Hallo zusammen,
was lange währt, wird endlich - gut? Bereits vor Monaten habe ich angekündigt, mich zur Neuaufnahme der 5. Sinfonie Mahlers unter Sir Roger Norrington äußern zu wollen - aber alles dauert länger, als man es plant. Nun ist sie also in den Läden, möglicherweise auf den Gabentischen (rolo betman?
Negative Kritiken - sei's auf classictoday.com oder auf klassik-heute.com sind ihr auch bereits vorausgeeilt.....aber wie verhält es sich nun aus meiner Sicht mit dieser Aufnahme?
Zunächst: Lobenswerterweise verzichtet Norrington im Beiheft darauf, ein "Programm" der Sinfonie zu erzählen, wie er es bei der Aufnahme der vierten Sinfonie tat. Stattdessen referiert Hartmuth Lück die üblichen und bekannten Fakten über das Stück. Und wie schnell ist das Adagietto? Nicht so rasend wie bei Walter: Norrington lässt sich 8:54 min Zeit. Aber was sagt das schon?
Den Hörer erwartet eine rhythmisch ungemein akurate, ja agressive Version der Sinfonie: Schon wie im Kopfsatz immer wieder der unerbittliche Auftaktrhythmus auf den Hörer hereinbricht, ist bemerkenswert. In besagtem Kopfsatz musste ich freilich mehr als einmal an Georg Solti denken: Das Blech des Radio-Sinfonieorchesters Stuttgart des SWR droht (sicher auch tontechnisch bedingt) mehr als einmal, die komplette Streicherbesetzung an die Wand zu spielen. Auf der anderen Seite betont dies auf's Trefflichste die Unerbittlichkeit dieses Satzes.
Mir scheint, dass Norrington es mit den Tempi immer etwas zu gut meint: Wo Mahler "nicht eilen" schreibt, bremst er eher zu sehr, wo Mahler "etwas schneller" sagt, prescht Norrington zu sehr vor. Andererseits: Viele Themen und Motive treten hier fast wie Opernfiguren auf, aus dem Geflecht des Orchestersatzes sind die plötzlich in ihrer ganzen Dramatik präsent. So etwa die plötzliche Remineszenz an das zweite Thema des ersten Satzes im zweiten Satz. Wie es plötzlich da ist: Unglaublich.
Am allerbesten gefällt mir in dieser Interpretation das zentrale Scherzo: Zwischen Walzer und Totentanz trefflich changierend, saftig, kompromisslos. Weniger so das Adagietto, trotz annähernd vibratolosen Streichern. Der Schlussssatz dann, zu meinem Vergnügen: Völlige Offenheit des polyphonen Geflechts. Dass Mahler in dieser Sinfonie den ganz entscheidenden Schritt vom homophonen zum eher polyphonen Orchestersatz geht: Hier wird's Ereignis!
In wenigen Worten: Eine treffliche Alternative. Über Details lässt sich streiten. Das Blechproblem fällt nach dem ersten Satz kaum mehr auf. Man mag zu dieser Aufnahme greifen - egal, was andere Quellen sagen. Mir hat sie großes Vergnügen bereitet.
Beste Grüsse,
C.