Beiträge von musikwanderer

    Die Nachrichtenagentur dpad berichtet:


    München. Der Generalmusikdirektor der Bayerischen Staatsoper, Kent Nagano, wird mit der Bayerischen Europamedaille geehrt. Nagano sei "ein Ausnahmetalent, das Bayern zu einem der weltweit führenden Opern- und Konzertstandorte macht", sagte Europaministerin Emilia Müller (CSU) am Montag in München. Mit seinem überragendem Können sei er in ganz Europa ein kultureller Botschafter des Freistaats.


    Nagano bekommt die Auszeichnung am Donnerstag überreicht. Mit der 1990 erstmals verliehenen Bayerischen Europamedaille werden Persönlichkeiten gewürdigt, die sich auf besondere Verdienste um Bayern in einem vereinten Europa erworben haben.


    LG

    Georg Friedrich Händel (1685-1759):


    Die Pasticcio-Opern I
    ALESSANDRO SEVERO
    Dramma per musica in drei Akten nach einem Libretto von Apostolo Zeno von einem unbekannten Bearbeiter


    Uraufführung am 25. Februar 1738 im Haymarket Theatre, London


    DIE PERSONEN DER HANDLUNG
    (und die Interpreten der Uraufführung)


    Alessandro (Antonio Caffarelli, Sopran-Kastrat)
    Sallustia (Elisabeth Duparc [La Francesina], Sopran)
    Claudio (Margherita Chimenti [La Droghierina], Sopran)
    Albina, auch Eurilla (Maria Antonia Marchesini [La Lucchesina], Mezzo)
    Giulia (Antonia Merighi, Alt)
    Marziano (Antonio Montagnana, Baß)


    1. Vorbemerkung


    Händel hat sich, an die Gepflogenheiten seiner Zeit anpassend, auch mit Pasticcio-Opern beschäftigt. Angesichts der Tatsache, daß es nur fünf vollendete Pasticcios aus seiner Feder gibt, darf man aber mutmaßen, daß ihm diese Arbeit keinen sonderlichen Spaß bereitet hat:


    - Alessandro Severo
    - Giove in Argo
    - Lucio Vero
    - Muzio Scevola
    - Oreste


    Sie sind, bis auf eine einzige Ausnahme, aus Musik seiner eigenen Opern geformt worden. Diese Ausnahme ist „Muzio Scevola“ (ebenfalls im Tamino-Opernführer besprochen), die neben Musik von Händel noch Kompositionen von Filippo Amadei (auch: Mattei) und Giovanni Bononcini enthält. Auch „Oreste“ fand im Tamino-Opernführer Erwähnung. Daß sich Händel mit dieser Art von Opern-Herstellung beschäftigt hat, dürfte mehrere Gründe gehabt haben:


    - Gepflogenheit; in der gesamten Barockzeit waren Pasticcio-Opern üblich. Gerade Händels Londoner Zeit kann man - europäisch betrachtet - als die Hochzeit der Pasticcio-Produktion ansehen. Die Komponisten haben dabei nicht nur aus eigenen Werken entlehnt, sondern auch bei den „Kollegen gewildert“. Das Bewußtsein, geistigen Diebstahl zu begehen, fehlte und kam erst viel später auf.


    - Zeitmangel; der Arbeitsaufwand ist bei einer Pasticcio-Oper viel geringer als bei einer Neukomposition. Und Händel hatte stets wenig Zeit zur Verfügung.


    - Nervliche Belastung; oft war Händels Gesundheit auf Grund seiner Arbeitsweise und der damit verbundenen Hektik so angeschlagen, daß geistige und körperliche Kraft-Reserven fehlten.


    - Finanzielle Ausbeutung; die musikalischen Erfolgsstücke in anderem Zusammenhang erneut zu präsentieren und sich mit geringerem Aufwand finanziell Luft zu verschaffen, war schon ein wichtiger Grund.


    - Solistenwunsch; Händels Vokalsolisten waren an steigenden Einnahmen ebenso interessiert, wie der Komponist. Da sie dafür keine Neuinstudierungen vornehmen mußten, gleichwohl mit den „Hits“ aus älteren Opern Erfolge erzielen konnten, bestand großes Interesse an diesen Pasticcios.


    Für die Nachwelt bereiten Pasticcio-Opern allerdings einige Probleme: Da es für sie keine gesonderten Autographe gab, das Druckrecht auch keinen Sinn machte und das Aufbewahrungsinteresse gleich Null war, ist unser Wissen um diese Werke recht gering. Schließlich wurden auch nur wenige Vorstellungen für diese Opern angesetzt, oftmals nur eine Benefiz-Aufführung.


    ALESSANDRO SEVERO wurde von Händel in der zweiten Jahreshälfte 1737 in großer finanzieller Bedrängnis zusammengestellt. Die Musik enlehnte er „Giustino“, „Berenice“ und „Arminio“; lediglich die Ouvertüre und die Rezitative wurden neu komponiert.


    Johann Jakob Heidegger hatte die ruinierte „Royal Academy of Musik“ I und II aufgekauft und begann am 29. Oktober eine neue Spielzeit im Haymarket Theatre. Händel bekam von ihm den Auftrag, zwei neue Opern und ein Pasticcio zu komponieren; die beiden Opern waren „Faramondo“ und „Xerxes“, das Pasticcio war ALESSANDRO SEVERO. Allerdings wurden die Hoffnungen auf Besserung der pekuniären Lage enttäuscht. Die Oper brachte es, wie auch der gleichzeitig uraufgeführte „Faramondo“, nur auf sechs Vorstellungen.


    2. INHALTSANGABE


    Erster Akt


    Allesandro Severo ist mit vierzehn Jahren Kaiser geworden.Er hat auf Betreiben seiner Mutter Giulia Mammaea die aus vornehmem Hause stammende Römerin Sallustia, eine junge Frau mit einer umfassenden Bildung, geheiratet. Entgegen Giulias Erwartung, die gehofft hatte, ihren politischen Einfluß zu behalten, macht sich der Sohn mit Hilfe seiner Frau von der Mutter frei. Giulia ist dadurch maßlos eifersüchtig auf die Schwiegertochter. Zudem ist diese Ehe auch noch glücklich. Die Kaiserinmutter sucht nach einem Ausweg und kann ihren Sohn tatsächlich mit einer Intrige überrumpeln: Alessandro unterschreibt eines von vielen Staatspapieren und bemerkt nicht, daß unter diesen Schriftstücken auch eines ist, das seine geliebte Frau der Untreue und der Machtgier bezichtigt und als Konsequenz die Verbannung anordnet. Als ihm klar wird, was da geschehen ist, stellt er Sallustia zur Rede, die jedoch jeden Anklagepunkt zurückweist. Aus Staatsraison, nicht aus Überzeugung, schickt er Sallustia trotzdem ins Exil.


    Zweiter Akt


    Sallustia lebt bereits einige Jahre im Exil und wird von den der Giulia ergebenen Wachen immer wieder drangsaliert. Sie beklagt sich jedoch nicht und überlegt immer wieder, ihre Situation zu ändern. Eines Tages beschließt sie, ihren Vater Marziano um Hilfe zu bitten. Der will eine Verschwörung gegen den Kaiser anzetteln, was Sallustia ablehnt, sieht sie doch dadurch ihre Lage sich verschlechtern. Sie bittet den Vater, seine Pläne fallen zu lassen. Auch des Kaisers Minister Claudio ist in die Verschwörung einbezogen, doch sein Anschlag geht durch das Eingreifen von Albina, seiner Geliebten, daneben. Albina gelingt es aber, die Verschwörer straffrei ausgehen zu lassen. Dadurch wendet sich Minister Claudio wieder seiner Albina zu.


    Dritter Akt


    Unbeeindruckt von Claudios Scheitern plant Marziano eine weitere Rebellion, jedoch dieses Mal nicht gegen den Kaiser, sondern gegen die Kaiserinmutter. Giulia hat nach Ansicht der Rebellen einen äußerst schlechten Einfluß auf Alessandro und verdient daher den Tod. Als erste Maßnahme gelingt den Verschwörern die Befreiung Sallustias und mit ihr dringen sie in die Gemächer Giulias im Palast ein. Die sieht ihren Tod schon vor Augen, doch Sallustia kann den Mord verhindern, indem sie sich vor ihre Schwiegermutter stellt. Flehentlich bittet die um ihre Ehe mit Alessandro verzweifelte Sallustia den Vater und die Verschwörer um Gnade für Giulia - und die Rebellen eilen tatsächlich davon. Überwältigt von diesem Großmut versöhnen sich Sallustia und Giulia, die ihrem Sohn gegenüber auch zugibt, eine Intrige gesponnen zu haben.


    Das Ende der Oper ist ein typisch barockes Reue- und Versöhnungstableau, denn der Kaiser ist nicht nur völlig überrascht über die Wendung, sondern auch mehr als erfreut, seine Sallustia wieder zu haben und verzeiht allen.


    3. Geschichtlicher Hintergrund von „Alessandro Severo“


    Der Titelheld Severus Alexander Marcus Aurelius wurde am 1. Oktober 208 in Arca Caesarea/Phönizien geboren. Durch seine Mutter Giulia Mammaea und seine Großmutter Giulia Maesa, der Schwägerin von Kaiser Septimius Severus, war er verwandt mit dem severischen Kaiserhaus, und wurde von seinem Vetter, Kaiser Elagabal, als Sohn und Nachfolger angenommen. Nach der Ermordung Elagabals, am 13. März 222, wurde er römischer Kaiser.


    Innenpolitisch war seine Regierungszeit geprägt durch Krisen und Machtkämpfe, die durch die starke Stellung des Militärs verursacht wurden. Außenpolitisch gab es neben Heeresmeutereien in Mesopotamien und Ägypten Bedrohungen durch die persischen Sassaniden. Ab 233 mußte sich Severus Alexander auch noch mit Germaneneinfällen beschäftigen. Als er jedoch 235 mit den Feinden verhandeln wollte, wurden er und seine Mutter von dem Widersacher und Nachfolger, Maximinus Thrax, in Bretzenheim bei Mainz ermordet. Sein Tod markiert das Ende der severischen Dynastie und den Beginn der Ära der sogenannten Soldatenkaiser.


    4. Forscherglück


    Das Problem war bisher, daß zwar der Index der Sinfonien, Arien, Duette und der beiden Chöre für ALESSANDRO SEVERO bekannt war, wegen eines fehlenden Autographs aber die von Händel ausgewählte Musik nicht bestimmt werden konnte. Das Forscherglück hatte - wie schon in manch anderen Fällen - Anthony Hicks; der fand eine Abschrift von ALESSANDRO SEVERO und stellte daraus eine Partitur zusammen, die Dabringhaus und Grimm (mdg) für die folgende Aufnahme als Grundlage diente:


    mit Mary-Ellen Nesi
    Marita Solberg
    Kristina Hammarström
    Irini Karaianni
    Gemma Bertagnolli
    Christophoros Stamboglis


    Es spielt Armonia Atenea
    (auf historischen Instrumenten)


    Musikalische Leitung: George Petrou






    © Manfred Rückert für Tamino-Opernführer 2011
    unter Hinzuziehung folgender Quellen:
    Albert Scheibler: Die 53 Bühnenwerke des Georg Friedrich Händel
    Musik in Geschichte und Gegenwart
    Winton Dean: Händels Opern
    Ivar Lissner: Die Cäsaren

    Georg Friedrich Händel (1685-1759):


    III. SCHAUSPIELMUSIK
    „THE ALCHIMIST“

    Komödie von Ben(jamin) Jonson (1573-1637)

    INFORMATIONEN ZUM WERK


    Forschungsergebnisse von (beispielsweise) Otto Erich Deutsch (Händel 1955), C. A. Price (Handel and the Alchimist in „The Musical Times“, 1976) und Bernd Baselt (Band 1 des Händel-Handbuchs 1978 ), verdeutlichen, in wenigen Punkten zusammengefaßt, die Überlieferungsgeschichte der hier vorzustellenden Schauspielmusik.


    (1) Ben(jamin) Jonson war als englischer Dramatiker, Dichter und Schauspieler Zeitgenosse Shakespeares, und bekannt für seine satirischen Stücke, darunter „The Alchemist“. Als Mann von Bildung und gleichzeitig Spaß auf Kontroversen hatte er großen Einfluß vor allem auf englische Autoren und Dichter zur Zeit der Regenten Jakob I. und Karl I.


    Seine satirische Komödie THE ALCHIMIST wurde 1610 im Blackfriars Playhouse im Londoner Stadtteil Blackfriars von den King’s Men uraufgeführt. Um die Titelfigur richtig einordnen zu können, muß man wissen, daß er schon damals eine bekannte archetypische Figur war. In der Literatur steht er mit Dr. Faustus für den Forschertyp, der die Grenzen des bürgerlichen Lebens überschreiten möchte. Während Faust jedoch nach Erkenntnis strebt, die ihn zu einem Pakt mit dem Teufel führt, ist der Alchemist besessenen von der Idee der Goldherstellung mit Hilfe der Chemie, er sucht also keine Erkenntnis, sondern Reichtum.


    Diese Figur, schon seit dem 14. Jahrhundert durch Petrarca bekannt, eignet sich hervorragend zur Gesellschaftskritik und Satire. Beispielweise diente der Alchimist Erasmus von Rotterdam zur Anprangerung der Priester- und Gelehrtenkaste und Ben Jonson machte den Adel und das Bürgertum mit dieser Figur zum Gespött.


    (2) THE ALCHIMIST wurde im Januar 1710, hundert Jahre nach seiner Entstehung, im Londoner Queen's Theatre am Haymarket neu inszeniert. Zu der Zeit war noch Anna Königin in England und ein gewisser Georg Friedrich Händel befand sich erstmals auf dem Weg von Hannover nach London. Das Theater-Ereignis war durch Annoncen in Zeitungen, aber auch durch Handzettel, bekannt gemacht worden. Darin hieß es, daß „eine von Musik begleitete Komödie zur Aufführung“ kommen würde, und daß „die Musik von einem italienischen Komponisten“ stamme.


    (3) Im Juni 1710 gab der Drucker und Verleger John Walsh sen. eine Notenausgabe in den Handel, die aus vier Stimmheften für Violine I und II, Viola und Basso continuo bestand. Dadurch wurde bekannt, daß der „italienische Komponist“ in Wirklichkeit Georg Friedrich Händel hieß und die Musik aus der 1707 in Rom und Florenz entstandenen Oper „Rodrigo (Vincer se stesso è la maggior vittoria)“ stammte. Die daraus zu ziehende Schlußfolgerung, daß nicht Händel selbst, sondern ein Bearbeiter am Werke war, kann allerdings bis heute nicht mit einem Namen belegt werden.


    (4) Die Begleitmusik zu THE ALCHIMIST, die natürlich wegen der Herkunft aus „Rodrigo“ mit Fug und Recht auch „Rodrigo“-Suite genannt werden kann (und manchmal auch so aufgeführt wird), setzt sich aus folgenden Sätzen von insgesamt 296 Takten zusammen:
    - Ouvertüre
    - Air
    - Menuett I
    - Sarabande
    - Bourrée I (Air) und II
    - Menuett II
    - Matelot (Air)
    - Gigue.
    Diese Auflistung unterstreicht, daß es sich hier tatsächlich um eine rein begleitende Schauspielmusik handelt.


    (5) Erwähnenswert ist noch, daß Jonsons Schauspiel 1733 erneut auf die Bühne kam und es in Vorankündigungen hieß, ausgewählte Instrumentalkompositionen von Corelli, Vivaldi, Geminiani und Händel würden das Theaterstück musikalisch untermalen. Händels Anteil an dieser Bühnenmusik bestand aus 6 Opernarien, die (nach R. Lacy) aus „Giulio Cesare“, „Poro“, „Partenope“, Admeto“, „Rinaldo“ und „Riccardo Primo“ stammten. Auch diese Schauspielmusik druckte Walsh (noch 1733) unter dem Titel „The Tunes for the Alchimist and six songs in seven parts“.


    Der Tamino-Werbepartner jpc bietet momentan zwei Aufnahmen an, jeweils mit anderen Kompositionen gekoppelt:




    © Manfred Rückert für Tamino-Opernführer
    unter Hinzuziehung folgender Quellen:
    Albert Scheibler: Die 53 Bühnenwerke des Georg Friedrich Händel
    MGG
    Wikipedia über Ben Jonson
    Peter Zehfuß: Betrug und Selbstbetrug. Ben Jonsons Komödien "Volpone" und "The Alchimist" vor dem Hintergrund der elisabethanisch-jakobäischen Gesellschaft und in ihrer Bedeutung für die Gegenwart. Regensburg: Roderer 2001.

    Ein Dirigent, dem ich persönlich Charisma zugestehen will (wenngleich ich ihn nie persönlich in einem Konzert oder in einer Oper kennengelernt habe) ist Rafael Kubelik.


    Was ich über diesen Musiker weiß, habe ich gelesen, habe von anderen gehört, wie sie über ihn gedacht und emotional geurteilt haben. Und da erscheint vor meinem geistigen Auge ein im besten Sinne wirkender Kapellmeister der alten Schule, der über Kompetenz seine Auffassung dem Orchester "übergestülpt" hat. Der brauchte keine Keule, auch keine theatralischen Toscanini-Ausbrüche oder Bernsteinschen Trampolin-Sprünge.


    Und aus diesem Grund nenne ich ihn noch heute meinen Lieblingsdirigenten - all die Platten, die ich hatte, sind verkauft und verschenkt worden, weil ich mir dann die CD's kaufen wollte. Und beim Wollen ist es geblieben, leider! Aber angeblich stirbt ja die Hoffnung zuletzt und ich finde mal aus meiner unendlichen und unübersichtlichen Wunsch-Warte-Liste die erlösenden Kaufanreize...

    Georg Friedrich Händel (1685-1759):


    I. SCHAUSPIELMUSIK ZU „ALCESTE“
    Tragödie von Tobias Smollet (1721-1771) nach Euripides


    Vorbemerkung


    Wenn hier im Opernführer auch jene Werke Händels Erwähnung finden, die unter dem Begriff „Schauspielmusik“ eingeordnet werden, dann geschieht das nicht nur aus Gründen der vollständigen Darstellung von Händels Bühnenschaffen; sicherlich erfährt der Musikfreund, den Händel-Kenner einmal ausgenommen, auch noch einige Details aus einem arbeitsreichen Komponistenleben, die ihm bisher nicht bekannt waren.


    Da der Begriff „Schauspielmusik“ heute fest umrissen ist, wird man an den Werkinformationen leicht erkennen können, daß die drei hier vorgestellten Werke völlig unterschiedlich strukturiert sind und nicht unbedingt in das bekannte Schema passen. Gleichwohl soll die eingeführte Terminologie auch beibehalten werden.


    INFORMATIONEN ZUM WERK


    Der Arzt (und Satiriker) Tobias Smollet hatte auf der Grundlage des durch Euripides bekannten Stoffes eine Tragödie geschrieben, zu der Händel eine das vieraktige Sprechstück begleitende Schauspielmusik komponierte. Es existieren eine Ouvertüre und mehrere sinfonische Einlagen. Es ist an dieser Stelle auch darauf hinzuweisen, daß Händel bereits 1727 das Thema in einer seiner schönsten Opern, „Admeto“, meisterlich behandelt hat.


    Die Komposition begann Händel am 27. Dezember 1749 und schloß sie am 8. Januar 1750 ab. Nach einer Vereinbarung mit John Rich, dem Intendanten des Covent-Garden Theaters, sollten die Einnahmen aus den Aufführungen zur Tilgung der aufgelaufenen Schulden Händels bei Rich verwandt werden.


    Fest steht, daß Smollets Stück - trotz vieler Vorankündigungen - nie aufgeführt wurde, Händels Musik also in Verbindung mit ALCESTE nie erklang. Vielfach wird angenommen, daß eine Erdbebenserie, die London um diese Zeit erschütterte, das Publikum aufs Land getrieben hatte, Theateraufführungen daher abgesagt werden mußten. Chrysanders Vermutung (s. Vorwort zu seiner Partitur-Ausgabe von 1887), daß Händels Komposition als „zu groß und kunstvoll ausgearbeitet“ angesehen wurde, kann kaum als Hinderungsgrund angenommen werden. Auch am Sängerpersonal kann es nicht gelegen haben, denn die gehörten zur Spitzenklasse ihrer Zeit: die Damen die Damen Young, Arne und Faulkner sowie die Herren Lowe und Waltz. Welche Gründe auch immer vorgelegen haben mögen, sie müssen gewichtig gewesen sein.


    Smollets Drama wurde übrigens nicht nur niemals aufgeführt, der Text wurde auch nie gedruckt und ging verloren. Trotzdem wollen Forschungen ergeben haben, daß neben der Tragödie des Euripides auch Quinaults/Lullys „Alceste“ Smollet als Vorlage gedient hat.


    Die handelnden Personen waren Schauspieler, die keinen Anteil am musikalischen Geschehen hatten. Händels Musik, nur für den ersten und vierten Akt komponiert, hatte lediglich Rahmencharakter und brachte intermezzihafte Ausschmückungen für Orchester, Chor und Solisten. Da die Musik glücklicherweise erhalten blieb, konnte Anthony Hicks eine Rekonstruktion erstellen, die seinerzeit bei „L'oiseau-Lyre“ erschien; Christopher Hogwood leitet die „Academy of ancient Music“. Zum Inhalt der einzelnen Vokalsätze gilt folgendes zu erklären:


    Ouvertüre


    ERSTER AKT: FESTLICHER EINZUG


    In einem Tenor-Rezitativ wird das Volk aufgefordert, seine jubelnden Stimmen zum Hochzeitsgesang für Admeto und Alceste zu erheben.


    Zwei aufeinander folgende Chöre, darunter einer mit Solo, preisen Hymenaios, den Gott der Hochzeit und drücken Segenswünsche für das königliche Paar aus.


    Eine Tenor-Arie wünscht dem Paar Admeto und Alceste „Sanfte Ruhe, Liebe und Frieden“, und in Verbindung mit „heroischen Taten“ auf der „Tugend hehren Pfaden“ möge der Herrschaft königlicher Glanz verliehen werden. Dem schließt sich ein Segens- und Dankes-Chor an.


    Während Admeto schläft, bittet Calliope (eine der Töchter von Zeus und Mnemosyne, Muse der epischen Dichtung, der Wissenschaft, des Epos) den Gott des Traumes, Morpheus, Admeto mit dem „milden Tau des Schlafs“ zu versehen, damit er, „wenn Auroras helle Strahlen“ die Welt „mit goldenem Glanz“ erfreuen, einem Phoebus gleich den neuen Tag genießen kann.


    VIERTER AKT: AM STYX


    Der greise Fährmann am Styx, Charon, erklärt dem Publikum seine Aufgaben, die darin bestehen, den Armen wie den Reichen, den Guten wie den Bösen, über den Styx (oder auch Acheron) zu Plutos „trostlosen Gestaden“ zu bringen.


    Ein Chor in Plutos Palast bestätigt Charons Worte und nennt die jetzt „unsterblich Sterblichen“ dreifach Glückliche, die frei von Trauer und Schmerz sein werden.


    Ein Tenor wendet sich zu Alceste und bittet sie, Elysiums „süßen Hain, den Sitz der Freude und der Liebe“ zu genießen, denn hier wird Liebe niemals schal. Hieran schließt sich der vorangegangene Chor als Wiederholung an.


    Wiederum spricht Calliope zu Admeto; sie wünscht dem verwitweten König nicht nur „Schmerzlinderung“, sondern auch die Rückkehr der „edlen Alkestis“.


    Dieser Arie folgt eine Sinfonia, die den Auftritt des Alcides (Beiname für Herakles) ankündigt. Ein Gefolgsmann des Helden weist in einem Rezitativ darauf hin, daß der Triumphator aus den „Tiefen emporsteigt“ und „glorreicher Sieg auf seiner Stirn“ erstrahlt. Ein Jubelchor begrüßt ihn als „gewaltigen Sohn des Jupiter“, dem alle Furien und Unholde weichen müssen.


    Eine zweite Sinfonia kündigt einen weiteren Auftritt, den des Gottes Apollo, an. Ein Tenor-Rezitativ berichtet, daß der Gott von den Höhen des Olympos mit seinem Gefolge, von klingendem Chor begleitet, herniedersteigt, um den Sieg „und wunderbaren Triumph“ des Jupiter-Sohnes zu feiern, und gleichzeitig Admeto und seine frohe Braut zu begrüßen.


    Eine abermalige Tenor-Arie ruft zum Stimmen und Klingen aller Harfen auf. Das Volk solle einstimmen in das Lob des großen Siegers.


    Darauf folgen ein „Erster Tanz“ und „Der letzte Tanz“.


    Der Schlußchor dieses Pasticcios bejubelt den „glorreichen Sohn des Jupiter“ ebenso wie das „frohe Paar in seiner Liebe“, Admeto und Alceste.


    Wiederverwertung


    Es kann im Wissen um Händels Arbeitsweise nicht verwundern, daß er die nicht zur Aufführung gelangte Musik an anderer Stelle wieder verwertet hat, und zwar in „Herkules am Scheidewege“, mal als „Oratorium“, mal als „Musikalisches Zwischenspiel“ oder auch „Dramatische Kantate“ bezeichnet.


    Diskographische Hinweise


    Beim Werbepartner Amazon - oder über ihn bei anderen Anbietern - sind momentan zwei Einspielungen der Schauspielmusik zu ALCESTE (bei Hogwood ergänzt um die "Comus"-Musik, die ebenfalls hier im Opernführer Erwähnung findet) erhältlich:




    © Manfred Rückert für Tamino-Opernführer 2011
    unter Hinzuziehung folgender Quellen:
    Albert Scheibler: Die 53 Bühnenwerke des Georg Friedrich Händel
    Booklet zu ALCESTE

    Positives, in meinen Augen nur Positives!


    Ich habe viele Dinge neu entdeckt und mich von alten Gewohnheiten verabschiedet - Ärger liegt also bei mir überhaupt nicht vor.


    Zunächst einmal habe ich während der Beschäftigung im Opernführer Opern kennen gelernt, die mir bis dahin völlig unbekannt waren und meinen Wunschzettel bis zur Unübersichtlichkeit hat anschwellen lassen.


    Außerdem hat mich Tamino von alten Gewohnheiten abgebracht. Reichte mir bisher immer eine Aufnahme von einem Werk, so sehe ich jetzt die Dinge völlig anders.


    Beispiele von Neuanschaffungen, die ich alle noch hören muß:






    Geht also die Entwicklung weg vom Breitensammler hin zum Tiefensammler? Zumindest in Maßen -ja!


    LG vom

    Das Problem mit dem Namen "wenig Geld" hat mich mein ganzes Leben begleitet und aus den unterschiedlichsten Gründen auch Einschränkungen bei Musikanschaffungen bedeutet. Aber für meinen Lieblingskomponisten Mozart konnte ich die Börse immer öffnen - mal schneller, mal langsamer. Und weil ich die Noten immer dabei haben wollte, blieb dann oft für die Platten (später CD's) nur wenig übrig.


    Richtig neidisch bin ich in diesem Zusammenhang auf unseren Bernward: ;)


    Zitat

    ...und nun verstauben sie im Regal, wenn meine Frau dort keinen Staub wischt, was sie aber bisher immer noch ungern erledigt.


    Das nenne ich eine wahre Liebe! Ich muß das immer selber machen...


    LG

    TOLOMEO, RE D'EGITTO gehört zu den kaum auf Tonträgern dokumentierten Opern Händels. Amazon und jpc, die Tamino-Werbepartner, haben die folgende CD-Einspielung im Angebot:


    In dieser 2006 veröffentlichten Opernaufnahme
    leitet Alan Cutis „Il Complesso Barocco“.


    Die Interpreten sind:


    Tolomeo: Ann Hallenberg
    Seleuce: Katharina Gauvin
    Elissa: Anna Bonitatibus
    Alessandro: Romina Basso
    Araspe: Pietro Spagnoli





    Bei Amazon sind allerdings noch folgende Aufnahmen erhältlich:



    Hier singen
    Seleuce: Brenda Harris
    Elisa: Andrea Matthews
    Alessandro: Mary Ann Hart
    Tolomeo: Jennifer Lane
    Araspe: Peter Castaldi


    Richard Auldon Clark leitet das Manhattan Chamber Orchestra (1986)









    mit Brian Bannatyne-Scott als Alessandro
    Elisa: Romelia Lichtenstein
    King Araspe: Axel Köhler
    Seleuce: Linda Perillo
    Tolomeo: Jennifer Lane


    Es spielt das Händelfestspielorchester Halle
    Howard Arman dirigiert (1996)

    Georg Friedrich Händel (1685-1759):


    TOLOMEO, RE D'EGITTO
    Dramma per musica in drei Akten - Libretto von Niccola Francesco Haym
    nach „Tolomeo ed Alessandro, overo la disprezza“ von Carlo Sigismondo Capece


    Uraufführung am 30. April 1728 im Londoner King's Theatre am Haymarket


    DIE PERSONEN DER HANDLUNG


    Tolomeo, verstoßener Sohn von Cleopatra III.
    Seleuce, seine Braut aus fürstlichem Stamm
    Alessandro, bevorzugter Sohn von Cleopatra
    Araspe, skrupelloser König von Sizilien
    Elisa, seine habgierige Schwester


    Das Geschehen ereignet sich um 110 v. Chr.auf Sizilien.

    INHALTSANGABE


    ERSTER AKT


    Felsenlanschaft an Siziliens Küste.


    Der ägyptische Thronfolger Tolomeo, von seiner Mutter Cleopatra zugunsten seines Bruders Alessandro aber verstoßen, ist vor längerer Zeit auf einer Irrfahrt vor Sizilien gelandet. Hier gibt er sich als Schäfer Osmin aus. Er fühlt sich jedoch, fern seiner Heimat und seiner geliebten Seleuce, elendig und verlassen. Sein Entschluß, seinem Leben ein Ende zu setzen, ist gefaßt. Aber hier greift das Schicksal ein: Tolomeo hört Hilfeschreie vom Meer her und rettet einen aus einem gekenterten Boot ins Meer gestürzten Mann das Leben. Schwimmend ans Land gezogen erkennt er in dem Ohnmächtigen seinen Bruder Alessandro. Obwohl diesem nicht freundlich gesinnt, sogar an einen Mord denkend, läßt Tolomeo ihn am Leben:

    Cielo ingiusto, potrai fulminarmi /
    Mich können Haß und Schande vernichten, aber mein ehrliches Handeln und Herz nicht.


    Nach Tolomeos Abgang trifft Elisa mit Alessandro hier am Strand zusammen. Die junge Frau ist die Schwester des sizilianischen Königs Araspe und durch Sturmeswüten an das Gestade gelockt worden. Die beiden machen sich bekannt und Elisa schwärmt gegenüber Alessandro von einem unbekannten Schäfer mit Namen Osmin. Die Frage, warum sie sich gegenüber einem Fremde derartig öffnet, wird nicht beantwortet. Wohl aber wird klar, daß sie beide auf den - letztlich nicht erscheinenden - Araspe warten. Und Alessandro läßt Gefühle für die schöne junge Frau erkennen:

    Non lo dirò col labbro / Was mich bewegt,
    kann ich dir nicht sagen, fühle an meinen Blicken mein wachsendes Entzücken.


    Nach seinem Abgang spricht Elisa zu sich selbst (und läßt dabei ihre Selbsteinschätzung erkennen): sie hat mal wieder eine Eroberung gemacht, wie es ihr schon oft gelungen ist. Aber sie wiederholt ihre Verliebtheit zu dem Hirten Osmin, denn einem Herzen kann man nicht befehlen:

    Quell'onda, che si frange / Gleich rollenden Kristallen seh' ich die Wasser wallen.
    Liebesleiden sende ich hernieder und besinge trübe sehnsuchtsvolle Lieder.


    Verwandlung in eine liebliche Gegend mit Araspes Landsitz; seitlich eine Schäferhütte.


    Wir lernen eine neue Protagonistin dieser Oper kennen, die aus einem Fürstengeschlecht stammende Seleuce. Gleichzeitig erfahren wir von ihr, daß auch sie aus Ägypten floh und jetzt in Sizilien als Schäferin Delia lebt. Sie äußert ihre tiefe Sehnsucht nach dem geliebten Bräutigam Tolomeo.


    Lange kann sie nicht wachträumen, denn Araspe kommt auf die Szene und erklärt Seleuce so en passant, daß er sie anbetet. Er läßt sie in Unmut und Verwirrung zurück. Wiederum spricht sie, bevor sie dann abgeht, mit sich selbst:

    Mi volgo ad ogni fronda, m'arresta / Der Weg, den ich gehe, die Sonne, die ich sehe,
    das Rauschen naher Quellen, der ferne Sog der Wellen, bald leise, bald laut, sie sind auch ihm vertraut. Lieber, wo magst du wohl sein? Du weißt, ich bin dein.


    Vor der Schäferhütte treffen sich Tolomeo als Osmin und Elisa; sie kommen ins Gespräch und Tolomeo ist betrübt über seine aus Ehre (und vielleicht sogar Bruderliebe?) vollzogene Rettung von Alessandro. Elisa meint, ihm über seine Trübsal hinweghelfen zu können und bietet ihm an, in der Dunkelheit zu ihr zum Landhaus zu kommen - sie werde dort warten. Tolomeo weiß zwar dieses eindeutige Angebot zu schätzen, ist sich aber sicher, daß seine Qualen durch dieses Treffen nicht enden werden:

    Tiranni miei pensieri, datemi di roposo / Gedanken sind wie dunkle Qualen.
    Vergessen kann ich nicht, welbst wenn ich nur für Stunden Vergessen fänd' im Licht.


    Nach Elisas Abgang legt sich Tolomeo abseits auf ein Wiesenstück und schläft ein. Seleuce naht und besingt, den Schlafenden zunächst nicht wahrnehmend, abermals ihre traurige Situation. Als sie sich umdreht, sieht sie einen schlafenden Mann auf der Wiese liegen und hofft, ihren geliebten Tolomeo gefunden zu haben. Zwar kann sie sein abgewandtes Gesicht nicht sehen, meint ihn aber an seinem Äußeren unzweifelhaft erkannt zu haben.


    Ehe sie sich durch eine „Gesichtskontrolle“ endgültige Sicherheit verschaffen kann, kommt Araspe gut gelaunt hinzu, beschimpft „seine“ Delia aber sofort, als er, die Situation verkennend, sieht, wie sie sich zu Tolomeo hinunterbeugt. Der durch den Lärm erwachende Tolomeo bekommt dann von Araspe auch noch sein Fett weg, als er nämlich seinen Kopf zu Seleuce hebt und der König diese Bewegung schon wieder falsch deutet. Tolomeo aber versteht, noch ganz verschlafen, die Aufregung nicht, denn er kennt keine Delia; Araspe wiederum weiß nicht, wen er vor sich hat. Der König sieht nur, daß ihm hier ein Rivale erwachsen könnte, gibt sich aber leutselig und will dem Schäfer Osmin das Leben schenken - wenn der Sizilien sofort verläßt.


    Nach dem sowohl Seleuce als auch Araspe die Szene verlassen haben, versucht Tolomeo seine Gedanken zu sortieren. Hatte er nicht soeben Seleuce gesehen? Oder war das Bild vor seinen Augen doch nur ein Traum?

    Torna sol per un momento, ombre cara /
    Wie in Traum mir offenbart, warst du nah und schienst zu leben.
    Mir vor Augen steht ein Bild, und mein Herz fühlt sich erbeben.


    ZWEITER AKT


    Ländliche Gegend mit prächtiger Villa. Abendstimmung.


    Elisa ist nach dem Aufgehen des Vorhangs allein auf der Szene; sie ist erregt und äußert sich eindeutig über körperliche Erwartungen:

    Voi dolci aurette al cor, mostrate / O komm' du zarte Luft und kühle meinen Leib.
    Ich brauch' dich mehr als nur zum Zeitvertreib.
    Du linder Hauch vom Meer, führ' mir den Liebsten her.


    Und Tolomeo kommt tatsächlich; trotz seiner Schläfrigkeit vorhin hat er Elisas Lockruf wahrgenommen. Sie gibt ihm ihr Bedauern über die Trennung von der Schäferin Delia durch ihren Bruder zu verstehen. Aber Tolomeo will Ehrlichkeit und geht insofern mit gutem Beispiel voran, als daß er sich als ägyptischer Prinz Tolomeo zu erkennen gibt. Er fügt hinzu, daß sein rachsüchtiger Bruder Alessandro ihn sucht, um ihn dem sizilianischen König, ihrem Bruder, auszuliefern. Elisa reagiert verstört und traurig zugleich.


    Szenenwechsel in einen Raum der Villa.


    Tolomeo erscheint vor Araspe, für den er allerdings noch immer der Schäfer Osmin ist. Der König, zuerst zornig aufgelegt, weil Osmin noch im Lande ist, verlegt sich strategisch auf skrupellose Scheinheiligkeit, als der Schäfer ihm erklärt, daß er in Wirklichkeit Prinz Tolomeo ist. Hier kommt wieder Elisa ins Spiel, die das Geschehen zu entkrampfen versucht, indem sie sich Tolomeos annehmen will, um durch ihn Seleuce zu finden. Araspe findet diese Idee gut und Elisa wiegt Tolomeo in (scheinheiliger) Sicherheit.


    Nachdem die drei abgegangen sind, tritt Seleuce auf. Ihre Arie drückt Zweifel und Leid aus, weil sie die Hoffnung auf ein Wiedersehen mit Tolomeo aufgegeben hat:

    Aure, portate al caro bene le tante pene /
    Traget ihr Winde der Einsamen Klage, traget geschwinde, was ich ihm sage.


    Plötzlich erscheint Elisa mit Tolomeo und erklärt, daß sie Seleuces Bekanntschaft machen will. Tolomeo freut sich so, seine Braut nach langer Zeit gesund wiederzusehen, daß er völlig verwirrt reagiert, als Seleuce ihn nicht zu erkennen vorgibt. Elisa allerdings glaubt, das Versteckspiel im Schutze des Gastrechts zu verstehen. Sie geht zum Angriff über und fordert für Schutz und Hilfe gegenüber ihrem Bruder Araspe Tolomeos Liebe ein. Das ist für den aber käufliche Liebe und die lehnt er rundheraus ab; er bekennt sich zu Seleuce:

    Se un solo è quel core ch'io chiudo nel petto /
    Immer und ewig gilt mein Versprechen, auf immer die Sehnsucht, auf immer mein Leid.


    Nach Tolomeos Abgang zeigt Elisa sich ebenso stolz wie rachedürstig, eine verlachte und verschmähte Frau, die noch Giftpfeile im Köcher hat. Als sie abgehen will, tritt ihr Alessandro in den Weg und wirbt unmittelbar um sie. Elisa macht einen Giftpfeil zum Abschuß fertig: Tolomeo lebt, sagt sie dem erstaunten Ägypter, und ist gewillt, ihm den Pharaonen-Thron streitig zu machen. Also möge er doch erst einmal dafür sorgen, daß ihm, Alessandro, der Thron auch sicher sei. Hocherhobenen Hauptes geht sie davon, mit der Gewißheit, daß ihr verschossenes Gift wirken wird.


    Alleine geblieben macht Alessandro seine gewonnenen Erkenntnisse deutlich, und dem Publikum wird klar, daß Elisas Gift tatsächlich gewirkt hat. Elisa würde aber vor Wut schäumen, wüßte sie, daß ihr Gift bei Alessandro Heilung bewirkt hat: Er erkennt Elisa als verderbt und sich selbst als einen Usurpator. Sein Entschluß steht fest: er wird Tolomeo als rechtmäßigen Thronerben anerkennen. Seine Erkenntnis ist ehrlich und er bedauert, daß er Bruderliebe in Untreue verwandelt hat. Er fühlt sich elendig und sucht Frieden:

    Pur sento, o Dio, che l'alma in calma / Die Schuld will ich begleichen,
    aus Schwachheit einst getan. Das Unrecht ohne gleichen, fachte die Mutter in mir an.


    Szenenwechsel in eine Waldlichtung.


    Seleuce ruft - alleine auf der Szene - die Natur um Hilfe an, den Liebsten zu finden. Diesen Hilferuf hört, zunächst ungesehen, Tolomeo und er bemüht sich, durch stetes Antworten auf Seleuces Rufe, ihren Aufenthaltsort herauszufinden. Aber noch ist es nicht soweit.


    Dafür ist ein anderer sofort zur Stelle: Araspe. Der hat das Rufen auch gehört und er tritt zu Seleuce, die für ihn ja immer noch die Schäferin Delia ist. Auf seine an Delia gerichtete Frage, warum sie den Schäfer Osmin suche, antwortet der hinzukommende Tolomeo: er bekennt sich zu Seleuce als seiner Braut und er gesteht dem König abermals, daß er Tolomeo ist, und ihm insofern auch Thronrang zukommt. Seleuce bestätigt alle Angaben ihres Bräutigams und klärt den sizilianischen König auch dahingehend auf, nicht eine Schäferin mit dem Namen Delia, sondern die aus fürstlichem Geblüt stammende Seleuce zu sein. Sie bittet um Hilfe unter Königen und fleht um Araspes Schutz.


    Araspe, zunächst über die beiden Geständnisse überrascht, reagiert sofort in der ihm eigenen Art: er reibt sich über sein Jagdglück, zumindest innerlich, die Hände und läßt durch seine Wache die beiden festnehmen. Zu Seleuce sagt er:

    Piangi pur, mà non sperare / Flehe nur! Dein Klagen rührt mich nicht.
    Meine Rache wird dadurch befriedigt. Mein Leid entstammt der Eifersucht um dich.


    Verwandlung in einen kleinen Raum von Araspes Palast.


    Seleuce und Tolomeo werden von Soldaten bewacht. In ihnen ist die Erkenntnis gewachsen, daß sie ihre Wiedersehensfreude nur kurz genießen können, denn der Tod ist ihnen sicher. Deswegen aufeinander verzichten wollen sie aber auf keinen Fall. Ihr Duett beendet den zweiten Akt:

    Se il cor ti perde, o caro (cara); in duolo cosi amaro (amara) /
    Ach! Muß ich von dir scheiden, kaum daß ich dir begegnet.
    Und naht nun unser Sterben brennt heiß die Liebe nur für dich.


    DRITTER AKT

    Ein Kabinett in Araspes Palast, angrenzend die Privaträume des Königs.


    Alessandro ist allein im Kabinettzimmer. Er hat die Mitteilung erhalten, daß seine Mutter Cleopatra gestorben ist. Diese Nachricht soll allerdings noch nicht bekannt werden, denn zunächst möchte er seine Schuld gegenüber seinem Bruder Tolomeo sühnen, dabei aber planvoll vorgehen und nichts übereilen.


    Araspe kommt ins Kabinett und teilt Alessandro mit, daß Tolomeo gefangen genommen wurde und somit sein ärgster Feind unschädlich sei. Das sei doch wohl Grund genug für gegenseitige Glückwünsche, meint er weiter. Erst entgeistert, dann ablehnend reagiert Araspe, als er von Alessandro hört, daß dieser seinen Bruder nicht tot sehen, sondern mit nach Ägypten nehmen will. Araspes Reaktionen lassen bei Alessandro die Alarmglocken klingen: seine Sühnepläne will er durchziehen, auf keinen Fall jedoch Araspe diese Pläne verraten. Er denkt auch nicht daran, sich Elisa gegenüber zu äußern - er ist mit ihr fertig. Alessandro muß zugeben, daß die Königs-Schwester zwar wunderschön, vielleicht sogar lieblich zu nennen ist, sich jedoch auf der (imaginären) Charakterleiter ganz unten befindet.


    Araspe, allein geblieben, hat erkannt, daß er Alessandro nicht zum Brudermord verleiten konnte. Aber er hat keine Probleme damit, diese Aufgabe selber zu übernehmen. Er ist auch immer noch davon überzeugt, daß es sein Schade nicht sein wird, denn die ablehnende Haltung von Alessandro schien ihm mehr königliche Zurückhaltung als innere Überzeugung auszudrücken. Das Lob für den Mord am Bruder wird ihm schon noch erteilt werden.

    Verwandlung in ein Frauengemach im Palast.


    Seleuce und Elisa fechten einen verbalen Kampf aus: Elisa will Tolomeo für sich und nur in dieser Konstellation hat auch Seleuce eine Überlebenschance, ansonsten ist beiden der Tod sicher. Seleuce will alles für das Leben des Geliebten geben, sogar sich selbst zu opfern ist sie bereit. Elisa hört das mit einem Gefühl von Siegesgewißheit und geht ab. Unmittelbar darauf kommt Tolomeo, der das Gespräch mitgehört hat und versucht, seiner Braut diesen Weg auszureden. Lieber sollten sie, wie schon einmal besprochen, gemeinsam in den Tod gehen. Seleuce gibt Tolomeo insgeheim recht und will ihm folgen:

    Senze il suo bene la tortorella sospira /
    Wie du mir eben die Treue geschworen, so will ich dich lieben bis in den Tod.


    Wachen kommen in das Gemach und ergreifen Seleuce, fesseln sie und führen sie hinaus. Tolomeo will rachedürstig reagieren, doch die hinzutretende Elisa verhindert einen Kampf und bietet sich ihm abermals als die bessere Geliebte an, äußert sich aber gleichzeitig recht drastisch:

    Ti pentirai, crudel, d'aver offerro un cor che tanto t'ama /
    Dein Stolz soll dich gereu'n, der mich beleidigt.
    Mein Herz hat dich angebetet und verteidigt. Nun, da du nicht mein, will ich grausam sein.


    Da Tolomeo kein Einlenken auf ihre Forderungen erkennen läßt, ruft Elisa die Wachen, gegen die Tolomeo sofort sein Schwert zieht und feststellt, er stehe da „wie ein Fels, umbraust von Stürmen und umgeben von Haß“. Er kämpft sich den Wegen frei und eilt davon.


    Verwandlung in eine Waldlichtung.


    Alessandro steht unschlüssig und wartet auf Tolomeo. Zu ihm eilt jedoch Seleuce (wie konnte sie sich befreien?), die er nicht auf Sizilien vermutete. Und Seleuce gibt sich erstaunt, daß ausgerechnet der Tolomeo feindlich gesinnte Bruder sie vor den anrückenden Wachen retten will. Erstaunt nimmt sie auch zur Kenntnis, daß Alessandro seine Haltung gegenüber Tolomeo geändert hat und ihr verspricht, ihr treuester Diener zu sein, wenn sie neben seinem Bruder als Königin von Ägypten herrschen wird. Nach seinem Weggang muß Seleuce erst einmal Alessandros Sinneswandel verdauen:

    Torni omai la pace all'alma / Sieh, der Friede kehrt mir wieder,dringt in meine Seele ein.
    Neue Hoffnung schwebt hernieder, Freude und Glück sind mein.


    Tolomeo tritt auf; ihm ist die Flucht nicht gelungen. Mit einem Giftbecher ist er allein auf der Szene und entschlossen, seinem Leben ein Ende zu setzen: „Kelch des Leidens sei mir willkommen“. Er kann die Tyrannei nicht mehr ertragen.


    Szenenwechsel: Der Thronsaal im Palast.


    Araspe verkündet, daß Tolomeo tot ist. Elisa mischt sich ein und behauptet das Gegenteil. Sie hat nämlich den Giftbecher mit einem harmlosen Getränk vertauscht. Es wird klar, daß sie das nur für sich getan hat. Elisas Geständnis macht Araspe wütend; als er sich nach Seleuce erkundigt, gesteht seine Schwester, daß sie die Braut Tolomeos längst ins Reich der Schatten geschickt hat. Alessandro widerspricht energisch, hat er doch soeben noch mit Seleuce gesprochen, nachdem er sie vor Araspes Häschern rettete. Hier kommt die Weisheit „Wer anderen eine Grube gräbt, fällt selbst hinein“ zum Tragen.


    Tolomeo und Seleuce kommen aus unterschiedlichen Richtungen auf die Szene und geben sich in einem Duett mit Gewißheit als Sieger des stattgefundenen Machtkampfes aus. Und Alessandro nennt hier Tolomeo erstmals „meinen Bruder“; er berichtet, daß ihre Mutter verstorben sei. Sie war zwar, wie er sagt, eine böse Frau, trotzdem bittet er für sie um Verzeihung für die erlittenen Ungerechtigkeiten. Tolomeo gibt sich versöhnlich und vergibt allen ihre Schuld. Der Schlußchor vereinigt alle Protagonisten:

    Applauda ogn' uno il nostro fato /
    Laßt euch gefallen, wie es endet. Hat sich doch allen freundlich gewendet,
    was sie erduldet, was sie getan; was sie verschuldet, rechnets nicht an.


    INFORMATONEN ZUM WERK


    Nicola Francesco Haym schrieb das Libretto zur hier vorgestellten Oper nach einer Vorlage von Carlo Sigismondo Capece, das erstmals von Domenico Scarlatti vertont worden war. Dessen Oper „Tolomeo et Alessandro, overo La corona disprezzata“ wurde 1711 in Rom uraufgeführt. Ob Händel Scarlattis Werk gekannt hat, wissen wir nicht; Einflüsse sind jedenfalls nicht feststellbar. Haym widmete seinen Text dem Second Earl of Albemarle, William Anne Kent, einem Mitglied im Direktorium der „Royal Academy of Music“.


    Der historische Hintergrund der Oper bezieht sich auf Ptolomaios IX., ägyptischer König von 116-110, 109 bis 107 und 88-81 v.Chr., der in verschiedenen Verbindungen mit seiner Mutter Cleopatra III. und seinem jüngeren Bruder Ptolomaios (X.) Alexander (I.) über Ägypten und Zypern herrschte. Cleopatra hielt mehr von ihrem jüngeren Sohn Alexander und vertrieb ihren Ältesten aus Ägypten, der sich nach Zypern begab. Eine Versöhnung zwischen Sohn und Mutter kam nie zustande; Cleopatra starb 101 v.Chr.


    Fest steht, daß TOLOMEO von März bis zum 19. April 1728 komponiert wurde und sieben Aufführungen erlebte. Die Hoffnung der Autoren, daß die Akademie durch das neue Werk gerettet werden könnte, erfüllte sich nicht. Händel muß jedoch das „Dramma per musica“ höher eingeschätzt haben als die im zeitlichen Umfeld entstandenen Opern „Riccardo Primo“, „Siroe“ und „Lotario“. Diese Bühnenwerke kamen nämlich über eine Aufführungsserie nicht hinaus, während TOLOMEO 1730 und 1733 nochmals auf der Bühne erschien.


    Für beide Aufführungsserien hat der Komponist die Erstfassung aber derart stark überarbeitet, daß im zweiten und dritten Akt von der ursprünglichen Musik nicht mehr viel übrigblieb. Für 1733 wurden etliche Änderungen von 1730 wieder rückgängig gemacht und fünf Arien, die aus anderen Opern übernommen worden waren, durch wieder andere ersetzt. Forschungen haben ergeben, daß Händel bei Telemann (Der harmonische Gottesdienst) und bei sich selber (Rodelinda) Anleihen machte und einige Stücke aus TOLOMEO später bei „Jupiter in Argos“ wiederverwandte. Interessant ist zusätzlich, daß für TOLOMEO Fragmente aus einer unvollendet gebliebenen Oper, „Genserico“ (HWV A2), verarbeitet worden sind.


    Händels Autograph (Quelle A) befindet sich in der British Library in London und enthält sämtliche Musik dieser Fassung; dazu noch Stücke, die während des Entstehungsprozesses ausschieden. Die Direktionspartitur (Quelle B) enthält neben der Musik von 1728 alle Sätze von 1733 und diejenigen von 1730, die 1733 beibehalten wurden. Diese Partitur befindet sich heute in der Hamburger Staats- und Universitätsbibliothek „Carl von Ossietzky“. Weitere Quellen (die Malmesbury- und Aylesford-Partituren (Quellen C und D), die Coke- und Lennard-Collectionen (Quellen E und F) lassen ihre Abhängigkeit von Quelle B erkennen, sind aber offensichtlich zu Zeiten entstanden, als Händel die Versionen von 1730 und 1733 noch nicht vollständig abgeschlossen hatte.


    Friedrich Chrysander zog das Autograph wie auch die Direktionspartitur für seine 1878 veröffentlichte Notenausgabe heran. Sie ist insofern von zweifelhaftem Wert, weil sie zwar hinsichtlich der geschlossenen Musiknummern die Uraufführungs-Fassung bietet, bei den Rezitativen allerdings auch jene Abschnitte oder Varianten bringt, die niemals aufgeführt worden sind. In anderen Fällen sind einander ausschließende Versionen mit „A“ und „B“ bezeichnet, wobei der Benutzer aber nicht erfährt, welcher Fassung die jeweilige Version zuzordnnen ist.


    Auch in diesem Fall bietet die Ausgabe der Partitur des Bärenreiter-Verlages (Herausgeber Michael Pacholke) aus dem Jahre 2000 eine umfangreiche Einführung in die Entstehungsgeschichte von TOLOMEO, einschließlich aufführungspraktischer Hinweise zur Orchesterbesetzung. Der Hauptteil bringt die Version von 1728, zwei Anhänge ermöglichen es, auch die Fassungen von 1730 und 1733 aufzuführen.


    Die Inhaltsangabe in diesem Beitrag nimmt Bezug auf die Erstfassung von TOLOMEO aus dem Jahre 1728. Die deutschen Übersetzungen zu den italienischen Arientexten stammen von Waltraud Lewin.


    © Manfred Rückert für Tamino-Opernführer 2011
    unter Hinzuziehung folgender Quellen:
    Partiturausgabe von TOLOMEO, RE D'EGITTO, Bärenreiter-Verlag, 2000
    Albert Scheibler: Die 53 Bühnenwerke des Georg Friedrich Händel
    Prof. Dr. Silke Leopold: Händel. Die Opern

    Also: Harald hat natürlich Recht!


    Daß wir hier im falschen Film sind, muß ich auf meine Kappe nehmen - knusperhexe kann nichts dafür, es ist meine Schuld. Ich las einen seit Jahrzehnten schon nicht mehr gehörten und gelesenen Namen und fühlte mich bemüßigt, eben jenen Namen mal aufzugreifen.


    Die Moderation darf aber gerne die große Schere 'rausholen und meine Beiträge zerfleddern, ich habe keine Einwände...


    LG

    Lieber Harald, lieber Knuspi,


    auch ich habe in meiner Jugendzeit keine Originalsprache am Theater gekannt. Möglicherweise gab es das ja schon an größeren Häusern, aber ich glaube, an kleinen Theatern, wie es in meiner Heimatstadt Hagen geführt wurde, wäre das beim Publikum schlecht angekommen.


    Was ich mir aber persönlich nicht vorstellen kann, sind Opernaufführungen in russischer oder auch slawischen Sprachen. Ich habe ja nun den "Eugen Onegin", die "Pique Dame" und den "Boris" in der Originalsprache - aber an dieses Idiom werde ich mich nur schwerlich gewöhnen können. Es will mir nicht gelingen. Dabei wollte ich mich zwingen, die Sprache schön zu finden. Vergebene Liebesmühe!


    Und die "Verkaufte Braut" in tschechisch? Das geht mir ebenfalls nicht unter die sprichwörtliche "Haut".


    Ich wiederhole es: meine persönliche ablehnende Meinung.


    LG

    Hi "knuspi" und einen guten Tag!


    Ich habe in meinem Beitrag natürlich nur kleine Auszüge aus einem ganzseitigen Artikel über den Sänger Siegfried Rudolf Frese zitiert. Aber ich glaube fast, der von Dir erwähnte S.R.F. kann nur der Vater gewesen sein, der Sohn wäre ja dann erst um die zwanzig Jahre alt gewesen. Außerdem schrieb ich damals in dem erwähnten Zeitungsbericht:


    Ich war erstaunt, zu hören, daß Frese eigentlich, nach Absolvierung des Knabengymnasiums in Haspe, Eisenbahner werden sollte. Er begann also zunächst einmal in den Stuben der Deutschen Reichsbahn.


    "Aber da ich von beiden Eltern her vorbelastet bin, mein Vater war Bariton am Kölner Opernhaus (...) nahm ich heimlich Gesangsunterricht. Der Krieg machte jedoch erst einmal alle Pläne zunichte: Arbeitsdienst, Wehrmacht mit Fronteinsatz und zweimaliger Verwundung. (...) 1945 stellte sich die Alternativ-Frage: Fortsetzung der begonnenen Beamtenlaufbahn oder intensives künstlerisches Studium." Der nunmehr 31jährige entschied sich für den Beruf des Sängers.


    (...) Im Kölner Funkhaus sang Frese damals Schubert und Schumann - mit Berthold Lehmann am Flügel. Anfragen bei Bühnen hatten keinen Erfolg.


    So gelesen im Portrait über S.R.F. vom 5. November 1969. Da ich über Freses Frau nur einmal von einem Sohn hörte, neige ich doch zu der These, daß jene Dame nur die Schwester "meines" S.R.F. gewesen sein kann. Meine Familienkenntnisse gehen allerdings zugegebenermaßen nicht sehr weit - es kann auch noch andere Konstellationen geben.


    Nach meinem Wechsel aus der Zeitungsbranche hin zur Finanzbranche hatte ich mir immer mal wieder vorgenommen, einen Kontakt zu Frese herzustellen. Aber bei dem "Wollen" ist es immer geblieben. Leider glaube ich auch nicht, daß jemand aus der Familie Frese dieses liest - sonst könnte man ja noch Näheres erfahren...


    LG


    :hello:

    Hallo zusammen!


    Harald berichtet von einer Aufnahme des "Barbiers", die er gerade hörte:



    und knusperhexe antwortet


    Zitat

    Der Frese hat an der alten Kölner Oper gesungen. Habe mal seine Tochter kennen gelernt:-)


    Der Name läßt Erinnerungen aufsteigen. 1969 habe ich den Sänger während des Urlaubs in Wien besucht. Es war ein Auftrag meines Redaktionsleiters, der Frese aus irgendeinem mir nicht mehr geläufigen Grund kannte und der meinte, wenn ich schon mal in Wien bin, könnte ich ja auch mal den Kontakt zu einem „Hasper Jungen“ suchen.


    Frese war zwar gebürtiger Gevelsberger (wie auch Elisabeth Höngen), Jahrgang 1914, wuchs aber im Hagener Stadtteil Haspe auf. Seine sängerische Laufbahn war vielleicht vorbestimmt, weil sein Vater, ebenfalls Siegfried Rudolf, als Bariton am Kölner Opernhaus engagiert war. Durch Rudolf Kempe kam der Sohn des Kölner Siegfried Rudolf an die Dresdner Oper, wo er in „Rheingold“, „Meistersinger“, „Bajazzo“ , als Guglielmo in der „Così“ und als Graf Luna gute Kritiken bekam. Diese Kritiken brachten ihm Engagements an die Komische Oper und an die Staatsoper „Unter den Linden“ in Berlin ein.


    1960 sang er erstmals in Salzburg, nachdem seine Frau einen Vorsingetermin bei Herbert von Karajan erwirkt hatte, und der zu Engagements in Wien und Salzburg führte. 1962 war Frese im Ensemble der Wiener Staatsoper bei deren Mailänder Gastspiel.


    Ich habe Frese in Salzburg als Antonio im „Figaro“ und Consiglio in „Rappresentatione di Anima e di Corpo“ gesehen. Bei der Uraufführung von Gottfried von Einems „Der Besuch der alten Dame“ sang er den Dr. Nüsslin, Christa Ludwig war die Claire, Hans Hotter der Lehrer, Eberhard Wächter Ill, Heinz Zednik Butler; Manfred Jungwirth gab den Pfarrer. Horst Stein leitete seinerzeit diese Aufführung. In dieser Oper habe ich Frese, zur Klarstellung angefügt, nicht gesehen, aber ich bekam Fotos von ihm zugeschickt.


    Diese kurze Biographie von Frese läßt in mir eine Frage hochkommen: möglicherweise meinte knusperhexe im vorherigen Beitrag den Vater, der ja in Köln engagiert war? Ich konnte nach Durchsicht meiner alten Unterlagen nichts über ein Engagement des Sohnes in Köln finden. Was mich auch stutzig machte, war die Bemerkung, daß knusperhexe die Tochter von S. R. Frese gekannt hat. Mein Gesprächspartner in Wien und Salzburg hat sehr wenig über seine damals noch in Dresden lebenden Familienangehörigen gesprochen und ich habe das aus politischer Sicht und der damit verbundenen Gefahren auch akzeptiert. Es war aber nur die Rede von einem Sohn, keiner Tochter. Somit könnte die von knusperhexe erwähnte weibliche Person eine Schwester „meines“ Siegfried Rudolf Frese gewesen sein.


    LG vom

    Das Ave Maria von Bach/Gounod, Nabucco… usw. usw. ist für mich Kitsch. Ich für mich rücke Alles in die Nähe von Kitsch, wo für mein Gefühl "Gefühl" zu dick aufgetragen wird - ich mag das nicht und empfinde es als kitschige Gefühlsduselei, wenn das Innere zu sehr und noch dazu direkt nach Außen getragen wird.


    Dein Statement, lieber zweiterbass, hört sich nach "Unterdrückung der Gefühle um jeden Preis" an...


    Ich gehöre zu den Menschen, die, wie man so landläufig sagt, nahe am Wasser gebaut haben. Es war trotzdem keine Frage für mich, daß ich mir früher immer wieder die "Butterfly" oder die "Boheme" angesehen habe - um nur zwei Beispiele zu nennen. Und immer wieder gehörte ich auch denjenigen, die schlucken mußten. Und immer wieder kam ich mir dabei lächerlich vor.


    Irgendein Moderator, ich weiß nicht mehr, ob es KSM oder Theophilus war, meinte mir sagen zu müssen, ich sollte froh darüber sein, solche Empfindungen bei Opernaufführungen zu haben.


    In der Tat darf man sich durch Musik rühren lassen und es ist auch eine Erfahrung aus den alten Regiekonzepten, die ich bei modernen Inszenierungen vermisse...


    LG

    Eine der besten Aufnahmen von Nicolais "Lustigen Weibern":



    mit einem tollen Gottlob Frick als Falstaff, den gleichwertigen Herren Gutstein und Engen als Fluth und Reich, einem wunderbaren Wunderlich als Fenton, den spielfreudigen Damen Pütz und Litz als die Frauen Fluth und Reich. Nicht zu vergessen auch die junge Edith Mathis als Junfer Anna.


    Und Robert Heger ist hier mal wieder als einer der wichtigsten Sachwalter der deutschen Spieloper in seinem Element.



    LG

    Zitat

    vom Meister Wolfram:
    ... schon richtig, aber ein Weihnachtsoratorium im Hochsommer bei über 30 Grad, das macht richtig Laune! Jauchzet, frohlocket, ...


    Wo gab's das denn schon mal? ?(


    Also, eine "Winterreise" im Sommer zu hören, macht mir keine Probleme. Die Vorstellung, neben schwitzenden Stuhl-Nachbarn(innen) selber schwitzend einer "kühlenden" Dichtkunst zu lauschen, hat doch was...

    Lieber Gerhard,


    den Fehler kann in der Tat nur ein Moderator (natürlich auch der hierarchisch höher stehende Administrator) ausbügeln. Als kleine Schreiberlinge steht uns nach dem Einstellen ins Forum nur ein Zeitfenster von (glaube ich) einer Stunde zur Verfügung. Danach verschwindet die Schaltfläche "Bearbeiten" für diesen Beitrag wieder ins Nirwana.


    Möglicherweise dauert es manchmal ein paar Tage, aber in meinen eigenen Fehlerkorrekturen hat es bisher immer noch funktioniert.


    Ich möchte an dieser Stelle aber noch auf ein Problem hinweisen, für das mir auch keine zufriedenstellende Lösung einfällt: Alfred hatte ja mal darauf hingewiesen, daß in Print-Opernführern keine Zuschriften (wie zum Beispiel diese hier) abgedruckt werden. Sie sollten hier also auch nicht gepostet werden. Es galt mal lange Zeit als nicht opportun, auf Inhaltsbeschreibungen zu antworten. Ich bin da selber im Anfang schon aus Unwissenheit abgekanzelt worden. Vielleicht sollten solche Themen, als Vorschlag meinerseits zu verstehen, an den Anfang, beispielsweise unter "Neues zum Opernführer", abgehandelt werden. Ich könnte mir vorstellen, daß es für die Moderatoren einfacher ist, als im großen Opernführer Fehler zu suchen und zu korrigieren.


    Meinen Beitrag kann die Moderation gestrost wieder löschen - darum bittet jedenfals der

    Ich habe alle Beiträge von Dir durchgesehen und in der Tat jenen Hinweis auf die 17-cm-Scheibe mit Bruno Fritz gefunden. Es gehört zu meinen Unarten, nicht immer genau hinzu"lesen" - also trotzdem danke für den Hinweis.


    Ergänzend fällt mir noch ein, daß ich es mir auch kaum vorstellen kann, daß die Plattengesellschaften zwei Aufnahmen eines Werkes herausbringen, die bis auf eine Position die gleiche Besetzung haben...


    Herzlichst der

    Als Nachtrag will ich noch anfügen, daß ich "My Fair Lady" ein oder zwei jahre später nochmals gesehen habe. Ich glaube mich zu erinnern, daß die Besetzung, bis auf eine Änderung, die gleiche war. Die Umdisponierung betraf den Alfred Doolittle: es war nicht Alfred Schieske, sondern Bruno Fritz. Ebenso unvergeßlich. Ich bin mir nicht sicher, aber ich glaube mich zu erinnern, daß Fritz seinen Berliner Dialekt voll einsetzte, während Schieske den Erfolg aus seiner rauhen Stimme her hatte.


    Weiß jemand, ob es auch eine Aufnahme dieses Musicals mit Bruno Fritz als Alfred Doolittle gibt?


    Zufällig hatte ich gerade diesen Thread entdeckt und schon kamen Erinnerungen hoch an meinen Besuch im Berliner Theater des Westens, damals 1962. Eine großartige Karin Hübner, ein bestens gelaunter Paul Hubschmid, ein geradezu hervorragender Rex Gildo und der nobel, aber auch distinguiert auftretende Friedich Schönfelder! Aber alle wurden getoppt von dem unglaublich spielfreudigen und zu einigen Extempores aufgelegten Alfred Schieske. Man konnte diese "Einschübe" von Schieske daran erkennen, daß einer der Protagonisten, ich weiß nicht mehr, wer es war, plötzlich laut vernehmlich sagte: "Noch so ein Extempore und ich bringe Klartext!"


    Leider habe ich diese Aufnahme nicht mehr, seit ich mich auf CD's umgestellt habe. Immerhin besitze ich die amerikanische Einspielung mit Rex Harrison und Julie Andrews

    Händels RICCARDO PRIMO ist in Einspielungen nur unzureichend dokomentiert. Die Tamino-Werbepartner haben nur eine einzige Gesamtaufnahme anzubieten:


    Die Interpreten sind:


    Riccardo: Lawrence Zazzo
    Costanza: Nuria Rial
    Berardo: Curtis Streetman
    Isacio: David Wilson-Johnson
    Pulcheria: Geraldine McGreevy
    Oronte: Tim Mead


    Paul Goodwin leitet das Kammerorchester Basel





    Eine weitere, ehemals erhältliche Gesamtaufnahme dieser Oper ist wohl gestrichen:
    Riccardo Primo: Sara Mingardo
    Costanza: Sandrine Piau
    Berardo: Olivier Lallouette
    Isacio: Roberto Scaltriti
    Pulcheria: Claire Brua
    Oronte: Pascal Bertin
    Les Talens Lyrique geleitet von Christophe Rousset

    Georg Friedrich Händel (1685-1759):


    RICCARDO PRIMO, RE D'INGHILTERRA
    Melodramma in drei Akten
    Libretto von Paolo Antonio Rolli nach dem Text „Isacio tiranno“ von Francesco Briani


    Uraufführung am 11. November 1727 im Londoner King's Theatre am Haymarket


    DIE PERSONEN DER HANDLUNG


    Richard I., König von England (Mezzosopran)
    Costanza, seine Braut, Prinzessin von Navarra (Sopran)
    Berardo, Vetter Costanzas (Baß)
    Isacio, Tyrann von Zypern (Baß)
    Pulcheria, seine Tochter (Sopran)
    Oronte, Fürst von Syrien (Alt)


    Die Handlung geht um das Jahr 1190 n. Chr. auf der Insel Zypern vor sich.


    INHALTSANGABE


    ERSTER AKT


    Der Hafen von Limassol.


    Auf dem Kreuzzug ins Heilige Land ist der englische König Richard I., der den Beinamen Löwenherz erhielt, vor Zypern angekommen; er will sich hier mit seiner Braut Costanza, der Tochter des Königs von Navarra, treffen. Deren Schiff kam allerdings in einen Sturm und mußte sich in den Hafen von Limassol, Herrschaftsgebiet des Tyrannen Isacio, retten. Costanza befindet sich in Begleitung ihres Vetters Berardo; beide sind überzeugt, daß auch Richard in den Sturm geriet und mitsamt seinem Schiff unterging.


    Aus Sicherheitsgründen haben Costanza und Berardo beschlossen, sich als Geschwister mit den Namen Doride und Narsete auszugeben. So stellen sie sich auch dem Tyrannen Isacio und seiner Tochter Pulcheria vor, die zum Hafen gekommen sind, um die Gestrandeten zu bgrüßen. Doride und Narsete behaupten weiter, Diener der navarrischen Prinzessin Costanza zu sei, die sie aus den Augen verloren haben und die möglicherweise im Sturm unterging.


    Isacio ist von der Schönheit dieser Doride hingerissen und gibt seiner Tochter den Auftrag, für eine Unterbringung der beiden Gestrandeten im Palast zu sorgen. Gleichzeitig erinnert er sie daran, auf keinen Fall die Hochzeitsvorbereitungen mit dem syrischen Fürsten Oronte zu vergessen. Pulcheria äußert sich sowohl über die Abwechslung mit den beiden Fremden als auch über ihre bevorstehende Heirat mit Oronte glücklich:

    Vado per obedirti mio caro genitor / Vater, geliebter Vater, wie gerne gehorche ich dir.


    Während Pulcherias Gefühlsausbruch ist Oronte ungesehen auf der Szene erschienen und antwortet nach dem Abgang von Pulcheria, „Doride“ und „Narsete“ mit ebenso feurigen wie verliebten Worten:

    V'adoro, o luci belle / Geliebte Augensterne, anbetend stehe ich euch ferne.


    Verwandlung in einen Strandabschnitt mit Zelten in der Nähe von Isacios Palast.


    König Richard hält sich, von seinen Befehlshabern umgeben, in seinem Zelt auf. Ihm wurde ein Schreiben zugestellt, aus dem hervorgeht, daß seine Costanza lebt und sich im Palast Isacios aufhält. Richards Entschluß ist schnell gefaßt: er wird sich inkognito in den Palast begeben und seine Braut in Augenschein nehmen, da er sie bisher noch nicht kenngelernt hat.


    Verwandlung: ein Gemach im Palast.


    Zwischen Pulcheria, Oronte, Doride und Narsete findet ein Gespräch zum Kennenlernen statt. Dabei gibt Oronte seine Feststellung preis, daß Doride weder wie eine Bediente aussieht, noch deren Benehmen hat. Er wagt einen Flirt mit der angeblichen Diestmagd, den aber Pulcheria bemerkt und eifersüchtug reagiert:

    Bella, teco non ho nè degno nè rigor /
    Schöne, dir gilt nicht mein Groll, aber Oronte klag' ich der Falschheit an.


    Unerwartet erscheint Isacio im Gemach und fordert alle, bis auf Doride, zum Verlassen des Raumes auf. Er will mit ihr alleine sprechen und macht ihr sofort Avancen. Sie weist mit Geschick seine Annäherungen zurück und entwindet sich ihm, als er versucht, ihre Hand zu ergreifen. (Man darf es getrost als verwunderlich, auch unwahrscheinlich bezeichnen, daß der König einer Magd Avancen macht; ahnt oder weiß Isacio, wer vor ihm steht?) In die für beide etwas peinliche Situation platzt Oronte und kündigt den Besuch des britischen Gesandten an. Es ist allerdings kein anderer als König Richard selber. Bevor dieser jedoch das Gemach betritt, verlangt Doride nochmals von Isacio, ihr den Frieden zu lassen:

    Lascia la pace all'alma / Laß mir der Seele Frieden, denn kaum war mir Ruh' beschieden.


    Nach ihrem Abgang erscheint dann Richard und lobt scheinheilig Isacios Weisheit. Weiter teilt er mit, daß er den Auftrag hat, Costanza als Braut des englischen Herrschers in die Heimat zu holen. Er verspricht außerdem, daß sich danach alle englischen Krieger sofort zurückziehen werden. Selbstverständlich ist Isacio zu diesem Handel bereit (also weiß der Tyrann tatsächlich, wer „Doride“ ist!) und bietet dem englischen König, über den Gesandten als Vermittler, seine Freundschaft an (wieder wird dem Zuschauer Scheinheiligkeit vermittelt). Als Isacio gegangen ist, äußert sich Richard hoffnungsvoll - damit den ersten Akt abschließend:

    Agitato da fiere tempeste /
    In stürmischer Brandung sieht der Schiffer die Sterne und folgt gesichert deren Bahn.


    ZWEITER AKT


    Das Wohngemach von Costanza im Palast.


    Costanza bespricht sich mit Berardo. Daraus wird deutlich, daß sie noch nicht weiß, daß Richard ihr Schreiben erhalten hat und sich sogar in ihrer Nähe befindet. In der folgenden Arie meint sie, daß der Himmel ihr feindlich gesonnen ist. Berardo sieht und hört von ihren Nöten, versucht sie zu beruhigen und sagt ihr seine immerwährende Hilfe zu.


    Kaum ist Berardo gegangen, kommt Isacio in ihr Gemach und gibt ihr zu verstehen, daß er ihre wahre Identität kennt. Intrigantenhaft macht er keine neuen Annäherungsversuche, betont aber, daß sie ihren Bräutigam Richard in Kürze kennenlernen werde. Costanza hat noch nicht die Menschenkenntnis, Isacios Charakter zu erkennen - sie bemerkt also nicht, daß der Tyrann keinesfalls die Absicht hat, seine Versprechen zu halten. Aber Höflichkeit ist ihr anerzogen und sie dankt für die Nachricht.


    Nach Isacios Weggang kommen Costanze dunkle Vorahnungen, daß hier irgendetwas nicht stimmen kann, aber sie bleibt im Bildhaften stecken:

    Di notte il pellegrino, se perde il suo camino /
    Verliert im nächtlichen Dunkel der Wanderer seine Straße...


    Verwandlung in das Gemach Isacios im Palast.


    Pulcheria kommt zu ihrem Vater und gesteht, daß sie die Heirat mit Oronte aufschieben möchte. Obwohl Isacio noch sehr intensiv mit seinen Gedanken und Plänen bei Costanza ist, versteht er Pulcherias Argumentation der Bestrafung von Oronte. Gleichwohl versetzt er seine Tochter nun in Erstaunen mit der Bemerkung, daß ihm an der Verbindung mit Oronte auch nicht mehr gelegen ist. Sein neuer Favorit für Pulcheria ist nun Richard. Das Erstaunen seiner Tochter verwandelt sich in Entsetzen, als sie diesen Plan vernimmt. Aber, wie es sich für eine gehorsame Tochter gehört, will sie gehorchen. Isacio äußert sich vor seinem Abgang triumphierend:

    Ti vedrò regnar sul trono e l'inganno consiglio /
    Herrschen sollst du auf dem Thron, sagt mir meine Liebeslist.


    Wenn Pulcheria auch aus Gehorsam dem Vater gegenüber eine Verbindung mit dem englischen König zugestimmt hat, ist sie dennoch nicht überzeugt, eine richtige Wahl zu treffen und äußert ihre Anlehnung: „Welche fürchterliche Idee, ich werde sie verhindern.“


    Szenenwechsel in ein anderes Gemach des Palastes.


    Costanza ist mit ihrem Cousin Berardo und dem Prinzen Oronte zusammen. Aus ihrem Gespräch wird deutlich, daß Isacios intrigante Wende durchgesickert ist. Daß der Tyrann seine Tochter nun statt mit Oronte jetzt mit Richard verbinden will, macht den syrischen Fürsten wütend und Costanza verzweifelt. Sie hält den Zeitpunkt für gekommen, jetzt ihre wahre Identität preiszugeben. Danach appelliert sie sowohl an sein Ehrgefühl als auch an seine Treue zu Pulcheria und bittet ihn um Hilfe:

    Caro, vieni ame! Fido vieni, puoi tu caro / Lieber Freund, ich brauche deine Hilfe.
    Oronto verspricht nicht nur diese Hilfe, sondern schwört Isacio im eigenen Interesse auch Rache an.


    Szenenwechsel zum Strand von Limassol.


    Hier stehen noch immer die Zelte der Engländer, darunter auch das Königszelt mit dem Thron Richards. Der kommt soeben mit einer Heerschaar und äußert seine Verwunderung, daß seine Braut Costanza noch nicht erschienen ist. Er fragt in die Runde: „Warum zaudert sie?“


    Von unterschiedlichen Seiten treten Oronte und Pulcheria auf. Sie zeigen sich überrascht über die Anwesenheit des jeweils anderen. Oronte wendet sich dann sofort an Richard und berichtet ihm von Isacios Plan und Verrat. Empört schwört auch der König jetzt Rache und Pulcheria zeigt sich schuldbewußt, obwohl sie doch völlig schuldlos ist:
    Ai guardi tuoi son purvage / Ich will deinem Wunsch nachkommen, auch als Gefgangene.


    Seiner großen Wut über Isacios Verhalten macht Richard jetzt Luft; gleichzeitig verspricht er jedoch, Pulcherias Unschuld erkennend, sie von seinem Zorn auszunehmen. Oronte wendet sich an Richard mit dem Versprechen, durch seine tatkräftige Mithilfe der Gerechtigkeit zum Sieg zu verhelfen.


    Isacios Räume im Palast.


    Isacio denkt über seine Intrigen nach und bedauert anschließend gegenüber dem hinzukommenden Berardo, daß Oronte ihm entwischen konnte.


    Der britische Gesandte wird gemeldet und Isacio läßt ihn eintreten; noch immer ist ihm die wahre Identität dieses Mannes nicht bekannt. Sofort macht der „Gesandte“ Isacio Vorhaltungen wegen der bisher nicht gehaltenen Versprechungen. So fordert er jetzt „im Namen des Königs“ die umgehende Freilassung von Costanza. Isacio verlegt sich auf die Hinhaltetaktik, noch Zeit zum Nachdenken zu benötigen. Darauf geht sein Gegenüber aber nicht ein. Stattdessen wiederholt er ultimativ seine Forderung, die Isacio jetzt mit offener Feindschaft beantwortet und behauptet, die Engländer hätten seine Tochter entführt. Der „Gesandte“ nimmt diesen Fehdehandschuh auf und weist diese Behauptung empört zurück und läßt als Beweis Pulcheria herein bitten. Die wirft sich sofort vor ihrem Vater azu Füßen und bittet ihn, Costanza zu ihrem Bräutigam zu lassen. Als sie den „Gesandten“ auch noch als „edlen Charakter“ preist, gibt Isacio aus Liebe zu seiner Tochter nach.


    Nach dem Abgang von Isacio und Pulcheria philosphiert Richard in einer Arie über den Wechsel von Licht und Schatten:

    Nube, che il sole adombra / Wolken verdunkeln die Sonne. Bald ziehen sie vorüber.


    Verwandlung in Costanzas Gemach.


    Zur ruhenden Costanza kommt Pulcheria und zwischen den beiden Frauen entspinnt sich eine von Verständnis geprägte Unterhaltung, die am Ende zur Freundschaft führt. Darüber zeigt sich Pulcheria sehr erfreut.


    Richard tritt ein und begrüßt seine Braut als sein eigener Gesandter mit den freundlichsten Worten. Pulcheria, die Wahrheit kennend, greift hier in das Geschehen ein und verrät der Freundin, wer hier tatsächlich vor ihnen steht. Costanza ist nicht nur überrascht, sondern auch verwirrt. Als sie dann vor Richard auf die Knie sinkt, hebt er sie auf und verspricht ihr, daß sie in Bälde die englische Krone tragen werde. Es kommt zu einem (den zweiten Akt schließenden) Liebesduett:

    Richard: T'amo, sì! sarai tu quella solo cara /
    Liebste, du bleibst immer meine Teure, meine Schöne.
    Costanza: T'amo, sì! e più m'appaga ch'aver soglio ch'esser vaga /
    Liebster, mich zu beglücken brauche ich nicht den Thron.


    DRITTER AKT


    Zeltlager der Engländer am Strand von Limassol.


    Richard schimpft vor Oronte, der seine Soldaten als Verbündeter dem König unterstellt hat, über den Verräter Isacio. Sodann muß er dem syrischen Fürsten gestehen, daß ein erster Befreiungsversuch daneben ging und seine Costanza immer noch in den Händen des Tyrannen ist. Aber selbstverständlich wird er nicht aufgeben. Richard und Oronte entwickeln einen Plan, bei dem ein bereits von Soldaten Orontes bewachter geheimer Ausgang aus dem Palast eine wichtige Rolle spielen wird.


    Richard wendet sich mit einer Ansprache an seine Soldaten; er erinnert sie daran, daß sie ihm bisher aus England ohne Murren gefolgt sind, daß jetzt aber die Zeit gekommen ist, gegen die Tyrannei aufzustehen und für die zukünftige Königin Englands zu kämpfen.


    Die Schloßkapelle in Isacios Palast.


    Costanza hat sich in die Schloßkapelle zurückgezogen und erfleht in einem Gebet den Tod:

    Morte, vieni, mà in van ti chiamo / Tod, komm endlich, beende die Qualen.


    Während Costanzas Gebet ist Pulcheria hinzugetreten und meint, vor Scham erröten zu müssen. Sie bietet der Freundin an, sich freiwillig als Geisel in die Gewalt Richards zu begeben, um den Vater zum Einlenken zu zwingen. Um ihre Gefühlslage zu verdeutlichen und auch ihre Ehrlichkeit zu untermauern, beteuert sie:

    Quell'innocente afflitto core fedele amore /
    Ein reines Herz, gefüllt von Sorgen, erfüllt die edle Seele mit Barmherzigkeit.


    Isacio kommt ebenfalls in die Kapelle und macht Costanza erneut Avancen, bietet ihr sogar den Krone von Zypern an. Costanza weist ihn zurück mit dem Hinweis, sie habe bereits Richard heilige Treue geschworen und sei nicht mehr frei. Doch so schnell gibt ein Isacio nicht auf! Er wird weiter versuchen, an sein Ziel zu kommen.


    Eilig kommt nun Narsete/Berardo hinzu und berichtet aufgeregt, daß Richard mit einem starken Heer vor den Mauern des Palastes stehe. Isacio schlägt jedoch diese als Warnung gedachte Nachricht in den Wind, denn er fühlt sich sicher und hat auch keine Angst, in den Kampf zu ziehen: „Kein Kosmos und keine Hölle kann mich schrecken“ ruft er aus. Dann geht er davon.


    Sofort wendet sich Costanza an Berardo mit der Bitte, unbemerkt zu Richard zu eilen und ihm mitzuteilen, daß sie sich nur mit ihm oder mit dem Tod verbinden werde: „Küß ihm an meiner Stelle seine Hände.“


    Verwandlung in ein freies Gelände; Richards und Isacios Heere stehen kampfbereit.


    Richard hällt eine flammende Rede vor seinen Soldaten:

    Atterato il muro cada, poi crudel l'ultrice psada /
    Stürmt die Mauern und schafft euch den Durchbruch


    ein lautes Kriegsgeschrei übertönt am Ende der Rede seine Stimme - den Soldaten Mut zu machen, ist ihm gelungen.


    Auch Isacio hält eine Rede vor seinen Mannen und die wirkt auf uns wie ein moderner Erpressungskrimi: wenn Richard nicht umgehend abzieht, wird seine Braut Costanza sterben. Aber der Tyrann hat in diesem Punkt die Rechnung ohne seine Tochter gemacht, denn die vereitelt den geplanten Mord, indem sie sich selber als Opfer anbietet. Isacio bleibt aber bei seiner Drohung, daß er mit seinem Dolch zustoßen werde, wenn der König nicht weicht.


    Plötzlich bersten mit lautem Krach die Mauern des Palastes und die Soldaten Richards und Orontes brechen in voller Stärke durch. Jetzt muß Isacio auch noch feststellen, daß sein ursprünglicher Schwiegersohn sich auf die Seite der Engländer geschlagen hat. Während Isacio „Verrat“ schreit, rufen die gegnerischen Soldaten unter dem Klang einer Sinfonia

    Alla vittoria! / Auf denn zum Siege!


    Szenenwechsel: Das Frauengemach im Palast.


    Die Freundinnen Pulcheria und Costanza sind sich nicht ganz einig: Isacios Tochter ist sicher, das König Richard ihren Vater besiegen wird. Costanza dagegen hofft auf den Sieg ihres Bräutigams, philosophiert aber im Moment mehr über Sicherheit und Freundschaft:

    Il volo così fido al dolce amato nido /
    Die Sicherheit des Nestes entbehrt das fliegende Vögelein.


    Oronte tritt erschöpft, aber unversehrt auf die Szene; sein Bericht ist hinsichtlich des Ausgangs der kriegerischen Auseinandersetzung eindeutig: Isacio ist besiegt, er hat sich mit seinem Heer ergeben. Erstaunt nehmen die Anwesenden (ebenso der Zuschauer, wenn er nicht gerade die Finali der barocken Oper kennt) auch zur Kenntnis, daß Richard seinen Zorn gegenüber Isacio verloren und alle Kränkungen verziehen hat. Für Pulcheria ist das Grund genug, alle aufzufordern, dem gütigen Sieger zu danken.


    Die Szene verwandelt sich in den Palasthof.


    Mit einem Siegesmarsch ziehen die Heere von Richard und seinem Verbündeten Oronte in den Palasthof ein. Richard macht in einer Rede deutlich, daß Isacio seine Begnadigung nur seiner Tochter Pulcheria und deren Verhalten zu danken hat. Dann bestimmt er Pulcheria zur neuen Königin von Zypern und läßt ihr in der Wahl eines Ehegatten freie Hand. Wie nicht anders zu erwarten, wählt Pulcheria ihren Oronte. Voller Freude und Anteilnahme gratuliert ihr Costanza und wünscht dem Paar für die gemeinsame Zukunft alles Glück der Erde. Oronte ist überglücklich und gibt seiner Freude auf die ihm günstigen Sterne Ausdruck. König Richard gelobt seiner Costanza ewige Treue und der neuen zyprischen Königin Pulcheria will er in brüderlicher Liebe verbunden bleiben.


    Die handelnden Personen vereinigen sich zu einem abschließeden Freudenchor:

    La memoria die tormenti, spar s'ai venti svani rà nel alto mar /
    Jammer, Not und Leiden schwinden und verhehen im weiten Meer.


    INFORMATIONEN ZUM WERK


    Händel begann die Komposition von RICCARDO PRIMO Mitte März 1727 und beendete die erste Fassung am 16. Mai. Im Gegensatz zu den meisten anderen seiner Bühnenwerke bezeichnete er diese Oper nicht als „Dramma per musica“ sondern als „Melodramma“. Er wollte wohl (so Albert Scheibler oder auch Terence Best) mit dieser Eingruppierung das Lyrisch-Dramatische des Sujets betonen. Das Libretto hatte Paolo Rolli nach „Isacio tiranno“ von Francesco Briani erstellt. Die Musik zu dem älteren Stück stammte von Antonio Lotti und hatte 1710 in Venedig Premiere.


    Es wird bis heute die Frage gestellt, was Händel zur Komposition einer Oper veranlaßt hat, deren Titelheld einer der berühmtesten englischen Könige des Mittelalters war. Vielleicht aus Patriotismus oder Loyalität? Immerhin hatte er im Februar 1727 die britische Staatsbürgerschaft erhalten. Es muß für den durchaus erfolgsverwöhnten Komponisten ein Schock gewesen sein, daß die Akademie, deren Spielzeit gewöhnlich mit dem Monat Juni endete, bereits vorzeitig am 6. Juni die Türen schloß. Ein außergewöhnlicher Vorfall bewog die Direktion dazu: Während einer Aufführung von Bononcinis „Astianatte“ gipfelten die Streitereien zwischen Faustina Bordoni und Francesca Cuzzoni in einem Krawall. An eine bestimmt eingeplante Aufführung von RICCARDO PRIMO vor dem Saisonschluß konnte Händel also nicht mehr denken.


    Abgesehen von der Theaterschließung aus dem geschilderten Anlaß hätte es aber wegen eines anderen, viel wichtigeren Grundes keine Aufführungen mehr gegeben: Auf dem Weg nach Hannover war König Georg I. am 11. Juni 1727 in Osnabrück verstorben. Die daher angeordnete Staatstrauer verbot öffentliche Theateraufführungen. Für Händel bot die Nachfolge durch Georg II. und der damit verbundenen politischen Neuorientierung eine Möglichkeit, seine unaufgeführte Oper einer Revision zu unterziehen. Und tatsächlich hat der Komponist RICCARDO PRIMO drastisch überarbeitet und zum Teil neu vertont, was besonders für den dritten Akt festzustellen gilt. Die Umarbeitung hatte zwei Gründe: die Altistin Anna Dotti, die für die Partie des Corrado vorgesehen war, stand, erstens, nicht mehr zur Verfügung. Zweitens zeigt (nach Meinung von Terence Best, der die Neuausgabe der Partitur im Rahmen der Händel-Gesamt-Ausgabe betreut hat) die erste Fassung deutliche Anzeichen von Hast und Eile und beweist, daß sich Händel nicht wirklich mit den Schwächen des Librettos auseinandergesetzt hat.


    Die zweite Fassung hat nicht nur viel neue und prächtige Musik, sondern tilgte auch die Unzulänglichkeiten des Librettos, und brachte - als Verbeugung vor dem neuen König - patriotische Bezüge ins Spiel. Winton Dean äußerte sich zu diesem Thema allerdings sehr ironisch über RICCARDO PRIMO in seinem mehrbändigen Buch über Händels Opern: „Ein eingeborener Engländer hat sich ein zynisches Lächeln über die Darbietung gestattet, in der ein Italiener und ein Ex-Deutscher einen anderen Ex-Deutschen mit einem nicht englisch sprechenden Normannen als einen Ausbund von britischer Tugend und Ehre gleichsetzen.“


    Die Änderungen der zweiten Fassung sind, wie schon gesagt, umfassender Art. Sie alle aufzuzählen würde den Rahmen dieses Opernführer sprengen. Der daran interessierte Opernfreund und Liebhaber der Musik Händels sei auf die erstklassigen Informationen in den Werken von Silke Leopold und Winton Dean, aber auch auf das Vorwort der Notenausgabe des Bärenreiter-Verlages (von Terence Best) hingewiesen. Einige dieser Änderungen seien aber erwähnt:
    1. Die Rolle des Corrado wurde eliminiert (siehe weiter oben).
    2. Die Schlüsselszene, in der sich Riccardo und Costanza zum ersten Mal sehen, wurde zum Ende des zweiten Aktes verschoben. Ursprünglich endete der zweite Akt mit einem Streit zwischen Oronte und Pulcheria, der sich darauf bezieht, daß Isacios Tochter eine Gefangene Richards ist. In der zweiten Fassung wurde Pulcheria von Richard zu Isacio zurückgeschickt und sie hält sich bei Costanza auf, um diese zu trösten. Dabei tritt Richard hinzu und Pulcheria verrät Costanza, daß der angebliche Gesandte in Wahrheit König Richard ist. Das den Akt schließende Liebesduett zwischen Riccardo und Costanza ist erheblich länger als jenes aus der ersten Fassung.


    Diese strukturellen Änderungen bedeuteten eine Umstellung und Neufassung ganzer Szenen im dritten Akt. Auffällig ist dabei, daß einige der auftretenden Personen nun etwas freundliche Charaktere annehmen: Pulcherias ursprüngliche Unfreundlichkeit verwandelt sich nicht nur in eine Beschützerin Costanzas und von einer unversöhnlichen Feindin Riccardos zu seiner Bewunderin, auch ihr Haß gegen Oronte ist in dieser zweiten Fassung erheblich gemildert.


    Händels autographe Partitur (Quelle A) befindet sich in der British Library in London; es ist ein sehr komplexes Manuskript, das beide Fassungen enthält, wobei die Blätter der beiden Versionen miteinander vermengt sind. Damit ist eine eindeutige Zuordnung auf den ersten Blick nicht möglich; es bedurfte vieler Recherchen, die endgültige, im November 1727 uraufgeführte Version zu extrahieren. Auch eine Direktionspartitur wurde seinerzeit erstellt (Quelle B), die in ihrer äußeren Form dem Autograph enstpricht: beide Fassungen sind ineinander verwoben, einige Blätter fehlen, andere wurden eingefügt. Es sind verbale Texte gestrichen, andere eingefügt worden. Aber sie enthält den vollständigen Text der Fassung der Uraufführung; daher dient sie als Primärquelle für die Teile, die in Händels Autograph fehlen.


    Weitere Quellen (die Malmesbury-Handschrift, die Barret Lennard Collection in Cambridge, die Granville-Sammlung in Oxford sowie die Newman Flower Collection in Manchester) sind als zweitrangig anzusehen und tragen nicht zu näheren Erkenntnissen bei, da sie eindeutig auf Quelle B beruhen.


    Friedrich Chrysander erstellte seine Notenausgabe eindeutig auf der Grundlage von Quelle B und veröffentlichte sie im Rahmen der alten Händel-Gesamt-Ausgabe im Jahre 1877 in Leipzig. Dabei übernahm er ohne zu korrigieren auch einige Fehler der Direktionspartitur, obwohl er mit Sicherheit auch das Autograph heranzog, möglicherweise aber bei der Sachverhaltsprüfung durch fehlende Kenntnisse überfordert war. Jedenfalls lassen die fehlerhaften Szenennummerierungen und falsche szenische Anweisungen auf diesen Umstand schließen.


    Die deutschen Texte der hier zitierten Arien stammen von Emilie Dahnk-Baroffio, die für das Textbuch von RICCARDO PRIMO der Göttinger Händel-Gesellschaft geschrieben wurde.


    © Manfred Rückert für Tamino-Opernführer 2011
    unter Hinzuziehung folgender Quellen:
    Hallische Händel-Ausgabe, Editor Terence Best, Bärenreiter-Verlag Kassel
    Albert Scheibler: Die 53 Bühnenwerke des Georg Friedrich Händel
    Heinz Wagner. Die Oper
    Silke Leopold: Händel. Die Opern.
    Winton Dean: Händels Opern.

    Die Melodie eines Renaissance-Liedes (es wird angenommen, daß es im 15. Jahrhundert entstand) hat es, sehr populär geworden, sogar bis zur Verwendung in der Kirche gebracht, weil eben diese Melodie von mehreren Meistern der Zeit in Messekompositionen verwandt wurde: "L'homme armé".


    „Den Mann in Waffen muß man fürchten.
    Überall hat man ausrufen lassen,
    Daß jeder sich bewaffnen solle
    Mit einem eisernen Kettenpanzer.
    [Denn] den Mann in Waffen muß man fürchten.“
    (Deutsche Übersetzung)


    Der Text nimmt Bezug auf die Zeit des Hundertjährigen Krieges; er ruft zur allgemeinen Bewaffnung auf.


    Aber selbst in unserer Zeit wurde das musikalische Thema noch von Komponisten verwendet: Johann Nepomuk David schrieb 1930 eine Orgelfantasie; Peter Maxwell Davis 1968 nahm es für sein gleichnamiges Werk auf; im Konzert für Orgel und Orchester op. 50 von Helmut Eder findet es sich ebenso wie in Karl Jenkins' „The Armed Man: A Mass for Peace".

    Mir geht es wie Joseph II. Nach dieser eigenen Einschätzung muß ich in jedem Falle die 1), die 5) und die 7) völlig ausschließen. Ansonsten fühle ich mich je nach Gefühls- oder Stimmungslage bei 2) bis 4) und die 6) gut aufgehoben.


    Dr. Pingel schreibt zu Adorno:


    Zitat

    Adorno hat ja auch komponiert. Was ich da gehört habe - da kann man nur von einer unerwiderten Liebe zur Musik sprechen.


    Da mir von seinen Kompositionen nichts bekannt ist, scheint es mir nach diesem Statement angebracht, meine Finger auch davon zu lassen...

    Amfortas' Aufzählung kann man getrost auch Händel-Opern hinzufügen, denn fast alle haben einen kriegerischen "Plot".
    Zwar kommt es nicht in jeder Oper des barocken Meisters zu wirklichem Kampf, aber der handlungsmäßige Ablauf ist stets mit Kampfeslust und -willen gekennzeichnet.


    Selbst einige der Oratorien kommen ohne den "Krieg" nicht aus...


    Herzliche Grüße

    Ich gestehe ein, bislang nur zwei Einspielungen von Fricsay zu besitzen, aber diese beiden kann man getrost mit dem Signum “Spitze“ versehen:



    Auf der Wunschliste stehen aber auch noch


    „Die Fledermaus“ mit Anders, Schlemm, Streich, Krebs
    „Die Zauberflöte“ mit Streich, Stader, Fischer-Dieskau, Haefliger
    „Die Jahreszeiten“ mit Trötschel, Ludwig, Greindl
    „Fidelio“ mit Rysanek, Seefried, Haefliger, Fischer-Dieskau
    Beethovens Neunte mit Seefried, Forrester, Haefliger, Fischer-Dieskau
    „Don Giovanni“ mit Fischer-Dieskau, Jurinac, Stader, Haefliger, Seefried, Sardi, u.a.
    und die 10-CD-Box, die Harald hier schon vorgestellt hat.


    Tatsächlich gehört Fricsay zu den durch eine ganz besondere Aufnahme in der Erinnerung gebliebenen Maestri: die Moldau, hier schon in mehreren Beiträgen erwähnt. Die seinerzeit im TV gezeigte Probe mit anschließender Aufführung ist im Gehirnskasten wie eingebrannt. Der neue, ja der erste Fernseher im Wohnzimmer meiner Eltern machte es möglich, Zeuge einer im Entstehen begriffenen Aufführung zu werden. So etwas kannten wir bis dahin nicht, hatten eine Probe noch nie gesehen.


    War die Karriere von Ferenc Fricsay auch zeitmäßig wirklich kurz, darf man doch erstaunt sein, was der Maestro in diesen Jahren für die Platte so alles produziert hat. Der Blick in die Angebotsliste der Tamino-Werbepartner zeigt recht anschaulich, was es noch alles zu kaufen gibt!


    In den Lebenserinnerungen der Maria Stader („Nehmt meinen Dank“) findet der Musikfreund manches lesenswerte Detail über Fricsay...


    LG

    Die Tamino-Werbepartner Amazon und jpc haben zwei Gesamtaufnahmen der Oper in ihrem derzeitigen Angebot:



    Coralbo: Jozsef Moldvay
    Elmira: Annette Markert
    Floridante: Drew Minter
    Oronte: István Gati
    Rossane: Katalin Farkas
    Timante: Maria Zadori
    Nicholas McGegan dirigiert die Capella Savaria







    Coralbo: Riccardo Novaro
    Elmira: Joyce di Donato
    Floridante: Marjana Mijanovic
    Oronte: Vito Priante
    Rossane: Sharon Rostorf-Zamir
    Timante: Roberta Invernizzi
    Il Complesso Barocco
    Dirigent Alan Curtis


    Eine weitere Einspielung aus dem Jahre 1991 ist wohl nicht mehr erhältlich:
    Oronte/Coralbo: M. Braun
    Elmira: L. Maguire
    Floridante: C. Robbin
    Rossane: N. Argenta
    Timante: I. Attrot
    Tafelmusik Baroque Orchestra; Leitung Alan Curtis

    Georg Friedrich Händel (1685-1759):


    FLORIDANTE
    Dramma per musica in drei Akten - Libretto von Paolo Antonio Rolli nach einer Vorlage von Francesco Silvani


    Uraufführung am 9. Dezember 1721 im Londoner King's Theatre, Haymarket


    DIE PERSONEN DER HANDLUNG


    Floridante (Alt), Prinz von Thrakien, Feldherr von
    Oronte (Baß), König von Persien
    Timante (Sopran), Prinz von Tyrus, als Gefangener mit dem Namen Glicone
    Coralbo (Baß), Persischer Statthalter
    Rossane (Sopran), Tochter von Oronte
    Elmira (Alt), angebliche Tochter Orontes
    Statisterie: Hofstaat, persische Offiziere und Soldaten, Wachen, Gefangene, Sklaven, Dienerschaft, Volk


    Das Geschehen ereignet sich um das Jahr 950 v.Chr.


    INHALTSANGABE


    ERSTER AKT


    Ein Wald bei der Stadt Tyrus.


    Rossane und Elmira warten voller Sehnsucht auf die Rückkehr des thrakischen Heeres, das unter dem Feldherrn Floridante aus einem Krieg gegen die Tyrer zurückkehren soll. Die Nachricht, daß der thrakische Prinz mit seiner Streitmacht die Flotte der Tyrer zerstört hat, war in Windeseile dem siegreichen Heer vorausgeeilt. Vor allen Dingen Elmira gibt sich ungeduldig und dennoch voller Hoffnung:

    Dimmi, oh spene! / Sage mir, Hoffnung, wann kommt der Liebste zurück?


    Rossane sieht in diesem Augenblick das Heer am Horizont auftauchen. Näher kommend erkennt sie den Helden an der Spitze seiner Truppen. Elmira fährt in ihrer begonnenen Arie fort:

    Godi, oh spene! / Freue dich, Hoffnung, er kehrt zurück!


    Rossane beneidet, ohne jedoch eifersüchtig zu sein, Elmira und erinnert sie daran, daß der Vater den Prinzen Floridante als Gatten ihrer Schwester ausersehen hat. Die Hochzeit war schon vor dem Kriegszug von Oronte bestimmt worden. Des Königs Hoffnung, die dem Zuschauer jedoch zu diesem Zeitpunkt noch nicht bekannt ist, Floridante würde in einer Schlacht sein Leben verlieren, hat sich nicht erfüllt.


    Daß Rossane nicht eifersüchtig oder neidisch auf Elmiras Glück ist, hat einen gewichtigen Grund: sie soll, ebenfalls auf Geheiß ihres Vaters, den ihr völlig unbekannten Prinzen von Tyrus heiraten. Ohne ihn je gesehen zu haben, ist dieser Fremde trotzdem ihr Traummann geworden. Daran hat auch der Ausgang der Schlacht, bei der die Tyrer als Verlierer vom Feld zogen, nichts geändert:

    Mà un dolce mio pesniero / Ein Hoffnungsstrahl drängt sich mir ins Herz.
    Pensiero lusinghiero / Verlockender Gedanke, du darfst nicht Täuschung sein!


    Szenenwechsel in das persische Feldlager.


    Mit einem Marsch wird Floridante begrüßt. Sein Sieg, so meint er stolz, ist eine weitere Perle für die Krone des persischen Königs. Für ihn völlig unerwartet kommt Elmira hinzu, die ihm viel näher steht, als Oronte, und begrüßt ihn feurig. Floridante jubelt:

    Alma mia, sì, sol tu sei / Meine Seele, nur du allein bist mir Wonne und Ehre.


    Mit Elmira, aber zunächst im Hintergrund bleibend, traf auch Rossane im Feldlager ein. Nun kommt sie hervor und gratuliert Floridante zu seinem Sieg, weist aber auch auf die Hilfe von ganz oben hin: auf Zeus. Floridante dankt herzlich seiner zukünftigen Schwägerin und sie fragt ihn, wer der beiseite stehende Gefangene sei. Der junge Mann hat die Frage auch gehört und stellt sich als Glicone vor. Er bezeichnet sich als einen Verlierer mit edler Abkunft. Floridantes Antwort läßt Rossane aufhorchen: er will den König fragen, ob er Glicone als Geschenk an Rossane übergeben darf.


    Nun erscheint des Königs Statthalter, Coralbo, und bringt Floridante einen Brief von Oronte, den er laut liest. Der Inhalt ist brisant und für Floridante ebenso unerklärlich wie lähmend: „Floridante, übergebe Coralbo dein Kommando und begebe dich weg aus meiner Nähe. Oronte, König der Perser.“


    Unter den Umstehenden löst das Schreiben Verwunderung, Staunen und Ratlosigkeit aus. Elmira und Rossane wollen sofort zum König und Vater eilen, um den Grund für den unverständlichen Entschluß zu erfahren und sich außerdem für Floridante einsetzen. Die sich als Unparteiische betrachtende Rossane besingt Floridantes Tugend:

    Dopo l'ombe d'un fiero sospetto / Laß zunächst den dunklen Verdacht schweigen.


    Elmira und Floridante sind entsetzt und zittern vor Angst und Zorn. Sie beteuern ihre Liebe zueinander und wollen lieber den Tod suchen als sich trennen zu lassen. Der völlig ahnungslos bestrafte Feldherr steigert sich in eine philosophisch-tragödienhafte Beschreibung seines Zustands: er will dem ärgsten Blitzstrahl des ihm zürnenden Schicksals nicht weichen.


    Verwandlung in das königliche Gemach im Palast.


    Rossane führt ein vorwurfsvolles Gespräch mit ihrem Vater und erwartet vor allen Dingen eine klare Antwort auf für alle Unerklärliches. Hat nicht Floridante für ihn Ruhm und Ehre errungen und große Beute aus dem Feldzug mitgebracht? Hat er nicht Elmira zur Frau des Prinzen bestimmt? Oronte kann das nicht bestreiten und zeigt sich plötzlich erschüttert über Elmiras Liebe zu Floridante. Er argumentiert jedoch dunkel mit Staatsinteressen, die seine Pläne umgeworfen haben:

    Finchè lo strale non giunge als segno /
    Man soll Gedanken nie offenbaren, ehe der Pfeil nicht das Ziel traf.


    (Diese Argumentation läßt den Zuschauer aufhorchen: entweder äußert der König hier einen Allgemeinplatz oder er ist einfach nur hinterhältig. Die Analogie zum britischen Königshaus finden einige Kommentatoren wichtig: Georg I. sandte oft genug Ehemänner von Frauen, die ihm gefielen, zu diplomatischem Dienst in ferne Länder.)

    Oronte entfernt sich, aber Rossane findet keine Zeit zum Nachdenken, denn Glicone tritt auf die Szene. Auf ihre Erkundigungen nach Timante erfährt sie, daß sich ihr Traummann mit einem Schiff retten konnte. Glicone berichtet weiter, daß Timante immer von ihrer Schönheit geschwärmt habe. Rossane seufzt und gibt Glicone damit zu erkennen, daß sie den tyrischen Prinzen liebt. Darüber ist er sehr erfreut und äußert sich nach Rossanes Abgang in einer Arie philosophisch über die verwundenen Pfade des Glücks. Er wird sich momentan auch noch nicht als Timante zu erkennen geben.


    Der königliche Thronsaal im Palast.


    Floridante ist vor Oronte getreten und begehrt Auskunft über die ihm unerklärlichen Entscheidungen des Königs. Die hinzukommende Elmira dringt auf den Vater ein und beide äußern nun die Erwartung, daß die versprochene Heirat vollzogen wird. Oronte ist sichtbar um eine Antwort verlegen und gibt schließlich die Anweisung, daß sich Floridante sofort auf ein vor Anker liegendes Schiff begeben soll um schnellstmöglich Persien zu verlassen. Der so Ausgestoßene findet das Urteil mit deutlichen Worten ungerecht und Elmira äußert ihre Verzweiflung. Die Verliebten schließen mit einem Duett den ersten Akt ab:

    Ah mio caro, se tu parti / Oh, mein Lieber, du mußt scheiden.
    Ah mia cara, se tu resti / Du, meine Liebe, ich muß bleiben.


    ZWEITER AKT


    Die Gemächer Rossanas im Palast.


    Glicone tritt zu Rossane und begrüßt sie sehr herzlich. Die Prinzessin berichtet ihm, daß ihr zugetragen wurde, daß jenes Schiff, auf dem Timante sich befunden haben soll, den tyrischen Prinzen nicht an Bord hatte. Glicone findet tröstende Worte und gibt vor, nicht nur eine Nachricht von Timante, sondern sogar ein Bildnis für sie zu haben. Nachdem er Rossane das Bild übergeben hat, fügt Glicone noch hinzu, daß Timante sich aus wichtigem Grund an einer unbekannten Stelle verborgen halte. Rossane ist einerseits mißtrauisch und verwirrt, andererseits, weil sie glauben will, was sie sich wünscht, auch sehr glücklich:

    Gode l'alma innamorata / Die Wendung kommt der Seele gelegen, sie verkündet Glück.


    Als Rossane gegangen ist, kommt der als Mohr verkleidete Floridante und erhält von dem alleine auf der Szene befindlichen Glicone die Bestätigung, daß man ihn nicht erkennen kann. Der Gefangene verspricht ihm, stets treu zu ihm zu halten. Jetzt kommt auch Elmira und gibt freudig zu, daß Floridante ihr auch verkleidet lieb und teuer ist. Sie erzählt den beiden Männern, daß sich Rossane entschlossen hat, mit ihnen zusammen die Flucht zu wagen. Man will aber die Nacht abwarten, um dann im Schutze der Dunkelheit gemeinsam zu entkommen.


    Rossane kommt zurück und bittet Glicone, ebenfalls mit ihnen zu fliehen. Der beschließt, jetzt seine wahre Identität preiszugeben. Vor den Anwesenden gibt er sich als der tyrische Prinz Timante zu erkennen. Es folgt ein kurzes Gespräch, das von Freude und Vertrauen gekennzeichnet ist. Rossane und Timante gestehen sich ihre Liebe. Und Floridante wendet sich ebenso verliebt an Elmira:

    Bramo te sola, non penso all'impero / Nur dich begehre ich, nicht die Herrschaft.


    Floridante geht, um sich zu verstecken. Nicht nur auf Rossanes Wunsch, sondern auch aus eigenem Interesse will Timante sich ebenfalls ein Versteck suchen. Als Schritte zu hören sind, geht auch Rossane ab.


    Oronte kommt und erklärt der erst erstaunten, dann immer mehr sich empörenden Elmira, er liebe sie - aber nicht als seine Tochter, sondern als Frau. Diese Inzestankündigung ist Elmira zuviel: „Ich soll die Gattin des Vaters werden? Fürchtest du nicht Erd und Himmel?“ Nach einer kleinen Pause, die wie ein Erschrecken des Königs wirkt, erklärt ihr Oronte, sie sei nicht seine Tochter. Als einst mörderische Krieger über das Land herfielen und ihn schließlich auf den Thron setzten, habe er sie gerettet. Elmira begreift sofort das Ungeheuerliche: sie ist die als verschwunden geltende Thronerbin und der Mann, den sie als ihren Vater ansah, ist der Mörder ihres richtigen Vaters. Es ist für Elmira eine Unverschämtheit, daß der Mörder und Usurpator ihres Thrones sie nun als Frau und Königin haben will:

    Barbaro! t'odio a morte, mà più / Schändlicher! Ich hasse dich bis zum Tode!


    Nach Elmiras zornigem Abgang ordnet Oronte ihren Wutausbruch der Tatsache zu, daß sie die Nachrichten erschüttert haben und er will ihr Zeit geben, sich an die neue Situation zu gewöhnen. Dann tritt aber sofort sein wahrer Charakter zu Tage: „Nein, nicht warten! Das Schicksal muß man am Schopfe fassen!“


    Verwandlung: eine Gegend nahe dem Hafen.


    Timante und Rossane warten im Versteck auf die anderen, um gemeinsam die Flucht zu wagen. Sie äußern sich beide bedrückt.


    An anderer Stelle wartet Elmira auf ihren geliebten Floridante. Als der endlich erscheint, tritt von einer anderen Seite auch Oronte auf. Elmira flüstert Floridante zu, Oronte mit seinem Dolch zu töten. Weil Floridante immer noch als Mohr verkleidet ist und vom König auch nicht erkannt wird, kann er gegenüber Oronte so tun, als sei er als Sklave unterwegs, um Elmira zu ihrem Geliebten zu bringen. Oronte wird jedoch über das Verhalten dieses angeblichen Sklaven wütend und läßt ihn von den ihn begleitenden Wachen in Ketten legen. Die Gefahr mißachtend, in der er schwebt, äußert sich Floridante ebenso tapfer wie auch mit Verachtung für den König.


    Oronte gibt noch Anweisung, auch Elmira hart anzufassen. Doch auch die läßt sich durch die drohende Gefahr nicht abschrecken und pariert - den Akt damit schließend:

    Mà che vuoi più da me /
    Was willst du noch von mir? Dir bleibt nur mein Verderben und Sterben, gewonnen hast du nichts.


    DRITTER AKT


    Rossanes Gemach im Palast.


    Timante ist bei Rossane und erzählt ihr die Geschehnisse der Gefangennahme von Elmira und Floridante, die er aus seinem Versteck gesehen hat. Rossane ist nicht nur traurig, sondern fühlt sich auch hilflos. Timante versucht, sie zu beruhigen:

    Nò, non piangete, pupille belle / Nicht weinen, ihr schönen Augen.


    Verwandlung in Elmiras Gemach.


    Der persische Statthalter Coralbo ist zur Bewachung bei Elmira abgestellt. Rossane tritt in das Zimmer. Dabei erfährt sie, daß ihre Schwester eigentlich Elisa heißt und die letzte Überlebende der ausgelöschten Familie der Ninos ist. Diese Geschichte macht Coralbo sofort hellhörig: Oronte als Usurpator? Das muß Folgen haben.


    Elmira gibt im weiteren Gespräch zu verstehen, daß sie an Suizid denkt und Rossane äußert daraufhin, sie wolle auf keinen Fall allein zurückbleiben. Wenn sie jetzt auch keine Schwestern mehr sind, fühlen sie sich dennoch als solche; Jahre des Zusammenlebens kann man nicht einfach tilgen. Hier greift Coralbo ein und erklärt, daß das Volk das brutal ermordete Herrscherhaus noch nicht vergessen hat und gerade Elisa immer noch verehrt:

    Non lasciar oppressa della sorte perrir quell'alma forte / Tu dir nichts an.
    Dein starkes Herz muß leben. Du hast das Glück der scheinbar Hoffnungslosen.


    Jetzt kommt Oronte und berichtet grimmig vom Tode des Mohrensklaven. Elmira wankt und scheint zusammenbrechen zu wollen. Sofort schlägt der König einen anderen Ton an und behauptet, er habe nur ihre Gefühle gegenüber Floridante erforschen wollen. Elmira wird klar, daß Oronte das Geheimnis des Mohren kennt und jetzt sinkt sie tatsächlich ohnmächtig zu Boden.


    Oronte hat durch seine Wache Floridante holen lassen. In Ketten wird der einstige Feldherr hereingeführt. Die auf dem Boden liegende Elmira hält er zunächst für tot, zeigt sich aber erfreut, als sie sich plötzlich aufrichtet. Oronte kündigt beiden den baldigen Tod an, geht davon und läßt sie dann mit höhnisch-verächtlichem Blick alleine zurück.


    Floridante äußert sich selig, daß er für und mit Elmira sterben darf. Und Elmira stimmt dem mit der Bemerkung zu, daß der Tod der Sklaverei unter Oronte vorzuziehen sei.


    Szenenwechsel in Rossanes Gemach wie am Aktanfang.


    In großer Eile kommt Timante in Rossanes Gemach und erzählt ihr, daß er bewaffnete Freunde in der Stadt verteilt habe, denen sich außerdem Überläufer aus der königlichen Wache angeschlossen hätten. Sie wollen den Weg für die Flüchtenden frei halten. Rossane aber sieht sich als Erbin des Reiches und will, daß die Kerker gestürmt werden, um Elmira und Floridante zu befreien. Auf dieses Ansinnen reagiert Timante zögerlich, ja zweifelnd, wird aber durch einen Liebesschwur Rossanes überzeugt:

    O cara spene del mio diletto / O teure Hoffnung liebender Wonne, mein Herz glaubt fest an deine Treue.


    Nach diesem Schwur ist Timante bereit, sich für Rossanes Willen einzusetzen:

    Amor commanda, onore invita / Amor befiehlt mir, es ruft mich die Ehre.


    Verwandlung in den Kerker.


    Floridante befindet sich angekettet in seiner Zelle; im Gang steht die ebenfalls in Ketten geführte Elmira mit Wachen. Sie spricht mit einem Giftbecher in der Hand von einer barbarischen Tyrannei, Floridante dagegen von einem Unmenschen. Beide meinen König Oronte. Und beide wollen den Giftbecher nehmen, um einer Gefangenschaft zu entgehen und ein selbstbestimmtes Ende zu finden. Die Liebenden bewegen sich aufeinander zu und wollen sich küssen - da erscheint wütend Oronte, entwindet Elmira schnell den Giftpokal und übergibt ihn in eindeutiger Bestimmung Floridante. Vorerst, so sagt er, soll nur er sein Leben lassen. Dann befiehlt er den Wachen, Elmira, die er doch angeblich so liebt, noch viel stärker zu fesseln und sie ihm vom Leibe zu halten. Ihm ist offensichtlich nicht klar, daß sich gerade ein Umschwung zu seinem Nachteil ereignet.


    Plötzlich entsteht nämlich Unruhe hinter der Szene; Oronte kommt aber nicht mehr dazu, Fragen nach dem Grund des Aufruhrs zu stellen, denn bewaffnete Soldaten stürmen die Szene. Vornweg erscheinen Coralbo und Timante, die Floridante umgehend den Giftbecher entreißen. Oronte kann nur erstaunt „Treulose!“ hervorbringen, dann befiehlt ihm Timante, sofort das Schwert fallen zu lassen, andernfalls sterbe er auf der Stelle. „Aufruhr“ ruft Oronte als nächstes in die Runde, da wird er bereits gefesselt.


    Coralbo fordert Elisa/Elmira zur Thronbesteigung auf, denn nur ihr komme es als letzte aus dem alten Herrschergeschlecht zu, Persien zu regieren. Dann ergeht die Bitte, sich dem versammelten Volk zu zeigen. Elisa dankt Coralbo für seine Worte und Unterstützung und wendet sich an Floridante mit der Bitte, sie auf dem ferneren Lebensweg zu begleiten:

    Sì, coronar vogl'io col nobil serto d'or / Ja, ich will dich selber krönen mit dem Kranz aus edlem Gold.


    Oronte weiß jetzt, daß er seine Rolle ausgespielt hat, beschwert sich aber trotzdem aufgeregt bei Coralbo über den Verrat an ihm:

    Che veggio? che sento? catene, tormento / Ich fühle, ich sehe Ketten; bin nun König ohne Herrschaft.


    Elisa wendet sich nun mit einer Ansprache an das Volk und dankt für die Treue ihrer Untertanen. Sie verspricht für die Zukunft gerechtes Handeln und Frieden. Rossane aber zeigt sich als mitleidige Tochter und bittet für den schuldig gewordenen Vater um Gnade. Elisa kann diese Gnade nicht aussprechen; zu sehr ist sie gefangen in Lug und Trug durch das schändliche Verhalten Orontes. Sie gibt die Entscheidung an Floridante ab, der soll den Spruch über den Usurpator fällen. Und Floridante zeigt die erwartete Größe: er läßt Gnade vor Recht ergehen; das Verzeihfinale der Barock-Oper hat begonnen. Mit Dank an Zeus gibt er gleichzeitig Elisa sein Wort, daß er die Liebe zu ihr höher setzt, als die auf ihn zukommenden Pflichten als Gemahl der Herrscherin.


    Elisa aber verfügt, daß dieser glückliche Tag im ganzen Land ein immerwährender Festtag sein soll. Alle Anwesenden vereinigen sich zu einem abschließenden Jubelchor:

    Quando pena la costanza, spera pur / Wenn der Treue Gefahren drohen, glaubt sie doch an Trost und Glück.


    INFORMATIONEN ZUM WERK


    Händels Situation zu Beginn der 1720er Jahre war nicht rosig. Seit drei Jahren herrschte für ihn eine opernlose Zeit vor. Zwar unterstützte ihn König Georg I., der schon als hannoverscher Kurfürst sein Arbeitgeber gewesen war; außerdem stand Händel an der Spitze der neu gegründeten „Royal Academy of Music“, für die er auf dem Kontinent ein erstklassiges Ensemble, hauptsächlich italienischer Provenienz, zusammengestellt hatte.


    Aber es gab sehr schnell Unstimmigkeiten: die konservativen Kreise im Opern-Direktorium standen dem „Deutschen“ Georg I. reserviert gegenüber, sympathisierten dagegen offen mit dem im Exil lebenden katholischen Thronprätendenten. Als Hauskomponist hatte Händel außerdem in Giovanni Bononcini einen Konkurrenten bekommen, dem es gelang, mit leichten und liedhaften Arien das Publikum zu gewinnen; in Paolo Rolli, dem italienischen Sekretär der Oper, hatte Händel zudem einen nicht nur intriganten, sondern auch einen zunächst wenig bühnenerfahrenen Librettisten.


    Von alledem ist zwar nicht viel nach außen gedrungen; die Streitereien begannen aber, als während der Komposition von FLORIDANTE Händels Favoritin für die Rolle der Elmira, Margherita Durastanti, nach dem Sommerurlaub krankheitsbedingt nicht nach London zurückkehrte. Als die Direktion dann durchsetzte, daß die Schülerin Bonioncinis und, wichtiger noch, die Geliebte des Earl of Peterborough, Anastasia Robinson, zur Primadonna aufstieg, war der Krach da.


    Es war bei der Neubesetzung von Rollen durchaus normal, daß Arien neu komponiert wurden, die dann auf die Fähigkeiten und Vorlieben der Sänger zugeschnitten waren. Auf diese Änderungen ließ sich Händel aber nur dann ein, wenn es in sein Konzept paßte. Im Fall der Elmira, der wichtigsten Rolle von FLORIDANTE, wollte der Komponist aber keine Kompromisse eingehen. Da die Robinson jedoch tatsächlich die Elmira sang, muß Händel sie letztendlich doch wohl eingegangen sein.


    Die Kompositionsarbeit zu FLORIDANTE begann im Oktober 1721 und Händel schloß die Partitur am 28. November ab. Schon am 9. Dezember fand die Uraufführung statt. Die Titelpartie sang der berühmte Senesino. Trotz der vielen herrlichen Arien sagen Händel-Liebhaber und Musikforscher gleichermaßen, daß die Oper das Niveau von „Radamisto“ aus dem Jahre zuvor nicht erreicht. Es fehle, so die Argumentation, an Dramatik, wie sie in „Rinaldo“ anzutreffen ist; es gibt keine großen kriegerischen Kampfszenen, wie man sie in „Teseo“ finden kann und Götterdonnern und Furienauftritte gibt es auch nicht. Dramatik entsteht nur in dem Maße, wie es die opera seria der Zeit zuließ.


    In der Opernsaison 1721/22 der „Royal Academy of Music“ wurde FLORIDANTE fünfzehnmal aufgeführt; 1727 und 1733 kam sie nochmals auf den Londoner Spielplan. Man kann daher von einer freundlichen, aber keineswegs enthusiastischen Aufnahme sprechen. Der erwartete finanzielle Erfolg, den Händel dringend brauchte, fand nicht statt.


    Erwähnenswert ist jedoch, daß ab dieser Opernsaison auf Händels Vorschlag ein neues Subskriptions-System eingeführt wurde, das mit dem heutigen Abonnementssystem zu vergleichen ist. Es sollte stabile Einnahmen für die Akademie bringen. Die Tickets waren durchnumeriert und in der Folge brachte es tatsächlich finanzielle und Planungs-Sicherheit für die Akademie und für das Publikum Verkaufspreissenkung ebenso wie Platzsicherheit.


    FLORIDANTE kam bereits am 26. April 1723 nach Hamburg und brachte es hier auf elf Aufführungen, wie wir aus den Aufzeichnungen von Johann Mattheson wissen. Wie damals üblich, wurden die Arien im originalen Italienisch gesungen, die Rezitative in deutscher Übersetzung. Hamburg gab der Oper den Titel „Der thrakische Prinz Floridante“.


    Händels Autograph und die Direktionspartitur befinden sich in der British Library in London. Nach diesen Originalen hat Friedrich Chrysander seine Notenausgabe erstellt; sie erschien im Januar 1876 in Leipzig.


    Die deutschen Einzitierungen in der Inhaltsangabe bedienen sich der Übersetzung des italienischen Librettos von Karin Zauft (Göttinger Händel-Gesellschaft, 1990) und dem Booklet der bei Hungaroton erschienenen Disc-Aufnahme unter der Leitung von Nicholas McGegan.


    © Manfred Rückert für Tamino-Opernführer 2011
    unter Hinzuziehung folgender Quellen:
    Albert Scheibler: Die 53 Bühnenwerke des Georg Friedrich Händel
    Heinz Wagner: Die Oper
    Silke Leopold: Händel. Die Opern
    Hans Dieter Clausen: [t]akte 1/2009