Eigentlich hatte ich ja darauf gewartet, hier irgendwann in nicht allzu ferner Zukunft etwas mehr zu den von Alfred genannten Neueinspielungen der Violinkonzerte zu erfahren, insbesondere zu Manze und Biondi. Kann es denn wirklich sein, dass noch niemand hier diese Aufnahmen gehört hat?
Meine "Ersterwerbung" der Violinkonzerte - die oben erwähnte Aufnahme mit Perlman - war für mich leider von Anfang an eine Enttäuschung (und ist es auch, wenn ich es immer mal wieder "mit ihr versucht habe", geblieben). Ich bin, wie bereits des Öfteren bekannt gegeben, noch in dem "Doppelaufnahmen nur bei absolut zwingenden Gründen"-Stadium meiner CD-Sammlung, aber diese Aufnahme der Violinkonzerte ließ in mir gleich das Gefühl zurück, dass ich mir irgendwann eine Zweitversion dieser Werke zulegen werden müsste, um feststellen zu können, ob es wirklich die Werke selbst waren, die mich so enttäuschten oder aber die Aufnahme.
Ich vermag das nicht mit einer detaillierten technischen Analyse zu begründen, und natürlich bin ich mir bewusst, dass ich hier einen der größten Geiger unserer Zeit und noch dazu die Wiener Philharmoniker auf ihrem ureigendsten Territorium kritisiere...
Aber für mich fehlt dieser Aufnahme das Mozart-typische. Perlmans oft gepriesenem "honigfarbenen" Violinton fehlt mir die schlanke Eleganz und Grazie eines Mozartwerks, der Orchesterklang ist für mich zu satt und breit für dieses Werk, ich vermisse den Charme und das Durchscheinen des Mozärtlichen augenzwinkernden Humors.
Da ich in der Zwischenzeit (zu meiner eigenen Überraschung) festgestellt hatte, dass ich instinktiv eine gewisse Neigung zu HIP-Aufnahmen (der neueren Generation) habe, vordringlich bei Werken des Barock, aber zumindest teilweise auch für die Klassik, hatten die Neuerscheinung von Manze und Biondi meine Neugier geweckt. Nach den Soundbites bei Amazon / jpc fand ich erstere selbst für meinen Geschmack deutlich zu krass, zweitere vielversprechend, allerdings wäre ich wenn, dann vordinglich an den Konzerten No. 3 bis 5 interessiert gewesen. Wobei ich mir aber natürlich der Beschränkung der Möglichkeit, eine Aufnahme nach 60-Sekunden-Versatzstücken zu beurteilen, nur allzu bewusst bin.
Mit diesem Wissen (Fragen) (Vielleicht dch besser Grumiaux) im Hinterkopf stand eine Zweitanschaffung der Violinkonzerte also schon seit einer Weile auf meinem Wunschzettel, als ich gestern rein zufällig, und ausgerechnet im Drogeriemarkt Müller über folgende Aufnahme stolperte:

Giuliano Carmignola (Violine)
Il Quartettone, Carlo de Martini
Brilliant Classics 92884 (5 028421928845), Aufnahme 1997 unter Lizenz von Paragon
Carmignola ist mir als Vertreter der HIP-Fraktion insbesondere mit seinen Vivaldi-Aufnahmen ein Begriff, und von "Il Quartettone" vermeinte ich auch bereits gehört zu haben - was wohl ein Irrtum war, nachdem ich gestern beim Googeln so gut wie überhaupt keine Information zu diesem Orchester finden konnte (von einem Italienischsprachigen Link bekam ich den Eindruck, es könne sich um eine mit der Universität Mailand assoziiertes Kammerorchester handeln - aber vielleicht habe ich das auch falsch interpretiert) - auch im Booklet fehlen leider jegliche Angaben zum Orchester.
Jedenfalls war meine Neugier geweckt, und da die CD-Abteilung von Müller bei uns über eine inzwischen bemerkenwerte Besonderheit verfügt, dass man CDs doch tatsächlich richtig und komplett (sprich nicht nur in 90-Sekunden-MP3-Samplerfiles) probehören kann (wenn auch direkt unter Lautsprecher-Pop-Beschallung), habe ich mal reingehört.
Und es hat Klick gemacht. Die CD wurde dann gleich gekauft, und , sobald ich zuhause angekommen war, komplett durchgehört und ENDLICH! - ich bin von den Violinkonzerten begeistert.
Ich weiss mangels Angaben zum Orchster nicht, ob es sich im strikten Sinne um eine Aufnahme auf historischen Instrumenten handelt (Carmignola spielt eine Violine von Pietro Guarneri aus dem Jahr 1733), aber sie ist genau das, was ich bei Perlman vermisst hat: Schlank, luftig, elegant, und mit einer Prise Wienerischen Charmes. Carmignola hat eine auffällige Angewohnheit: Manchmal schwächelt er einen langgezogenen "Anfangston" (der gewissermassen isoliert eine neue Sequenz beginnt) an, soll heißen er läßt einen solchen Ton anfangs nur sehr zart und schwach erklingen, so, dass man ihn gegen das Orchester kaum richtig wahrnehmen kann, um ihn dann gegen Ende des Tons auf "Normalviolinlautstärke" zu steigern, eine Art Crescendo auf Minimalniveau dort, wo z.B. bei Perlman ein Crescendo von Normal zu laut erwarten wäre. Zunächst ließ mich diese Spielweise etwas stutzen, aber nach der ersten Verblüffung empfand ich sie als stimmig und für mich wunderschön zu Mozart und zu diesen Werken passend.
Insgesamt möchte ich damit die Carmignola-Aufnahme als eine Alternative zu den oben Genannten empfehlen, und das unabhängig davon, dass sie preislich auf dem bekannten Brilliant-Budget-Niveau liegt (hier bei Müller hat die Doppel-CD Euro 4.99 gekostet, ich sehe bei Amazon liegt sie bei 6.99).
Gruß
katlow