscheinenden Industriewerbeblättchen zur Hand nehme, dann finde ich es zwar ganz amüsant, die Interviews mit Interpreten zu lesen und mir die zu erwartenden Neuerscheinungen anzusehen, aber schon bei den CD-Kritiken hört mein Interesse auf, weil ich ja weiss, dass die Autoren direkt oder indirekt von den produzierenden Labels bezahlt werden.
Ich schätze gerade Edwins Beiträge und seine spitze Feder sehr - und ich würde es ihm, wie anderen gut informierten professionellen Kritikern auch zugestehen, sich qualifiziert zu der Technik eines Sängers äußern zu können, was ich nicht kann. Auch im Anna Netrebko-Thread habe ich schon des Öfteren amüsiert mitgelesen, einfach weil es Spaß macht, die verbalen Degengefechte von Edwin mit Severina, Austris, u.a. zu verfolgen. Spaß macht es unter anderem deshalb, weil die Protagonisten, bei allem Kampf um die Sache (Dame), es nie an persönlichem Respekt für die Gegenseite mangeln lassen. Das ist Diskussionskultur! Und ich werde das Gefühl nicht loss, dass die Leute von der Deutschen Grammophon, wenn sie den Thread kennen, nichts dagegen haben dürften - any publicity is good publicity...
Was ich persönlich aber eigentlich viel alarmierender fand an Alfreds Eingangsstatement als seine recht milde formulierte Aufforderung zur Selbstkontrolle, befor man die Feder in Vitriol taucht, ist der Hinweis darauf, dass auf ihn versucht wurde Einfluß zu nehmen mit dem Ziel, die Kritiken zugunsten eines Künstlers zu schönen. Darin sehe ich persönlich eine viel größere Gefahr. Nicht dass ich andeuten will, Alfred würde solchen Aufforderungen zugänglich sein. Aber ich werde das ungute Gefühl nicht los, dass derartige Versuche der Einflussnahme in den letzten Jahren massiv zugenommen haben. Kritik wird nicht mehr, so wie früher. als Ausdruck der Meinungsfreiheit und damit der Demokratie angesehen, sondern als etwas das zu Gängeln und in Reih und Glied zu bringen jedes Mittel zulässig ist. Da werden unliebige Journalisten nicht mehr zu Presseterminen eingeladen, Fragen müssen vorher schriftlich eingereicht werden, wo der Artikel trotz aller Kontrollversuche nicht so ausfällt, wie erwartet, wird versucht, den Ruf des Journalisten zu zerstören. Dazu passt dann auch, dass es international in der letzten Zeit gleich zwei Fälle gegeben hat (ich glaube der eine war in Australien, der andere in Irland) wo Zeitungen erfolgreich wegen der von ihnen veröffentlichten Kritiken wegen Geschäftsschädigung verklagt wurden. In diesen beiden Fällen handelte es sich um Restaurantkritiken, und bei den angegriffenen Passagen handelte es sich um reine Meinungen, die essentiell aussagten, den Kritiker habe das Essen nicht geschmeckt, nicht etwa um nachweisbar falsche Tatsachenbehauptungen wie etwa der als Orange Roughy verkaufte Fisch sei in Wirklichkeit eingefärbter Kabeljau gewesen. Ich finde derartige Entwicklungen erschreckend, und hoffe, dass sie bei uns nicht möglich sein werden, denn es wäre das Ende des Genres Kritik. Ich meine, was soll der Kritiker bitte das nächste mal machen, wenn es ihm nicht schmeckt. Soll er das besuchte Restaurant nennen und dann, unter der Zeile "Ich bin von Gesetzes wegen verpflichtet, nur Positives zu berichten:" den Rest der Spalte leerlassen?
Sollte es wirklich einmal zu dezidierten Beeinflussungsversuchen an unseren Administrator kommen (und ich bin mir da schon ziemlich sicher, dass die unglücklichen Tröpfe ziemlich schnell merken würden, dass diese Versuch zum Scheitern verurteilt sind
), so würde ich dafür plädieren, diese durchaus auch hier im Forum öffentlich zu machen. Wenn uns jemand zu einem Verein von Claqueuren degradieren möchte, dann würde ich das schon ganz gerne erfahren.
Grüße
katlow