Beiträge von musikwanderer

    Johann Simon Mayr (1763-1845):
    DAVID IN DER HÖHLE VON EN GEDI

    Oratorium in zwei Teilen

    Libretto von Giuseppe Maria Foppa nach dem Alten Testament, erstes Buch Samuel
    Originalsprachen: Lateinisch und Italienisch
    Auftragsarbeit für das Ospedale dei Mendicanti in Venedig.

    Uraufführung in lateinischer Sprache im Jahr 1795.


    Personen der Handlung:
    David, Schafhirt aus Bethlehem (Mezzosopran)
    Saul, erster König von Israel (Sopran)
    Michal, seine Tochter (Sopran)
    Jonathan, sein Sohn (Sopran)
    Phalti, Berater des Königs (Sopran)
    Abner, Kommandeur der königlichen Armee (Sopran)


    Ort und Zeit: Jerusalem und Westküste des Toten Meeres in früher biblischer Zeit.


    Erster Teil.

    Israels König Saul fühlt sich unbehaglich, weil sein Hofmusiker David, der eigentlich nur ein Schafhirt aus Bethlehem ist, wegen seiner Affinität zur Harfe aber bei Hofe zum Harfe-Spielen engagiert worden war, auch mit militärischen Erfolgen brillieren kann: den Philistern hat er es nämlich wieder einmal so richtig gezeigt. Der Königliche Heerführer ist eigentlich Abner, doch dieser wurde jenes David wegen zurückgesetzt, ist darüber jedoch merkwürdigerweise nicht enttäuscht, sondern akzeptiert, dass er ein richtiges Naturtalent zum Rivalen hat. Saul ist inzwischen alt geworden, kann nicht mehr seine Soldaten anführen, muss sich stattdessen mit epileptischen Anfällen herumschlagen.


    König Saul hat eine wunderschöne Tochter, Michal genannt, und eine, weitere (die hier aber keine Rolle hat) die weniger gut aussieht. Wenngleich David es auf Michal abgesehen hat, kann man nicht sagen, dass es eine einseitige Angelegenheit ist, denn auch Michal gefällt der Harfespieler und Heerführer, also auch sie liebt ihn. Michals Bruder Jonathan ist David ebenfalls gewogen, denn der ist wirklich sowohl mit Kraft als auch Höflichkeit gesegnet. Auch Jonathan findet übrigens nur Lob für Davids Spiel und weiß seinen Gesang zu schätzen. Genau diese Eigenschaften liebt auch der König an seinem Musikus, denn sie vertreiben seine Grillen. Deshalb versteht niemand, zum Beispiel im Publikum, dass er ihn gleichzeitig mit fast schon krankhaftem Hass verfolgt und danach trachtet, ihm zu schaden. Hin und wieder wirft er sogar seine Lanze nach ihm.


    Nach dem Sieg gegen die Philister tritt David in Demut vor seinen König und erbittet anstelle eines Siegerpreises die Prinzessin Michal zum Eheweib. Doch Saul will sie ihm nicht geben, kann aber seine Weigerung nicht begründen. Im Jerusalemer Palast herrscht darob dicke Luft. Aber das Paar, das der Meinung ist, vom Himmel füreinander bestimmt worden zu sein, lässt sich nicht von dem Gedanken einer gemeinsamen Zukunft abbringen. Das Liebesduett, dass sie zu singen beginnen, ist so bewundernswert schön, dass sogar die Vögel in den Volieren und im Garten schweigen.


    Saul brütet irgendeine Gemeinheit gegen David aus: dem siegreichen Kommandeur seiner Truppen könnte tatsächlich eine besondere Belohnung für seinen militärischen Erfolg zustehen, auch eine königliche Prinzessin, aber, so fragt sich Saul, weshalb soll es gerade die schöne Michal sein (wohl sein Liebling), denn die Gepflogenheit heischt, dass man erst die ältere Tochter, Merab geheißen, die sich ebenfalls in den schönen David verliebt hat, unter die Haube bringt. Dass diese Vorgehensweise David nicht passt, kann man verstehen, aber: es hilft und bringt nichts, dass er sich vor dem König klagend zu Füßen wirft. Sauls Reaktion ist unnachgiebig und führt sogar zu einem Tobsuchtsanfall. „Umbra funestra“ so beginnt sein Finalgesang, den anderen Beteiligten bleibt aber nichts anderes übrig, als die Situation zu kommentieren und auf bessere Zeiten zu hoffen.



    Zweiter Teil.
    Die verliebte Michal weint bitterlich, denn Vater Saul will ihr David nicht zum Mann geben, hat sogar beschlossen, ihn umzubringen. Das sagt er Michal natürlich nicht, lässt sie mit der Bemerkung, er brauche noch Bedenkzeit, deshalb mit einer trügerischen Hoffnung zurück. Vertrauensvoll wendet sich Michal dann an Sauls Sekretär Phalti und der verkündet eine angeblich glückliche Wende. Doch Jonathan bringt schon bald gegenteilige Information, das Todesurteil sei bereits unterzeichnet. Diese Ankündigung löst Entsetzen und allgemeine Ratlosigkeit aus. David stellt sich sein blutiges Schicksal bildhaft vor. In einer Traumvision sieht er eine Hand grauenvolle Zeichen in den Sand schreiben. Jonathan und Michal wollen jedoch in Treue zu ihrem Freund halten und beschließen deshalb, gemeinsam zu fliehen, fragen sich aber, wo David sicher sein könnte. Bei ihren Überlegungen kommen sie auf die Höhlen von En Gadi, die in einer zerklüfteten Landschaft an der Westküste des Toten Meeres liegen, dort wird er sich verstecken und auch abwarten können, bis Sauls Zorn sich gelegt hat.


    Allerdings bekommt König Saul von dem Plan der Freunde Wind (offensichtlich gibt es am Hofe Lauscher und Verräter) und er verfolgt den kleinen Trupp. Tatsächlich gelangt er in die Höhle, in der David Zuflucht fand, aber: Saul ist von dem langen und schnellen Ritt ermüdet, legt sich ins Moos und schläft sofort ein. Ganz anders David: er hat den König gehört, hat ihn auch zu ihm gefunden, kommt aber nicht auf die Idee, Saul, den vom Herrn gesalbten König, zu ermorden. Er denkt sich stattdessen eine List aus und schneidet mit seiner Waffe einen Streifen von Sauls Mantel ab.


    Plötzlich hört man in dem Höhlensystem vertraute Harfenklänge und die wecken Saul natürlich auf; er öffnet die Augen und als er David sieht, flammt der Jähzorn in ihm auf. Auch die Bemühungen Davids um eine Versöhnung haben keinen Erfolg. Vielleicht ist es die Erinnerungen an den abgeschlagenen Kopf des Riesen Goliath, die Saul im Sinn hat und die Davids Argumente ins Leere gehen lassen. Dieser Gedanke, dass ihm das auch passieren könnte, lässt in König Saul die Wut noch weiter steigen.


    Michal und Jonathan kommen dem Verlassenen zur Hilfe. Als der Vater ahnt, dass er sie verlieren wird, wenn er bezüglich David kein Entgegenkommen zeigt, ist er bereit einzulenken. Wir, als Zuhörer dürfen fragen, wie lange der Frieden dauern wird? Dem Jubelchor, der den Abschluss bildet, ist es egal, er ist mit einem Zwischenresultat zufrieden und waltet wie gewohnt seines Amtes, nämlich: das Oratorium jubelnd zu beenden.


    Quelle:

    Johann Simon (Giovanni Simone) Mayr (1763-1845): David in spelunca Engaddi (Oratorium), 2 CDs

    Johann Strauß (Sohn) (1825-1899):
    PRINZ METHUSALEM

    Komische Operette in drei Akten

    Libretto von Victor Wilder und Alfred Delacour bearbeitet von Matthias Karl Ludwig Treumann


    Uraufführung am 3. Januar 1877 im Wiener Carltheater.


    Personen der Handlung:

    Sigismund; König von Trocadero (Tenor)

    Pulcinella, seine Tochter (Sopran)

    Marchese Carbonazzi (Bassbariton)

    Graf Vulcanio (Bassbariton)

    Cyprian, König von Rikarak (Bariton)

    Sophistika, seine Frau (Mezzosopran)

    Prinz Methusalem, beider Sohn (Mezzosopran)

    Trombonius, Hofkomponist (Tenor)

    Dirigatius, ein Dirigent (Tenor)

    Mandelbaum, ein Agent (Bariton)

    Feuerstein, ein weiterer Agent (Bariton)

    Der Nachtwächter (Bass).

    Ort und Zeit: Imaginäre Länder, imaginäre Zeit.


    Vorgeschichte.

    Es ist wie im realen Leben: zwei Länder sind - offensichtlich schon aus Prinzip - Erzfeinde. Das ist jetzt so, das war aber auch schon immer so. Und jetzt - siehe reales Leben - haben die beiden Herrscher der Länder Trocadero und Rikarak gleichartige Probleme: beide Staaten sind bankrott. Dazu kommt, dass Sigismund von Tracadero darunter leidet, dass es in seinem Land zu viele Künstler gibt, aber des Königs Traum von einer großen Armee unerfüllt blieb. Auch König Cyprian von Rikarak hat Sorgen: er hat einen gewaltigen Überschuss an Soldaten, hat selbst aber mehr Interesse an der Kunst. Die Frage, wie die Probleme gelöst werden können, beschäftigt nicht nur die Herrscher, sondern auch die Batterien von Räten der Herrscherhäuser. Und dann kristallisiert sich eine Lösung aus den Beratungen jener Räte heraus und die sieht so aus, dass Prinz Methusalem von Rikarak die Prinzessin Pulcinella von Trocadero heiraten muss, die Väter aber, also die Könige, ihre Zwistigkeiten begraben müssen. Eine Allianz soll den Weg in die Zukunft sichern.


    Erster Akt.
    Im Staate Trocadero steht der Besuch des Königs Cyprian von Rikarak, seiner Gattin Sophistika und beider Sohn Prinz Methusalem bevor. Was man sich lange Zeit nicht hat vorstellen können, wird nun Wirklichkeit. In Trocadero hat man so einiges vorbereitet: so hat der Komponist Trombonius einen Huldigungstext des Oberhofmeisters Vulcanio in Musik gesetzt und der Kapellmeister Dirigatius hat die Huldigungs-Kantate mit Chor und Orchester von Trocadero einstudiert. Seine Majestät Sigismund hat übrigens im Überschwang seiner Gefühle, den Künstlern reichen Lohn versprochen, denkt aber nicht im Traum daran, dieses Versprechen einzulösen, denn - das wissen schließlich nicht nur die Spatzen auf den Dächern von Trocadero, sondern auch die Bewohner des Landes - die Staatskassen sind leer. Die Zuschauer und Zuhörer erfahren vom Komponisten einiges Schöne über frühere Zeiten.


    König Sigismund hat natürlich von der aufkeimenden Unruhe in der Bevölkerung gehört und will dem bevorstehenden Ärger mit dem Einsatz seiner beiden Agenten Feuerstein und Mandelbaum entgegen wirken. Hinzu kommt aber auch, dass ihm die geplante Allianz mit dem Nachbarkönig und Erzrivalen Cyprian nicht passt. Da sitzt noch die Abneigung gegen den nachbarlichen Staatenlenker, die ihm sozusagen mit der Muttermilch eingegeben wurde, zu tief im Herzen. Und als ob das alles noch nicht genug wäre, spielt auch seine Lieblingstochter Pulcinella (allerdings die einzige, die er hat) nicht mit, denn sie weigert sich, den ihr unbekannten Prinzen Methusalem aus politischen Gründen zu heiraten.


    Um sich und die aufgebrachte Tochter abzulenken, bittet er sie, ihm eine Kostprobe aus Trombonius’ Kantate zu bieten. Was ihr sicher nicht schwer fallen dürfte, ist sie doch als Solistin in dem Musikwerk vorgesehen. Sigismund ist allerdings von dem doppeldeutigen Text seines Oberhofmeisters Vulcanio empört.


    Inzwischen sind König Cyprian und seine Gattin Sophistika mit dem Bräutigam, Prinz Methusalem, in der Hauptstadt von Trocadero eingetroffen und werden sowohl von König Sigismund als auch seinem Hofstaat mit allem Pomp empfangen. Im Gegensatz zum äußeren Prunk begrüßt Sigismund seinen Gast nur widerwillig freundlich, hofft immer noch, die geplante Allianz verhindern zu können. Da macht ihm aber Pulcinella einen Strich durch seine Rechnung, denn Pulcinella und Methusalem, die sich gerade erstmals gesehen haben, verlieben sich sofort ineinander. Der Prinz ist vor allem von seiner Zukünftigen begeistert, aber auch die kann sich an ihrem Zukünftigen nicht satt sehen.


    Mittlerweile sind die beiden Könige und Sophistika zusammengetreten, um die vertraglichen Bedingungen für die geplante Allianz auszuhandeln. Und darüber schweben noch die Fragen, die sich aus der bevorstehenden Hochzeit von Prinz Methusalem mit der Prinzessin Pulcinella ergeben - die übrigens gerade gemeinsame Pläne schmieden, die auf einer Alm angesiedelt sich und mit Politik nichts, aber auch gar nichts zu tun haben.


    Jetzt liegen bei „Königs“ erst einmal die Probleme im Volk auf dem Tableau, über die Mandelbaum und Feuerstein König Sigismund berichten. Und der hat eine bestimmte Vorstellung, die beispielsweise auch eine Allianz mit Cyprian von Rikarak verhindern soll.


    Sigismund schickt seine beiden Agenten in den Nachbarstaat, wo sie, um ein gewisses Gleichgewicht zu halten, für Aufruhr in der Bevölkerung sorgen sollen. Da Sigismund seine beiden Agenten aber nicht bezahlen will (nicht bezahlen kann!), quittieren sie ihren Dienst und bleiben einfach vor Ort.


    König Cyprian hat derweil eifrig dem Cliquot zugesprochen und ist sich inzwischen auch mit seinem Gegenpart Sigismund einig, dass die Heirat von Methusalem und Pulcinella in trockenen Tüchern ist. Mit der Allianz ist es aber noch nicht so eindeutig klar, denn Cyprian ist zwar dafür, aber Sigismund sucht noch nach Möglichkeiten, davon wegzukommen. Tatsächlich wird aber die Einigkeit über beide Verbindungen vor den Hofstaaten verkündet und sofort eilt man dann zur Kirche, wo die Trauung vollzogen werden soll.


    Das Publikum kennt ja inzwischen den wankelmütigen König Sigismund von Trocadero, der, so nimmt man es inzwischen wahr, immer noch nach Möglichkeiten sucht, die Allianz zu verhindern - auch, wenn dadurch das Glück seiner Tochter leiden sollte. Und hier kommt Sigismunds Berater Carbonazzi ins diplomatische Spiel: der rät seiner Majestät nämlich zu einer Intrige, die darin gipfelt, dass er die Hochzeitsfeierlichkeiten verschieben soll, weil er (angeblich) krank wurde. Das würde auch die Hochzeitsnacht der Brautleute verhindern, die eine Ehe erst vollziehen würde.


    Genauso geschieht es: Als die ganze Gesellschaft aus der Kirche zurückkommt, täuscht Sigismund eine Ohnmacht vor, auf Grund dessen Carbonazzi die Hochzeitsfeier absagt. Der „zu sich gekommene“ Sigismund lässt seine Tochter in ihrem Zimmer einschließen, damit sich das Paar nicht in der Hochzeitsnacht „verlustieren“ kann. Die Verantwortlichen haben aber nicht mit den Ideen von Prinz Methusalem gerechnet, der lässt sich nämlich von den überall auftretenden Wachen nicht abschrecken, sondern geht einfach über die Balkone ins Zimmer seiner frisch angetrauten Gattin und verbringt mit ihr die Nacht - und die ganz gewiss nicht nur schlafend…


    Zweiter Akt.
    In der Bevölkerung ist die Unruhe inzwischen weiter angewachsen; Proteste auf den Straßen häufen sich, weil der König immer neue Steuern einführt. Ausgerechnet ein Nachtwächter erinnert die Leute an ihre Pflichten dem Staat gegenüber - und tatsächlich zerstreuen sich die Menschen, ein Aufstand ist abgewendet.


    Dafür, so lernen wir als Publikum, haben sich Feuerstein und Mandelbaum mit Dirigatius und Vulcanio zusammengetan, und beschlossen, der Herrschaft von König Sigismund durch eine Revolution ein Ende zu setzen. Der erste Königstreue, der daran glauben soll, ist nächtlicherseits Trombonius, doch gerade noch rechtzeitig erkennt Dirigatius ihn, und er wird in den Kreis der Revolutionäre aufgenommen.


    Als der Morgen graut, versucht Pulcinella, ihren geliebten Methusalem aus ihrem Zimmer zu schicken, damit Vater Sigismund ihn nicht erwischt. Während die Prinzessin „schon die Lerche“ gehört haben will, ist es für Methusalem die Nachtigall - und er verschwindet über den Balkon zurück in sein Zimmer. Kaum ist der Prinz dort angekommen, betritt Sigismund das Zimmer seiner Tochter und die gesteht dem Herrn Papa, dass Methusalem in der Nacht bei ihr war. Das schockiert den Herrscher und er gesteht sich ein, dass ihm die Felle davonschwimmen. Als auch Carbonazzi schlechte Nachrichten bringt, wonach die beiden Agenten nie in Rikarak waren, sondern den Aufstand im eigenen Land geschürt haben, ist Sigismund am Boden zerstört. Aber der findige Marchese Carbonazzi hat noch einen Plan auf Lager: danach sollen Feuerstein und Mandelbaum verhaftet und gezwungen werden, Cyprian von Rikarak eine Falschmeldung über eine Revolution in seinem Land überbringen. In der Folge soll Sigismund der Thron des Nachbarlandes angeboten werden, den der natürlich gerne annimmt. Auf diese Weise wird nicht nur Cyprian entmachtet, sondern auch die Ehe von Methusalem und Pulcinella hinfällig.


    In diesem Moment tauchen Cyprian und Sophistika auf, um sich nach Sigismunds Wohlbefinden zu erkundigen. Der sieht sich gezwungen, seine Gäste zum Frühstück einzuladen und widerwillig mit einem Lied zu unterhalten. Inzwischen wurden die beiden Agenten gefasst, die vor der versammelten Hofgesellschaft die Fake-Nachricht verbreiten, dass es in Rikarak eine Revolution gegeben habe, die den König Cyprian entmachtet habe. Gleichzeitig tragen die beiden Agenten König Sigismund den Thron von Rikarak an, den der sogar - zum Entsetzen seiner königlichen Gäste - auch annimmt. Er stiehlt darauf Cyprian Zepter, Krone und den Hermelinmantel - und man kann sagen, dass der Plan von Marchese Carbonazzi Erfolg hatte.


    Dritter Akt.

    Zu den Krönungsfeierlichkeiten ist auch die Armee von Rikarak nach Trocadero einmarschiert - ein Ereignis, das Sigismund jubeln lässt, denn eine solch große Truppe hat er noch nicht gesehen. Aber trotzdem brodelt es im Volk, das die Feierlichkeiten vor allen Dingen wegen der finanziellen Kosten ablehnt. Aber auch die Soldaten beider Staaten sind unzufrieden, da sie schon lange kein Sold mehr bekommen haben.


    Dirigatius und Vulcanio sind angetrunken und träumen von den Freuden an der Seite einer Frau. Mandelbaum und Feuerstein heizen die Stimmung gegen König Sigismund auf und zwingen Trombonius und Dirigatius, Schmählieder gegen den König zu singen.


    Die Stimmung schlägt allerdings gegen König Sigismund um, als Cyprian und Sophistika von ihrem Schicksal erzählen, ja, es gelingt den beiden sogar, das Volk gegen den König aufzubringen. Das erklärt schließlich Sigismund für abgesetzt und ruft König Cyprian als den neuen Herrscher für Trocadero aus. Um ihren Sohn Methusalem auf ihre Seite zu ziehen, versprechen sie ihm die Ernennung zum Generalfeldmarschall. Der geht zunächst auch darauf ein und singt ein Generalfelmarschall-Lied. Dann wird aber für, alle schnell klar, das Pulcinella und Methusalem sich längst anders entschieden haben: sie wollen ihr Leben selbstbestimmt leben und künftig nur noch als Mann und Frau glücklich sein.


    Das bedeutet aber auch, dass Cyprian von Rikarak und Sigismund von Trocadero ihre Königreiche wieder selbst regieren müssen…


    Quelle:

    Johann Strauss II (1825-1899): Prinz Methusalem, 2 CDs


    Nostalgisches:

    File:SIBLEY1802.25122.7a02-39087011143841score.pdf

    Antonio Salieri (1750-1825):
    A R M I D A

    Dramma per musica in drei Akten

    Libretto von Marco Coltellini nach Torquato Tasso Das befreite Jerusalem

    Originalsprache: Italienisch.


    Uraufführung im Wiener Burgtheater am 2.Juni 1771.


    Personen der Handlung:

    Armida, Königin von Damaskus und Zauberin (Sopran)

    Rinaldo, Kreuzritter (Sopran)

    Ismene, Armidas Vertraute (Mezzosopran)

    Ubaldo, Kreuzritter und Freund Rinaldos (Bariton)


    Ort und Zeit: In und um Jerusalem, 1099.


    Vorbemerkung:
    Armida, zauberkundige Königin von Damaskus, setzt ihr Können und Wissen zum Schutz Jerusalems vor dem Angriff der Kreuzritter ein. Sie hat es geschafft, eine wichtige Person aus dem Lager der Kreuzritter, den Ritter Rinaldo, zu verführen und auf ihre Zauberinsel zu bringen. Sie hat sich aber auch, seit sie ihn zum ersten Mal sah, in ihn verliebt und ist gerade in der Situation, ihn zu verlieren.


    Rinaldos Freund Ubaldo hat sich vor längerer Zeit auf die Suche nach ihm begeben, um ihn zu befreien und zum Heerführer der Kreuzritter, Gottfried von Bouillon, zurückzuführen.


    Die der Oper vorangestellte Ouvertüre (Sinfonia) schildert Ubaldos Ankunft an den Gestaden von Armidas Insel; sie schildert auch sein gefahrvolles Vorrücken auf der Insel, die von Dämonen verteidigt wird, wobei er einen herrlichen Park erreicht, in dem er ein großes Schloss sieht.


    Erster Akt.
    Ein herrlicher Park mit verschiedenen Alleen. Im Hintergrund der prächtige Eingang in den Zauber-Palast Armidas. In der Bühnenmitte ein weitläufiger See mit blumenreichem Ufer, an dem gedeckte Tische stehen. Anmutige Jungfrauen scherzen und mischen sich zu fröhlichem Tanz.


    Die Nymphen tanzen und singen; wobei sie daran erinnern, dass die Jugendzeit genossen werden sollte, denn dafür ist sie schließlich da. Das ist der Moment, wo die Vertraute der Königin Armida, Ismene, auf die Szene kommt und die Tändelei der Nymphen unterbricht und die Ankunft eines fremden Schiffes ankündigt und von der Niederlage der Wächter der Insel berichtet. Ismenes Rede führt zu einer sichtbaren Verängstigung aller Anwesenden, die dann aber - ebenso sichtbar - verborgen wird.


    Dann sieht Ismene den Kreuzritter Ubaldo auf die Bühne kommen, was bei den Nymphen zu einer Wiederholung des Gesangs und des Tanzes zum Aktbeginn führt – so, als wollte man die Besucher freundlichst willkommen heißen.


    Ubaldo aber erinnert sich an die Quelle, wo sich mancher schon in den Tod trank. Ismene ändert ihren Ton und ermuntert die Nymphen, ihre Angst abzulegen, denn der fremde Ritter bringe keinen Krieg in die Wohnung des Friedens. Ismenes Worte der Ermunterung finden allerdings bei Ubaldo keinen Anklang, er weist alle schönen Worte von sich. Auch die Zaubersprüche, deren sich Ismene versucht, zeige keine Wirkung. Aber Ismene gibt sich nicht geschlagen, sie ruft die Dämonen herbei, die der Ritter jedoch mit der Hilfe eines Zauberstabes vertreibt. Danach dankt er der Vorsehung und denkt über das Schicksal von Rinaldo laut nach:

    Dies ist der Aufenthalt, wo im Schoße der Freuden, dem unwürdigen Joch einer verführerischen Schönheit unterworfen, dein junger Held, den du beschützt, seine gedemütigte Stirn senkt.


    Ubaldo bittet Gott in seiner Allmacht um Beistand bei dem Versuch, eine verlorene Seele zur Vernunft zu bringen.


    Zweiter Akt.
    Die Bühne stellt einen geräumigen und wohlgefälligen Garten dar, in dessen Hintergrund man die gewundenen und komplizierten Galerien des Portikus

    sehen kann, der ein Labyrinth umgibt. Armida und Rinaldo sitzen auf dem Rasen und umwinden sich mit Blumenkränzen.


    Im Garten von Armidas Zauberschloss, wo offensichtlich alles den Vergnügungen dient, sind Armida und Rinaldo zusammengekommen, um ihr Liebe zu feiern. Die Königin aber lässt den Kreuzritter zurück, um sich der Macht ihrer Zauberkünste zu versichern, denn sie ist in Sorge über Trennungsgerüchte.

    Allein auf der Szene bekräftigt Rinaldo, dass er ohne Armida nicht mehr leben kann. Er ruft die Liebesträume dazu auf, ihm während der Abwesenheit Armidas ihr Abbild zu zeigen.


    Zu den Klängen einer Sinfonie schläft Rinaldo ein. Wohlgefällige Geister aus dem Gefolge der Freuden treten auf und vollführen einen Ballo. Danach tritt, während einer kurzen Sinfonia Ubaldo auf die Szene und die Schatten der Freudengeister verschwinden.


    Als Ubaldo seinen Freund Rinaldo schlafend vorfindet, befestigt er seinen Schild einem nahestehenden Baum, rüttelt Rinaldo heftig und geht etwas zur Seite. Als Rinaldo erwacht, erblickt er in Ubaldos Schild sein Ebenbild und ist im gleichen Moment wieder voll dabei. Als Armida kommt, ist sie zunächst erschrocken, weil Ubaldo sich auf der Szene befindet und sie sich daraufhin verteidigen muss. Und das erstaunt wiederum Rinaldo, der sich bei Armidas Abgang anschickt, ihr zu folgen. Das lässt Ubaldo jedoch nicht zu; er erinnert den Freund an seine Glauben und schafft es schließlich, dass er sich dem Kreuzzug wieder anschließt.


    Dritter Akt.
    Geräumiger Aufenthalt in der Unterwelt. In der Mitte steht ein Altar, daneben ein Dreifuß. Armida und ihr schwarz verhülltes Gefolge feiert mit einem ernsten Tanz um den Altar ein Opfer für die Götter des Orcus. Armida setzt sich auf den Dreifuß und nimmt damit den Vorsitz ein, hält in der Hand den Zauberstab. Schließlich erhebt sie sich voller Zorn.


    Armida wird immer noch von Furcht vor dem magischen Schild geplagt und versucht in Anwesenheit ihres Gefolges vergeblich, sich an die Mächte der Unterwelt zu wenden. Es ist Ismene, ihre Vertraute, die auf die Szene kommt, sie bei den Beschwörungen der Geister der Unterwelt unterbricht, und ihr die Befreiung Rinaldos und seine bevorstehende Abreise in Begleitung von Kreuzritter Ubaldo zu informieren. Armida bekommt einen Wein-Krampf und will versuchen, den Geliebten von seinem Vorhaben wieder abzubringen. Das ist aber eine Wendung, die ihr Gefolge in Erstaunen versetzt.


    Obwohl Rinaldo aus Armidas Liebesbann gelöst ist, zögert er immer noch, sie zu verlassen. Da aber veranlasst Ubaldo zu lautstarken Vorwürfen an seinen Freund, dass er seinen Glauben verraten habe und, nicht unwesentlich, die Kameraden und den Anführer Gottfried von Bouillon im Stich gelassen zu haben.

    Die Ankunft der Zauberin bringt für Rinaldo Unannehmlichkeiten mit sich, denn sie fleht ihn an, bei ihr zu bleiben - oder, sie zu töten. Diese Prüfung aber besteht Rinaldo, denn er lässt sich jetzt nicht mehr erweichen. Und darüber fällt Armida in Ohnmacht, sieht sich ihrer Gewalt über ihn beraubt. Als sie

    wieder zu Bewusstsein kommt, bemerkt sie Rinaldos Weggang und ergeht sich in Klagen über den Verlust des Geliebten. Dann aber befiehlt sie ihren Dämonen, ihre Insel zu zerstören. Sie selbst klettert in einen von Drachen gezogenen Wagen und fährt unter Flüchen davon. Dabei hört man, dass sie dem Geliebten Rache schwört…


    Anmerkungen.

    Marco Coltellini kam 1763 auf Ersuchen von Pietro Metastasio nach Wien und schrieb für Gluck und Salieri zwei Libretti zu ähnlichen Themen: Telemaco o sia l’Isola di Circe wurde für Gluck, und Armida für Salieri verfasst. Letzterer war damals ein Neuling im Bereich der Opera seria kam aber mit seiner Armida beim Publikum gut an.


    Nach der Uraufführung am 2. Juni 1771 schrieb Kaiser Joseph II. an seinen Bruder Leopold (dem späteren Kaiser Leopold II.):

    Gestern ist eine neue Oper Armida erschienen, die Musik stammt von Salieri, Gasmans [sic] Schüler, sie ist bestens gelungen und ich werde sie Euch zukommen lassen.


    Graf von Zinzendorf, ein wirklich eifriger Operngeher, vermerkte in seinem Tagebuch, dass die Oper Armida schön ist, sowohl die Aufführung an sich als auch das Bühnenbild und die Musik.


    Der Abgang der Hauptdarsteller Schindler und Millico vom Burgtheater in Wien machte eine Wiederaufnahme dort zunichte, aber die Oper wurde 1773 in Kopenhagen, 1774 in St. Petersburg und in Norddeutschland mit großer Begeisterung aufgenommen.


    Dieser Erfolg brachte Carl Friedrich Cramer 1783 dazu, in Leipzig einen Klavierauszug herauszugeben, dem auch eine Übersetzung in deutscher Sprache beigefügt war. Das kann man durchaus als ungewöhnlich bezeichnen, denn Armida war eine der wenigen Opern, die im 18. Jahrhundert im Druck erschienen. Und Salieri schrieb an den Herausgeber Cramer, dass für ihn gesungene Musik nur mehr die Wahrheit, die Wahrheit, die ich in den Tragödien des unvergleichlichen Maestros Gluck erkenne zählt. Und er fügt hinzu, dass er in allen seinen Opern versucht, dieser Wahrheit einen Platz einzuräumen, was hartnäckigen Bemühens bedarf (20. Juli 1784).


    Quelle:

    Antonio Salieri (1750-1825): Armida, 2 CDs

    Christoph Willibald Gluck (1714-1787):
    DEMOFOONTE

    Dramma per musica in drei Akten

    Libretto von Pietro Metastasio (original: Pietro Antonio Domenico Bonaventura Trapassi)

    Originalsprache: Italienisch


    Uraufführung am 6. Januar 1743 im Teatro Regio Ducale, Mailand.


    Personen der Handlung:
    Demofoonte, König von Thrakien (Tenor)

    Timante, sein vermeintlicher Sohn (Countertenor)

    Dircea, heimliche Gemahlin des Timante und vermeintliche Tochter des Matusios (Sopran)

    Creusa, phrygische Prinzessin, als Braut Timante zugedacht (Mezzosopran)

    Cherinto, Demofoontes Sohn, in Creusa verliebt (Mezzosopran)

    Matusio, Reichsfürst, vermeintlicher Vater von Dircea (Bariton)

    Adrasto, Demofoontes Vertrauter, Hauptmann der königlichen Leibwache (Mezzosopran).


    Ort und Zeit: Thrakien in vorchristlicher Zeit.



    Erster Akt.
    Erhöhte Gärten mit Zugang zu verschiedenen Zimmern der königlichen Burg.


    Ein Orakelspruch zwingt die Thraker in jedem Jahr dem Gott Apollo eine Jungfrau zu opfern. Ein Los entscheidet, wer sich zu opfern hat. König Demofoonte hat seine eigene Tochter jedoch von dem Verfahren ausgenommen. Fürst Matusio möchte diesem Beispiel folgen und seine Tochter Dircea auch davon ausgenommen wissen. Dircea aber befürchtet, dass der Vater sich dadurch den Zorn des Königs zuziehen könnte. Und für Dircea wird es knifflig: Sie hat nämlich Timante, den Sohn und Kronprinzen Demofoontes, heimlich geheiratet und mit ihm sogar einen gemeinsamen Sohn namens Olinto. Von dieser Ehe darf niemand erfahren, weil ein altes Gesetz bestimmt, dass mit dem Tode bestraft wird, der sich mit dem Kronprinzen vermählt.


    Timante ist gerade von seinem Vater aus dem Feldlager zurückberufen worden, und Dircea erzählt ihm von den ersten Gehversuchen Olintos. Außerdem teilt sie ihm ihre Sorgen bezüglich des Orakel-Opfers mit. Das Orakel sei erst kürzlich erneut befragt worden und habe eine rätselhafte Antwort gegeben:

    Des Himmels Zorn-Feuer über euch Aufhören wird zu brennen
    Wann der unschuldige Anmasser um ein Reich
    wird seinen Irrtum kennen.


    Dircea hat, wie sie sagt, weniger Angst vor dem Tod als vor dem bevorstehenden Streit ihres Vaters mit dem König. Außerdem ist sie keine Jungfrau mehr und deshalb als Opfer untauglich. Wenn sie das weiterhin verschweigt, betrügt sie den König ebenso wie den Götterhimmel. Timante rät ihr, sich dem König anzuvertrauen. Er, Timante, habe im Kampf bereits einige Verdienste erworben und könne daher seinen Vater um Gnade für sie bitten. Dircea verlässt sich auf Timante und geht ab.


    Nun kommt Demofoonte und eröffnet seinem Sohn, dass er beschlossen habe, ihn mit der phrygischen Kronprinzessin Creusa zu vermählen. Diese sei gerade in Begleitung von Timantes jüngerem Bruder Cherinto im Hafen angekommen. Timante bringt es nicht fertig, seinem Vater von seiner Liebe und Heirat zu Dircea zu erzählen.


    Szenenwechsel: Ein prächtig zur Ankunft der phrygischen Prinzessin geschmückter Hafen.
    Diese steigt mit ihrem Gefolge unter dem Klang verschiedener exotischer Instrumente aus dem prächtigsten der vielen Schiffe.


    Cherinto gesteht Creusa seine Liebe, wird jedoch von ihr zurückgewiesen. Timante kommt zu ihnen und schickt seinen Bruder kurz fort, um mit Creusa alleine zu reden. Er informiert sie, dass es ein Hindernis für ihre Heirat gebe, weshalb es sein Vater nicht erfahren dürfe. Er bittet sie daher, selbst zu erklären, dass sie ihn nicht heiraten wolle. Er ruft Cherinto zurück und geht. Creusa ist empört über diese Begrüßung und bittet Cherinto, ihre Ehre zu rächen. Sie will ihm alles dafür geben, ihr Herz, ihre Hand, ihren Thron und all ihren Besitz, wenn er seinen Bruder tötet. Als Cherinto jedoch zögert, wirft sie ihm Feigheit vor.


    Matusio will seine in Sicherheit bringen. Er verlässt sie kurz, um ein passendes Schiff zu finden. Als sie Timante sieht, klagt sie ihm ihr Leid und bittet ihn, sich um Olinto zu kümmern. Matusio kommt zurück und versucht, Dircea fortzuführen. Da Timante ihn daran hindern will, ziehen beide ihre Schwerter. Dircea beruhigt Timante damit, dass ihr Vater nichts von ihrer geheimen Ehe weiß. Dieser entschuldigt sich darauf bei ihm. Matusio erklärt nun, dass der König ihm seinen Versuch, Dircea von der Verlosung auszunehmen, übelgenommen habe und sie zum Opfer bestimmt habe, ohne das Los abzuwarten. Timante versucht ihn zu beruhigen. Sein Vater sei nicht so grausam und werde seinen im Zorn ausgesprochenen Befehl sicher widerrufen. Da kommt jedoch schon der Hauptmann Adrasto mit einigen Soldaten und lässt Dircea auf Befehl des Königs festnehmen. Dircea verabschiedet sich verzweifelt von ihrem Vater und Timante. Timante bittet Matusio, Dircea zu folgen, um herauszufinden, wo sie untergebracht wird. Er selbst will inzwischen zu seinem Vater gehen und ihn um Gnade bitten.



    Zweiter Akt.
    Ein Kabinett in der Königsburg.


    Creusa teilt Demofoonte mit, dass sie wieder nach Phrygien abreisen möchte, ohne Timante zu heiraten. Demofoonte vermutet, Timantes raues Benehmen sei Schuld daran und bittet sie, dieses zu entschuldigen. Er verspricht ihr, Timante noch heute zur Hochzeit zu überreden. Nachdem sie gegangen ist, kommt Timante und bittet seinen Vater um Gnade für Dircea. Der kann und will aber seinen Befehl nicht widerrufen, sondern lieber über Timantes Verhalten gegenüber Creusa reden. Timante fleht auf den Knien für Dircea. Schließlich gibt Demofoontes nach und schenkt ihm Dirceas Leben, sofern er seinen Widerstand gegen Creusa aufgibt und diese heiratet. Da Timante dies ablehnt, bleibt es beim Todesurteil für Dircea. Verzweifelt geht Timante fort. Demofoonte befiehlt nun, Dircea sofort zum Opferplatz zu führen.


    Szenenwechsel: Überdachte Gänge.


    Timante erzählt Matusio von seinem erfolglosen Gespräch mit dem König und drängt ihn zur Flucht. Er will nachfolgen, sobald er Dircea befreit hat. Da wird Dircea von Soldaten und Tempeldienern vorbeigeführt. Sie trägt ein weißes Kleid und eine Blumenkrone und ist bereits auf dem Weg zur Opferzeremonie. Gegen so viele Gegner hat Timante allerdings jetzt keine Chance. Er will daher Freunde zusammenrufen und sie im Tempel befreien.


    Nachdem Timante fort ist, kommt Creusa, und Dircea bittet sie um Unterstützung für Timante. Creusa ist beeindruckt von Dircea. Sie kann verstehen, warum Timante sie liebt und beschließt, den beiden zu helfen. Da gerade auch Cherinto vorbeikommt, bittet sie diesen um Unterstützung. Sie verlangt jetzt nicht mehr von ihm, dass er Timante tötet, sondern ihn im Gegenteil rettet. Sie selbst will inzwischen bei Demofoonte um Gnade für Dircea bitten. Creusa hat mittlerweile durchaus Gefühle für Cherinto. Sie ist aber nicht bereit, seinetwegen auf den Thron zu verzichten.


    Szenenwechsel: Vorhof des Apollo-Tempels.
    Prächtige aber kurze Treppenstufen zum Tempel, dessen Innenraum hinter den Säulen zu sehen ist. Der Altar ist zerfallen, das Feuer erloschen, die Blumen, Bänder, Beile und andere Opferinstrumente liegen verstreut auf den Stufen und dem Boden; die Priester befinden sich auf der Flucht; die königlichen Wächter werden von den Freunden Timantes verfolgt, und überall herrscht Verwirrung und Tumult.


    Timante verfolgt einige der Wächter. Dircea ruft ihn erschrocken von oben zurück. Es folgt ein kleines Scharmützel, in dem Timantes Freunde die Oberhand behalten. Nach dem Kampf ruft Timante Dircea zu sich, um mit ihr zu fliehen. Es ist jedoch zu spät, da von beiden Seiten Wachen kommen. Timante versucht, sich und Dircea mit dem Schwert den Weg zu bahnen. Als auch Demofoontes kommt und ihn auffordert, auch ihn, den Vater, zu töten, gibt Timante auf und unterwirft sich. Demofoonte befiehlt nun den Priestern, Dircea sofort zu opfern. In seiner Not gesteht Timante, dass Dircea keine Jungfrau mehr ist, sondern seine Gemahlin und bereits Mutter. Demofoonte befiehlt daraufhin, beide einzukerkern, und sie gemeinsam zu verurteilen. Nachdem er gegangen ist, beschließen Dircea und Timante, sich selbst zu töten, bringen es aber nicht fertig.



    Dritter Akt.
    Innenhof des Kerkers.


    Adrasto kommt zu Timante in den Kerker und richtet ihm Dirceas Wunsch aus, dass er Creusa heiraten solle, um sich dadurch zu retten. Timante lehnt dies jedoch ab. Nachdem Adrasto gegangen ist, kommt Cherinto und berichtet, dass Demofoonte ihm vergeben habe und auch Dircea freigelassen werde. Creusas Bitten haben sein Herz erweicht, und als er, Cherinto, dann Dircea und ihren Sohn zu ihm gebracht habe, habe er vollends nachgegeben. Demofoonte sei bereits auf dem Weg zum Kerker, um ihm die gute Nachricht persönlich zu bringen. Timante schlägt Cherinto vor, selbst Creusa zu heiraten. Aber weil sie gekommen ist, um den Thronfolger zu heiraten, glaubt Cherinto nicht, dass sie mit ihm als jüngerem Bruder vorliebnehmen werde. Timante bietet darauf an, ihm sein Thronfolgerecht zu überlassen. Denn wenn Cherinto ihm nicht das Leben gerettet hätte, wäre er bereits Kronprinz. Cherinto geht ab.


    Matusio kommt mit einem Schreiben in der Hand zu Timante. Er hat soeben festgestellt, dass Dircea gar nicht seine Tochter ist, sondern die des Königs und damit Timantes Schwester. Den Brief hatte ihm seine Frau auf dem Totenbett übergeben und dabei einen Eid von ihm verlangt, dass er ihn nur dann öffnen solle, wenn Dircea eine Gefahr drohe. Da das schon so viele Jahre her ist, habe er sich erst wieder daran erinnert, als er den Brief unter den Sachen fand, die er zu Flucht mitnehmen wollte. Der Brief stammt von der Königin selbst, die mit seiner Frau eng befreundet war. Sie weist darin auf einen weiteren Brief hin, der im Hoftempel zu den Füßen der Gottheit versteckt ist – ein Ort, den nur der König selbst betreten darf. Timante ist verzweifelt wegen der Schande, seine eigene Schwester geheiratet zu haben und schickt Matusio fort.


    Creusa, Demofoonte, Adrasto und Olinto kommen nacheinander zu Timante, um ihm die Nachricht von der Vergebung zu bringen. Der ist jedoch von Gefühlen überwältigt, und bringt es nicht fertig, ihnen von Matusios Fund zu erzählen und geht fort. Die anderen verstehen sein Verhalten nicht.


    Szenenwechsel: Raum im Palast mit kostbar geschmücktem Bett der Creusa.


    Cherinto führt Timante in Creusas Zimmer. Adrasto, Matusio, Dircea mit Olinto und Demofoonte kommen zu ihnen, und Demofoontes teilt Timante den Inhalt des zweiten Briefes mit, den er inzwischen gefunden hat. Demnach ist Timante nicht sein echter Sohn, sondern wurde auf Wunsch der Königin als Baby mit Dircea vertauscht, weil sie sich einen Thronfolger gewünscht hatte. Dircea ist also Demofoontes Tochter, und Timante der Sohn Matusios. Nun kommt auch Creusa, und Demofoontes bietet ihr den echten Kronprinzen Cherinto als Bräutigam an, womit diese liebend gerne einverstanden ist. Inzwischen ist auch der Sinn des Orakels klar geworden: Timante selbst ist der im Orakel genannte „unschuldige Anmasser“ des Reichs. Das jährliche Blutopfer ist also ab sofort nicht mehr nötig. Timante ist erleichtert, dass sich alles zum Guten gewendet hat und kann seinen Sohn und seine Frau endlich ohne Sorgen in die Arme schließen.


    Anmerkungen.
    Metastasios Libretto ist eines der seinerzeit beliebtesten Werke des k. und k. Hofpoeten gewesen und wurde von über 70 Komponisten vertont, darunter Caldara, Leo, Vinci, Jomelli, Graun, Hasse, Galuppi, Myslivecek, Gazzaniga, Paisiello und Cherubini. Mozart hat sich ebenfalls mit dem Stoff beschäftigt, hat sogar während seiner Paris-Reise auf einen Kompositionsauftrag gehofft, der allerdings nie kam. Aber sechs Szenen aus dem Metastasio-Text hat er für Konzertarien vertont.


    Von Glucks Musik sind keine Rezitative erhalten, nur die Sinfonia und ein Rezitativ mit Arie. Etliche Arien stammen von einem gewissen Francesco Maggiore. Alan Curtis hat die Musik im Stile Glucks vervollständigt und zur Aufführungsreife gebracht.


    Quelle:

    Brilliant Opera Collection: Gluck Demofoonte

    Johann Adolf Hasse (1699-1783):
    ATTILIO REGOLO

    Dramma per musica in drei Akten

    Libretto von Pietro Metastasio

    Originalsprache: Italienisch


    Uraufführung im Karneval 1750 in Dresden, Hoftheater.


    Personen der Handlung:
    Attilio Regolo, ehemaliger röm. Konsul, jetzt karthagischer Gefangener (Countertenor)

    Tito Manlio, Konsul von Rom (Tenor)

    Attilia, Tochter des Attilio Regolo (Mezzosopran)

    Publio, Attilio Regolos Sohn, römischer Questor, verliebt in Barce (Sopran)

    Barce, vornehme Dame in Karthago, jetzt Sklavin des Publio (Mezzosopran)

    Licinio, römischer Volkstribun, Verlobter der Attilia (Bariton)

    Amilcare, karthagischer Botschafter, Verlobter der Barce (Sopranist)

    Ort und Zeit: Rom in vorchristlicher Zeit.



    Vorrede (aus Meyers Konversationslexikon (4. Auflage von 1888; Band. 13, Seite 669):

    Der römische Feldherr Marcus Attilius Regulus stammte aus einem plebejischen Geschlecht, wurde 267 v. Chr. römischer Konsul, focht gegen die Sallentiner, unterwarf die Stadt Brundusium [heute Brindisi]. 256, zum zweiten mal Konsul, segelte er mit L. Manlius Vulso und 300 Schiffen nach Sizilien, schlug hier bei Eknomos unweit Heraklea die karthagische Flotte, setzte dann nach Afrika über und siegte 255 bei Adys, verlor aber dann gegen den von Karthago zu Hilfe gerufenen Lakedämonier Xanthippos Sieg und Freiheit. Nach der Niederlage der Karthager bei Panormos (250) ward, wie erzählt wird, Regulus mit einer karthagischen Gesandtschaft nach Rom geschickt, um Frieden oder Auswechslung der Gefangenen auszuwirken. Obwohl von dem Gelingen dieser Mission seine eigene Freiheit abhing, da er im entgegengesetzten Fall geschworen hatte, in die Gefangenschaft zurückzukehren, trat er im Senat doch als Gegner des karthagischen Antrags auf und kehrte sodann mit der abschlägigen Antwort [des Senats] nach Karthago zurück. Nach der Sage sollen ihm die Karthager zur Rache die Augenlider abgeschnitten und ihn so den brennenden Sonnenstrahlen ausgesetzt, zuletzt in ein mit eisernen Nägeln ausgeschlagenes Fass eingeschlossen und dasselbe einen Berg hinabgerollt haben.


    Erster Akt.
    Vorhof zu dem vor der Stadt Rom gelegenen Palast des Konsuls Manlio. Eine breite Treppe führt zu einem großen Portal, das den Eingang zu Manlios Wohnung bedeutet.


    Attilia, Tochter des Konsuls Attilio Regolo, der sich in karthagischer Gefangenschaft befindet, bemüht sich intensiv, die Römer zu Befreiung ihres Vaters zu bewegen:

    […] Ach, wie lange soll denn Regulus zum Erstaunen der ganzen Welt im verächtlichen Sklavenstande seufzen? […] Ein Jahr geht nach dem andern dahin und niemand bedenkt, dass er in der Knechtschaft lebt. […] Oh Vater! Oh Rom! Oh undankbare Römer.


    Sowohl der Volkstribun Licinio als auch Konsul Manlio räumen der Tochter Attilios dazu das Recht ein, obwohl Roms Staatswohl eigentlich eine andere Priorisierung hat.


    Inzwischen ist, was nicht allgemein bekannt gegeben wurde, Attilio in Rom mit einer karthagischen Delegation eingetroffen; sie haben den Auftrag, mit Rom über die Freilassung der Gefangenen zu verhandeln. Falls diese Verhandlungen keinen Erfolg haben sollten, droht Attilio in Karthago der Tod. Der kathargische Gesandte ist übrigens der Verlobte von Publios Sklavin Barce, Amilcare.


    Die Gefühle aller Beteiligten wechseln zwischen Hoffnung und Freude. Ganz besonders arg hat es Publio, den Gästebetreuer, Sohn Attilios und Bruder der Attilia, getroffen, denn er musste die distanzierte und zugleich disziplinierte Haltung seines Vaters erfahren. Publio ist in seine Sklavin Barce verliebt, ist sich aber sicher, dass das seinem Vater nicht gefallen wird. Als nämlich die Gesandtschaft angelandet ist, will Barce wissen, wer der karthagische Gesandte ist und Publio nennt ihr den Namen Amilcare, worauf Barce erstaunt wie erschrocken fragt, ob es der Sohn des Hannon sei. Diese Frage bejaht Publio und Barce entfährt ein verräterisches Oh, mein Abgott. Publio reagiert daraufhin mit Argwohn, doch als Barce, aus Dankbarkeit, weil sie bei Publio und seiner Schwester Attilia viel Trost fand, Publio ihre Liebe zu Amilcare mitteilen will, weist er sie zurück, weil er in die Freude des Tages kein Gift schütten will.


    Szenenwechsel: Das Innere des Bellona-Tempels mit Sesseln für die römischen Senatoren und für die Gesandten. An den Eingängen, die den Blick auf das Kapitol und den Tiber freigeben, stehen Liktoren.


    Amilcare entbietet den versammelten Senatoren den Gruß der Räte von Karthago. Er trägt im Namen der Räte von Karthago auch vor, dass es deren Wille sei, die Waffen schweigen zu lassen und den Frieden zwischen beiden Städten zu forcieren. Tito Manlio nimmt die Rede Amilcares zum Anlass Attilio Regolo zu bitten, seinen ehemaligen Sitz im Rund der Senatoren wieder einzunehmen.


    Attilio Regolo rät den Senatoren, die karthagischen Vorschläge als für Rom unehrenhaft und gefährlich zurückzuweisen. Mehr noch: er ist schon im Senat nicht bereit, seinen früheren Platz einzunehmen, er weigert sich später auch, seinen Kindern in sein eigenes Haus zu folgen. Er wird, wie er mitteilt, im Gesandtschaftsquartier bleiben, da er nicht mehr der Mann von früher ist.


    Barce aber ist an einem Gefangenenaustausch genauso stark interessiert, wie die Römer. Sie bestürmt Attilia, die Senatoren gegen Regolos Ratschlag aufzuwiegeln:

    […] Geh, Attilia, wende allen Fleiß an, ehe sich die Väter auf’s neue versammeln. Jetzt ist es Zeit, alle Kunst und Beredsamkeit anzubringen.



    Zweiter Akt.
    Gesandtschaftspalast vor der Stadt; die Loggia gewährt den Blick auf Rom.


    Es gibt Probleme, die Attilio Regolo klären muss. Große Dispute entstehen nach Vorhaltungen, die sein Sohn Publio und sein ehemaliger Rivale Tito Manlio, der neuerdings ein neugewonnener Freund ist, und sein zukünftiger Schwiegersohn Licinio ihm machen. Das ist jedoch zu bewältigen; allerdings sind Vorwürfe, die seine Tochter Attilia erhebt, von ganz anderem Kaliber, denn sie hat sich seinen Ratschlägen an die Senatoren nicht angeschlossen. Ihr Widerspruch lässt Attilio vor Wut schäumen, er sieht seine Tochter als seine Feindin. Er fragt:

    […] Wer hat dich berufen, an den allgemeinen Angelegenheiten teilzunehmen? […]

    Attilio gelingt es, vorerst Tito Manlio von der Richtigkeit seines Vorgehens zu überzeugen, denn er erhält die Zusage des Konsuls, ihn zu unterstützen. Die Gemüter sind jedoch alle in Aufregung, auch (und vor allem) Attilia.


    Szenenwechsel in eine Galerie des Palastes.


    Der an sich von seiner Haltung überzeugte Attilio kämpft trotzdem mit sich selbst, gewinnt aber schließlich seine Überzeugung zurück. Vielleicht ist es aber auch die Nachricht aus dem Senat, dass dort in seinem Sinn entschieden wurde. Jetzt ruft er Publio zu sich und ermahnt ihn, standhaft zu bleiben und für seine Schwester zu sorgen. Publio aber ist bemüht, seinem Vater nachzueifern und beschließt, Barce frei zu geben, damit sie mit ihrem Verlobten Amilcare in die Heimat zurückkehren kann. In der letzten Szene dieses Aktes sind die jungen Leute in ihrem Bemühen bestrebt, Attilio zu retten (der in Karthago wohl mit Repressionen zu rechnen hat), die jungen Frauen haben allerdings unterschwellig Zweifel an dem Erfolg.



    Dritter Akt.
    Ein Saal zu ebener Erde im Gesandtenpalast, der einen Blick in den Garten frei gibt.


    Attilio ist überzeugt, dass Tito Manlio der Richtige ist, der seine Angelegenheiten regelt. Er bittet ihn also folgerichtig, dass er für Attilia und Publio eine Art Vaterstellung einnimmt, wenn er wieder in Karthago ist. Mit Publio verabredet er, mit Manlio einen Volksaufstand anzuzetteln, der seiner Rettung dienen soll.

    Nochmals muss er seine Entscheidung, nach Karthago zurückzukehren, gegen Anwürfe der unterschiedlichsten Kreise und Personen abwehren. Amilcare bietet, wohl aus einer tiefen Dankbarkeit für die Freigabe seiner Verlobten Barce, Attilio einen Fluchtweg an. Aber auch Publio und Attilia haben Ideen, wie man dem Vater aus misslichen Situationen helfen kann: sie nennen Gründe, die die Verbindlichkeit von seinem Rückkehrversprechen nach Karthago annullieren könnten.


    Während Attilias Kinder sich bemühen, ihren Vater zu verstehen, warum er partout nach Karthago zurückkehren möchte, gerät der Botschafter Karthagos, Amilcare, in großen Zorn und schwört sogar Rache, weil Attilio ihn als „Barbar“ nicht ernst nimmt.


    Szenenwechsel: Prächtige Säulengänge am Tiber-Ufer. Eine Brück führt zum vordersten der startklaren Schiffe. Auf den Schiffen sind die Karthager, bereit zur Abfahrt, an Land die Römer, die den Zutritt zu den Schiffen verweigern.


    Das Volk der Römer ist, unter der Führung von dem Tribun Licinio, in Aufruhr, er trotzt sogar Tito Manlio, dem Konsul, der nicht verstehen will, warum Attilios Wunsch, nach Karthago zurückzukehren, nicht erfüllt werden sollte. Licinio besteht darauf, dass das Volk von Rom „die Majestät“ ist, deren Wunsch Priorität hat. Und die Majestät besteht darauf, dass Attilio Regolo in Rom verbleibt.


    Attilio regt sich auf: Soll er einen Meineid begehen? Hat er nicht in Karthago geschworen, zurückzukehren, wenn es keine Einigung zwischen Rom und Karthago gibt? Die aufgekommenen Fragen beantwortet Attilio selbst: er will nicht meineidig werden, besteht dagegen darauf, seinen Schwur zu erfüllen. Eine lange Rede führt dazu, dass Tribun Licinio schließlich aufgibt und die Römer sich bereit erklären, Attilio Regolo ziehen zu lassen. Der Meinungsumschwung gelingt und Attilio geht auf das Schiff während die Römer von ihrem Helden Abschied nehmen.


    Anmerkungen:

    Johann Adolf Hasset gehörte einst zu den berühmtesten Musikern seiner Zeit, wurde dann aber durch den Wandel der Musik schnell vergessen und kommt nun wieder „ans Licht“ der Musikfreunde: Hasse, am 25. März 1699 in Bergedorf bei Hamburg getauft (das genaue Geburtsdatum ist nicht bekannt). Er wurde, Bach nicht unähnlich, in eine Musikerfamilie hineingeboren, die nämlich die Organistenstelle in St. Peter und Paul in Bergedorf versah. Hasses Urgroßvater, ebenfalls Peter oder auch Petrus genannt, war einst Schüler von Jan Pieterszon Sweelinck.


    Johann Adolf kam 1718 als Tenorist an die Hamburger und 1719 an die Braunschweiger Oper. Schon 1721 brachte er seine erste Oper mit großem Erfolg heraus und begab von sich dann 1722 auf eine Reise nach Neapel, wo er Schüler von Nicola Porpora und Alessandro Scarlatti wurde. Mit seinen Kompositionen fand Johann Adolf Hasse sofort Anklang und heimste Erfolge ein.


    1727 wurde er Kapellmeister am Ospedale degl’Incurabili in Venedig und ehelichte 1730 die berühmte Sängerin Faustina Bordoni (1700-1781), die in ihres Mannes Opern die Mezzopartien sang und später auch mit Händel in London arbeitete.


    In dieser Zeit konvertierte Hasse zum Katholizismus.


    Das Ehepaar Hasse-Bordoni reiste nach Dresden, wo Johann Adolf Hasse nach der Aufführung einer Oper aus eigener Feder mit dem Titel „Königlich polnischer und kurfürstlich sächsischer Kapellmeister“ ausgezeichnet wurde.


    Nach weiteren Opernerfolgen in Venedig, Parma, Mailand, Turin, Rom Bologna und Wien trat das Künstlerpaar 1733 in sächsische Dienste, und das 30 Jahre lang, allerdings von ausgedehnten Gastspielreisen immer wieder unterbrochen. Italienische Städte, aber auch München, Berlin, Paris und London waren Stationen ihrer Triumphe. 1750 wurde Hasse in Dresden zum Oberkapellmeister ernannt, aber 1760 fiel ein großer Teil seiner Manuskripte der Beschießung von Dresden durch die Preußen zum Opfer.


    Nach dem Tode von Kurfürst Friedrich August II. im Jahre 1763 wurden die Verträge mit dem Künstlerehepaar wegen akuten Geldmangels nicht mehr erneuert. Daraufhin verlegten die Hasse-Bordonis ihre Wohnsitz zunächst nach Wien, dann 1773 nach Venedig, wo der weltberühmte Komponist 1783, zwei Jahre nach seiner Gemahlin, am 16. Dezember verstarb.


    Hasse hinterließ 56 Opere serie, wovon 32 auf Texte von Pietro Metastasio, komponiert wurden. Außerdem hat er 13 Intermezzi für Opern geschrieben. Ferner gibt es 11 Oratorien, Messen, Requiem, Psalmen, Motetten, Hymnen und Litaneien, von denen viele nur als Handschriften erhalten sind. Aus seiner Feder stammen aber auch Flöten-, Violin- und Hornkonzerte (mit Orchester), außerdem Solosonaten, Trio- und Cembalosonaten sowie Gelegenheitskompositionen, wie beispielsweise die Trauer-Musik zum Tode des Kurfürsten Friedrich August II. Man kann aber, ohne zu übertreiben, behaupten, dass Hasses ganzes Schaffen von der Oper beeinflusst war, dass sie wegen der Veränderungen des Musikstils sich aber auch schnell überlebt hatte.


    Abschließend sei noch ein Wort zum italienischen Dichter Pietro Metastasio (1698-1782) verloren: der gebürtige Römer zählt, im Grunde bis heute, zu den bedeutendsten Opern-Librettisten. Seine Werke wurden von zahlreichen Komponisten nicht nur immer wieder vertont, sie wurden auch oft als Schauspiel ohne Musik aufgeführt. Metastasio ging vom französischen Klassizismus aus, ohne sich starr dran zu halten. Die Sprache ist gefeilt formuliert, die Handlungen spitzen sich zwar dramatisch zu, die Konflikte lösen sich aber durch die wachsende Einsicht der Handelnden. Diese Vorgehensweise entsprach der optischen Lebensauffassung des Rokoko, war vielleicht unernst, begeisterte aber seinerzeit das Publikum. Daher war eine Oper mit einem Libretto von dem Literaten von vornherein ein Erfolg sicher.


    In der deutschsprachigen Wikipedia kann man eine Auflistung der Werke Metastasios finden, sogar mit Angaben der Vertonungen.


    Quelle:

    Johann Adolph Hasse (1699-1783): Attilio Regolo, 3 CDs

    Leonard Bernstein (1918 -1990):
    WONDERFUL TOWN

    Musical Play in zwei Akten, zwölf Szenen und acht Bildern

    Gesangstexte von Betty Comden und Adolph Green

    Buch von Joseph Fields und Jerome Chodorov

    nach ihrer Komödie „My Sister Eileen“ und Kurzgeschichten von Ruth McKenney.


    Broadway-Premiere am 25. Februar 1953 im Winter Garden Theatre

    West-End-Premiere am 23. Februar 1955 im Londoner Princess-Theatre

    Deutschsprachige Erstaufführung am 9. November 1956 in der Volksoper Wien.


    Personen der Handlung:
    Ruth Sherwood (Alt)

    Eileen Sherwood (Sopran)

    Robert Baker (Bariton)

    Wreck (Bariton)

    Fremdenführer (Tenor oder Bariton)

    Frank Lippencott (Tenor)

    Chick Clark (Bariton)

    Officer Lonigan (Tenor)

    1. Lektor (Tenor)

    2. Lektor (Tenor oder Bariton)

    4 Polizisten (2 Tenöre, 2 Baritone)

    weitere Rollen (ohne Gesang): Appopolous; Helen; Violet; Radikaler; Yogi; Modern-Tänzer; Speedy Valenti; merkwürdiger Mann (Fletcher); Kind; 2 Betrunkene; Eisverkäufer; Mister Mallory; Rexford; Danny; weiblicher Gast; männlicher Gast; Trent; Mrs. Wade; italienischer Koch; italienischer Kellner; Botenjunge; Strandwächter; 2 brasilianische Kadetten; 5. Cop; Mann mit Schild (Ruths Begleiter)

    Chor (S-A-T-B): Touristen; Bewohner von Greenwich Village; Passanten; Figuren in Ruths Geschichten; Lektoren; brasilianische Kadetten; Polizisten; Hipster; Clubgäste.

    Ort und Zeit: New York City 1935.


    Nach der Ouvertüre wird das Publikum in den New Yorker Stadtteil Greenwich Village geführt, womit der

    Erste Akt

    des Musicals beginnt. Ein Reiseleiter führt nämlich eine Touristengruppe durch den Stadtteil, den man, wie den Pariser Montmartre, als das Künstlerviertel New Yorks nennen kann. Hier leben auch Eileen und Ruth Sherwood, die kürzlich aus Columbus (Ohio) zugezogen sind und bei Appopolous ein Studio im Souterrain seines Hauses angemietet haben (das allerdings öfters von Dynamitexplosionen wegen eines neuen U-Bahn-Baus erschüttert wird). Ruth will als Schriftstellerin, Eileen im Showgeschäft das Glück herausfordern, denn Columbus war ihnen zu eng geworden.


    Die erste Nacht in Greenwich Village brachte einige Überraschungen: so haben Hunde die Souterrain-Fenster mit dem Eingang verwechselt; ein „schräger“ Mann suchte bei ihnen eine Vormieterin namens Violet (wohl eine Prostituierte) und Nachbar Wreck Loomis musste einen ungebetenen Mann verjagen, der, nur mit einer Unterhose bekleidet, partout in die Wohnung wollte.


    Ruth und Eileen fragten sich beim Frühstück, ob es wirklich eine gute Idee war, Columbus (Ohio) zu verlassen. Sie wissen im Grunde genommen darauf keine Antwort und beschließen, zu bleiben und sich später auf die Arbeitssuche zu begeben. Dabei hat vor allen Dingen Eileen eine gute Chance, denn sie kommt bei Männern gut an, Ruth dagegen tut sich schwer, könnte ein Buch mit dem Titel „100 Wege, einen Mann zu verlieren“ schreiben. Ihre Bemühungen bei der Job-Suche sind frustrierend: so macht ihr der Redakteur Robert Baker wenig Hoffnung auf einen Job, obwohl er sie auf Anhieb sympathisch findet und ihr verspricht, ihre Arbeit prüfend zu lesen.


    Eileen wiederum hat ihre ersten „Bekannten“ zum Abendessen geladen, beispielsweise den Manager Frank Lippenscott (den sie interessant findet), und den Reporter Chic Clark (der Ruth zu einem Auftrag verhelfen soll). Dann kommt auch noch Robert Baker vorbei, weil er Ruth besuchen will. Also: Chics Interesse gilt ausschließlich Eileen und Wreck Loomis’, der ebenfalls geladen ist, hält einen Monolog über seine Football-Karriere.


    Die Mischung aus geladenen und zufällig vorbeikommenden Gästen, die sich dann in dem Souterrain begegnen, führt zu komischen Szenen. Baker ist auf dem Weg, sich in Ruth zu verlieben; Chic kann zwar bei Eileen nicht landen, meldet sich dann aber später, nach dem Abendessen telefonisch bei ihr als angeblicher Chefredakteur und lockt sie mit der Chance auf eine Reportage außer Haus. Das funktioniert zwar, eine erhoffte Eroberung Eileens durch Chic bleibt aber aus.


    Ruths Interview mit brasilianischen Marinekadetten hat Folgen: weil sie kein Englisch können begleiten die Kadetten sie Conga tanzend nach Hause, wo natürlich das Chaos ausbricht: Eileen tritt versehentlich den Polizisten Lonigan, worauf sie vorübergehend in eine Zelle gesperrt wird.


    Zweiter Akt.

    In der Zelle des Gefängnisses wird Eileen wie ein Ehrengast behandelt. Ruth dagegen versucht, ihre finanzielle Talfahrt aufzuhalten, indem sie Flugblätter für den „Village-Vortex“-Nachtclub aushilfsweise verteilt. Und bei dieser Aktion trifft sie Robert Baker wieder, was ihr wegen der augenblicklichen Tätigkeit äußerst peinlich ist. Aber Robert Baker geht über Ruths peinlichen Gesichtsausdruck hinweg und erklärt ihr, die Story über die Kadetten gelesen und dann seinem Chef empfohlen zu haben. Und genau diese Nachricht gibt Ruth Auftrieb, weshalb sie plötzlich die Flugblätter-Aktion mit Freude weiter führt.


    Später, zu Hause, ist der ganze Optimismus allerdings auf ihr unerklärliche Weise wieder verflogen. Und doch entsteht bei Ruth wieder eine Stimmungshoch, als sie die Nachricht erhält, dass ihre Story veröffentlicht wird, sogar mit einem Bild von ihr und den See-Kadetten. Das hat auch bei dem verliebten Robert Baker eine große Freude ausgelöst und Appopolous, der noch vor Kurzem mit einer Kündigung der Wohnung gedroht hatte, ist ganz plötzlich lammfromm. Sogar die Tanz-Girls vom Village Vortext-Nightclub, wo Eileen inzwischen ein Engagement erhalten hat, sind zu einer freudigen Tanznummer animiert, zur eigenen und der Freude der Gäste des Clubs. Das Happy End präsentiert alle Paare und die Stadt New York ist wieder einmal „wonderful town“…


    Anmerkungen.

    „My Sister Eileen“ war ein großer Broadway-Erfolg der Saison 1940/41. Daraus entstand 1942 ein ebenso erfolgreicher Film mit Rosalind Russell, der 1955 ein Remake bekam mit neuer Musik von Jule Styne und Texten von Leo Robin. Betty Garrett und Janet Leigh spielten die Hauptrollen.


    Für die Gesangstexte der Musical-Version konnten Betty Comden und Adolph Green gewonnen werden, ein seit längerem bewährtes Duo für derlei Aufgaben. Die Musik von Bernstein weist verschiedene Stile, wie Tanzmusik, lyrische Balladen und Jazz, aus, hat aber nicht so viele Ohrwürmer wie die „West Sie Story“ und ist trotzdem mit dem musikalischen Potential beachtenswert.

    Richard Rodgers (1902-1979):
    ON YOUR TOES (In Atem halten)

    Musical Comedy in zwei Akten, zwölf Szenen und sechs Bildern

    Buch: Richard Rodgers, Lorenz Hart, George Abbot

    Gesangstexte: Lorenz Hart


    Broadway-Premiere am 11. April 1936 (Imperial Theatre)

    Londoner West-End-Premiere am 5. Februar 1937

    Deutsche Premiere am 16. September 1990 im Staatstheater Stuttgart


    Personen der Handlung:
    Pa, Ma und der 15jährige Dolan III, genannt Junior, eine erfolgreiche Künstlerfamilie

    Der erwachsene Dolan, Musikprofessor

    Frankie Frayne, Musikstudentin - Sidney Cohn, Musikstudent und Komponist

    Vera Baronova, Primaballerina - Konstantin Morrosine, Prime Danseur

    Sergej Alexandrovitch, Impresario - Peggy Porterfield, Produzentin

    Helen Grimes, Reporterin

    Louie Capitaletti, Unterweltgröße – Pförtner - Iwan und Dimitri, russische Tänzer

    Zwei Inspizienten - Oscar, Beleuchter

    Eddy (Stimme) - Lola, sexy Girl - Zwei Polizisten

    Korrepetitor, Klavierspieler, Botenjunge, Platzanweiserin, Detektiv (stumme Rollen)

    Studenten und Studentinnen, darunter Miss Wasservogel

    Tänzer und Tänzerinnen des russischen Balletts

    Ballett La Princesse Zenobia:
    Prinzessin (Vera), Bettler (Morrosine), Fünf Sklaven (darunter Junior, Dimitri, Iwan),

    Drei Prinzen (Ali Shar, reicher Geschäftsmann - Ahmud Ben B’Du, alter Mann, Kringa Khan Krieger)

    Zwei Leibwächter, Eunuch, Drei Akrobaten, Der Tiger, Dienerinnen der Prinzessin

    Ballett Slaughter on Tenth Avenue:
    Striptease-Tänzerin (Vera), Bargast (Junior), Big Boss, Barkeeper, Rausschmeißer

    Drei Polizisten, Joe, Bargast, Barbesucher.

    Ort und Zeit: Vaudeville-Theater in Kokomo (Indiana) um 1920, Knickerbocker-University,

    New York City (15 Jahre später).


    Erster Akt.

    Nach der Ouvertüre wird das Publikum in das Vaudeville-Theater von Kokomo in Indiana versetzt. Hier treten mit großem Erfolg Phil Dolan II, seine Frau Lil und Dolan III, den alle nur Junior nennen, zweimal täglich auf. Momentan herrscht in der Theatergarderobe der Dolans jedoch dicke Luft, weil Ma ihren Sohn Junior auf eine höhere Schule schicken will, was Pa jedoch zurückweist, denn in seiner Familie hat niemand diesen Weg genommen, trotzdem ist aber aus jedem etwas geworden. Die Argumente „fliegen“ hin und her und Pa ist es plötzlich leid - er gibt nach, Junior darf auf die Schule, wie es Ma wünscht.


    Die Handlung macht nun einen Sprung von fünfzehn Jahren: Junior, Dolan III, ist jetzt ein Musikprofessor an der Knickerbocker Universität in New York und nimmt - mit einer gehörigen Portion Humor die Prüfungen seiner Studenten ab. Und bei diesen Prüfungen geht es diesmal um die drei B’s, nämlich Bach, Beethoven und Brahms. Der vierte B-Komponist, nämlich Bruckner, spielte bei Musikprofessor Dolan III keine Rolle. Seinen Schülern Frankie Frayne (die eine Liebesballade komponiert hat) und Sidney Cohn (der ein Jazzballett aufs Papier gebracht hat), gibt er nach dem Unterricht noch Ratschläge für die nächsten Kompositionen. Als er alleine ist, probiert er zu Sidneys Musik, ein paar Stepschritte, wird allerdings von Frankie dabei beobachtet; als er sie durch Intuition wahrnimmt, ist ihm das peinlich und er bittet sie, das gesehene für sich zu behalten, denn ein steppender Musikprofessor wäre, wie er meint, für seine Karriere fast schon tödlich. Im übrigen meint er, dass Sidneys Ballettmusik eine große Bühne brauche, beispielsweise das Ballett Russes. Frankie bietet daraufhin ihrem Professor an, eine Verbindung mit der Produzentin und Geldgeberin jenes Balletts, Peggy Porterfield, herzustellen und erklärt ihrem Professor, dass jene Dame eine Bekannte ihres Onkels sei. Was die beiden sonst noch verbindet, wird aus der folgenden Musiknummer klar: It’s Got To Be Love (Es muss Liebe sein).


    Einige Tage später entnimmt die Primaballerina des Russischen Balletts, Vera Baronova, einer Zeitungsmeldung, dass ihr Liebhaber und Partner Konstantin Morrosine wieder mal eine Eroberung gemacht hat - sie schäumt vor Wut. Peggy Porterfields Interesse an Sidneys Jazzballett ist real: sie versucht einerseits Vera Baranova die Hauptfigur, nämlich das Striptease-Girl, schmackhaft zu machen, empfiehlt andererseits die Komposition dem Ballettdirektor Sergej Alexandrovitch. Der aber hat erhebliche Zweifel an der Realisierung des Jazzballetts durch seine Formation - für ihn sind die alten Traditionen wichtiger. Unabhängig von diesen Diskussionen steht fest, dass Vera den Ausschlag geben wird, denn sie ist entschlossen, Professor Dolan III zu ihrem Geliebten zu machen. Damit will sie sich an ihrem Partner und bisherigen Liebhaber Morrosine rächen.


    Als Vera bei Musikprofessor Dolan III zur Tat schreitet, ist er zunächst einmal überrumpelt, nimmt dann aber das Angebot an, in dem klassischen Ballett Prinzessin Zenobia einen der Sklaven zu tanzen. Als Frankie davon erfährt, lässt sie Bedenken erkennen, gibt aber zu, in Bezug auf Musik und Tanz mit ihm übereinzustimmen. Allerdings: weil kurz vor dem Beginn der Vorstellung ein Sklavendarsteller ausfällt, wird Dolan III - obschon er keinerlei Proben für diese Rolle hatte - zum Einsatz bestimmt. Die Reporterin Helen Grimes, die einen Bericht von der Premiere schreiben soll, aber nichts von der Umbesetzung erfahren darf, wird von Iwan und Dmitri, zwei der beteiligten Tänzer, abgewimmelt, als sie die Bühne betreten will. Dolan III gibt sich vor Grimes selbst als ein russischer Danseur (Tänzer) aus.


    Die Aufführung des Prinzessin-Zenobia-Balletts beginnt mit der Werbung von drei Prinzen und ihren Geschenken für die Hand der Prinzessin. Plötzlich stürzt - zum Leidwesen der Prinzen - in die feierliche Handlung ein Bettler in den Saal und tanzt ebenfalls um die schöne Zenobia. Obwohl er natürlich kein Geschenk hat, Zenobia der Bettler jedoch gefällt, überreicht sie ihm den Schlüssel zum Haus ihrer Sklaven, damit er ihr die Sklaven zum Geschenk machen könne. Es sind fünf Sklaven, die er ihr übergeben kann; als sie aber ihre Capes ablegen, weil sie der Prinzessin ihre Reverenz erweisen wollen, kommen vier blaugeschminkte Körper zum Vorschein, und ein ungeschminkter weißer - Dolan III. Es bricht ein choreographisches Chaos aus, das den ersten Akt beendet.


    Zweiter Akt.
    Nach der Zwischenaktmusik betritt Sidney Cohn die Szene und spielt den bereits wartenden Sergej, Peggy, Dolan III und Morrosine aus seinen Jazzballett am Klavier vor. Peggy ist von der Musik angetan und verspricht sich von einer öffentlichen Aufführung einiges, während sich Sergej auffällig zurückhält. Sein Vorschlag lautet dagegen, dass man erst einmal essen gehen sollte, aber Peggy und Dolan III bleiben zurück. Der hat ein Problem, das er Peggy fragend vorträgt: kann ein Mann zwei Frauen lieben? Peggy gibt ihre Antwort in ironischer Form: In Liebessachen arbeitet das Herz schneller als das Auge und der Verstand.


    Dolan III versetzt Frankie mit Rücksicht auf die Truppe, was Frankie irritiert (das Publikum weiß zumindest jetzt, dass die Studentin ihren Musikprofessor liebt). Choreograph Sergej will das Jazzballett von Sidney nicht aufführen und teilt es Dolan III und Peggy mit, was letztere in Rage versetzt. Sie reagiert aber dann auch knallhart und verlangt demonstrativ, dass Sergej Sidneys Werk aufführt oder sie stellt ihre Kredite für das Ballett Russe sofort fällig.


    Des Musikprofessors Dolan Studenten geben eine Probe ihres Könnens mit Frankies Liebesballade und - völlig überraschend - verkündet Sergej auf einmal, Sidneys Ballett doch aufführen zu wollen. Eine eigens für das Ballett Russe von Sidney Cohn komponierte Nummer wird von den Studenten und den Tänzern des Russischen Balletts gesungen und getanzt. Bei der jetzt beginnenden Probe zu Sidneys Ballett Slaughter On Tenth Avenue ist jemand unzufrieden mit der Musik, nämlich Morrosine. Als der Tänzer daraufhin von Dolan III kritisiert wird, regt er sich darüber auf - was Sergej zu einer Kurzschlusshandlung veranlasst, er setzt ihn nämlich mit einem deftigen Schlag außer Gefecht. Ein Polizist, den man gerufen hatte, versichern alle, dass es eine Szenenprobe gewesen sei, was Dolan III mit einer Tanz-Improvisation (Szene der Erschossenen) unterstützt. Der Tanz von Dolan III gefällt Sergej so gut, dass er vor allen äußert, den Musikprofessor an der Stelle von Morrisone einsetzen zu wollen. Das veranlasst Dolan III, zu gestehen, auf eine professionelle Laufbahn als Vaudeville-Tänzer zurückblicken zu können. Ein weiterer Grund für Sergej, Dolan III für das Ballett Russe zu rekrutieren. Er hat sogar schon einen passenden Namen parat: Professor Juniorovitch Dolansky.


    Es war natürlich zu erwarten, dass Sergej mit diesem Plan bei dem Tänzer Morrosine nicht auf Gegenliebe stößt; der plant jedenfalls blutige Rache: für Louie verschafft er eine Karte zur Premiere, noch dazu in der ersten Reihe. Von diesem Sitz aus soll er Dolan III, wenn der am Ende des Balletts vor einer Leiche zusammenbricht, den Beckenschlag des Orchesters ausnutzen und ihn erschießen. Den geplanten Mordanschlag hat aber ein Bühnenmitarbeiter zufällig mitbekommen und er zögert nicht, Frankie zu informieren.


    Gedanklich gehen wir einige Stunden weiter - und sitzen in einem Ballett-Theater, in dem das Jazzballett Slaughter On Tneth Avenue gegeben wird. Nach der Ouvertüre geht der Vorhang auf und wir sind Zeuge der Parodie auf das amerikanische Gangstermilieu. In einem Nachtclub New Yorks hat ein Gast versucht, eines der Strip-Girls zu küssen und wurde daraufhin vom Big Boss, dessen Liebhaberin sie war, erschossen. Die Polizei, von irgendwem gerufen, findet jedoch, trotz intensiver Suche, keine Leiche. Ein weiterer Gast, gespielt und getanzt von Dolan III tritt jener Stripperin, wie der Big Boss meint, zu nahe, wird jedoch von Vera abgeschirmt, bevor auch er vom Big Boss getötet werden kann. Für Vera geht der Eingriff jedoch tödlich aus, aber Dolan III kann dem Big Boss die Pistole aus der Hand nehmen, und ihn erschießen. Der Barkeeper macht Dolan III mit Tanzgesten auf Louie aufmerksam, der gerade dabei ist, ein Attentat zu verüben. Geschickt verhindert er, dass der Kapellmeister durch Wiederholungen verhindert, dass es zum Einsatz des Beckenschlages kommt, bis die Polzeit eintrifft und Louie wie auch Morrosine verhaftet.


    Ein allgemeine Erleichterung wird erkennbar und das Happy-ending bringt Dolan III und Frankie zusammen und Vera feiert Auferstehung, wobei sie sich dem Jungkomponisten Sidney zuwendet.


    Anmerkungen.
    In diesem Musical sind Anspielungen auf Berühmtheiten der Zeit gang und gäbe: Sergej Alexandrovich und das Russische Ballett erinnern an Sergej Diaghilew (1879 -1924). Peggy Porterfield erinnert an Lucia Case, die Gründerin und jahrzehntelange Co-Direktorin des American Ballett Theatre. Vera Baronova hieß mit Vornamen tatsächlich Irina und war eine sogenannte Baby-Ballerina des Ballett Russes.

    On Your Toes ist das erste Musical, das klassisches Ballett zum Thema hat und klassischen Tanz mit Broadway-Tanz in der Choreographie zu verbinden sucht. Slaughter On Tenth Avenue ist zudem das erste Jazzballett am Broadway. Seine Musik kann man gelegentlich in amerikanischen Sinfoniekonzerten hören.

    Cole Porter (1891-1964):
    ANYTHING GOES (Alles Okay)

    Musical Comedy in zwei Akten, 11 Szenen und 5-7 Bildern

    Musik und Gesangstexte von Cole Porter, Buch von Guy Bolton.


    Broadway-Premiere am 26. November 1934,

    Westend-Premiere (London) am 14. Juni 1935,

    Deutsche Erstaufführung am 10. Februar 1981 im Pfalztheater Kaiserslautern.


    Personen der Handlung:
    Reno Sweeney, Nightclubsängerin, ehemalige Laienpredigerin

    Billy Crocker, Playboy

    Moon-Face, Sträfling, geflohen

    Bonnie Latour, seine Spießgesellin

    Gangster Blackie (nur in der dt. Fassung)

    Hope Harcourt, Millionenerbin

    Mrs. Wadsworth T. Harcourt, ihre Mutter

    Sir Evelyn Oakleigh, engl. Adliger und Verlobter von Hope

    Elisha J. Whitney, Wall-Street-Makler

    Steward, Reporter, Kameramann

    Bischof Henry Dobson, Leiter einer Sekte

    2 Chinesen, seine Schützlinge

    Purity, Chastity, Charity, Virtue

    In der dt. Fassung: Gabriela, Michaela, Uriela, Rafaela

    Renos vier „Engel“

    Zahlmeister, Kapitän, Jazztrompeter, Passagiere, Matrosen, Girls, Boys.


    Ort und Zeit: Auf dem Luxusdampfer „S.S.American“ auf der Überfahrt von New York nach London im Jahre 1934.


    Erster Akt.

    Nach der Ouvertüre lässt das Bühnenbild den Zuschauer auf den Luxusdampfer S.S.America blicken. Man sieht die frühere Laienpredigerin und jetzige Nightclub-Sängerin Reno Sweeney und den Sekretär des Wall-Street-Maklers Elisha J. Whithney, Billy Crocker, die gerade Reiseformalitäten erledigen.

    Billy, mehr Playboy als Sekretär, erfährt dabei, dass seine alte Liebe Hope Harcourt und ihr Verlobter, ein britischer Adliger namens Sir Evelyn Oakleigh, ebenfalls an der Reise teilnehmen, weil beide in London heiraten wollen. Das ist für Billy, obwohl schon lange von Hope getrennt, ein Tiefschlag in die Magengrube. Er entschließt sich, als blinder Passagier an Bord zu gehen und die Hochzeit zu hintertreiben.


    Ein weiterer blinder Passagier wird ebenfalls an Bord gehen, nämlich Moon-Face, ein Sträfling, der jetzt in einer fromm-schwarzen Kleidung eines Reverend, der als Dr. Moon daherkam. Dann hört man Wünsche zur Guten Reise und der Luxusdampfer sticht in See. Dr. Moons Angebot, Pass und Schiffsticket eines kurz vor der Abreise „verhinderten“ Bruders zu verwenden, nimmt Billy gerne an, denn dadurch muss er sich nicht verstecken. Natürlich weiß er nicht, dass jenes Ticket auf den Namen eines der meistgesuchten Kriminellen lautet.


    Als es dunkel geworden ist, versucht Hope in ihrer Kabine, ihren Verlobten Sir Evelyn mit ihren weiblichen Reizen in die gewisse Stimmung zu bringen, aber der Sir ist durch die Anwandlungen einer Seekrankheit gehandicapt und will unbedingt in seine Kabine zurück. Das ist für Billy die Gelegenheit, mit Hope auf das zierlichste über die herrliche Nacht hier an Bord zu plaudern.


    Am nächsten Morgen in der gemeinsamen Schiffskabine gesteht Dr. Moon dem wirklich überraschten Billy, was es mit den Papieren auf sich hat - und das bedeutet, dass Billy auch eine Verkleidung benötigt. Er zieht sich eine Matrosenkleidung an, die Moons Spießgesellin Bonnie organisiert hat. Momentan ist Bonnie allerdings mit den vier Girls der Reno-Sweeny-Truppe beschäftigt, die nämlich eine rasante Nummer hinlegen.


    Hope dagegen gesteht ihrem englischen Sir, dass sie die Nacht mit ihrem Bekannten Billy an Deck verbracht hat, was jedoch keinen Eindruck auf Sir Evelyn macht. Billy ist dagegen aktiv und bemüht Reno Sweeny, sie möge ihm den Gefallen tun und den Sir bis zur Ankunft in England von Hope fernhalten, wobei Moon auch noch behilflich sein muss. Das wird dann als ein Akt der Freundschaft hingestellt.


    Reno fackelt nicht lange und versucht, mit ihren weiblichen Reizen Sir Evelyn heiß zu machen, was Moon, wie verabredet, durch einen Besuch in überraschender Weise stört. Das Timing ist aber nicht so richtig gelungen und die Panne geht an Reno nicht so ganz wirkungslos vorüber, denn sie beginnt für Sir Evelyn zu schwärmen.


    Billy hat andere Sorgen; er musste sich mehrmals verkleiden um dem Schiffszahlmeister zu entkommen, der dem berüchtigten Gangster, auf dessen Namen sein Schiffsticket lautet, auf der Spur ist. Reno ist mit einem vom Ensemble begleiteten Gesang, der den Titel des Musicals aufgreift [Alles Okay, Anything Goes] bemüht, die aufgeregten Gemüter zu beruhigen, womit der erste Akt endet.


    Zweiter Akt.

    Es ist zwar komisch, aber auf jeden Fall eine menschliche Eigenart: der Gedanke, an Bord eines Schiffes zu sein, das eine kriminelle Berühmtheit Richtung Europa transportiert, bringt die Stimmung nach oben. Da wird Billy beispielsweise mit einer Hymne gepriesen (Public Enemy Number One). Bonnie und Blackie meinen, dass eine Hymne nicht reicht, und stimme eine andere Nummer an (Lets Step Out). Reno Sweeney versucht noch einmal, sich an Sir Evelyn ranzuschmeißen und hat tatsächlich jetzt mehr Erfolg.


    Dr. Moon soll anlässlich einer Andacht versuchen, von Billy eine Beichte vor der versammelten Gemeinde zu bekommen. Billy spielt aber nicht mit: er beschimpft die ganze Gesellschaft mit Worten wie sie sollten sich schämen, die Gegenwart eines Kriminellen so zu genießen. Da Hope ihn ermutigt, teilt er allen seine wahre Identität mit, was zu seiner sofortigen Verhaftung durch das vom Kapitän beauftragte Schiffspersonal führt. Der nächste Verhaftete ist der angebliche Reverend Dr. Moon, der sich ebenfalls zu erkennen gegeben hat. Die Andacht, die von der ehemaligen Wanderpredigerin Reno zu Ende gebracht wird, schließt mit einem Song, der die Vergebung aller Sünden zum Thema hat.


    Fünf Tage später: In der Arrestzelle des Schiffes sitzen Billy und Moon; Billy besingt seine Liebe zu Hope, die wiederum den Gesang sogar auf dem Schiffsdeck hören kann und in den Song einstimmt. Moon dagegen findet, dass Billy eine Aufmunterung braucht und er heitert ihn mit seinem Song auf (Be Like A Bluebird).


    Jetzt bekommen Billy und Moon in ihrer Zelle Gesellschaft von drei Chinesen, die einige Passagiere in der Touristenklasse beim Würfelspiel betrogen haben. Billy und Moon fassen die Gelegenheit beim Schopf und nötigen den Chinesen ein Pfänderspiel auf, wobei sie ihnen die Chinesentracht abluchsen.

    An Deck macht sich inzwischen Heimwehstimmung breit. Hopes Mutter arrangiert gerade die Trauung ihrer Tochter mit Sir Evelyn auf den Schiff, als Billy und Moon in der Chinesentracht mit Pflaumenblüte, einem Chinesenmädchen, auftreten, das Sir Evelyn vor vielen Jahren geschändet und verlassen hat. Allerdings erkennt der Brite Reno Sweeney in der Verkleidung der Pflaumenblüte, wird mit seiner Vergangenheit konfrontiert und muss von der Trauung zurücktreten. Hope aber besteht darauf, dass der Sir jetzt das arme Chinesenmädchen heiratet, sie selbst aber – als Sühne sozusagen – einen der beiden Chinesen ehelicht, was natürlich kein anderer ist als Billy.


    Im Happy-Ending finden sich die Paare, die offensichtlich zusammen gehören: Billy und Hope, Sir Evelyn und Reno, Whitney und Mrs. Harcourt, Bonnie und Moon. Letzterer darf, dank eines Telegramms aus Washington, plötzlich als harmloser Bürger gelten und muss sich nicht mehr verkleiden und auch nicht mehr mit einer Verhaftung rechnen…

    Gerhard Wimberger (1923-2016):
    LA BATTAGLIA oder DER ROTE FEDERBUSCH

    Opernkomödie in einem Akt mit acht Bildern

    Libretto von Eric Spiess.


    Uraufführung 1960 in Schwetzingen.


    Personen der Handlung:
    Poppea Zorzi, Herzogin von Castiglio (Mezzosopran)

    Annibale Dotto, Herzog von Vicina (Bass)

    Orazio Pompo, Generalfeldzeugmeister in Vicina (Tenor)

    Räte in Vicina:
    Tribun, Präfekt, Palastadjutant, Zollprofoss, Generalsteuereinnehmer,

    Präsident der Kriegsakademie, (Bass, Bariton, Tenor, Bass, Bariton, Tenor)

    Reiteranführer von Vicina (Bass)

    Komödianten:
    Fanfarino, Lucetta, Filostrato. Ortensia, Geronimo, Leandro (Bariton, Sopran, Bass, Alt, Sprechrollen)

    Capitano, zwei Leutnants in Castiglio (Bass, Tenor, Bariton)

    Räte in Castiglio:
    Generalissimo, Colonello (später Marschall), Hofmarschall, Finanzminister, Intendant des Kommerzialkonsortiums, Präsident der Akademie der Wissenschaften und Edlen Künste

    (Bass, Bariton, Tenor, Tenor, Bass, Tenor)

    Chor / Statisterie: Bürger von Vicina und Castiglio, Hofgefolge, Fähnriche, Reiter, Soldaten, Volk.


    Ort und Zeit: In den kleinen Herzogtümern Vicina und Castiglio, in längst vergangener Zeit.


    Einziger Akt.
    Eine Schauspieltruppe hat sich in Vicina aufgehalten und befindet sich nun im Aufbruch nach Castiglia, denn sie hatte in im Herzogtum keinen Erfolg. Vicina hat offensichtlich an der Kunst kein Interesse, dafür mehr an kriegerischen Ereignissen. Die Truppe hat sich vor der Casa Militare aufs Warten auf die Abreise nach Castiglia verlsammelt und beobachtet im Wartestand, wie der militärische Kommandostab, allen voran der General-Feldzeugmeister Pompo, der übrigens mit einem roten Federbusch auf seinem Helm geschmückt ist, vorbeimarschiert.


    Jetzt lernt das Publikum Lucetta, die Komödiantin, etwas näher kennen, denn sie hat eine Idee: weil ihr der rote Federbusch so ausnehmend gut gefällt, verspricht sie dem, der ihn für sie besorgt, ihre Liebe. In diesem Augenblick kommt ihr Kollege Leandro mit den notwendigen Pässen; er beauftragt sodann seinen Kollegen Fanfarino, nach Castiglia vorauszueilen, um dort die Ankunft der Künstler bekanntzugeben. Aber der denkt nicht daran, von Leandro irgendwelche Aufträge anzunehmen, denn er liebt Lucetta und überlegt sich, wie er an den Federbusch und die Freuden mit Lucetta kommen kann. Er geht in die Casa Militare, hoffend, den Federbusch dort zu finden – was tatsächlich auch der Fall ist. Aber: Leandro muss fliehen; irgendwie ist dem Generalfeldzeugmeister Pompo zu Ohren gekommen, was mit seinem Federbusch) geschehen ist, jedoch: keiner konnte sagen, das Gesicht des Diebes gesehen zu haben! Pompo schickt fünf Reiter dem unbekannten Dieb und Flüchtling hinterher – Richtung Castiglio.


    Dort sind inzwischen auch die übrigen Komödianten angekommen; sie wundern sich, dass kein Begrüßungsteam da ist, auch Fanfarino fehlt noch. Doch kaum hat man das festgestellt, da kommt der Vermisste abgehetzt und behauptet, dass Krieger aus Vicina hinter ihm her seien. Die Wachen von Castiglio hören Krieger aus Vicina und reagieren, als die Komödiantentruppe das Tor passiert hat, mit sofortiger Schließung aller Stadttore und schicken eine Boten mit eben der Nachricht an ihre Herzogin.


    Fanfarino hat den Diebstahl des Federbusches nirgendwo und niemandem erzählt; er wird aber von der Herzogin empfangen, fürstlich bewirtet und sogar zu ihrem Ratgeber ernannt. Während die Komödianten Reklame für ihr Stück machen, erscheinen vor dem Stadttor von Castiglio fünf Reiter, berichten einem einem gestohlenen Federbusch, der dem Generalfeldzeugmeister in Vicina gehört und der sich in Castiglio befinden soll. Sie fordern, dass das Tor geöffnet wird, weil sie den Dieb suchen wollen. Das halten die Leute von Castiglio für einen Kriegsvorwand und sie sorgen dafür, dass man die fünf Reiter verjagt. Anschließend feiert man einen Sieg, als sei eine Schlacht gewonnen worden.


    Inzwischen hat sich Fanfarino entschlossen, der Herzogin reinen Wein einzuschenken, doch ist er inzwischen zum Herzog befördert worden, woraufhin er zum Alkohol gegriffen hat und danach eingeschlafen ist. Der Herzog Dotto von Vicino hat auf Drängen seiner Räte eine Vergeltungsaktion gegen Castiglio beschlossen und dem nachbarschaftlichen Herzogtum ein diplomatisches Ultimatum gestellt.


    Während die Soldaten von Castiglio sich darauf konzentrieren, ihr Herzogtum zu bewachen und gegebenenfalls mit allen Mitteln zu verteidigen, geht es den Komödianten ganz anders: Fanfarino ist aus dem Palast geflohen und macht Lucetta den Hof. In dem geführten Gespräch werden sie sich aber auch einig, dass sie etwas zur Verteidigung des Diebstahls tun müssen – und sie kommen auf den Gedanken, den Federbusch in den Requisitenkisten zu verstecken.

    Kaum haben sie das erledigt, tritt die Herzogin von Castiglio auf den Plan und lässt, wütend geworden, Fanfarino und Lucetta, die ihr Vergehen zwar gestehen, was ihnen die Herzogin aber nicht glaubt, in den Turm werfen, und beschimpft sie als Verräter. Danach wendet sich die Herzogin ihren Soldaten und deren Problemen zu. Und das ist vor allen Dingen der Befehl zum Gegenangriff auf die Angreifer aus Vicina. Allerdings kommt der viel zu spät, Castiglio ist praktisch schon besiegt, denn die kleine Armee aus Vicina zieht in die Stadt ein. Unter den „Eroberern“ ist auch Generalfeldzeugmeister Pompo, der sofort den Befehl gibt, nach seinem Federbusch zu suchen. Als man schließlich die Requisitenkiste der Komödiantentruppe öffnen will, mischt sich der ebenfalls anwesende Herzog von Vicina, Annibale Dotto, ein und ermahnt Pompo an seine Pflichten. Die Gefangenen, offensichtlich Gegner von Castiglio, werden auf Befehl von Herzog Dotto aus dem Turm befreit.


    Nun begibt sich der Herzog aus Vicina zur Herrscherin von Castiglio in deren Palast und die Komödiantentruppe rüstet sich schon wieder zur Abreise, jetzt in Richtung Tenia. In Castiglio ist nun, nach dem Sieg von Vicina, mehr oder weniger das Interesse an Kultur auf dem Nullpunkt gesunken während im friedlichen Tenia bestimmt günstigere Bedingungen herrschen.


    Plötzlich liegt ein herrenloser Federbusch auf dem Sockel der durch den Krieg zerstörten Säule der Herzogin Poppea Zorzi…


    Anmerkungen(aus Wikipedia).
    Wimberger studierte von 1940 bis 1947, unterbrochen durch Arbeits- und Militärdienst, am Mozarteum in Salzburg, und zwar Komposition bei Cesar Bresgen und Johann Nepomuk David. Dirigentenlehrer waren Clemens Krauss und Bernhard Paumgartner.


    In den Jahren 1947 bis 1951 wirkte Wimberger als Korrepetitor und Kapellmeister an der Wiener Volksoper sowie am Salzburger Landestheater. Er war von 1949 bis 1953ein Mitarbeiter der Salzburger Festspiele und von 1953 bis 1981 Leiter der Dirigentenklasse am Mozarteum. Von 1968 bis 1991 hat Wimberger zudem die Kompositionsklasse dort geleitet. Sein Einsatz für die zeitgenössische Musik bei den Festspielen muss man schon als bedeutsam bezeichnen.

    Wimberger war ab 1977 korrespondierendes Mitglied der Bayerischen Akademie der Schönen Künste. Von 1990 bis 1998 stand er der Verwertungsgesellschaft AKM als Präsident vor.


    Am 30. November 2003 führte das Mozarteum Orchester aus Anlass von Wimbergers 80. Geburtstages das Oratorium Quaestio Aeterna – Deus. Fragen nach Gott unter Ivor Bolton erstmals auf. Ab 2006 war Wimberger Mitglied des Beirates der Giordano-Bruno-Stiftung. Der christlichen Religion stellte Wimberger eine „agnostisch-atheistische Religiosität auf dem Boden des Humanismus“ gegenüber. Wimberger verfasste zahlreiche Essays, Aufsätze und andere Schriften und hielt viele Vorträge über Musik und Probleme der Neuen Musik sowie über philosophisch-theologisch aktuelle Fragen.


    Seine Werke wurden in vielen Ländern durch namhafte Orchester wie Wiener und Berliner Philharmoniker oder Münchner Rundfunkorchester und unter bekannten Dirigenten wie Karajan und von hochrangigen Solisten und Ensembles aufgeführt.


    In einer Selbstcharakteristik schrieb Wimberger: „Geistige, stilistische und handwerkliche Ehrlichkeit setze ich bei jeder künstlerisch-kreativen Arbeit voraus. Darüber hinaus ist mir die Ausgewogenheit zwischen Emotionalität des klingenden Ergebnisses und Rationalität der zugrundeliegenden konstruktiven Ordnung stets höchstes Ziel gewesen. Für die Realisierung meiner Ideen benütze ich das gesamte klingende Material, das traditionelle Instrumentarium ebenso wie elektronische Praktiken. Ich bemühe mich dabei, Vorurteile und Ideologien möglichst auszuschalten und mich nur von kreativer Neugierde leiten zu lassen, jede kompositorisch-stilistische Einseitigkeit zu vermeiden und mir ein weites Feld verschiedener Verfahrensweisen verfügbar zu halten, wie aus Material Musik wird. Ich halte viel von unprätentiöser Handwerksgesinnung und plädiere immer wieder für eine gesellschaftliche Funktion der Musik. Der Sinn jeder Komponistentätigkeit liegt ja – je nach Aufgabenstellung – irgendwo innerhalb des Dreiecks, das durch die Punkte markiert wird: ‚Verwirklichung eigener Komponistenträume‘, ‚Bereicherung‘ und ‚Unterhaltung‘ des Hörers.


    Gerhard Wimberger starb im Oktober 2016 im Alter von 93 Jahren.

    Harald Banter [Gerd von Wysocki] (*1930):
    DER BLAUE VOGEL

    Märchen-Singspiel in fünf Akten

    Libretto von Dorothea Renkhoff.


    Uraufführung am 4. September 1999 im Stadttheater Hagen (Westfalen).


    Personen der Handlung:
    König Silencieux (Bariton)

    Florine, seine Tochter (Sopran)

    Herzogin Grognon (Alt)

    Truitonne, ihr Tochter (Sopran)

    Prinz Ariston (Tenor)

    Perlimplinin, ein Narr (Bariton)

    Ein Seidenhändler (Tenor)

    Chor / Statisten: Hofstaat, Würdenträger, Höflinge, Wachen, Soldaten, Volk.


    Ort und Zeit: In einem fiktiv-antiken-orientalischen Reich.


    Erster Akt.
    Der König Silencieux und sein gesamter Hofstaat trauern um die kürzlich verstorbene, von allen geliebte Königin Bellemaine. Das hatte ein Gerangel zur Folge, für den die Herzogin Grognon verantwortlich ist. Sie ist eine Zauberin mit einer hässlich-reizlosen Tochter mit dem Namen Truitonne, die allerdings von der Mama einiges an Zauberkünsten gelernt hat. Es geht darum, dass Grognon partout den König für sich gewinnen will, um dann für ihre Tochter den Prinzen eines Nachbarstaates namens Ariston einzunehmen. Das Vorhaben hat sich herumgesprochen und Ariston gibt zu verstehen, dass er an Truitonne keinen Gedanken verschwendet, denn des Königs Tochter Florine ist seine Auserwählte und die junge Prinzessin erwidert die Gefühle für den Prinzen.


    Zweiter Akt.
    Grognon hat sich tatsächlich bei König Silencieux durchgesetzt, hat ihn geheiratet, und hetzt nun als Königin ihre Tochter gegen die Kronprinzessin Florine auf. Ariston ist aber nicht zu überzeugen, Truitonne bleibt Luft für ihn, denn er plant weiter mit Florine eine gemeinsame Zukunft. Allerdings verlegt sich Grognons Tochter nun auf die Hinterlist und hintertreibt mit öffentlichen Verdächtigungen die Pläne Aristons. Ihr Versuch, sich mit ihren Zauberkünsten als Florine auszugeben, gelingt allerdings nicht, denn Ariston merkt den Betrug.


    Dritter Akt.
    Florine wird durch einen fingierten Brief aufgefordert, sich mit Ariston im Todeswald zu treffen. Obwohl der König seiner Tochter jeden Ausgang verboten hat, trifft sie sich doch mit ihrem Geliebten und scherzt mit ihm. Truitonne beobachtet das. Voller Eifersucht verrät sie alles dem König und verwandelt Ariston in einen blauen Vogel.


    Vierter Akt.
    Florine ist vom König wegen ihres Ungehorsams in einen Turm gesperrt worden. Doch dort wird sie von einem blau gefiederten Vogel, der sich am Turmfenster zeigt, aufgesucht, dem verzauberten Prinzen Ariston. Da er aber nur das Zwitschern der Vögel beherrscht, das die Prinzessin nicht versteht, ist sein Unterfangen, mit seiner geliebten Florine in Verbindung zu treten zum Scheitern verurteilt. Truitonne, die das Spielchen zwischen dem Vogel und Florine beobachtet hat, platzt fast vor Eifersucht. Sie befiehlt dem Personal, am Fenster scharfe Messer anzubringen, weil der „blaue Vogel“ sich dann dort nicht mehr niederlassen könne oder sich verletzt und stirbt. Und genauso kommt es: der Blaue Vogel verletzt sich an den Messern und stirbt. Truitonne verzaubert ihn in einen Kometen…


    Fünfter Akt.
    Der alt gewordene und neuerdings geistig verwirrte König Silencieux stirbt, ohne seine Tochter Florine noch einmal sehen zu haben. Inzwischen hat sich der Bruder von Ariston entschlossen, den Tod Aristons zu rächen. Er marschiert mit einem Heer vor das königliche Schloss des Nachbarstaates, was aber dem Kometen Ariston nicht gefällt. Ihm ist Gewalt verhasst und er versucht mit seinen übernatürlichen Kräften die Menschen im Umgang miteinander zu bessern und ihre Ängste zu lindern. Er schafft es, einen schweren Sturm aufziehen zu lassen und verhindert so den Ausbruch von Feindseligkeiten. Und es gibt noch eine weitere, zufällig entdeckte Eingenschaft des erhalten gebliebenen Federkleides vom blauen Vogel: Wer es berührt, kann jede fremde Sprache verstehen und Feindschaften überwinden; so wird auch das Verhältnis zwischen Florine und Truitonne.


    Anmerkungen:
    Harald Banter wurde als Sohn des künstlerischen Leiters der Schallplattenfirma Lindström-Odeon 1930 in Berlin als Gerd von Wysocki geboren. Durch die musikalische Tätigkeit seines Vaters durfte er bereits als kleiner Junge weltberühmte Sänger und Sängerinnen während ihrer Plattenaufnahmen beobachten, wie zum Beispiel Richard Tauber und Jan Kiepura oder auch Lotte Lehmann und Marta Eggerth. Die Künstler waren durch das Verhandlungsgeschick Georg von Wysockis mit Exklusivverträgen an die Firma Lindström-Odeon gebunden.


    Durch die fast alltägliche Berührung mit Musik und interessanten Künstlern war schon frühzeitig im jungen Gerd von Wysocki der Wunsch entstanden, selbst Musiker zu werden. Seit seinem 6. Lebensjahr erhielt er Klavierunterricht und gleich nach Kriegsende, 1946, begann er die Ausbildung zum Tonmeister beim Berliner Rundfunk in der Charlottenburger Masurenallee. Parallel dazu erhielt er Kompositionsunterricht bei dem Filmkomponisten Georg Haentzschel, der u.a. durch die Musik zum Hans-Albers-Film Münchhausen bekannt war.


    Der Rundfunksender in der Masurenallee war durch die sowjetische Militäradministration ziemlich diktatorisch geführt und veranlasste Gerd von Wysocki 1950, Berlin zu verlassen. Er heuerte beim damaligen NWDR an und zwar in der Domstadt Köln. Doch bald befriedigte ihn diese Arbeit allein nicht mehr. Das eine Veränderung seiner gerade erst begonnenen Laufbahn auslösende Hörerlebnis beschreibt von Wysocki im Folgenden:

    Es war eine Sendung mit dem damals noch einigermaßen unbekannten, später weltberühmten Georg Shearing Quintett. Der bis dahin nie gehörte, legendäre Sound aus Block-Akkorden von Vibraphon, Klavier und elektrischer Gitarre riss mich derart mit, dass die Begeisterung ausschlaggebend für meinen ganzen weiteren beruflichen Werdegang werden sollte. () Der Gedanke, so etwas auch machen zu wollen, ließ mir fortan keine Ruhe, und ich beschloss ein Ensemble zu gründen!


    Die Namensänderung des aus dem polnischen stammenden „Wisotzki“ hatte nicht nur mit dem noch immer tätigen Vater zu tun, sondern mit eigenen Aufstiegschancen:

    Ich blätterte in einem englischen Wörterbuch und stieß auf banter = Spielastik, to banter = spielen, tänzeln – das Wort gefiel mir. Der Vorname musste dazu phonetisch passen, möglichst also mit dem Vokal a. Auf Harald zu kommen war nicht schwer. Harald Banter war geboren.


    Nach einiger Zeit nannte sich das noch taufrische Harald Banter-Ensemble in Media Band um, und der NWDR (Köln) emanzipierte sich bald darauf zum Westdeutschen Rundfunk Köln, der finanzstärksten Medienanstalt der Bundesrepublik bis heute. Dort war Harald Banters Media-Band mit festen Sendeplätzen installiert und spielte bald in der rheinischen Jazzszene eine wesentliche Rolle. 1956 fand im ausschließlich auf klassische Konzerte ausgerichteten Kölner Gürzenich-Saal das erste Jazzkonzert statt, konservative Kreise hatten diese Veranstaltung nicht verhindern können. Es wurde ein großer Erfolg, die Media-Band mit ihrem Gastsolisten Albert Mangelsdorff von der Presse heftig umjubelt und – in liebenswerter rheinischer Übertreibung – Parallelen zu dem berühmten Carnegie Hall Konzert Benny Goodmans 1938 in New York gezogen.


    Im selben Jahr brachte die Media-Band bei der Woche der Leichten Musik in Stuttgart gemeinsam mit dem Modern Jazz-Quartett die Gunther Schuller 12-Ton-Partitur Twelve by eleven unter dem Dirigat von Harald Banter erfolgreich zur Uraufführung. Ein Jahr später fand die Uraufführung des Henze-Balletts Marathona di danza mit dem Kölner Rundfunk-Sinfonie-Orchester und der Media Band unter der Leitung von Hans Rosbaud im Großen Sendesaal des Kölner Funkhauses statt. Die Jazzparts dieser Komposition hatte nach den Vorgaben von Hans Werner Henze Harald Banter geschrieben. Die Presse urteilte: … eine farbige, gestisch wirksame Musik, deren spontaner Publikumserfolg die virtuosen Combo-Künste der Harald-Banter-Band entschieden“.

    Zwischen all diesen Tätigkeiten gelang es dem Komponisten Harald Banter, trotz der dominanten und zeitintensiven Rundfunkarbeit, immer wieder mit eigenen neuen Werken auf sich aufmerksam zu machen. Als Kompositionsschüler von Bernd Alois Zimmermann hatte er neben der avantgardistisch geltenden Zwölftontechnik auch die größeren Formenzusammenhänge der zeitgenössischen Musik studiert. Die Früchte dieser Arbeit zeigten sich dann bereits 1958 bei der Uraufführung einer Kantate 58 im Kölner Gürzenich, ebenso bei der Balletturaufführung Diana Sorpresa im Münchener Gärtnerplatztheater.


    1960 wurde Harald Banter die Leitung einer Jazzklasse am Duisburger Konservatorium anvertraut. Im selben Jahr nahm er an den Internationalen Meisterkursen für Komposition auf Schloss Brühl bei Bonn unter der Leitung von Hans Werner Henze teil. Die Media-Band erhielt inzwischen einen festen Produktionsvertrag beim WDR, u.a. auch für Schulmusik, Hörspiele und Fernsehfilme, wo das Kompositionstalent ihres jugendlichen Leiters ebenfalls gefordert wurde.


    Harald Banters ehrenamtliche Tätigkeit bei der GEMA begann 1962, zunächst als Mitglied der Bearbeiter-Schätzungskommission. Aber bereits 1965 wählten ihn die Mitglieder bei der Jahreshauptversammlung in den GEMA-Aufsichtsrat, gleichzeitig wurde er Mitglied des Programm-Ausschusses und Vorsitzender der GEMA-Verteilungsplan-Kommission. 1972 schließlich erhielt er einen Sitz im Vorstand des Deutschen Komponistenverbandes, der im Jahr 2004 von einer überwältigenden Mehrheit der Mitglieder erneut bestätigt wurde.


    Banters Komposition Prolog 2000 führte das Kölner Gürzenich-Orchester unter Wolfgang von der Nahmers Leitung 1972 erstmalig auf. Der Kompositionsauftrag hierfür war zum 100-jährigen Jubiläum des TÜV-Rheinland vergeben worden, dessen Festvortrag das Thema „Mensch und Technik im Jahr 2000“ hatte. Für sein Werk kombinierte Banter themengerecht eine Synthese aus traditionellen Orchesterfarben (Mensch) und elektronischen Klängen und Geräuschen (Technik).


    1977 berief die Kölner Musikhochschule Harald Banter als Lehrbeauftragten für das Fach Komposition und Arrangement-Jazz, sowie für das Seminar Musikmarkt-Analyse. Außerdem arbeitete Banter weiterhin als Produzent und Dirigent beim WDR. Einige seiner Produktionen erreichten als CDs den öffentlichen Markt, wie z.B. die Werke Kurt Weills oder die Wiederentdeckungen verschollener Operetten von Franz von Suppé, Johann Strauß II., Millöcker und Offenbach. Aber auch öffentliche Konzerte mit Portraits großer deutscher Komponisten zum Teil mit musik-dramatischen Werken der Gegenwart wurden veranstaltet, z.B. mit Henze, Zimmermann und Hindemith. Als Kontrast dazu bekamen dann die hierfür dankbaren Hörer und Zuschauer ein Konzert mit den drei großen deutschen Filmkomponisten Michael Jary, Werner Eisbrenner und Norbert Schultze geboten. Die drei Meister brillierten an drei Flügeln mit ihren populären Tonfilm-Schlagererfolgen, begleitet vom großen WDR-Unterhaltungsorchester unter der Leitung von Georg Haentzschel, Banters erstem Kompositionslehrer.


    Der Komponist Harald Banter trat natürlich weiterhin regelmäßig mit eigenen Werken an die Öffentlichkeit, so 1980 mit der Uraufführung seines Konzert für Sopransaxophon und Jazzorchester und ein Jahr später mit den vertonten Liebeselegien des römischen Dichters Ovid unter dem Titel Amores für Tenor, Sprecher, Chor und Jazzorchester.


    1995, anlässlich seines 65. Geburtstages, wurde seinem musikalischen Schaffen ein ganzer Abend in der Kölner Philharmonie gewidmet: beginnend mit dem bereits 1948 entstandenen Frühwerk Rhapsodisches Intermezzo für Klavier und Orchester, über die mit großem Orchester besetzte Märchenbilder-Suite aus dem Jahr 1961, dem Prolog 2000, Ausschnitten aus dem Ballett Diana Sorpresa, Kompositionen für die Media-Band bis zur abschließenden Uraufführung des Cello-Konzertes Phädra, gespielt von der großartigen Virtuosin Maria Kriegel. Die stilistische Vielfalt dieses Abends ergänzten CD-Produktionen aus den vergangenen Jahren, wie Harald Banters 4 plus 6 und Sound-Variationen und vervollständigten so das musikalische Bild dieses vielseitigen Komponisten.

    Bereits 1986 konnte Harald Banter für seine zwanzigjährige verdienstvolle Arbeit im Aufsichtsrat den GEMA-Ehrenring entgegennehmen. Zehn Jahre später wurde er für seinen unermüdlichen Einsatz um die Urheberrechte mit der GEMA-Ehrenmitgliedschaft gewürdigt. Diese hohe Auszeichnung erhielten nur wenige, außerordentliche Persönlichkeiten im Verlaufe der GEMA-Geschichte. Die Deutsche Dramatiker-Union verlieh Harald Banter 1993 ihr Silbernes Blatt, und für seine Verdienste um die deutsche Musik ehrte ihn der Deutsche Komponistenverband im selben Jahr mit seiner Silber-Medaille.


    Der lang gehegte Plan für eine abendfüllende Oper begann sich 1996 endlich zu realisieren. Als Libretto-Vorlage diente aus der Sammlung französischer Feenmärchen von Marie-Cathrin d’Aulnoy (1650-1705) die zauberhafte Geschichte Der blaue Vogel. Über die stilistischen Vorbilder seiner Musik führte Harald Banter aus:

    Als Schüler von Bernd Aloys Zimmermann und Hans Werner Henze, als Verehrer und Bewunderer von Ravel, Poulenc, Satie, Skrjabin, Strawinsky und Prokofjew, aber nicht minder von Jazz-Größen wie George Shearing, Count Basie und Stan Kenton, strömten Einflüsse unterschiedlichster Provenienz in mein musikalisches Denken und Empfinden ein. Der künstlerischen Persönlichkeit obliegt es, aus den Elementen vorbestehender oder noch zu entwickelnder Techniken und Stilarten in eigenschöpferischer Kreativität sein Werk in unabhängiger Entscheidungsfreiheit zu schaffen. Nach dieser Vorgabe versuchte ich, die Musik zu meiner Oper zu gestalten. … Nach 564 Partiturseiten konnte ich den Schlussstrich ziehen.


    1999 fand die Uraufführung von Der blaue Vogel im Theater der Stadt Hagen erfolgreich statt, auch bestätigt von den Presseberichten. Vor allem große Fachzeitungen wie die Opernwelt und Die Deutsche Bühne, widmeten ihre Titelseiten dem Blauen Vogel mit jeweils hervorragenden Berichten. Gleichwohl ist eine Etablierung des Singspiels an Theatern nicht eingetreten.


    In das selbe Jahr fällt noch eine andere große Uraufführung, ein Auftragswerk des Deutschen Sängerbundes. Hierfür hatte Banter aus Baudelaires Die Blumen des Bösen den Zyklus Der Tod gewählt und daraus das Gedicht Die Reise vertont, für gemischten Chor, Sprecher und Orchester. In dem Gedicht wird unter anderem von der rastlosen Suche der Menschen nach neuen Wunderfrüchten berichtet, und dass nach der Erfolglosigkeit dieser Jagd letztlich nur noch ein wirklich lohnendes Ziel bleibt, das Sicherheit verbürgt – der Tod. Harald Banter und das Publikum erlebten mit dem Kölner Rundfunk-Chor und -Orchester eine wunderbare Aufführung.


    2005 wurde auf seine Initiative das Deutsche Komponistenarchiv mit Sitz am Europäischen Zentrum in Hellerau gegründet, dessen Beiratsvorsitzender er ist.

    Johann Friedrich Reichardt (1752-1814):
    ERWIN UND ELMIRE

    Singspiel in zwei Akten

    Libretto von Johann Wolfgang von Goethe.


    Uraufführung 1791 in Halle / Saale.


    Personen der Handlung:
    Erwin (Tenor)

    Elmire (Alt)

    Rosa (Alt)

    Valerio (Bass)

    Ort und Zeit: Nahe Offenbach, 18. Jahrhundert.


    Erster Akt.

    Ein Garten, mit einer Aussicht auf Land- und Lusthäuser. Rosa und Valerio kommen miteinander singend auf die Szene,.


    Rosa und Valerio haben sich ewige Treue geschworen, beklagen aber gleichzeitig das Schicksal ihrer Freundin Elmire, die ihren Liebhaber, Erwin mit Namen, zurückgewiesen hat, obwohl sie ihn doch liebt. Grund für die Zurückweisung ist der soziale Unterschied, den Elmires Mutter nicht goutiert, denn die Tochter soll, zur finanziellen Sicherung der Familie, einen reichen Adligen heiraten. Für Rosa und Valerio ist so ein Vorgehen der Eltern Elmires unverständlich.

    Als sie Elmire kommen sehen, fordern sie die Freundin auf, in den schön gepflegten Garten zu kommen. Hier kommt jenes Duett zu Gehör, dass Mozart kongenial für eine Singstimme vertont hat, und das in Goethes Libretto ein Duett zwischen Rosa und Valerio ist:

    Rosa
    Ein Veilchen auf der Wiese stand
    Gebückt in sich und unbekannt,
    Es war ein herzigs Veilchen.
    Valerio
    Da kam eine junge Schäferin
    Mit leichtem Schritt und munterm Sinn
    Daher! daher!
    Die Wiese her und sang.
    Elmire
    Ach, denkt das Veilchen, wär' ich nur

    Die schönste Blume der Natur,
    Ach nur ein kleines Weilchen;
    Bis mich das Liebchen abgepflückt
    Und an dem Busen matt gedrückt!
    Ach nur! Ach nur
    Ein Viertelstündchen lang!
    Rosa
    Ach aber ach! das Mädchen kam
    Und nicht in Acht das Veilchen nahm,
    Ertrat das arme Veilchen.
    Valerio
    Und sank und starb und freut' sich noch:
    Und sterb' ich denn, so sterb' ich doch
    Durch sie, durch sie,
    Zu ihren Füßen doch!«

    Zu drei.

    Und sterb' ich denn; so sterb' ich doch
    Durch sie, durch sie,
    Zu ihren Füßen doch!


    Elmire ist ganz ergriffen, erinnert sich daran, dass ihr Erwin dieses Lied gerne gesungen hat und das sie, Elmire, jetzt mit ihren Freunden gerne singen möchte. Rosa und Valerio tragen es aber alleine vor, während Elmire, immer ergriffen, nur zuhört.


    Für Erwin war die Folge von Elmires Handlung ein Versinken in Schwermut. Das konnten und wollten Rosa und Valerio nicht akzeptieren nicht und haben versucht, Elmire zu trösten - was aber tatsächlich nicht gelang. Und dann hatte Valerio die Idee, einen ihm bekannten alten und weisen Eremiten zu kontaktieren und um Rat zu fragen. Das hat aber Rosa nicht gepasst - sie reagiert eifersüchtig, was für Valerio wiederum nicht hinnehmbar war, er ließ sie ärgerlich zurück und machte sich selbst eiligst davon. Das ist für Rosa ein Schlag, den sie nicht beabsichtigt hatte, den sie nun auch nicht verdauen kann.

    Elmire versucht nun, Rosa zu trösten, aber es kommt ein Knabe auf sie zu, der hat ein versiegeltes Blatt Papier in der Hand, das er Rosa gibt. Die bittet Elmire, die Versiegelung zu erbrechen und ihr den Inhalt vorzulesen. Elmire liest dann den Text vor

    Ich flieh', ich fliehe,
    Dich zu vermeiden,
    Und mit den Schmerzen
    Und mit den Freuden
    Nicht mehr zu kämpfen.
    Siehst mich nicht wieder;
    Schon bin ich fort!


    Jetzt muss Rosa von Elmire getröstet werden - und sie gibt an, zu ahnen, wo sich Valerio aufhält. Elmire überredet Rosa, Valerio aufzusuchen...


    Zweiter Akt.
    Waldig-buschige Einöde, zwischen Felsen eine Hütte mit einem Garten dabei.


    Erwin hatte sich an einen Einsiedler erinnert, der ihm mit seinem Rat bezüglich Rosa helfen sollte. Er hatte sich also in den Wald zur Klause des Eremiten begeben, um ihn um einen Rat in Liebesdingen zu bitten. Allerdings befand sich der alte, weise Mann nicht in gesundheitlicher bester Verfassung und Erwin fand ihn eines Tages friedlich eingeschlafen auf seiner Lagerstatt vor.


    Inzwischen ist es Herbst geworden; Erwin hat sich in der Klause eingerichtet, hat aber auch Sehnsucht nach seiner Elmire. Plötzlich erscheint Valerio, den Einsiedler suchend, und erfährt von Erwin, dass der gestorben sei. Das lässt Valerios Mut auf einen Tiefpunkt sinken, denn seine Idee löst sich gerade in Nichts auf.


    Während die beiden Männer, in Gedanken versunken, auf Baumstümpfen hocken, sehen sie Elmire und Rose auf die Klause zukommen, offensichtlich auf dem Weg zum Eremiten. Schnell verkleidet sich Erwin mit Valerios Hilfe und versteckt sich dann. Valerio und Rosa schließen Frieden und Erwin überreicht als Einsiedler eine Zettel mit dem Hinweis, dass ihr Erwin nicht weit von der Klause entfernt an einer Linde auf sie warten würde.


    Elmire begibt sich sofort auf den Weg, Erwin zieht sich schnell um und eilt ihr auf anderem Pfad nach. An der Linde angekommen, fallen sich beide in die Arme, ihren kleinen Streit vergessend.


    Anmerkungen.

    Das einaktige Schauspiel mit Gesang, Erwin und Elmire, das Goethe in Italien zum Singspiel in zwei Akten umarbeitete, gehört zu seinen erfolgreichsten Bühnenstücken. Schon nach der ersten anonymen Veröffentlichung in der Märzausgabe der von Johann Georg Jacobi herausgegebenen Vierteljahresschrift für Frauenzimmer Iris des Jahres 1775, stieß es auf lebhafte, wenn auch nicht immer ungeteilt positive Resonanz und weckte große Erwartungen. Nach der mäßig erfolgreichen ersten Aufführung in Offenbach mit der Musik von Johann André durch eine Gruppe tragierender Freunde Ende Mai 1775, erregte das Stück erst nach der Aufführung durch die kurpfälzischen Hofschauspieler unter Theobald Marchand am 13. September 1775 im Frankfurter Junghof (vermutlich mit Andrés Musik), vor allem aber nach der Premiere der Inszenierung der Döbbelinischen Theatergesellschaft in der Berliner Behrenstraße, die am 17. Juli 1775 stattfand, einiges Aufsehen.


    Das Gedicht Das Veilchen aus dem ersten Akt von Erwin und Elmire ist im zweiaktigen Libretto Goethes ein Duett für Rosa und Valerio. Mozart hat es - unter der KV-Nummer 476 - für eine Singstimme vertont. Es ist eine der schönsten und berühmtesten Lied-Vertonungen Mozarts. Hier aber soll nicht unterschlagen werden, dass Johann Friedrich Reichardt für sein Singspiel eine anmutige Duett-Szene geschaffen hat.

    André-Ernest-Modest Grétry (1741-1813):
    RAOUL BARBE BLEUE

    Opéra comique (im Original: Comédie) in drei Akten

    Libretto von Michel-Jean Sedaine

    nach dem Märchen aus den Contes de ma mère l’oye. Histoires ou Contes du temps passé, avec des moralités (1697) von Charles Perrault.

    Originalsprache: Französisch

    Widmungsträger ist Godefroid de Villeraneuse.


    Uraufführung am 2. März 1789 in der Salle Favart der Comédie Italienne in Paris.


    Personen der Handlung:
    Isaure (Sopran)

    Vergy, Verehrer Isaures (Tenor)

    Marquis, Bruders Isaures (Bass)

    Vicomte, Bruder Isaures (Tenor)

    Jeanne (Sopran)

    eine Gärtnerin (Sopran)

    Ofman, Diener von Raoul (Tenor)

    Raoul de Carmantes, Barbe-Bleue (Bass)

    Laurette (Sprechrolle)

    Chor / Statisten: Gefolge von Barbe-Bleue, Isaure und ihren Brüdern

    Ballett: Schäfer, Schäferinnen.


    Ort und Zeit: Ein Chateau in Frankreich, Mittelalter.


    Erster Akt.

    Die Vorstellung beginnt mit einer dramatischen Ouvertüre, die mehr ist als nur eine kurze Anspielung auf Glucks Tauridische Iphigenie und die damit im Grunde genommen einer Opéra comique zuwider ist. Wenn man diese Anspielung auf eine Opera seria Gluckschen Charakters aber mal beiseite lässt, dann eröffnet sich ein Kosmos der Heiterkeit à la Francais. Und dieser Kosmos hat folgenden Hintergrund:


    Isaure ist verliebt und hat sich in den Kopf gesetzt, ihren Verehrer Vergy zu heiraten, aber ihre Brüder, Marquis und Vicomte, sind gegen diese Verbindung. Sie haben andere Vorstellungen und machen Isaure klar, dass eine Frau, ob jung oder alt, nichts zu melden hat, sie hat zu erfüllen, was Eltern oder, wenn die nicht mehr da sind, was Brüder beschlossen haben. In diesem Falle ist es der reiche Adlige Raoul de Carmantes, den sie als den Zukünftigen der Schwester ausgesucht haben. Außerdem, auch ganz wichtig für die Brüder: durch diese Heirat wird sich die Familie finanziell besser stellen. Die arme Isaure, die natürlich Vergy weiterhin liebt, muss sich den Wünschen ihrer Brüder fügen. Die Folge ist, dass sie ihren Geliebten schweren Herzens aufgibt, allerdings wird diese Aufgabe mit großzügigem Schmuck-Geschenk von Raoul gelindert.


    Zweiter Akt.
    Inzwischen haben Raoul de Carmantes und Isaure geheiratet und leben auf dem Schloss des Adligen in schöner Harmonie. Aber an diesem Tag hat Raoul seinem Diener Ofman von einem Geheimnis berichtet, das er bisher, so gesteht Raoul, verschwiegen hat: er hat seine ersten drei Frauen wegen einer Prophezeiung getötet. Und diese Prophezeiung besagte, dass die Neugier seiner Frau ihm den Tod bringen werde. Seine ersten drei Frauen hatten sich tatsächlich als zu neugierig erwiesen, und Raoul hatte sie wegen der Prophezeiung getötet. Ein Handeln nach der Devise besser die, als ich.

    Ofman bittet seinen Herrn, die schöne Isaure vor diesem Schicksal zu bewahren, was Raoul nach einigem Überlegen auch verspricht. Aber er wäre nicht Raoul de Carmantes, wenn bei diesem Versprechen nicht auch ein Haken wäre, denn insgeheim beschließt er, Isaure auf die Probe zu stellen: er gibt ihr alle Zimmerschlüssel seines Schlosses mit der Maßgabe, dass sie alle Zimmer öffnen und betreten dürfe, aber mit Ausnahme eines einzigen, ganz bestimmten Zimmers.


    Isaures beiseite geschobener Liebhaber Vergy, hat sich etwas Besonderes einfallen lassen: er, der dem Adligen Raoul misstraute und der seine Liebste nicht vergessen kann und sich um sie sorgt, erscheint im Chateau in der Verkleidung von Isaures Schwester Anne, um sie zu beschützen. Dass Raoul diesen Betrug nicht gemerkt haben sollte und Anne auch im Chateau leben konnte, verwundert das Publikum schon.


    Isaure erzählt Vergy sofort am ersten Tag nach dem Eintreffen im Chateau die Geschichte von der Erlaubnis Raouls, alle Zimmer betreten zu dürfen, nur eines am Ende des Ganges nicht. Vergy ist sofort hellhörig und erinnert Isaure an die in der Schlosshalle hängenden Bilder, die Lots Frau, aber auch Pandora und Psyche darstellen – alles Frauen, die für ihre Neugier bestraft wurden. Das verängstigt Isaure zwar, aber sie kann der Versuchung nicht widerstehen, jenes verbotene Zimmer zu betreten. Als sie es öffnet, findet sie dort drei Leichen von Frauen, wahrscheinlich drei Ex-Frauen von Raoul; sie ruft Vergy herbei und beide beschließen sofort, aus dem Chateau von Raoul zu fliehen.


    Dritter Akt.
    Der Beschluss, aus Raouls Einflusssphäre zu fliehen, ist zwar gut überlegt, aber nicht konsequent geplant. Noch ehe es nämlich dazu kommt, kehrt Raoul von einem Ausritt zurück. Er bemerkt, in die Halle getreten, dass seine Frau jenes Kabinett am Ende des langen Flurs betreten und die drei Leichen entdeckt hat. Die Folge für Raoul ist eindeutig: seine vierte Frau muss auch sterben.


    Das ahnt Vergy, der seine Tarnung nun aufgibt und sich Raoul in den Weg, also zum Kampf stellt. Doch Raoul gelingt es, seine Frau zu ergreifen und sich mit ihr in das Mordzimmer zurückzuziehen. Den Mord an Isaure kann er aber nicht vollziehen, weil jetzt, sozusagen als eine Art Deus ex machina, drei Ritter erscheinen, nämlich die Väter der drei Ehefrauen, die Raouls Mordplänen zum Opfer gefallen sind. Diese drei Ritter haben nämlich, in einer Märchenerzählung nicht ungewöhnlich, von den Gräueltaten Raouls gehört und sich entschlossen, einen vierten Mord zu verhindern. Gemeinsam mit Vergy können sie Raoul töten, noch ehe er den Mord an Isaure vollziehen kann.


    Endlich ist der Weg für eine gemeinsame Zukunft von Isaure und Vergy frei und die Geschichte am Ende angekommen.


    Anmerkungen.
    Die Musik hatte es von Anfang an leicht, die Handlung aber war unter den Musikkritikern der damaligen Zeit höchst umstritten. Die waren nämlich der Meinung, dass es sich hierbei nicht um eine komische Oper, sondern um eine Tragödie handele, die in der Comédie Italienne fehl am Platze sei.


    Die Handlung der im März 1789 uraufgeführten Oper übt deutlich Kritik am Feudalismus, der durch den Adligen Raoul de Carmantes verkörpert wird. Damit wird die bereits damals im französischen Volk vorhandene Unzufriedenheit mit dem bestehenden Ancien Régime angeprangert. Nur wenige Monate später sollte mit dem Sturm auf die Bastille die Französische Revolution ausgelöst werden, damit auch das Ende des Feudalismus in Frankreich gekommen sein. Sowohl Grétry als auch Sedaine machten in dem Werk ihre Sympathie für die Unzufriedenheit der Bevölkerung deutlich, während Obrigkeit und Adel mehr in Sorge um ihre Zukunft waren und die Oper ablehnten.


    Trotzdem wurde Raoul Barbe Bleue in den 1790er Jahren noch des öfteren gespielt; auch außerhalb Frankreichs kam es zu Aufführungen, wie z.B. in Brüssel und Amsterdam (1791), in Hamburg (1797) und in St. Petersburg (1798). Im deutschsprachigen Raum kam die Oper unter dem Titel Raoul Blaubart heraus. Die Erstaufführung in Dresden im Jahr 1817 wurde von Carl Maria von Weber einstudiert und geleitet. Damals gab es noch einige internationale Erfolge, aber im Laufe der Zeit ließen die Aufführungen nach, bis sie schließlich ganz ausblieben. Das Thema wurde von anderen Komponisten im 19. Jahrhundert neu aufgegriffen, so von Offenbach mit seiner Operette Blaubart.

    Johann Friedrich Reichardt (1752-1814):
    DIE GEISTERINSEL

    Singspiel (im Erstdruck) bzw. Oper (im Nachdruck) in drei Akten

    Libretto von Friedrich Wilhelm Gotter und Friedrich Hildebrand von Einsiedel

    nach einer Vorlage von William Shakespeare.


    Uraufführung am 6. Juli 1798 im Nationaltheater in Berlin.


    Personen der Handlung:

    Prospero, ehemaliger Herzog von Mailand (Bass

    Miranda, seine Tochter (Sopran)

    Fernando, Prinz von Neapel (Tenor)

    Fabio, Page des Prinzen (Sopran)

    Ariel, ein Luftgeist (Sopran)

    Caliban, Sohn der Sycorax (Bass)

    Stafano, Oronzio, zwei Schiffbrüchige (Bässe)

    Ruperto, Bootsmann (Sprechrolle)

    Schatten von Maja und Sycorax (stumme Rollen)

    Chor / Statisten: Schatten, Geitser Matrosen

    Ort und Zeit: Mittelmeer-Insel zu märchenhafter Zeit


    Erster Akt.

    Eine Seite mit Felsengrotte, deren Eingang mit Muscheln und Korallen geziert ist; auf der anderen Seite ein Wald mit Sitzen aus abgehauenen Bäumen. Weiter vor ein Grabhügel mit einem Denkmal in Form eines Altars.


    Prospero, der frühere Herzog von Mailand, ist von seinem Bruder Antonio nicht nur entmachtet, sondern auch, mitsamt seiner Tochter Miranda, des Landes verwiesen und vor einer einsamen Insel ausgesetzt worden. Den sicheren Tod vor Augen hat Prospero jedoch mit der Hilfe seiner Zauberbücher das Land erreicht, für ihn und seine Tochter also zunächst einmal ein Zeichen für Überlebenswillen.


    Aber das Leben auf und in diesem Eiland war nicht leicht, denn die Herrscherin auf dieser Insel, Sycorax, und ihr Sohn, Caliban mit Namen, sahen die Ankunft des Fremden mit gemischten Gefühlen, von Seiten der Sycorax, die sich als eine wirklich unangenehme Person benahm, sogar ablehnend. Aber es gelang Prospero, Sycorax und Caliban mit Hilfe seiner Zauberei unschädlich zu machen.


    Da war allerdings auch ein guter Geist, der sich Ariel nannte, und den Prospero sich dienstbar zu machen verstand. Dieser Ariel berichtete eines Tages Prospero, dass Sycorax und ihr Sohn Caliban sich vorgenommen hätten, das Eiland wieder unter ihre Herrschaft zu bringen. Der ungeschlachtete Caliban hat noch zusätzliche Träume, wie Ariel noch zu berichten weiß, die Prospero gar nicht gefallen: er hat sich nämlich in Miranda verliebt und will sie für sich gewinnen.

    Aktuell ist ein heftiger Sturm aufgekommen und hat dabei ein Schiff in Seenot gebracht: es wurde vor der Insel auf einen Felsen zugetrieben, der es zerstörte, während die Passagiere und die Besatzung sich retten konnten auf der Insel nun Schutz suchten…


    Zweiter Akt.
    Eine romantische Gegend auf der Insel mit Aussicht auf das Meer.


    Die den Schiffbruch überlebt haben sind der Prinz von Neapel, Fernando, und Freunde mit der Besatzung des Schiffes. Er streift in der Nähe des Strandes über die Insel, begegnet Prospero und klagt über sein schlimmes Los. Aus dem informellen Gespräch der beiden wird klar, dass Fernando Prosperos Patenkind ist. Die hinzukommende Miranda sieht den Prinzen und ist sofort in ihn verliebt. Fernando geht es dabei nicht anders.


    Stefano und Oronzio, zwei Mitglieder aus der Begleitung Fernandos, sind ebenfalls auf eine Erkundungstour in der näheren Umgebung gegangen und haben dabei Caliban getroffen. Der hatte nichts Eiligeres zu tun, als sie in seine Pläne einzuweihen und die zielen auf eine Entmachtung Prosperos und die Übernahme seiner Macht über die Insel. Das ist ein Plan, den Fernandos Page Fabio belauscht hat, der seinen Herrn sofort darüber informiert und warnt. Ein Pakt zwischen Prospero und Fernando ist umgehend geschlossen und man schlägt die Aufständischen mit ihren eigenen Waffen in die Flucht. Der Wunsch Fernandos, dass ihm Prospero die Hand seiner Miranda dafür gibt, erfüllt sich allerdings nicht, denn Prospero will sein Patenkind erst noch weiter prüfen.


    Dritter Akt.

    Miranda sitzt am Grabe der Maja, einer von den guten Geistern und zählt Korallen aus dem Beutel in ihrem Schoß. Auch Fernando ist anwesend, hockt, von Miranda nicht gesehen, auf einem Baumstumpf, und zählt ebenfalls Korallen aus einem Beutel auf ein über die Knie gelegtes weißes Tuch.


    Ein Duett zwischen Miranda und Fernando, die allerdings nichts voneinander wissen, da sie mit dem Rücken zueinander sitzen, eröffnet diesen dritten Akt.


    Unter Blitz und Donner öffnet sich der Boden und Sycorax, ein schwarzer Schatten, in Dampf gehüllt, schwingt einen Zauberstab. Der Schatten fährt herauf und herab. Plötzlich berstet das Grab und Maja, ein weißer Schatten, kommt hervor und wendet sich erst mit hochgestrecktem Arm gegen Sycorax, eilt dann auf sie zu, woraufhin Sycorax erstarrt, und den Zauberstab verliert. Maja blickt gen Himmel, Blitz und Donner beginnen von neuem. Der schwarze Schatten Sycorax fährt unter Flammen hin, Maja steigt gravitätisch wieder in die Gruft, aus dem plötzlich ein Palmbaum heraufsteigt.


    Miranda und Fernando sind wegen des Gewitters ängstlich in unterschiedliche Richtungen davongeeilt.


    Prospero sitzt auf einer Felsenbank und schläft. Über ihm schweben transparente Lufterscheinungen, die eine Gruppe Geister und Sylfen darstellen, die nach dem Gesang eines Duetts zwischen Ariel und Prospero wieder verschwinden.


    An anderer Stelle haben die Aufrührer Caliban, Oronzio und Stefano einen Angriff auf Prospero unternommen, der aber dank des Eingreifens von Fernando vereitelt werden konnte. Die Aufständischen sind dabei ins Meer gestürzt. Prospero ist nach diesem Kampf von den guten Absichten Fernandos überzeugt, weshalb er ihn mit seiner Tochter verbindet.


    Der Bootsmann Roberto kommt nun mit der Nachricht, dass man in der Heimat Mailand auf die Rückkehr von Prospero hofft, weil nämlich sein Bruder Antonio zurückgetreten sei. Umgehend werden die guten Geister, an der Spitze Ariel, mit der Instandsetzung von Schiffen betraut, damit man in die Heimat zurücksegeln kann. Prospero hält vor dem Schlusschor noch eine kurze, rezitativische Rede, wobei er den Zauberstab hochhält:

    O, die ihr einst mir Schutz gewährtet
    als mich mein Vaterland verstieß,
    mich treu bewachet, liebreich nähret,
    und wenn ich trostlos mich dem Kummer überließ,
    mitleidig strebtet, ihn zu stillen,
    ihr Geister, die ich meinen Willen
    neun Jahre lang zu frohnen zwang,
    Bewohner der Lüfte, der Halme, der Bäche,
    vor allen du, der ganz sich mir zu eigen gab,
    mein Ariel, hab Dank, leb wohl.
    Seid frei, ich breche frohlockend meinen Stab.


    Anmerkungen:

    Goethe war, wie er am 2. Oktober 1798 in einem Gespräch angab, begeistert von Reichardts Singspiel: Die Geisterinsel ist ein Meisterstück an Poesie und Sprache: es lässt sich nichts musikalischeres denken. Diesem Urteil hat sich der regierende Herzog von Sachsen-Weimar, Carl August, im Jahre 1801 angeschlossen: er schrieb, dass in dem Bühnenwerk eine wirklich schöne Musik darinnen sei. Das Singspiel war eines der erfolgreichsten Bühnenwerke von Reichardt.

    Johann Friedrich Reichardt (1752-1814):
    CLAUDINE VON VILLA BELLA

    Singspiel in drei Akten

    Libretto von Johann Wolfgang von Goethe.


    Uraufführung 1789 in Berlin (Schloss Charlottenburg).


    PERSONEN DER HANDLUNG:
    Alonzo, Herr von Villa Bella (Bass)

    Claudine, seine Tochter (Sopran)

    Lucinde, Alonzos Nichte (Sopran)

    Pedro von Castellvvechio (Tenor)

    Carlos von Castellvecchio (Rugantino (Tenor)

    Basco, ein Abenteurer (Bass)

    Ein Kind (Sopran)

    Chor: Vagabunden, Bediente, Gardesoldaten.

    Ort und Zeit: Sizilien, 18. Jahrhundert.


    Erster Akt.

    Claudine feiert ihren Geburtstag mit Angehörigen und der Dienerschaft. Unter den Gästen ist auch ein junger Mann, Sohn eines Jugendfreunden von Claudines Vater Alonzo. Und der hat sich als Pedro von Rovero den Anwesenden vorgestellt. Claudine hat sich sofort in ihn verliebt, wie auch er in sie.


    Lucinde, Alonzos Nichte und Freundin von Claudine, scheint ein Störfaktor zu sein, denn sie gesteht dem Geburtstagskind, dass jener Pedro ihr kürzlich begegnet sei und sie sich in ihn verliebt habe. Wohlweislich schweigt Claudine zu Lucindes Liebesgeständnis, ist aber schon etwas enttäuscht. Manchmal sprechen Minen halt Bände...


    Nach kurzer Zeit erklärt dieser Pedro von Rovero den Alonzos, dass er sich verabschieden müsse, da er seinen Verpflichtungen am königlichen Hof nachzukommen habe. Aber er hat, wie er hinzufügte, auch noch eine private Mission, nämlich: dass er nach seinem vom Vater verstoßenen und seither verschollenen älteren Bruder suchen wolle. Bisher seien seine Bemühungen allerdings ohne Erfolg geblieben. Das aber wird sich nun ändern, was Pedro natürlich nicht weiß noch nicht einmal ahnt.


    Tatsächlich lebt jener Bruder von Pedro ganz in der Nähe, nennt sich Rugantino und ist der Anführer einer Bande von Vagabunden, die ihm helfen soll, Lucinde, in die er sich verliebt hat, als er ihr zufällig begegnete, zu entführen.


    Zweiter Akt.

    Rugantino kommt mit seinen Kumpanen zur Villa Bella, um Lucinde ein Ständchen zu bringen. Bei dieser Gelegenheit überrascht ihn Pedro, der sich, was weiter nicht erklärt wird, immer noch in der Nähe der Villa Bella aufhält. Vielleicht ist Pedro eifersüchtig, weil er vermutet, dass Rugantinos Ständchen seiner geliebten Claudine gilt, denn es kommt zu einem Duell, bei dem Pedro leicht verletzt wird, und die zufällig anwesenden Mädchen um Hilfe rufen.


    Don Alonzo kommt gelaufen und Rugantino gibt sich ihm gegenüber als ein fahrender Sänger aus, woraufhin Alonzo ihn in sein Schloss bittet. Lucinde erkennt in ihm den Mann, der ihr kürzlich mal zufällig begegnet ist und der ihr ausnahmslos gut gefiel, den sie dann aber nicht mehr sah. Sie gesteht Claudine, den Fremden, der so schön singen kann, interessant und entzückend zu finden.


    Kurz darauf erscheinen Bediente von Don Alonzo, die behaupten, dass sie den Schönling als Mitglied einer Bande von Vagabunden kennen. Eine nicht gerade erfreuliche Einlassung der Dienerschaft, doch Alonzo bewahrt Ruhe, bietet ihm sogar ein Zimmer an, um ihn, wie er „beiseite“ sagt, in seine Gewalt zu bringen.


    In diesem Augenblick treten Pedros Bediente auf die Szene und melden, dass ihr Herr von den Vagabunden überfallen und verschleppt wurde. Daraufhin eilt Rugantino, niemand kann ihn aufhalten, zum Schloss hinaus.


    Dritter Akt.

    Pedro ist tatsächlich von den Vagabunden in ihr Lager, das in einem Gebirge liegt, verbracht worden. Aber er konnte heimlich einen der Täter bestechen, der eine Nachricht von ihm in die Villa Bella bringen sollte. Als der Vagabund Basco mit dem erbeuteten Gepäck von Pedro auf Rugantino trifft, erkennt der nach Durchsicht der Habseligkeiten des Edelmannes, der sich Pedro von Rovero nennt, sein Bruder ist.


    Nach einem kurzen Gespräch mit Pedro gibt sich Rugantino als sein Bruder Carlos zu erkennen. Es kommt zu einer brüderlichen Umarmung und auch Wiedersehensfreude, doch Carlos bittet Pedro auch, dass er bei Antritt seines Hofdienstes den König um Gnade für sich und die Vagabunden einkommen möge. Ohne zu wissen, dass die Majestät der Bitte Pedros nachkommen wird, verspricht er den Kumpanen Straffreiheit, bricht aber dann mit ihnen zur Villa Bella auf, um den nahenden Gardesoldaten zu entgehen.


    Inzwischen sind auch Claudine und Lucinde aufgebrochen, um Pedro zu suchen. Beide verirren sich nicht nur, sie werden sogar von dem Vagabunden Basco aufgegriffen, der allerdings nicht weit kommt, denn die Hilferufe der beiden jungen Damen hören zufällig, weil sie nicht weit entfernt sind, Pedro und Carlos, die sie aus der Hand Bascos befreien können.


    Als die Gardesoldaten des Fürsten von Rocca Bruna und etwas später auch die Leute von Don Alonzo kommen, treffen sie auf zwei glückliche Paare.



    Anmerkungen.

    Claudine von Villa Bella ist ein Schauspiel mit Gesang von Johann Wolfgang von Goethe. Es wurde mehrfach vertont, unter anderem von Johann Friedrich Reichardt (1789), Carl Traugott Eisrich (1813), Franz Schubert (1815) und Engelbert Humperdinck (1868-1872).


    Der Dichterfürst setzte sich mit seinem Singspiel bewusst von der Tradition der an Opéra comique und Opéra bouffe orientierten Tradition ab und setzte Gedanken und Motive des Sturm und Drang in Operettenform um. Das Stück wechselte ursprünglich zwischen Dialogen in Prosa und Gesangspartien. Während der italienischen Reise setzte Goethe die Prosapartien in Blankverse und überarbeitete auch den Gesangsteil. Zumindest Reichardt hielt sich auch in der Komposition an die Intentionen Goethes, entsprach doch Reichardts Vorstellung von der Vertonung dieses Stücks genau Goethes Vorstellung.

    (Extrakt aus Wikipedia)

    Johann Adolf Hasse (1699-1783):
    ENEA IN CAONIA

    Serenata in zwei Teilen

    Libretto von Luigi Maria Stampiglia

    Originalsprache: Italienisch.


    Uraufführung 1727 in Neapel.


    Personen der Handlung:

    Jlia (Sopran)

    Enea (Alt)

    Andromaca (Mezzosopran)

    Eleno (Sopran)

    Niso (Tenor)

    Ort und Zeit: Griechische Mythologie, nach dem trojanischen Krieg.


    Das Handlungsgerüst.
    Die Liebesgeschichte der von Aeneas verlassenen Dido, die etliche Komponisten von Purcell bis Berlioz zu Opern und Kantaten inspiriert hat, ist sicherlich jedem Musikfreund gegenwärtig, doch sie ist nur eine von vielen Stationen auf den abenteuerlichen Irrfahrten des trojanischen Helden, die sogar teilweise an identische Schauplätze führen, die auch Odysseus sah.


    Das alles ist in der Aeneis von Vergil nachzulesen, die allerdings nicht so berühmt wurde, wie die Epen Homers. Des Aeneas Aufenthalt in Chaonien, das zu Epirus gehört (was heute zum Teil in Albanien liegt), ist in dieser Erzählung sozusagen ein ruhiges Intermezzo, denn Aeneas trifft hier auf alte Bekannte: z.B. Andromache, die Witwe Hektors, die jetzt mit Helenus, Sohn des Priamus, vermählt ist, und der ihm den Weg nach Italien mit allen vorausgehenden Irrungen weissagen lässt.


    Diese Episode aus dem 3. Buch der Aeneis, die Stampiglia als Vorlage für die Serenata benutzt hat, enthält kaum Handlung, keinerlei Konflikte und außer den gemeinsamen traurigen Rückerinnerungen an das zerstörte Troja. keine starken Emotionen, ist also per se kein Opernstoff. Der Librettist Luigi Maria Stampiglia, der dem Vergil ansonsten genau folgt, hat deshalb eine Figur hinzuerfunden – die Jägerin Jlia, in die sich Nissus, Aeneas’ Begleiter, verliebt, ohne bei ihr anzukommen, denn sie ist fest entschlossen, sich der Liebe, die sie als Tyrannei empfindet, nicht auszusetzen.


    Das Stück kommt mit nur wenigen handelnden Personen aus und hat kaum Aktionen. Die Musik will gefallen - und das tut sie, weil es den Interpreten zahlreiche Möglichkeiten gibt, zu brillieren, ohne dass die komponierte Virtuosität zum Selbstzweck wird. Hasse hatte auch vollkommen den „dolce stil nuovo“ übernommen, der sich durch Eleganz und Einfachheit, melodischen Reichtum und abwechslungsreiche Formverläufe auszeichnet.


    Wir, als Zuschauer (oder Hörer), werden Zeuge wie Aeneas in Chaonien, einem Teil von Epirus, von König Helenus und seiner Gattin Andromache, gastfreundlich aufgenommen wird. Hier wird Aeneas die Fahrt nach Italien und die Gründung Roms, des neue Troja, vorhergesagt. Auf der Bühne treffen Aeneas und sein Waffenbruder Nisus mit der trojanischen Jägerin Jlia zusammen, einer bescheidenen Waldbewohnerin Chaoniens. Wie schon erwähnt, hat Stampiglia diese Person erfunden, und sie stellt eine Verbindung zwischen dem Fremden (Aeneas) und den Gastgebern (Helenus und Andromache) her. Außerdem gibt es kurze Komplikationen zwischen Jlia und Nisus, die aber folgenlos bleibt, weil Jlia sich nicht mit Liebesdingen zu beschäftigen denkt.


    Zweierlei ist noch zu beantworten: Erstens: wer Auftraggeber der Serenata war, und zweitens: wo sie uraufgeführt wurde. Ondrej Macek hat mit einer Forschungsarbeit ein plausibles Szenario entwickelt: nämlich den Besuch von Violante Beatrix, Tochter des Kurfürsten Ferdinand Maria von Bayern und Witwe des toskanischen Erbgroßfürsten Ferdinando de Medici im November 1727 in Neapel. Die königliche Dame war in Begleitung des Kurfürsten von Köln, ihrem Neffen Clemens August von Bayern, der vom Papst gerade zum Bischof geweiht worden war. Dass sie im Libretto als Widmungsträger der Serenata nicht erwähnt wurden, dürfte eine Vorsichtsmaßnahme des Vizekönigs gewesen sein, denn die Medici und Violante Beatrix waren den Habsburgern nicht gerade freundlich gesinnt.


    Auch die Interpreten der Uraufführung sind unbekannt geblieben, dürften aber wegen der durchaus ambitionierten Musik Spitzenleute gewesen sein. Das Booklet der cpo-Aufnahme (die an fünf Tagen im Teatro di Villa Torlonia in Rom stattfand und von der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland mitfinanziert wurde) gibt nähere Hinweise, die hier wegen des Umfangs der Erklärungen ausgespart werden müssen. Auch der Musik wegen und interpretatorisch ist Enea in Caonia eindeutig ein Gewinn für das Repertoire in der Diskographie, vor allen Dingen von Johann Adolf Hasse.

    (Extrakt aus dem Beiheft der cpo-Einspielung)

    Johann David Heinichen (1683-1729):
    FLAVIO CRISPO

    Oper in drei Akten

    Libretto von Steffano B. Pallavicini (?)

    Originalsprache: Italienisch.


    Uraufführung (lt.Website von Il Gusto Barocco) am 18. Juni 2016


    Personen der Handlung:

    Konstantin, römischer Kaiser (Bass)

    Fausta, seine Gemahlin (Alt)

    Flavio Crispo, deren Sohn (Altus)

    Massiminiano, Massenzio genannt, Faustas Bruder und Gegner Flavios (Tenor)

    Gilimero, Heerführer und Freund Flavios (Sopran)

    Elena, englische Prinzessin am Hof Konstantins (Sopran)

    Imilee, Tochter des ostfränkischen Königs Assaricos (Alt).

    Ort und Zeit: Regierungszeit Konstantins, der Ort ist nicht explizit genannt.


    Erster Akt.
    Gemach der Kaiserin im Palast.

    Massiminiano, der Bruder der Kaiserin Fausta, den alle nur Massenzio nennen, hält sich bei ihr auf und klagt ihren Mann Konstantin an, ihm den Thron geraubt zu haben. Wichtig ist ihm aber auch, dass Fausta weiß, dass er sich nach Elena, der schönen englischen Prinzessin am Hof Konstantins, sehnt. Schwester Fausta rät ihm, nicht weiter um Elena zu werben, sondern sich auf die Beseitigung von Flavio Crispo, dem Sohn Konstantins und Verehrer der Dame, aus dem Weg zu räumen.


    Fausta trifft nach dem Abgang vom Massenzio auf Elena und erklärt ihr, dass sie ihren Stiefsohn hasst, dem sie sogar beim Triumphzug die Ehre verweigert habe. Für das Reich und seinen Vater war Flavio Crispo nämlich nach Gallien in den Krieg gezogen, hatte aber seine Gefühle für Fausta im Zaum gehalten, was der wohl nicht gepasst hat. Sie möchte nun, dass Elena ihren Stiefsohn empfängt. Zufällig steht er gerade in diesem Augenblick vor der Tür. Als er Fausta begrüßen will, weist sie ihn ab, weil sie weitere Schmähungen befürchtet. Flavio glaubt, dass er in Elenas Augen Zuneigung für ihn erkannt zu haben. Der Triumphzug durch Rom ist ihm plötzlich nicht mehr so wichtig, die Eroberung seiner Herzensdame dafür umso wichtiger.


    Er wirbt um die schöne Engländerin, doch die will wissen, wie er von Fausta empfangen wurde, doch er hat in ihrer Gegenwart keinerlei Gedanken mehr an seine Stiefmutter. Aber bei Elena ist das anders: sie fürchtet Faustas Hass und sie überlegt, ob sie ihre Liebe zu Massenzio verbergen soll oder nicht.


    Szenenwechsel: Via triumphalis mit geschmücktem Triumphbogen und einem Thron.


    Gilimeo, Heerführer und Freund Flavios, kommt mit Imilee, einer gefangen genommenen Prinzessin aus Gallien, und stellt sie Kaiser Konstantin als eine „besondere Beute“ vor. Die junge Adlige wundert sich über Flavios Freund, denn der spricht bereits von „Liebe“ zu ihr. Konstantin beschließt, dass Imilee der Elena als eine Hofdame, sozusagen als einen Ehre, zugewiesen wird. Gilimeo hat sich also in Imilee verliebt, ist aber natürlich enttäuscht, als er erfährt, dass sie sich in Flavio Crispo verliebt hat.


    Nach dem Triumphzug durch Rom ernennt der Kaiser seinen Sohn zum Mitkaiser und überlässt ihm Imilee zur Sicherung des Friedens, aber auch um die Nachkommenschaft zu sichern. Er beauftragt (den darüber überraschten und auch enttäuschten) Gilimeo, das Heiratsgebot Imilee zu überbringen. Dass die sich bestimmt freuen wird, darf das Publikum als gesichert ansehen, aber Konstantins Sohn hat an der Ehe kein Interesse (denn er liebt schließlich Elena) und überlässt sie gerne seinem Freund Gilimeo. Flavios Problem ist aber ein möglicher Konflikt mit seinem Vater, wenn er sich dem Heiratsgebot widersetzt, weshalb ihm Fausta und Elena helfen sollen, die Hochzeit zu verhindern.


    Zweiter Akt.
    Privatgemach der Kaiserin.

    Die Nachricht von der geplanten Hochzeit von Flavio Crispo und Imilee hat inzwischen Fausta und Elena erreicht. Die Kaiserin freut sich bereits auf den Moment, wenn ihr Stiefsohn sie um Hilfe anfleht. Als dieses Gespräch zustande kommt, fordert sie von Flavio (übrigens zu seinem Entsetzen), dass er einer heimlichen Liebesbeziehung zu ihr zustimmt, denn nur unter dieser Bedingung will sie ihm helfen, die Heirat mit Imilee zu verhindern. Das aber weist er entschieden zurück. Als daraufhin Fausta ihrer Wut freien Lauf lässt, kommt Massenzio hinzu und verkündet, dass er seinen Rivalen im Kampf um seine Liebe zu Elena enttarnen konnte: es ist Flavio Crispo, der Sohn des Kaisers. Es sind die Liebesbriefe, die Flavio an Elena geschickt hat, die er jedoch abfangen konnte, und die er seiner Schwester als Beweis übergibt.


    Als Konstantin die Szene betritt, sieht er seine Gattin außer sich und hört von ihr, dass Flavio ihr seit einiger Zeit nachstellen würde und überreicht ihrem Mann als Beweis Flavios Briefe an Elena als angeblichen Beweis. Sie bittet Konstantin darum, Rom verlassen zu dürfen, da sie seine Kaiserwürde nicht beschmutzen will.


    Inzwischen ist Flavio mit seinem Freund Gilimeo übereingekommen, die Ehe mit Imilee nicht einzugehen und ihr das persönlich auch mitteilen zu wollen. Als dieses Gespräch stattfindet, tritt Konstantin hinzu und stellt seinen Sohn wegen der Anschuldigungen Faustas zur Rede. Flavio erkennt seine Briefe, nennt aber - aus unerfindlichen Gründen - nicht den Namen Elenas als tatsächliche Empfängerin der Schreiben. Er bittet stattdessen, dass Gilimeo Imilee heiraten darf und begründet das mit der große Liebe seines Freundes zu der Gallierin. Die Bitte erfüllt der Kaiser sofort, fordert dann aber von seinem Sohn die Übergabe seines Schwertes, stellt ihn unter Hausarrest und verurteilt ihn dann zum Tode. Und die Hinrichtung, ordnet er an, muss Gilimeo vollziehen, was den natürlich in vollständige Verzweiflung stürzt.


    Nach dem Abgang des Kaisers kommt Elena auf die Szene, findet so den Verzweifelten und bitte ihn um Erzählung des Vorgefallenen. Dieser Bericht lässt Elena verzweifeln und das ist der Moment, da Massenzio hinzutritt und um sie wirbt, von ihr aber abgewiesen wird. Daraufhin zeiht er Elena als eine Hochmütige, die sich durch des Kaisersohns Liebe zu ihr wohl schon als neue Kaiserin betrachtet. Er droht ihr, alles der eifersüchtigen Fausta mitzuteilen.


    Dritter Akt.
    Eine Galerie in den Gemächern Flavios.

    Konstantin hat, das Publikum hat es schon erfahren, Gilimeo beauftragt, das Todesurteil an seinem Sohn zu vollstrecken. Gilimeo erscheint also bei Flavio mit dem Giftbecher. Das ist der Moment, da Elena hereinstürzt und versucht, das Todesurteil zu verhindern. Doch hat Flavio den Giftbecher bereits geleert. Elena beweint ihr Schicksal, den Geliebten zu den Göttern abgeben zu müssen, als Imilee hinzukommt. Die will aus Empörung über das Todesurteil das Volk zu einem Aufstand gegen den Kaiser aufstacheln.


    Auch Fausta wird nun bewusst, was sie angerichtet hat und macht sich Vorwürfe. Sie wünscht sich auch den Tod, der eine Buße wäre für ihre falschen Beschuldigungen. Ihr Bruder Massenzio ist dagegen in Hochstimmung, den sein Rivale wird sterben und er macht sich vor allen Dingen Hoffnung auf den Thron. Dazu will auch er das Volk für einen Aufstand gewinnen.


    Inzwischen wünscht der Kaiser, sich in einem Bad zu erfrischen, aber der befohlene Tod seines Sohnes lässt ihn nicht zur Ruhe kommen. Da stürzt Gilimeo herein und berichtet, dass Massenzio einen Volksaufstand angezettelt habe. Plötzlich kommt auch Fausta und bekennt ihre Mitschuld an Flavios Tod durch falsche Beschuldigungen. In die allgemeine Bestürzung kommt nun noch die Nachricht, dass Elena sich umbringen wollte, dass sie aber von Imilee daran gehindert wurde. Dafür will sie, Imilee, Rache an dem Kaiser üben, aber Elena verhindert einen tödlichen Angriff auf Konstantin. Plötzlich erscheint Flavio an der Spitze von Leuten aus dem Volk und berichtet, dass Gilimeo ihm lediglich ein Schlafmittel in das Getränk gemixt habe, wodurch er natürlich überlebt habe.


    Glücklich fallen sich alle in die Arme und schließen Frieden.


    Anmerkungen.
    Die hier erzählte Geschichte hat ihren Ursprung in der römischen Vierkaiserherrschaft (Tetrarchie). Seit Kaiser Diocletian wurde das Römische Reich nämlich von zwei Senioren-Kaisern, die den Titel Augustus führten, regiert. Ab 306 war Konstantin alleiniger Kaiser, (durch Ernennung), der sich auf das gallische Heer stützte; sein Mitkaiser Maximinian (Massiminiano) war weitgehend entmachtet, hat aber auf verschiedenen Wegen versucht, seine Familie (und sich natürlich selbst) an der Macht zu halten. Er war ins Heerlager nach Gallien gereist und hatte mit Konstantin einen Deal geschlossen: Konstantin sollte sich von Minerva, seiner Gemahlin, der Mutter von Flavio Crispo, trennen, und dafür Fausta, Massimianos Tochter, ehelichen.

    Die Konstellation der handelnden Personen in Johann David Heinichens Oper:

    Konstantins Sohn Flavio Crispo aus erster Ehe liebt die englische Prinzessin Elena;

    Fausta, zweite Gemahlin von Konstantin, liebt Crispo,

    Imilee, Tochter der ostfränkischen Königs Assarico, liebt Crispo;

    Giliemo, Heerführer Roms und Freund Flavios, liebt Imilee;

    Massenzio, Faustas Bruder, will Kaiser Konstantin stürzen.


    Flavio Crispo, wurde zu Heinichens Lebzeiten nicht aufgeführt und das könnte gewollt gewesen sein. Den möglichen Grund lieferte Johann Joachim Quantz, der damals in Diensten des Dresdner Hofes stand, in seiner Autobiographie. Er schreibt mit Bezug auf den Monat September 1719:

    Nach dem Beylager componirte Hein[i]chen noch eine Oper, welche nach der Zurückkunft des Königs aus Pohlen aufgeführet werden solte. Bey der Probe aber, die auf dem königlichen Schlosse, in Gegenwart des Musikdirectors Baron von Martax gehalten wurde, machten die beyden Sänger, Senesino und Berselli einen ungeschliffenen Virtuosen-Streich. Sie zankten sich mit dem Capellmeister Hein[i]chen über eine Arie, wo sie ihm, einem Manne von Gelehrsamkeit, der sieben Jahre sich in Wälschland aufgehalten, Schuld gaben, dass er wider die Worte einen Fehler begangen hätte. Senesino, welcher seine Absichten schon nach England gerichtet haben mochte, zerriß die Rolle des Berselli, und warf sie dem Capellmeister vor die Füße. Dieses berichtete man an den König nach Pohlen. […] Es kam ein königlicher Befehl zurück, dass alle wälschen Sänger abgedancket seyn solten. Hiermit hatten die Opern für diesmal ein Ende.


    Die „abgedanckten“ Sänger wandten sich sogleich nach London, wo sie - wie ihnen Georg Friedrich Händel bei seinem Besuch in Dresden 1719 sicherlich schon zugesichert hatte – freundliche Aufnahme bei der Royal Academy of Music fanden.


    An der in Quantz’ Autobiographie mitgeteilten Geschichte muss was wahres dran sein, sonst hätte der Komponist sie nicht verbreiten können. Wenn man nach der Arie sucht, die als Grund für den Zorn der beiden „wälschen“ Sänger verantwortlich gewesen war, dann kommt, nach dem Beiheft der cpo-Aufnahme, nur die Arie des Gilimeo aus dem zweiten Akt in Frage, und die war dem zweiten Sopranisten Matteo Berselli zugewiesen: Sdegno tu cerca ov’io, die im B-Teil zu den Worten ch’a un altro amor lieve la palma eine unverständliche Wendung aufwies, denn eine Verbform lieve existiert nicht. Zudem handelt es sich um eine Umdichtung für die Partitur, denn im Libretto ist der Text korrekt.


    Mit diesem Problem könnte zusammenhängen, dass Heinichens Partitur unvollendet geblieben ist, denn sie endet mit der vorletzten Seite des Librettos. Damit geht einher, dass nur ein äußerst geringer Teil der Musik fehlt. Anscheinend hatte man schon vorher einige Nummern in Stimmen ausgeschrieben, die für Proben verwendet wurden. Es ist ein Glück für die Nachwelt, dass Heinichen, enttäuscht und wahrscheinlich auch wütend, die Partitur nicht vernichtet hat. Er hat sogar, wenn auch nur in geringem Maße, Musik in zwei seiner italienischen Kantaten übernommen: die Arie der Elena Chi chiedesse all’Augeletto, die von A-Dur nach B-Dur transponiert in die Kantate Lieve tuba canara eingegangen und die Arie der Imilee Non perché veda di strano, die untransponiert in die gleiche Kantate einging. Außerdem wäre noch die Arie des Gilimeo aus dem 3. Akt Vuoi di più beltà sdegnata zu nennen, die in die Kantate Fili, che in te rivolta übernommen wurde, die aber nur in einer skizzenhaften Form überliefert ist.

    Mauricio Kagel (1931-2008):
    AUS DEUTSCHLAND

    Eine Lieder-Oper in 27 Bildern

    Libretto von Mauricio Kagel und Musik von verschiedenen Komponisten.


    Uraufführung 1981 in Stuttgart (nach anderen Quellen: Berlin), 1988 konzertant in Köln.


    Personen der Handlung:
    Der Leiermann (Tenor)

    Drei Hunde (Tenor, Bariton, Bass)

    Dichterin (Sopran)

    Schiffer (Tenor)

    Mutter (Sopran)

    Edward (Bariton)

    Unsichtbare Sänger (Sopran, Tenor)

    Bursche (Bass)

    Goethe (Bariton)

    Zwei Grenadiere (Tenor, Bariton)

    Mädchen (Sopran)

    Schwarzer König (Tenor)

    Rattenfänger (Tenor)

    Hyperion (Sprecher und Bariton)

    Schubert (Tenor)

    Kammersänger (Bassbariton)

    Die Musik (Sopran)

    Leiermann und Frau (Alt)

    Kammersängerin (Mezzosopran)

    Nachtigall (Sopran)

    Kartenlegerin (Sprecherin und Sopran)

    Jüngling (Mädchenstimme)

    Mignon (Countertenor)

    Sprecherinnen und Sprecher

    Chor, Stumme Gruppe (Etwa 20 Mitwirkende, die Aufgaben pantomimischen Charakters in Kostümen und Masken des Biedermeiers auszuführen haben).

    Handlungsgerüst.

    Kagels Bühnenwerk hat keine durchgehende zu erzählende Handlung. Aus dem Untertitel des Bühnenwerkes kann man aber ersehen, dass es hier nicht um eine Oper im herkömmlichen Sinn geht, sondern um Lieder, und zwar um deutsche Kunstlieder der Romantik von Schubert, Schumann, Brahms und Loewe. Deren Werke gehören ja zum festen Repertoire von Liederabenden, wie Schuberts Müllerin oder seine Winterreise, aber auch Schumanns Dichterliebe ist zu nennen.


    Kagel setzt den dramaturgischen Inhalt der Lieder in Szenen um, die sogar nach ihrer szenischen Thematik angeordnet sind, und die organisch ineinander übergehen. Als ein Beispiel sei der Auftritt des Leiermanns genannt, der die Assoziation zu Franz Schuberts Winterreise verdeutlicht, allerdings mit der Musik von Kagel untermalt. Damit gibt Kagel auch dem Drang der Auseinandersetzung mit der deutschen Lied-Romantik nach.


    Das Werk, das in 27 Bildern dem Wesen der deutschen Romantik nachspürt, setzt in Szene, was in den Liedtexten an dramatischem Inhalt vorgegeben ist. Und diese Grund-Idee verlangt, dass alles nach Themen angeordnet ist. Dazu schreibt er, dass in der Zeit, in der sich die Romantik hier in Europa breit machte, in Südamerika die Sklaverei ausbreitete. Er hat es allerdings so formuliert: Veröffentlichung des Privaten bei den Romantikern, aber Vernichtung der individuellen Identität bei den Afroamerikanern.


    Als Folgerung schließt Kagel daraus, dass der Blues unserer Romantik näher steht, als wir es vielleicht glauben mögen. Kagel insinuiert, dass sich im Blues immer wieder Themen wie Sehnsucht, Leid und Hoffnung finden lassen und er findet, dass sich Bluessänger eng an den vorgegebenen Text halten. Also wählte er einige deutsche Gedichte aus, die er in ein etwas verkümmertes und dialektgefärbtes Englisch übersetzte.


    Als ein Höhepunkt des Geschehens tritt der Tod auf, der sich als Liebhaber, Tänzer und als ein Befreier darstellt.

    André-Ernest-Modeste Grétry (1741-1813):
    L’EPREUVE VILLAGEOISE

    (Der kurierte Eifersüchtige)
    Opéra bouffon in zwei Akten

    Libretto von Pierre Desforges (1746-1806)

    Originalsprache: Französisch.


    Uraufführung (als Théodore et Paulin) am 24. Juni 1784 in der Comédie Italienne.


    Personen der Handlung:

    Madame Hubert, eine Witwe (Sopran)

    Denise, deren Tochter (Sopran)

    André, Verlobter von Denise (Tenor)

    La France (Bariton)

    Ort und Zeit: Ein Dorf in Frankreich zur Entstehungszeit der Oper.


    Zusammengefasste Handlung der zwei Akte.

    Denise ist die Tochter von Mme. Hubert, die ihren Mann schon vor langer Zeit in die Ewigkeit abgeben musste. Und Denise fühlt sich von ihrem eifersüchtigen Verlobten André genervt und beabsichtigt, ihm eine Lektion zu erteilen. Sie hat sich mit ihrer Mutter beraten und gibt für André vor, in La France, einem etwas geckenhaft auftretenden Schönling, verliebt zu sein. Ihre Mutter spielt mit und lässt André glauben, dass Denise jenen La France heiraten wolle.


    André ist allerdings auch nicht auf den Kopf gefallen, spielt mit und behauptet, ebenfalls eine neue Freundin zu haben. Plötzlich stellt Denise fest, dass auch ihr das Gefühl der Eifersucht nicht fremd ist. Nachdem es ein paar Tage ziemlich stille war, das Publikum aber am Verhalten der Verlobten feststellen musste, dass es in ihren Köpfen heiß her ging. Schließlich unternehmen beide einen Versuch doch wieder zusammen zu kommen: sie sprechen sich aus und versöhnen sich wieder. Nur der Schönling La France, der gehofft hatte, sich mit Denise eine gemeinsame Zukunft aufbauen zu können, guckt letztlich in die Röhre…


    Anmerkungen.
    Das Libretto von Pierre Desforges ist eine zweiaktige Neufassung der ursprünglich dreiaktigen Oper Théodore et Paulin derselben Autoren, die am 5. März 1784 im Schloss von Versailles vor Königin Marie Antoinette gespielt wurde. Die Oper gehört zu den erfolgreichsten Bühnenwerken Grétrys. Im 19. Jahrhundert wurde sie mehrfach bearbeitet, unter anderen von Daniel-Francoise-Esprit Auber. Das Werk kam im Verlauf des 19. Jahrhunderts immer wieder, wenn auch nicht als Repertoirestück, in verschiedenen Versionen auf die Spielpläne der Opernhäuser. Im 20. Jahrhunderts wurden diese Aufführungen immer weniger, bis das Werk ganz in der Versenkung verschwand.


    Im Jahr 2015 kam es durch die Opera Lafayette (in einer Edition von Ryan Brown) zu Aufführungen des Zweiakters in New York City und in Washington, D.C. Bei dieser Gelegenheit wurde auch eine CD für das Label Naxos eingespielt, die im Jahr 2016 in den Handel kam.

    Ruth Schönthal [Schonthal] (1924-2006):
    PRINCESS MALEEN (Prinzessin Maleen)

    Kinderoper in zwei Akten

    Auftragswerk zum 60. Jahrestag des Westchester Conservatory of Music

    Libretto von der Komponistin und Wallis Wood nach den Gebrüdern Grimm

    Originalsprache: Englisch.


    Uraufführung am 20.Mai 1989 in der White Plains Hill School, White Plains, New York.


    Personen der Handlung:
    Prinzessin Maleen (Koloratursopran)

    Der König des Nordens (Bass)

    Der Prinz, Sohn vom König des Südens (Tenor)

    Kammerjungfer (Spielalt oder Mezzosopran)

    Der König des Südens (Bass)

    Die hässliche Prinzessin (Spielalt oder Mezzosopran)

    Ein Priester (Bass)

    Eine Köchin (Sprechrolle oder Alt)

    Drei Zuschauer (Sopran, Alt, Bass)

    Kleines Kind (Sprechrolle)

    Chor: Kinder, Zuschauer, Diener, Hofdamen, Höflinge

    (im 1.Akt: Kinderchor und Sopran; im 2.Akt: Kinder- und gemischter Chor.

    Ort und Zeit: Märchenland zur Märchenzeit


    Erster Akt.
    Der Königssohn des Südens liebt Prinzessin Maleen, Tochter vom König des Nordens. Sie haben sich sogar schon vor längerer Zeit ewige Treue geschworen. Aber der Herr Papa der Prinzessin hat eine völlig andere Vorstellung von der Zukunft seiner Tochter: er befiehlt ihr, sich mit dem Gedanken zu befreunden, den Sohn eines mächtigen und reichen Königs zu heiraten. Dem widersetzt sich Maleen vehement und Papa König beschließt, seine Tochter für sieben Jahre in einen Turm, in den kein Laut und kein Licht fällt, mit Speise und Trank einzumauern. Maleen ruft ihre Kammerjungfer zu Hilfe und die geht mit in den Turm. Kinder, die vom Schicksal der Königstochter hörten, besingen das Geschehen und rennen schreiend weg, als der verliebte Prinz des Südens auftaucht und seiner Liebsten ein Ständchen bringt. Aber die Prinzessin und die Kammerjungfer können den Gesang nicht hören, klagen stattdessen über ihre Gefangenschaft, die sie als ungerecht empfinden Und auch der Prinz ist enttäuscht, weil er nämlich keine Antwort von seiner Liebsten bekommt, glaubt er, dass die Prinzessin tot ist. Seine Enttäuschung ist so groß, dass er seine Laute zerbricht.


    Nach siebenjährigen Gefangenschaft kommt für die beiden jungen Frauen ein Problem auf: die im Turm eingelagert gewesenen Nahrungsmittelvorräte sind aufgebraucht. Was sollen sie machen? Sie kommen auf den Gedanken, mit der Hilfe eines Küchenmessers und eines Löffels ein Loch in die Mauer des Turms zu graben. Das geht natürlich nur langsam voran, aber als endlich das Loch so groß ist, dass sie hindurch kommen können, stellen sie, in die Freiheit entlassen, fest, dass das Königreich samt Schloss verwüstet ist. Auch der nächste Beschluss ist schnell gefasst: sie müssen wohl oder übel sowohl auf die Arbeits- als auch auf die Nahrungsmittelsuche gehen. Nach langer und beschwerlicher Wanderschaft kommen sie in die Nähe des Schlosses vom König des Südens und werden hier von der Müdigkeit überwältigt und schlafen auf einem Wiesenstück ein.


    Zweiter Akt.
    Nach dem Aufwachen haben sich Prinzessin Maleen und ihre Kammerjungfer bei der Köchin im Schloss als Küchenhilfen verdungen. Hier erfahren sie plötzlich, dass der Prinz, Sohn des Königs des Südens, eine reiche Prinzessin aus einem fernen Land heiraten soll. Man munkelt allerdings, dass diese Prinzessin schrecklich hässlich sein soll, weshalb sie ihr Gesicht ständig hinter einem Schleier verberge. Der Prinz, im Glauben dass seine Maleen lange tot sei, hat sich folglich den Wünschen seines Vaters gebeugt und will jene reiche Prinzessin ehelichen. Die hässliche Prinzessin hat sich, weil sie sich wegen ihrer Unansehnlichkeit schämt, entschlossen, dass eine andere an ihrer Stelle vor den Altar treten soll. Ihre Wahl ist auf die Küchenmagd Maleen gefallen. Die wird instruiert, dass sie Hochzeitskleid, Schleier und Ring nach der Trauung zurückgeben muss. Im Falle einer Weigerung soll sie um einen Kopf kürzer gemacht werden. Maleen ist wegen der Gewalt-Androhung sofort gefügig. Während des Hochzeitszuges, der vom Volk natürlich verfolgt wird, fällt mehreren Zuschauern auf, dass die Prinzessin entgegen allen Gerüchten wohl viel schöner ist. Und der Prinz, der nach der Trauung durch den Geistlichen, den Schleier lüftet und seine Maleen erkennt, drückt ihr begeistert einen Kuss auf den Mund und legt ihr eine Halskette an.


    Prinzessin Maleen gibt der unansehnlichen Prinzessin verabredungsgemäß alle Teile zurück, nur die Halskette nicht und begibt sich wieder in die Küche. Als die unansehnliche Prinzessin wieder alleine ist, muss sie an die ständigen Kränkungen wegen ihres Aussehens denken und gibt den Befehl, die Küchenmagd Maleen zu ermorden. Dann tritt der Prinz ins Gemach und erkennt an der fehlenden Halskette den Betrug. Gerade noch rechtzeitig kann er den Mord an Prinzessin Maleen verhindern. Die Unansehnliche macht sich mit ihren Hofdamen davon und das glückliche Liebespaar belohnt die treue Kammerjungfer, lässt aber auch die Hochzeitsfeier sofort starten.


    Anmerkungen.

    Ruth Esther Hadassah Schönthal war eine Hindemith-Schülerin, die 1926 in Hamburg geboren wurde und am 11. Juli 2006 in Scarsdale bei New York starb. Sie wurde als Tochter jüdischer Eltern geboren, die aus Wien stammten. Ihr Vater war selbstständiger Inhaber eines Löt- und Schweißbetriebes in Berlin und pflegte vielfältige kulturelle Interessen. Schönthal begann schon im Alter von fünf Jahren zu komponieren und galt im Berlin der 1930er Jahre als Wunderdkind. Sie studierte von 1930 bis 1935 am Stern’schen Konservatorium in Berlin Klavier, Musiktheorie und Komposition, musste jedoch mit anderen Kommilitonen ihres Glaubens wegen das Musikstudiem abbrechen und wurde der Universität verwiesen. 1938 emigrierte die Familie nach Stockholm, wo sie an der königlichen Musikakademie weiter studierte. Als die Lage für Juden auch in Schweden unsicherer wurde, flohen die Schönthals über Moskau und Wladiwostok nach Mexiko. Dort lernte sie Paul Hindemith kennen, der gerade durch Mexiko tourte. Der war von Ruths Talent so beeindruckt, dass er sie an die Yale Universität vermittelte, wo Hindemith selber einige Zeit später lehrte und wo auch Schönthal, die sich (anglisiert) nun Schonthal nannte, von ihm unterrichtet wurde.

    Johann Strauß (Sohn) (1825-1899):
    ASCHENBRÖDEL
    Ballett in drei Akten

    Libretto von A. Kollmann (d.i. Karl Colbert)


    Uraufführung am 2. Mai 1901 am königlichen Opernhaus, Berlin


    Personen der Handlung:
    Mme. Francine, Modistin

    Yvette, ihre ältere Tochter

    Fanchon, ihre jüngere Tochter

    Grete, ihre Stieftochter

    Leon, Warenhausbesitzer

    Lore, seine Verlobte

    Franz, Leons Bruder

    Mitarbeiterinnen im Atelier von Francine

    Ort und Zeit: Unbestimmte Stadt zur Zeit der Entstehung des Balletts.


    Erster Akt.

    Das Atelier der Modistin Mme. Francine.
    Die Mitarbeiterinnen von Mme. Francine sitzen an Nähmaschinen und nähen Kleider für die geplanten Vorführungen. Francine treibt ihre Mitarbeiterinnen zur Eile an; mit ihrer Stieftochter Grete liegt sie allerdings mal wieder im Clinch - ihre vorgelegten Arbeiten gefallen ihr nicht.


    Ihre leiblichen Töchter kommen ins Atelier und bringen mit sichtbarer Freude Karten für einen Ball mit, die sie unter den Mitarbeiterinnen verteilen. Für Grete ist allerdings keine Karte vorgesehen, die übrig gebliebene zerreißen sie sogar.


    Leon, Warenhausbesitzer, kommt mit seiner Verlobten Lore ins Atelier, um für sie ein Maskenkostüm auszusuchen. Während Lore die verschiedenen Kostüme anprobiert, flirtet Leon mit Grete, was Lore natürlich nicht gefällt, schließlich die Unterhaltung verärgert unterbricht und Leon zum Gehen drängt, ohne ein Kostüm erstanden zu haben.


    Inzwischen hat Grete geholfen, Yvette und Fanchon für den Ball herzurichten; danach zieht sie sich in ihr Zimmer zurück. Darin erscheint plötzlich ein junger Mann, der sich als Franz und Bruder des Warenhausbesitzers Leon vorstellt. Er soll ihr, wie er sagt, eine Karte für den Ball in Leons Haus übergeben. Allerdings lehnt sie sein Angebot, mit ihm auf den Ball zu gehen, mit der Begründung ab, alleine dorthin gehen zu wollen.


    Damit endet der erste Akt; ihm folgt ein Zwischenbild, in dem Grete im Traum mit Leon im Kurort Semmering einen schönen Tag erlebt. Nach einem kurzen Vorspiel folgt der


    Zweite Akt, der einen Ballsaal in Leons Villa darstellt.


    Unter den Gästen, die sich hier ein Stelldichein geben, sind auch Yvette und Fanchon, die, wenn auch vergeblich, versuchen, Leon zu bezaubern. Leon hat nur Augen für Grete, die gerade die Treppe herunterkommt; selbst Lore, seine Verlobte, ist Luft für ihn. Er geht auf Grete zu und führt sie stolz auf die Tanzfläche. Das passt Yvette und Fanchon natürlich nicht, aber Leon schützt Grete vor den wütenden Bemerkungen ihrer Halbschwestern. Während eines Walzers gesteht Leon Grete seine Liebe zu ihr, was Lore, die das mitgehört hat, wütend macht, Leon sie jedoch in die Schranken weist. Grete ist unterdessen geflohen, Leon eilt ihr nach und findet einen Schuh, den Grete verloren hat.


    Ein erneutes Zwischenspiel schildert Gretes Traum von einer Heirat und der ersten Liebesnacht mit Leon. Ein Vorspiel leitet über zum


    Dritten Akt, der die Hochzeitsreise von Grete und Leon nach Venedig als Traumbild zeigt.


    Den Brautleuten wird von der Bevölkerung gehuldigt, doch Yvette und Fanchon sind ihnen mit Mutter Francine auf den Fersen. Sie überschütten Grete mit Vorwürfen, doch Leon und Franz erscheinen, immer noch in ihren Ballkostümen, und verteidigen Grete. Leon kniet vor Grete nieder und zeigt ihr ihren Schuh, den sie entgegen nimmt, und dann Leon einen Kuss auf die Stirn gibt. Franz, der ebenfalls einen Schuh gefunden hat, probiert ihn bei Yvette und Fanchon aus, doch muss er schließlich feststellen, dass er Mutter Francine gehört…


    Anmerkungen.

    1898 erschien in der Wiener Wochenzeitschrift Die Waage ein Preisausschreiben für ein Ballett-Sujet, das kein Geringerer als Johann Strauß vertonen sollte. Es wäre das erste eigenständige Ballett des inzwischen dreiundsiebzigjährigen Walzerkönigs. Bisher waren lediglich zu seinen Operetten Balletteinlagen entstanden. Strauß hatte kundgetan, dass er tatsächlich an einer Ballettkomposition arbeite, dass ihm aber ein geeignetes Libretto fehlen würde. Und das sollte mit der Hilfe jenes Preisausschreibens gefunden werden.


    Garant für eine Aufführung in der k. und k. Hofoper war Hofoperndirektor Gustav Mahler, der zwar für das Ballett nichts übrig hatte und auch kein Freund der Musik von Strauß war, der sich aber dem Wunsch des Generalintendanten der Wiener Hoftheater, Freiherr von Hofmann, nicht widersetzen wollte. Mit der Musik für einen solchen Ballettabend sollten die bedeutenden Wiener Tanzkomponisten wie Suppé, Millöcker und Strauß engagiert worden.


    Schon 1888 war in der Presse von einem Strauß-Ballett mit dem Namen Goldzauber berichtet worden, doch kam diese Komposition nie auf eine Bühne. Es ist übrigens auch nicht verbürgt, dass Johann Strauß davon überhaupt Kenntnis gehabt hat.


    Nun aber konnte der Plan in Erfüllung gehen, denn das Preisausschreiben erbrachte 718 Einsendungen. Die Findungskommission, zu der neben Mahler und Strauß auch Hanslick gehörte, beklagte zwar das geringe Niveau der Texte, entschied sich schließlich für Kollmanns Aschenbrödel. Man hatte wohl im Sinn, dass es immerhin etliche Kompositionen zu diesem Thema gab, von Rossini, Prokoffief und Wolf-Ferrari beispielsweise, die sich allgemeiner Beliebtheit erfreuten.


    Johann Strauß machte sich an die Komposition und die Wiener Presse berichtete, dass das Ballett im November 1899 zur Uraufführung gelangen sollte. Alle Planungen wurden aber hinfällig, denn Strauß starb im Juni 1899 und hatte bis dahin nur den ersten und einen Teil des dritten Aktes fertiggestellt. Nun galt es, einen kompetenten Komponisten zu finden, der das fragmentarische Werk vollenden konnte. Millöcker lehnte aus Krankheitsgründen ab und der Ballettdirigent der Hofoper, Josef Bayer, der wegen seiner Ballette Wiener Walzer, Sonne und Erde und Die Puppenfee eine respektable Wahl war, übernahm die Aufgabe.


    Aber jetzt machte Gustav Mahler einen Rückzieher, denn, und das war sein Argument, mit dem Tod von Strauß war die Vertragsgrundlage entfallen. Der Versuch von Adele Strauß, das Theater an der Wien, bevorzugte Stätte der Uraufführungen von Strauß-Operetten, für die Uraufführung zu gewinnen, ging ebenfalls daneben. Ein Versuch, das Berliner königliche Hoftheater einzuspannen, glückte. Allerdings erklärte Ballettmeister Emil Graeb das Sujet für nicht aufführungsreif; er bestand auf einer Neufassung des Librettos.


    Diese Arbeit übernahm der Wiener Schriftsteller Heinrich Regel. Und das wiederum machte eine Neufassung der Musik notwendig. In der Folge zerlegte Bayer die vorhandene Musik in 95 kleine Abschnitte, die er in neuer Reihenfolge zusammenstellte. So wurde das Ballett in Berlin in Anwesenheit von Kaiser Wilhelm II. mit vollem Erfolg uraufgeführt. Der erwartete Siegeszug blieb allerdings aus. Es folgten 1903 lediglich drei Vorstellungen in Königsberg und eine in Insterburg im Dezember 1906.


    In Wien ergab sich aber jetzt eine Änderung in der Führung der Hofoper: Gustav Mahler schied aus und Felix von Weingartner wurde als Nachfolger berufen. Der war, im Gegensatz zu Mahler, ein entschiedener Verfechter der Musik von Johann Strauß und unterzeichnete umgehend einen Vertrag zur Erstaufführung des Aschenbrödel-Balletts, die am 4. Oktober 1908 stattfand - allerdings nicht in der Urfassung, sondern in der Regel-Bayer-Version.


    Als Professor Michael Rot Ende der 1990er Jahre daran ging, das Ballett im Rahmen der Gesamtausgabe der Werke von Johann Strauß herauszugeben, war die Quellenlage aber nicht gerade rosig. Die Hinterlassenschaft von Strauß zu Aschenbrödel (ein Konvolut von über 450 Seiten) galt seit langer Zeit als verschollen. Im Grunde genommen war nur der Klavierauszug von Josef Bayer, der auch das Kollmannsche Libretto enthält, greifbar, ergänzt mit Orchesterstimmen der Berliner Aufführung. Der Versuch, die Originalfassung wiederherzustellen, war folglich die Rückabwicklung der Regel-Bayer-Version.


    Lange nach im Jahre 2001 erfolgten Publikation der Aschenbrödel-Noten stellte sich heraus, dass Strauß’ Hinterlassenschaft zu Aschenbrödel nicht durch Verlust, sondern durch Diebstahl abhanden gekommen war. Es war allerdings Deutschen Sicherheitsbehörden gelungen, der verloren geglaubten Handschriften habhaft zu werden und das hauptsächlich aus Skizzen bestehende Konvolut der Wiener Bibliothek zu restituieren.

    (Zusammenfassung aus dem Booklet zur Erstveröffentlichung der Urfassung von Aschenbrödel bei cpo; es spielt das ORF-Sinfonie-Orchester unter Ernst Theis.)

    André-Ernest-Modeste Grétry (1741-1813):
    LE MAGNIFIQUE
    (Der prächtige Freigebige)

    Opéra-comique in drei Akten
    Gewidmet dem Herzog von Alba.

    Libretto von Michel-Jean Sedaine nach einer Vorlage von Jean de La Fontaine

    der Boccaccios Dekamerone als Vorlage benutzt hat

    Originalsprache: Französisch.


    Uraufführung am 4. März 1773 in der Comédie-Italienne, Paris.


    Personen der Handlung:

    Octave (Le Magnifique), Bürger von Florenz und ein Liebhaber von Clémentine (Tenor)

    Aldobrandin, Privatlehrer und ein zweiter Verehrer von Clémentine (Tenor)

    Clémentine, Tochter von Horace (Sopran)

    Horace, ihr Vater (Bariton oder Bass)

    Laurence, Ehemann von Alix und Diener von Horace (Bariton oder Bass)

    Fabio, Aldobrandins intriganter Diener (Tenor)

    Alix, Clémentines Gouvernante und Frau von Laurence (Alt oder Sopran)


    Ort und Zeit: Florenz vor dem 18. Jahrhundert.


    Die Handlung:

    Wir sind in Florenz und werden Zeuge des 16. Geburtstages von Clémentine, das seinen Vater Horace vor neun Jahren an Piraten verloren hat. Und die Freibeuter der Meere waren wirklich so grausam, Horace gegen gutes Geld in die Sklaverei zu verkaufen. Und nicht nur das: auch Laurence, Horaces Diener und Gattin von Clémentines Gouvernante Alix, musste das gleiche Schicksal erleiden.


    Jetzt, um auf den bevorstehenden Geburtstag Clémentines zurückzukommen, müssen wir feststellen, dass das Geburtstagskind schon zwei Verehrer hat, die ihr den Hof machen. Da ist zum einen Clémentines Privatlehrer Aldobrandin (der sie in Abwesenheit des Vaters erzogen hatte) und zum anderen ein gewisser Octave, den alle nur Le Magnifique nennen. Der ist ein prominenter Bürger der Stadt, der durch seine Großzügigkeit zur Befreiung vieler Gefangener oder auch versklavter Menschen beigetragen hat. Clémentine schwärmt heimlich für ihn.


    Le Magnifique hat nun ein Treffen mit Clémentine arrangiert, bei dem er ihr als Vorwand sein teures Rennpferd für kurze Zeit vorführt. Da das Treffen aber von Aldobrandins Diener Fabio beobachtet wird (was Octave und Clémentine mitbekommen haben), haben sie sich entschlossen, ihre Liebe mit der Hilfe einer fallen gelassenen Rose mitzuteilen.


    Und jetzt kommt’s: Horace und Laurence sind aus ihrer Gefangenschaft freigekommen und kehren heim. Nun stellt sich heraus, dass Aldobrandin und sein Diener Fabio für die seinerzeitige Versklavung der beiden verantwortlich waren. Es ist natürlich klar, dass die beiden bei Clémentine alle Sympathie verspielt haben. Als außerdem bekannt wird, dass Le Magnifique für den Freikauf der beiden gesorgt hat, ist endlich der Weg für eine Heirat zwischen Clémentine und Le Magnifique frei.


    Anmerkungen.
    Die Oper wurde nach der Uraufführung des öfteren gespielt, geriet dann aber im Laufe der Zeit in Vergessenheit. 2011 kam es dann zu einer Neuinszenierung der Oper durch die in Washington, DC, ansässige Opera Lafayette, die auf französische Opern des 17. und 18. Jahrhunderts spezialisiert ist. In diesem Zusammenhang entstand eine Tonträger-Aufnahme, die 2012 von NAXOS als CD in den Handel gebracht wurde. Diese Einspielung enthält keine Dialogtexte, die in der Opéra comique üblicherweise dazu gehören.

    Franz Ignaz Beck (1734-1809):
    L’ISLE DÉSERTE

    (Die wüste Insel)
    Opèra comique in einem Akt

    Libretto nach Pietro Metastasios „L’Isola disabitata“ von 1753

    von Charles Pierre Hyacinthe Comte d’Ossun

    Originalsprache: Französisch.


    Uraufführung am 14. Januar 1779 im Opernhaus von Bordeaux.


    Personen der Handlung:
    Constance (Sopran)

    Laurette (Sopran)

    Dorval (Tenor)

    Sainville (Tenor)

    Ort und Zeit: Eine wüste Insel in den 1750er Jahren.


    Einziger Akt.

    Es ist dreizehn Jahre her, dass Constance und ihr jüngere Schwester Laurette auf dieser einsamen Insel zurückgeblieben sind. Gerade meißelt Constance eine Botschaft in einen Felsen. Allerdings weiß sie nicht, dass ihr Mann Dorval von Piraten entführt worden ist und in die Sklaverei verkauft wurde; sie glaubt seit Jahren, dass der Fiesling sie mit Absicht verlassen hat. Außerdem, und das kann man verstehen, glaubt sie nicht mehr an eine Rettung von dieser „wüsten Insel“. Dass sie versucht eine Botschaft in den Felsen zu meißeln, ist mehr oder weniger einer gewissen Unruhe, aber auch der Beschäftigung in Zeiten von Langeweile geschuldet.


    Eine ganz andere Einstellung hat Laurette: sie kann das Leid ihrer Schwester nicht teilen, denkt immer daran, dass sie nicht versteht, warum Constance partout in die Welt mit den „feindseligen Männern“ zurück will. Schließlich, und das hat sich bei Laurette gedanklich festgesetzt, sind diese Männer schuld, dass sie auf diesem Eiland gelandet sind.


    Und dann, eines Tages, sieht Laurette die Konturen eines Schiffes, das immer näher kommt - es ankert tatsächlich in einigem Abstand von der Insel. Laurette sieht auch, das sich ein Boot vom Schiff löst und auf die Insel zu rudert und sie versteckt sich. Sie hört aus den Gesprächen der Männer, dass einer von ihnen Dorval, der Mann ihrer Schwester ist, der in der Sklaverei war und freigekommen ist, sich dann aber sofort um die Befreiung seiner Gemahlin von der „wüsten Insel“ gekümmert hat. Dorval hat übrigens noch einen Mann dabei, der sich Sainville nennt; als sich Dorval entfernt, beobachtet Laurette diesen Sainville. Sie kennt das männliche Geschlecht nur als Kinder, hat also noch nie einen erwachsenen Mann gesehen. Sie stellt fest, dass dieser Typ da nicht nach Feindseligkeit ausschaut, im Gegenteil, er sieht ausnehmen gut aus.


    Dorval hat Constances Nachricht im Felsen entdeckt, sie allerdings nicht. Mit dem inzwischen hinzugekommenen Sainville glaubt er, dass seine Frau verstorben ist und sie begeben sich auf die Suche nach einem Grab. Da tritt Laurette in ihren Gesichtskreis und sie glaubt, sich gegen die feindseligen Männer verteidigen zu müssen. Laurette bittet um Gnade und Sainville beruhigt sie; er fragt außerdem, wo das Grab Constances sei. Laurette klärt das Missverständnis auf, und die Totgeglaubte kommt gerade um die Ecke - und fällt in Ohnmacht, als sie ihren Mann erblickt. Als sie wieder zu sich gekommen ist und Dorval ihr sein Schicksal erklärt, schämt sie sich, fällt ihm aber in die Arme. Auch Laurette und Sainville haben Gefallen aneinander gefunden - er macht ihr einen Heinratsantrag. Das Finale vereinigt alle Solisten zu einem Chor, der die Liebe preist:

    Je sens palpiter, tressalir
    Ich fühle, wie mein Herz, das lange
    voller Unruhe war, zittert und bebt.
    Wie süß ist es, Tränen zu vergießen,
    wenn man sie allein der Freude verdankt.

    […]

    Ich fühle, wie mein Herz, das lange
    voller Unruhe war, zittert und bebt.
    Wenn Amor uns zärtlich umschmeichelt,
    wollen wir ihm unser Herz öffnen;
    der Gott der Zärtlichkeit
    ist der Gott des Glücks.


    Anmerkungen.
    Franz Ignaz Beck, 1734 in Mannheim geboren, ist noch immer ein ziemlich unbekannter Komponist aus dem Umkreis der Mannheimer Schule. Vielleicht liegt es daran, dass er als Vollwaise mit fünfzehn Jahren seine Vaterstadt verließ und sich auf die Wanderschaft in Richtung Italien und von dort aus (in den 1760er Jahren) über Paris und Marseille nach Bordeaux begab. Man kann nicht sagen, dass die Stadt an der Garonne einen besonderen Musikruf hatte. Hier ernannte man den jungen Mann aber zum Leiter eines Opernorchesters, das in einem von 1773 bis 1780 erbauten großen Opernhaus spielte. Zu Becks musikalischen Aufgaben zählte auch der Kompositions- und Instrumentalunterricht. Der vielseitige Musiker galt als Meister der Violine, Orgel und des Klaviers. Stellvertretend aus dem Kreis seiner zahlreichen Schüler sind neben Henri-Louis Blanchard, Pierre-Jean Garat, Pierre Gaveaux, Bernard Germain Lacépède, Prosper-Charles Simon und Robert Nicolas-Charles Bochsa zu nennen.


    Unter seiner Leitung wurden die regelmäßig veranstalteten Konzerte zu einer festen, professionellen und überregional beachteten musikalischen Einrichtung. In den abwechslungsreichen Konzertprogrammen machte Beck die Bürger von Bordeaux mit den Werken der wichtigsten zeitgenössischen Komponisten bekannt, zu denen auch namhafte Vertreter der Mannheimer Schule gehörten. Als das gesamte Theaterensemble in den Wirren der Französischen Revolution am 28. November 1793 verhaftet wurde, musste sich auch Franz Beck vor dem Tribunal verantworten, das er glücklicherweise von seiner Unschuld überzeugen konnte und so am 6. Januar 1794 wieder freigelassen wurde.


    Die letzten Lebensjahre verbrachte der Komponist zurückgezogen im Kreis seiner Familie. 1801 zog Beck zu seinem Sohn Jean-François-Auguste in die Rue des Religieuses (heute: Rue Thiac), wo er am Abend des 31. Dezember 1809 starb - übrigens genau sieben Monate nach Joseph Haydn.

    Leo Fall (1873-1925):
    BRÜDERLEIN FEIN

    Alt-Wiener Volksstück in einem Akt

    Libretto von Julius Wilhelm


    Uraufführung am 1. Dezember 1909 in Wien (Hertha Bauer), 1908 in Berlin (Operone)


    Personen der Handlung:
    Joseph Drechsler, Domkapellmeister (Tenor)

    Toni, seine Frau (Sopran)

    Gertrud, deren Haushälterin (Alt)

    Jugend, allegorische Figur (Sprechrolle mit Gesang).

    Ort und Zeit: Wien um 1840


    Einziger Akt.
    Wohnzimmer im Hause Drechsler in Wien.

    Der (historische) Domkapellmeister Joseph Drechsler begeht heuer seinen 40. Hochzeitstag mit seiner Frau Toni (in der Realität war dieser Tag erst 1844 und Frau Drechsler hieß mit Vornamen Therese). Diese plant zusammen mit der Hausmagd eine eher unspektakuläre Feier. Toni hat einen Guglhupf gebacken (der beim Öffnen des Vorhangs auf dem Tisch steht). Nun wünschen sich die Eheleute Glück und Segen und beschenken sich mit allerlei Gaben, während eine Spieluhr im Raum das Lied „Brüderlein fein“ spielt. Voller Wehmut besinnt sich Drechsler der Zeit, als er das Lied „Brüderlein fein“ für die Figur der Jugend in Ferdinand Raimunds Zaubermärchen Der Bauer als Millionär komponiert hat (das Beiheft von der bei cpo erschienen Aufnahme des Stücks nennt den Verschwender als Ursprung des Liedes). Als es bereits wieder dämmert, klopft es an der Tür und die allegorische Figur der Jugend tritt ins Zimmer - genau in der Gestalt wie einst in dem Zaubermärchen. Sie hält eine golden Geige in der Hand und singt: Einmal ihr noch hören sollt meine Melodei - eine Stunde eures Lebens sei euch als Geschenk geweiht! Und schon erleben die beiden alten Eheleute ihren ersten Hochzeitstag wie im Traum – wie sie damals frisch getraut in die Wohnung einziehen und vom benachbarten Gasthof noch immer die Hochzeitsgesellschaft feiert und ein lieblicher Walzer (Nicht zu schnell und nicht zu langsam) herüberklingt. Und sogleich ist der Traum zu Ende, und die Jugend ist wieder verschwunden. Glücklich und dankerfüllt freuen sich die beiden über die ihnen geschenkten Erinnerungsstunde und begeben sich zufrieden zur Messe in die Kirche.


    Anmerkungen:
    Julius Wilhelm, Jahrgang 1871, galt als Spezialist für Alt-Wiener Stoffe, die damals, um die Jahrhundertwende, in Wien in Mode waren. Sein erster Erfolg in diesem Genre war ein Operetten-Pasticcio (Frühlingsluft) mit der Musik von Joseph Strauß, dem jüngeren, aber schon verstorbenen Bruder des Walzerkönigs, der ansonsten keine Musik für die Bühne komponiert hatte. Immerhin war Wilhelms Adolf Müllers Wiener Blut, die Musik von Johann Strauß II zu großem Erfolg brachte. Acht Jahre nach Frühlingsluft verwendete Wilhelm Musik von Joseph Lanner für eine Operette mit dem programmatischen Titel Alt-Wien, die ebenfalls ein Erfolg wurde.


    Auch Leo Fall war von Wilhelms Ideen angetan; er hat - obwohl er noch an zwei Operetten arbeitete (Das Puppenmädel und Die schöne Risette) - das Libretto zu Wilhelms Einakter an einem einzigen Sommerabend vertont. Wie schon oben angedeutet, hat es den Wiener Domkapellmeister Drechsler tatsächlich gegeben (der übrigens von 1822 bis 1830 auch noch Kapellmeister am Leopoldstädter Theater war), während die Handlung von Julius Wilhelm erfunden wurde. Auch das titelgebende Lied soll - was neueste Forschungen gezeigt haben - Raimund selbst komponiert haben, und nicht Drechsler.

    Leo Fall hat das Stück übrigens für Die Hölle, einem Wiener Cabaret des Brüderpaares Siegmund und Leopold Natzler, komponiert (die auch Edmund Eysler und Franz Lehár für Beiträge gewinnen konnten), hat es dann aber auf Betreiben des Musikkritikers Julius Stern für das normale Theaterorchester uminstrumentiert. Diese Fassung hat der WDR in Köln mit dem WDR Funkhausorchester und dem WDR Rundfunkchor unter der Leitung von Axel Kober aufgenommen. Als Bonbon (um das Wort Füller zu vermeiden) wurde der dreiviertelstündigen Operette der einzige Konzertwalzer von Leo Fall, Leben und lieben, beigegeben, den Franz Marszalek in einer Aufnahme vom 16. September 1961 dirigiert hat.

    Rugg(i)ero Leoncavallo (1857-1919):
    DER ROLAND VON
    B
    ERLIN
    Historisches Drama in vier Akten
    Libretto vom Komponisten und Georg Dröscher nach dem Roman von Willibald Alexis
    Originalsprachen: Italienisch / Deutsch

    Uraufführung am 13. Dezember 1904 in der Königlichen Hofoper, Berlin.


    Personen der Handlung:
    Kurfürst Friedrich, Markgraf von Brandenburg (Bass)
    Conrad von Knipprode, Ritter seiner Begleitung (Bass)

    Johannes Rathenow, Bürgermeister von Berlin (Bariton)

    Elsbeth, seine Tochter (Sopran)

    Gertrud, Rathenows Schwester (Alt)

    Thomas Wintz, ein Ratsherr von Berlin (Bariton)

    Bartholomäus Schumm, Ratsherr von Kölln (Bass)

    Melchior und Eva, seine Kinder (Sopran, Bariton)

    Blankenfelde, Bürgermeister von Kölln (Tenor)

    Bergholz, Köllner Ratsherr (Bariton)

    Henning Moller, Sohn eines Berliner Tuchwirkers (Tenor)

    Hans Ferbit, Barbier (Bass)

    Civile Baruch, Jude (Tenor)

    Makensprung, alter Händler (Bass)

    Mathäus, Diener des Bürgermeisters Rathenow (Bariton)

    Chor: Ratsherren aus Berlin und Cölln bei Berlin, Bürger, Patrizier, Soldaten und Ritter des Kurfürsten, Herolde, Ausrufer.


    Ort und Zeit: Berlin im Jahre 1442.



    Erster Akt: Zentraler Platz in der Mitte Berlins.

    Auf einem zentralen Platz in Berlin herrscht munteres Treiben. Unter die Bevölkerung hat sich unerkannt der Kurfürst mit seinem Gefolgsmann Ritter Conrad von Knipprode gemischt. Dem Kurfürsten sind nämlich viele Klagen über die Beziehung der Berliner Stände untereinander zugetragen worden und er beabsichtigt, sich nun selbst ein Bild über die Zustände zu machen.


    Kurz nach dem Kurfürsten und dem Ritter Knipprode tritt der alte Händler Makensprung auf die Szene, der, wie die Leute jetzt erfahren, wegen eines für ihn unangenehmen Vorfalls den Magistrat - allerdings vergebens - um Hilfe gebeten hatte: Er ist bei Spandau von Raubrittern überfallen worden, hat aber beim hohen Rat nur Spott geerntet. Die Menge rät ihm, sich beim Kurfürsten zu beklagen, aber Henning Moller, Sohn eines Tuchwirkers, meint, dass man sich erst selbst helfen müsse, ehe man den Landesherrn mit seinen Problemen behellige. Das Argument gefällt der Menge und die Reaktion ist nicht nur Begeisterung, sondern man will Henning Moller auf den Schild heben, soll heißen, ihn zum Anführer erheben.


    Plötzlich wird das Treiben von einem Ausrufer unterbrochen, der ein Urteil des Magistrats verkündet: das Mädchen Salome soll für „ihr schamloses Treiben“, das im übrigen unerwähnt bleibt, fünfzig Rutenschläge vor dem Stadttor erhalten. Aber die Menge zeigt wenig Interesse daran, obwohl man normalerweise für derartige Belustigungen immer Zeit hat. Außerdem ist auch Makensprung schon vergessen, denn das Volk zerstreut sich.


    Der Kurfürst hat Zeit gewonnen, Henning Moller zu beobachten. Der junge Mann gefällt ihm wegen seiner Impulsivität; gerade hat er die hübsche Bürgermeistertochter Elsbeth an der Kirchentür getroffen und ihr Gebetbuch aufgehoben, das ihr vor Schreck aus der Hand gefallen war. Weil sie aber weiß, dass Henning gegen die Raubritter vorgehen will, weil sie weiß, dass die Unverschämten zur Rechenschaft gezogen werden sollen, hat sie ihm das Gebetbuch übergeben, dass er ihr wiedergeben kann, wenn er heil und gesund aus dem Streit mit den Raubrittern zurückkommt.


    Der Kurfürst spricht Henning an und rät ihm, doch zuerst beim Landesherrn um Recht einzukommen. Der aber will nicht an die Wege durch die Hofinstanzen denken, hält sie nämlich für zu schwierig und glaubt nicht an einen Erfolg.


    Das Gespräch wird aber jetzt schon wieder unterbrochen, denn ein Hanswurst kommt mit einer überdimensionierten Puppe auf die Szene. Sie soll, wie das Publikum erfährt, den geldgierigen Magistrat und den rechtsprechenden Rat symbolisieren. Die Instanzen stehen nämlich nicht gerade in dem Ruf, sich für das Volk einzusetzen. Es kommt, wie es auch gewollt ist: Das Monstrum von Puppe wird von den Leuten beschimpft und ausgelacht. Und der Herr Bürgermeister, der die Lage beruhigen will, schafft es nicht, Ruhe zu bekommen. Bevor es zum Streit auf dem Platz kommt, sorgt die vom Ausrufer angekündigte Salome für eine gewisse Ablenkung: Sie wird soeben zur Bestrafung geführt – und dieses Schauspiel will sich denn doch niemand entgehen lassen. Das gibt aber dem Kurfürsten noch einmal Gelegenheit, mit Henning zu sprechen. Er lässt sich von dem tatkräftigen Handwerker einen unauffälligen Weg aus der Stadt zeigen und verspricht ihm die goldenen Rittersporen, wenn die Zeit dafür reif ist.


    Zweiter Akt: – Im Rathaus von Berlin.
    Ratsherr Riecke bringt dem Bürgermeister keine guten Nachrichten: Der Rat hat es mal wieder abgelehnt, die Schuld der Stadt Berlin an Henning Molnar zu bezahlen, die nun schon seit Jahren aussteht: Hennings Vater hatte sich nämlich in der Schlacht von Kremmen den Feinden entgegengeworfen und damit die Cöllner und Berliner Soldaten vor der Vernichtung bewahrt. Er selbst aber war in Gefangenschaft geraten und musste 20000 Groschen Lösegeld bezahlen, die er vergeblich von der Stadt zurückforderte. Inzwischen sind zwanzig Jahre vergangen, und Henning ist in das Recht seines Vaters eingetreten.


    Bürgermeister Rathenow glaubt an die Rechtmäßigkeit der Forderung und will sogar, wenn es nicht anders möglich ist, die Schuld selbst bezahlen. Dazu hat er sich an den Juden Baruch gewandt, der ihm das Geld leihen soll. Allerdings muss er zunächst eine peinliche Unterredung durchstehen, denn Baruch ist der Vater jener Salome, die für ihr „schamloses Verhalten“ bestraft wurde. Und das „schamlose Verhalten“ hat insofern mit Rathenow zu tun, als sein Sohn Salome im Stich gelassen hat.


    Nach Baruchs Besuch bei Rathenow gerät der Bürgermeister ins Grübeln. Während er betet, bemerkt er nicht, dass Henning sich ins Haus geschlichen hat, um Elsbeth zu sehen. Aber zunächst kommt es zu keinem Zusammentreffen: Versteckt wird Henning Zeuge, wie Rathenow von den Cöllner Ratsherren Schum, Wintz und Bürgermeister Blankenfeld zu einem Fest eingeladen wird. Da will man anderntags die Verlobung Elsbeths mit Melchior Schum bekanntgeben. Endlich ist Ruhe eingekehrt, und Henning kann Elsbeth treffen. Beide gestehen sich ihre Liebe, so dass Henning sich siegessicher über die Balkonbrüstung auf die Straße schwingt: Er wird alle Hindernisse beseitigen.


    3. Akt: In den Parkanlagen vor dem Stadttor Berlins.

    Henning mimt einen fahrenden Sänger und hat sich als solcher unter die Feiernden gemischt. Er trägt eine feurige Canzone vor, in der er sich selbst als König der Ballade bezeichnet. Die Stimmung wird immer ausgelassener. Es gibt jedoch Streit um die Wahl der Festkönigin: Die Bewohner Cöllns wollen partout Schums Tochter Eva zur Königin machen, aber der nicht mehr ganz so nüchterne Berliner Wintz trinkt auf Elsbeths Wohl. Die Wahl gefällt nicht allen, denn einige haben am Vortag Henning beobachtet, wie er von Rathenows Balkon sprang; außerdem hat sich Rathenow für die Begleichung der Schuld an Henning eingesetzt. Das kann für die Cöllner nur bedeuten, dass Henning Elsbeths Liebhaber ist und Rathenow in die eigene Tasche wirtschaften will. Von der für beide Städte so günstigen Verlobung der Bürgermeistertochter mit dem Ratsherrensohn ist keine Rede mehr: Unversöhnlich zerstritten geht man auseinander.


    4. Akt

    Erstes Bild – Im Hause des Bürgermeisters Rathenow.

    Elsbeth ist verzweifelt. Nicht nur wegen des Streits am Vortag, sondern in erster Linie, weil sie die goldene Kette verloren hat, die sie dem Vater für das Fest abgeschwatzt hatte. Da tritt Henning auf die Szene und Elsbeth bittet ihn vertrauensvoll um Hilfe - aber da reicht er ihr schon die Kette, die sie im Gewühl verloren hatte. Aber es ging Henning nicht nur um den Schmuck, sondern weil er bei ihrem Vater um sie werben will. Da er weiß, dass ihre Verlobung mit Melchior Schum in die Brüche gegangen ist, hofft er auf Zustimmung. Aber da hat er sich in ihren Gefühlen wohl doch getäuscht: Als Patriziertochter meint sie, ihm, dem Handwerker, nicht folgen zu können. Der hinzutretende Rathenow ist noch härter.


    Zweites Bild: – Berlin – Großer Platz vor dem Stadttor.

    Der Kurfürst steht vor dem Stadttor und das Volk will ihm öffnen, doch Rathenow befiehlt, die Stadt zu verteidigen. Henning ist anderer Meinung: er hält das kurfürstliche Recht für wichtiger als alles andere und zerschlägt mit einem Beil das Stadttor - woran ihn übrigens niemand zu hindern wagt. Der Kurfürst zieht in die Stadt ein, will die Widerspenstigen zur Rechenschaft zu ziehen und alle Streitigkeiten beenden. Als erste Maßnahme wird der Roland vom Sockel gestürzt. Sodann wird dem hohen Rat befohlen, dem Kurfürsten auf Knien zu huldigen. Dann will der Kurfürst Elsbeth mit Henning vereinigen, doch der ist von Gefolgsleuten des Kurfürsten erschlagen worden, weil er mit einem Beil angetroffen wurde und man ihn für einen Feind hielt. Bewegt nimmt Elsbeth Abschied von ihm. Der Kurfürst setzt Rathenow wieder ins Bürgermeisteramt ein und die Oper endet mit einem Lobgesang auf den gütigen, wenn auch gestrengen Landesherrn und auf die Stadt Berlin.

    André-Ernest-Modeste Grétry (1741-1813):
    LUCILE

    Opéra comique (Originalbezeichnung Comédie) in einem Akt

    Libretto von Jean-François Marmontel

    nach seiner Erzählung L’école des pères
    Originalsprache: Französisch.


    Uraufführung am 5. Januar 1769 in der Comédie Italienne in Paris.


    Personen der Handlung:
    Lucile (Sopran)

    Timante, ihr Vater (Tenor)

    Dorval senior (Bass)

    Dorval junior, sein Sohn, Luciles Verlobter (Tenor)

    Blaise, alter Bauer (Bariton, als Bass notiert)

    Julie (Sopran)

    Ein Lakai (Bass)

    Chor: Mädchen und Jungen des Dorfes

    Ballett


    Ort und Zeit: Ein Dorf in Frankreich im 18.Jahrhundert.


    Einziger Akt.
    Das Publikum wird nach dem Aufgehen des Vorhangs Zeuge von turbulenten Vorbereitungen zu den Feierlichkeiten der Hochzeit von Lucile und dem Sohn des alten Dorval.


    Plötzlich gibt es durch das überraschende Auftreten des alten Bauern Blaise Unruhe, denn was der den Anwesenden zu berichten weiß, lässt alle an der geplanten Heirat zweifeln: die inzwischen verstorbene Frau von Blaise hat auf dem Sterbebett gebeichtet, dass sie zwar als Amme bei der Geburt von Lucile vorgesehen war, weil die aber schon tot auf die Welt kam, hat sie, erstens, den Tod des Babys verschwiegen und, zweitens, zudem noch die Gelegenheit genutzt, ihre ebenfalls neugeborene Tochter den Eltern der verstorbenen Lucile zu übergeben. Sie hoffte, so ihr Argument, dem eigenen Kind eine bessere Zukunft zu sichern.


    Nach dieser Geschichte des alten Blaise scheint eine Hochzeit zwischen Lucile und dem jungen Dorval unmöglich zu sein. Immerhin ist Lucile wegen ihrer ärmlichen Herkunft für einen gut situierten Bürger des Mittelstandes nicht mehr tragbar. In dieser Lage gelingt es jedoch Luciles Vater, Timante, den alten Dorval zu überreden, einer Hochzeit trotz der neu bekannten Umstände zuzustimmen. Und der alte Dorval stimmt Timante zu, wodurch der Einaktes ein gutes Ende nimmt.


    Anmerkungen.

    Es geht inhaltlich in dieser Oper Gretrys um die Standesdünkel, die im französischen Ancien Regime (wie im feudalistischen Europa auch) vorherrschend waren. Das aber tat dem Erfolg der Oper keinen Abbruch.


    Dem Werk wird eine große Bedeutung für die Entwicklung des Genres der Opéra-comique zugeschrieben. Der Einakter wurde zwischen 1769 und 1793 insgesamt 241 Mal aufgeführt. Zwischen 1804 und 1814 folgten 49 weitere Aufführungen. Außerdem wurde es in mehrere Sprachen übersetzt. Somit war das Werk in den ersten Jahrzehnten nach der Uraufführung recht erfolgreich. Im Laufe der Jahrzehnte und Jahrhunderte geriet es dann mehr und mehr in Vergessenheit. Im Jahr 1920 kam es zu einer Wiederaufnahme der Oper in Lüttich. Lucile wird, wenn überhaupt, heute nur sehr selten gespielt. Die Musik aus dem Quartett „Où peut on être mieux qu’au sein de sa famille“, frei übersetzt: „Am besten lebt es sich im Kreise seiner Lieben“, war eine inoffizielle Hymne, die im Frankreich der Restaurationszeit (1815–1830) bei öffentlichen Auftritten des Königs gespielt wurde.

    André-Ernest-Modeste Grétry (1741-1813):
    SILVAIN

    (deutscher Titel: Erast und Lucinde)
    Opéra-comique in einem Akt

    Libretto von Jean-François Marmontel nach Erast von Salomon Gessner

    Originalsprache: Französisch.


    Uraufführung am 19. Februar 1770 in der Comédie-Italienne in Paris.


    Personen der Handlung:

    Dolmon, Vater von Silvain (Bassbariton)

    Dolmon, älterer Sohn unter dem Namen Silvain (Bariton)

    Dolmon, jüngerer Sohn (Sprechrolle)

    Helene, Silvains Frau (Sopran)

    Pauline, Tochter von Silvain und Helene (Sopran)

    Lucette, Tochter von Silvain und Helene (Sopran)

    Bazile, junger Dorfbewohner (Tenor)

    Zwei Wachen (2 Tenöre).

    Ort und Zeit: Vor einem Bauernhof in Frankreich, Mitte des 18.Jhdts.


    Einziger Akt.

    Silvain Dolmon, Spross einer adligen Familie, hat sich, und das ist mittlerweile fünfzehn Jahre her, den Standesregeln und -wünschen seines Vaters widersetzt und seine große Liebe, die bürgerliche Helene geheiratet. Dieses Verhalten war für Vater Dolmon nicht akzeptabel und hatte für Silvain einschneidende finanzielle Folgen: er wurde enterbt.


    Silvain hat den Unterhalt für sich und seine Frau daraufhin als Bauer auf gepachtetem Land verdient. Das war eine mutige Entscheidung und zunächst auch nicht einfach, aber dem Paar gelang es, ausreichend Einkünfte zu erzielen. Zwei Töchter wurden dem Ehepaar geboren.


    Aktuell wird Silvain allerdings von den Jagdpächtern des neuen Landbesitzers der Wilderei beschuldigt. Helene, seine Frau und seine beiden Töchter Pauline und Lucette sprechen bei dem Landbesitzer vor und bitten um Gnade für den Ehemann und Vater. Weil sie damit aber keinen Erfolg haben, muss Silvain selbst noch beim neuen Landbesitzer vorstellig werden. Und Silvain erkennt bei diesem Zusammentreffen seinen Vater als den neuen Landbesitzer wieder. Das Gespräch der beiden führt letzten Endes zu einer großen Versöhnung womit die Familie wieder vereint ist.


    Anmerkung.
    Von den Frühwerken Grétrys war Silvain eines seiner erfolgreichsten Kompositionen für die Bühne. Zwischen 1770 und 1827 wurde sie allein an der Comédie-Italienne bzw. später der Opéra comique 381 Mal aufgeführt. Im Jahr 1796 war Silvain die erste Oper überhaupt, die in der Neuen Welt, in New Orleans, gespielt wurde. Bis etwa um 1800 gab es auch Aufführungen in den Niederlanden, Deutschland, Österreich, Dänemark, Schweden und Russland.


    Das Werk thematisiert das zeitgenössische Problem des Ancien Régime, die Rechte der Bauern gegenüber ihren Lehnsherren nämlich. Daher wurde es von so manchem Grundbesitzer und Adligen kritisch gesehen. Dieser Aspekt wurde vom weiteren Gang der politischen Entwicklung nach 1789 hinfällig. Im Laufe des 19. Jhdts. geriet die Oper mehr und mehr in Vergessenheit. Wiederaufführungen sind aus jüngerer Zeit nicht bekannt geworden. Es gibt auch keine Einspielung der Oper als Gesamtwerk. Die Ouvertüre und einige Arien werden gelegentlich bei Konzerten gespielt. Und davon gibt es auch Mitschnitte auf Tonträger.

    André-Ernest-Modeste Grétry (1741-1813):
    LE TABLEAU PARLANT

    (Das sprechende Bild)
    Opéra-comique in einem Akt

    Libretto von Louis Anseaume

    Originalsprache: Französisch.


    Uraufgeführt am 20. September 1769 in der Comédie Italienne, Paris.


    • Personen der Handlung:

      Cassandre, Vormund Isabelles und Onkel Léandres (Tenor)

      Isabelle, Geliebte Léandres (Sopran)

      Columbine, Zofe Isabelles und Freundin Pierrots (Sopran)

      Léandre, Geliebter Isabelles (Tenor)

      Pierrot, Diener Léandres und Geliebter Columbines (Tenor)

    Ort und Zeit: Eine französische Kleinstadt um 1760.


    Einziger Akt.

    Isabelle lebt zur Zeit bei ihrem Vormund Cassandre, denn ihr Freund Léandre, ein Neffe von Cassandre, ist seit längerer Zeit mit seinem Diener Pierrot verschwunden. Das aber ist für den Vormund von Isabelle geradezu ideal, denn er hat sich in sie verliebt und beschlossen, sie zu heiraten.


    Diese Idee ihres Vormundes findet Isabelle überhaupt nicht gut, doch sie geht zum Schein darauf ein. Jetzt kommt Cassandres Misstrauen ins Spiel: Er traut trotz seiner Verliebtheit, aber den Altersunterschied erkennend, Isabelle nicht über den Weg und will sie auf die Probe stellen. Er täuscht eine Reise vor, bleibt jedoch tatsächlich im Haus, um Isabelle aus dem Verborgenen zu beobachten.


    Wir kommen nun der Lösung des Spiels schon mal etwas näher, denn kaum ist Cassandre (angeblich) abgereist, kehren Léandre und sein Diener Pierrot überraschend zurück. Sie erklären Isabelle ihre lange Abwesenheit mit Abenteuern, die sie in Cayenne im überseeischen Französisch-Guayana erlebt haben. Die Rückkehr der beiden Liebhaber ist ein Festmahl wert, das Isabelle und Columbine umgehend vorbereiten.


    Cassandre wiederum entdeckt im leeren Speisesaal die für vier Personen gedeckte Tafel. Er kommt auf den Gedanken, aus einem unvollendet gebliebenen Portrait von sich selbst das Gesicht auszuschneiden und selbst daraus auf die Tafel zu blicken und sehend an dem Diner teilzunehmen.


    Als die Vier dann zum Essen in das Zimmer kommen, sprechen sie über die Situation. Sie sind sich einig, dass Isabelle Cassandre die Wahrheit über ihre Liebe zu Léandre sagen muss. Die Verliebten beschließen, dass Isabelle zunächst das Geständnis vor dem Bild Cassandres im Speisezimmer üben soll. Das sie dabei mit Cassandre direkt spricht, der ja aus diesem Bild hervorschaut, ist eine interessante und vergnügliche Szenerie, denn auf diese Weise wird das Bild zum sprechenden Bild, woraus sich der Name der Oper ergibt.


    Die Anwesenden erschrecken zunächst, als sie erkennen, wer aus dem Bild spricht. Cassandre sieht jedoch schließlich ein, dass sein Plan einer gemeinsamen Zukunft mit Isabelle aussichtslos ist. Er gibt folglich nach und steht einem Happy End seines Neffen mit Isabelle und von Pierrot mit Columbine nicht weiter im Wege.


    Anmerkungen.

    Das Orchester besteht aus je zwei Flöten, Oboen und einem Fagott bei den Holzbläsern; außerdem werden zwei Hörner verlangt und Streicher.


    Die Oper beeindruckt durch ihren Witz und durch eine Fülle von gelungenen Musiknummern. Sie ist auch ein weiteres Beispiel in der unendlichen Reihe der komischen Opern, in denen ein alter Mann eine junge Frau liebt und sie heiraten will - was zu allerlei Verirrungen und Verwicklungen führt, letztlich aber auch die geplante Heirat scheitern lässt. Als Beispiele seien Paisiello und Rossini mit dem Barbier von Sevilla, Donizettis Don Pasquale und Richard Strauss Die schweigsame Frau als bekannteste Beispiele dieses Genres genannt.


    Gretrys Werk hielt sich fast 100 Jahre im Spielplan der Comédie Italienne bzw. der Opéra comique und gehört damit zu den erfolgreichsten Opern des Komponisten.


    Insgesamt gab es bis 1865 mit einigen Unterbrechungen 636 Aufführungen; es wurde auch in andere Sprachen übersetzt und in vielen europäischen Städten und sogar in Amerika gespielt. Die letzten belegten Aufführungen fanden in den Jahren 1909 und 1910 in Brüssel bzw. in Paris statt. Im Jahr 2001 wurde das Werk in Moskau aufgeführt.

    Étienne-Nicholas Méhul (1763-1817):
    L’IRATO ou L’EMPORTÉ

    (deutsche Titel: Der Tollkopf, Der Aufbrausende, Der zänkische Onkel)
    Opéra comique in einem Akt

    Libretto von Benoît-Joseph Marsollier de Vivetières

    Originalsprache: Französisch.


    Uraufführung am 17. Februar 1801 in der Salle Favart der Opéra comique, Paris.


    Personen der Handlung:

    Pandolphe, alter Mann, oft wütend (Bariton)

    Lysandre, sein Neffe von entgegengesetztem Charakter, Isabelles Geliebter (Tenor)

    Isabelle, Nichte von Pandolphes verstorbener Frau, Lysandres Geliebte (Sopran)

    Nérine,Isabelles Zofe und Vertraute sowie Scapins Geliebte (Sopran)

    Scapin, Lysandres Diener und Nérines Geliebter (Bariton)

    Doktor Balouard, Pandolphes Freund und Lysandres ehemaliger Lehrer (Tenor)

    Bedienter (Sprechrolle)

    Chor / Statisten: Bedienstete, Nachbarn.


    Ort und Zeit: Landhaus von Pandolphe bei Florenz im 18.Jahrhundert.


    Inhalt des einziges Aktes.


    Der alte Pandolphe ist ein mürrischer Mann; sein Neffe Lysandre ist von genau entgegengesetztem Charakter. Das Problem in der Familie ist Lysandres Liebe zu der Nichte von Pandolphes verstorbener Frau: Isabelle mit Namen. Und das passt Pandolphe nicht, denn er hat vor, Isabelle mit Lysandres ehemaligen Lehrer, Doktor Balouard, zu vermählen. Ein weiterer Schwerenöter ist Scapin, der Diener Lysandres, der ein Auge auf Isabelles Zofe Nérine geworfen hat. Hierzu hat Pandolphe allerdings keine Einwände – und das hängst wohl mit deren Status als Bediente zusammen.


    Pandolphe treibt es zum Äußersten: er setzt seinem Neffen nämlich mit der Drohung der Enterbung die Pistole auf die Brust, falls er nicht aufhöre, Isabelle nachzustellen. Der Neffe aber lässt sich nicht provozieren gibt sich, zumindest nach außen hin, ruhig und gelassen, sehr zum Ärger von Pandolphe.


    Nun kommen die Frauen ins Spiel: Isabelle und Nérine, die für einige Zeit abwesend waren, kehren nämlich in das Landhaus von Pandolphe zurück und werden sofort über dessen Plan informiert, was Isabelle in Verzweiflung stürzt, denn für sie kommt eine Ehe mit Balouard partout nicht in Frage. Der ist für sie nicht nur viel zu alt, sondern würde sie mit seiner Pedanterie zur Verzweiflung bringen.


    Diener Scapin hat einen Plan entwickelt, der Doktor Balouard bei Pandolphe in Ungnade stürzen soll. Außerdem weist die Handlung noch mehrere Verwicklungen und Verwirrungen auf, die jedoch, der Opéra comique gemäß, das „gute Ende“ nicht verhindern können. Und dieses glückliche Ende ist die Doppelhochzeit Lysandre und Isabella sowie Scapin und Nérine. Und Pandolphe lässt sich sogar dazu herab, die beiden Paare zu segnen.


    Anmerkung.
    Méhul traf sich vor der Komposition der Oper gelegentlich mit dem damaligen Konsul Napoleon Bonaparte. Der Komponist war dem Konsul von dessen Gemahlin Joséphine de Beauharnais vorgestellt worden. Bei diesen Treffen wurde natürlich auch über Musik gesprochen, und Napoleon erklärte Méhul offenherzig, dass er den italienischen Opernstil dem französischen vorziehe. Aber, er möge ihm seine Meinung nicht übelnehmen, Méhuls Stil sei ihm zu teutonisch, ernst, und tiefsinnig. Méhul nahm Napoleon seine Meinung nicht übel, nahm sich aber vor, demnächst eine Oper zu komponieren, die dem Geschmack Napoleons entgegenkam. Übrigens typisch für das Verhältnis zwischen Musik und Macht.


    Diese neue Oper war L’irato ou L’emporté und ganz in italienischem Stil komponiert, wurde allerdings nicht als ein Werk Méhuls angekündigt, sondern als ein etwas älteres italienisches Werk. Die Überraschung gelang und als am Ende der Uraufführung das begeisterte Publikum wissen wollte, wer der Komponist war, betrat Méhul zum Erstaunen aller die Bühne und wurde begeistert gefeiert, auch von dem anwesenden Napoleon.