Beiträge von Figarooo

    Lieber Figarooo,


    ich habe die Petition unterschrieben und die Initiative sogar mit dem symbolischen Betrag von € 10.-- unterstützt. Zum einen mache ich dies, weil ich gerne die Bitte eines Tamino-Freundes unterstütze, vor allem wenn sein Appell zum Mitmachen auch meiner Auffassung entspricht. Ich bin der Meinung, dass es bestimmte Inszenierungen gibt, die durch ihren künstlerischen Rang, ihre Beliebtheit beim Publikum - Abstimmung mit den Füßen - erhaltenswert sind. Spontan denke ich da an die legendäre "Parsifal" Inszenierung von Hans Schüler in Mannheim, die Wallmann "Tosca" in Wien und dier Schenk "Rosenkavaliere" in München. Alle drei Inszenierungen haben meine Frau und ich gesehen. Den Mannheimer "Parsifal" besuchen wir immer wieder und haben sogar unsere Tochter in diese Inszenirung mitggenommen, von der sie sehr beeindruckt war. In allen Kunstrichtungen gibt es Schöpfungen, die erhaltenswert sind.
    Viele Wagnerfreunde sind betroffen, weil in Bayreuth maßstabsetzende Bühnenbilder von Wieland Wagner entsorgt wurden. Damit sind Werke, die den Paradigmenwechsel bei Wagner-Inszenierungen durch Neu-Bayreuth wie keine anderen symbolisierten, unwiederbringlich verloren. Auch in anderen Kunstrichtungen gibt es viel Erhaltenswertes. Selbstverständlich muss auch ständig Neues, Anderes, Ungewohntes, Herausforderndes, Provozierendes geschaffen werden, gerade auch in der Oper. Aber und das sollten bitte auch die Taminofreunde, die in der Regietheater auf eine Position festgelegt sind, bedenken viele Enwicklungen sind nur von der Tradition her wirklich zu verstehen.
    Das Wort von Gustav Mahler, der sicherlich als Erneuerer gesehen werden kann, sollte bedacht werden: "Tradition ist nicht Anbetung der Asche, sondern Bewahrung des Feuers". In diesem Sinne sollte das Neue auf der Tradition aufbauen und mit ihr verbunden werden. Noch ein praktischer Tip: Warum sollte eine Neuinszenierung des "Rosenkavalier" in München nicht neben der traditionellen Inszenierung gespielt werden, vielleicht in einer anderen Spielstätte. Beide im Vergleich zu sehen, wäre der beste Anschauungsunterricht den es gäbe.
    Herzlichst
    Operus


    Lieber Operus, ich danke dir für diese Worte und dafür, dass du dich beteiligt hast. Ich wollte mit diesem Thread ausdrücklich keine RT-Diskussion beginnen, für mich ist zu dem Thema wirklich alles gesagt und bin (zumal ich beruflich äusserst eingespannt bin) des Streitens über dieses Thema müde. Es geht mir hier wirklich nur um diese Inszenierung, die quasi ein Ausshängeschild der Bayerischen Staatsoper war (und ist), sie war auf der ganzen Welt berühmt und einzigartig. Otto Schenks Wiener Version dieser Oper kam für mich qualitativ nicht annähernd an die Münchner Fassung heran. Das Wirken solch grosser Künstler wie Carlos Kleiber, Brigitte Fassbaender, Lucia Popp, Gwyneth Jones, Kurt Moll und vielen mehr gab der Produktion auch noch heute die Aura des besonderen, auch wenn diese Sänger heute natürlich nicht mehr darin auftreten. Ja, warum sollte man nicht zwei Rosenkavaliere parallel zeigen, wie es demnächst an der Berliner Staatsoper das auch mit der Zauberflöte passiert?
    Die Scala wird dieses Jahr soetwas auch wieder tun, in dem sie ihre historische Aida von 1963 inszeniert von Franco Zeffirelli (bei der Premiere sangen alternierend Price, Tebaldi, Bergonzi, Corelli, Ghiaurov.....), nachdem dort immer wieder auch andere Aida-versionen (zum Teil abstrakter und moderner), aber auch eine Neuinszenierung durch Zeffirelli selbst 2006 zur diskussion gestellt wurden. Oder am selben Haus wurde nach einer sehr unglücklichen Neuproduktion der Traviata letztes Jahr auch wieder die bewährte und ausgezeichnete Produktion von Liliana Cavani gezeigt. Warum sollte man nicht auch in diesem diesen Rosenkavalier erhalten oder alternierend mit einer anderen Version zeigen (Was ich leider in München so nie erlebt habe, auch wenn mal darüber diskutiert wurde die alten Everding Meistersinger zurückzubringen, angesichts einer katastrophalen und völlig sinnlosen Neuproduktion die sich nur für wenige Vorstellungen im Spielplan hielt)? Wie man hört haben auch mehrere Sänger die Petition unterzeichnet unter anderem Piotr Beczala, den ich vor einigen Jahren als Sänger erleben durfte. Und noch einmal: Kein Regietheater-Fan verliert etwas wenn dieser Rosenkavalier erhalten bliebe, mir fallen spontan mindestens fünf modernere Versionen allein in Deutschland ein, ältere, neuere, es sind sicher noch mehr. Ich verstehe den Hohn, der hier entgegenschlägt wirklich nicht.

    Liebe Freunde,


    auch wenn ich mich aus den heftigen Regietheater-Diskussionen heraushalte, bitte tut mir einen Gefallen. Ein Münchner Opernfreund (Ich war es nicht!!!) hat folgende Petition gestartet, nachdem letzte Woche die berühmte Münchner Rosenkavalier-Inszenierung von Otto Schenk und Jürgen Rose aus dem Jahr 1972 offenbar wirklich das letzte Mal über die Bühne gegangen ist. Diese Produktion ist wohl wie kaum eine andere Inszenierung mit der Nachkriegs-Geschichte der Bayerischen Staatsoper verbunden, legändere Sänger wie Brigitte Fassbaender, Gwyneth Jones, Kurt Moll, Lucia Popp und zuletzt Anja Harteros (um nur ein paar Namen zu nennen) haben in dieser Produktion sängerischen Glanz verliehen, Carlos Kleiber, der die Produktion bis in die 80er Jahre dirigierte, hat für viele Opernfreunde bei dieser Oper Massstäbe gesetzt. Die Produktion hat sich trotz ihres Alters bis zuletzt grösster Beliebheit erfreut und war bis auf wenige Plätze immer ausverkauft. Bitte unterzeichnet diese Petition. Auch wenn die eingebildete Münchner Operleitung ihre Entscheidung wohl vorerst kaum revidieren wird (obwohl die kostbare Ausstattung dem Vernehmen nach nicht verschrottet sondern aufbewahrt wird), würde es ein starkes Zeichen setzen, wenn möglichst viele gegen diese Willkür und das Verschwenden öffentlicher Gelder protestieren. Und an alle diejenigen, die alle traditionellen Inszenierungen hassen, bitte ignoriert diesen Thread. Niemand möchte euch etwas wegnehmen und moderne(re) Rosenkavalier-Inszenierungen findet ihr in ganz Europa en Masse...
    Hier der Link zur Petition...: https://www.change.org/p/nikol…_show&utm_medium=whatsapp

    Was für eine verquirlte Ka**e! So enttäuscht wie gestern, war ich, glaube ich noch nie nach einer Opernaufführung, es war für mich das erste Mal, dass ich eine Opernaufführung in der Pause verlassen habe.


    Aber nun mal der Reihe nach: Mit zwei Arbeits-Kollegen wollte ich an der Züricher Oper einen netten Abend verbringen, schlimmer als manch andere Sauerei an diesem Haus in den letzten Jahren wird es schon nicht werden. Dachte ich zumindest. Aber erneut wurde man eines Besseren belehrt. Bereits die Premierenkritiken waren diesmal sogar in den zahlreichen RT-freundlichen Online Portalen recht bescheiden gewesen, man ging mit gemischten Gefühlen in diesen Idomeneo.
    Ein schmuddeliger Zwischenvorhang bedeckte zunächst die Szene, der sich nach der Ouvertüre hob. Prinzessin-Ilia im modernen Sekretärinnen-Look trauerte in einem schmuddeligen Holz-Einheitsraum an der Särgen ihrer Family. Hach, wie ergreifend. Klar, macht ja grossen Sinn, dass der König Idomeneo erst die trojanische Königsfamilie ermorden liess und dann die Särge wohl in einem Staatsakt nach Kreta überführen liess. Dann kam Idamante hinzu. Auch im schmuddeligen Business-Look. Hatte man gehofft Hanna-Elisabeth Müllers schrill intoniertes «Padre, germani, addio…» sei in dieser Form der Anfangsnervosität geschuldet wurde man beim Auftritt von Anna Stephany als Idamante eines Besseren belehrt. Da hatte sich wirklich ein Paar gefunden, dass nicht sang, sondern für den Rest des Abends jaulte. Kaum eine Hand rührte sich auch den Arien zum Applaus. Dann kam ein schmuddelig kostümierter Chor hinzu, die Kostümabteilung hatte offenbar den nächsten Kleider-Entsorgungscontainer geplündert, man sah aus, wie auf der Akutstation, der nächsten Wald-und-Wiesen-Psychiatrie. Nur Elettra trug einen eleganten Hosenanzug. Während ihrer ersten Arie musste man mit ansehen wie sich im Hintergrund ihre Ellis Klytämnestra und Agamemnon grausam massakrierten. Die gute Guanqun Song mühte sich dabei stimmlich halbwegs erfolgreich um etwas stimmliche Authentizität, wirkte aber in dem runtergekommenen Setting wie verloren. Und weiter ging`s. Idomeneo wurde an Land gespült, die Rezitative die seine Rettung aus Seenot und seinen inneren Konflikt verdeutlichten wurden auf völlig willkürliche und unmusikalische Weise gestrichen. Seine Begegnung mit Idamante war völlig unmotiviert und von der völlig bekloppten Regisseuse Jetske Mijnssen total kaputt inszeniert. Dann schleppte der Chor runde Tische auf die Bühne, und sang den stark gekürzten Chor des Intermezzos. Der Marsch des Intermezzos war……gestrichen. Dann sang Ayram Hernandez mit wunderbar strahlendem Tenor die Arbace Arie, die erste Arie an diesem Abend, die wirklich glücklich machte. Während er sang, zog sich der Idomeneo um. Natürlich durfte man ihn oben ohne und in Unterwäsche anschauen, kein noch so billiges RT-Klischee wurde in dieser Inszenierung ausgespart. Ilia zeigte daraufhin ihrem Schwiegerpapi in spe die Fotos ihrer ermordeten Familie. Immerhin konnte Frau Müller ihren lyrischen Sopran in dieser zweiten Arie ungehindert strömen lassen, es kam so etwas wie Atmosphäre auf sehr niedrigem Niveau auf. Dann sang Joseph Kaiser mit rauem, unflexiblem und in der Höhe engem Tenor «Fuor del Mar», einfach nur grausam. Um seinen Zorn zu verdeutlichen fegte er dabei die verbliebenen Fotos von einem der Tische. Toll. Man wusste nicht ob man lachen oder weinen sollte. Elettra erschien zu ihrer Abfahrt mit einem Koffer (aha: Wir sind beim RT) und packte daraus ein Brautkleid aus. Dann kamen aus dem Hintergrund andere Bräute diversen Alters und standen auf den Tischen herum, beglotzt vom Chor, die Bräute begannen zu bluten, alles sah aus, als wäre man in einer Lucia di Lammermoor-parodie gelandet. Der Abschied von Idomeneo, Idamante und Elettra fand im Sitzen um einen runden Tisch statt, die Grimassen, die die drei schneiden durften, wären zum Lachen gewesen, wäre es nicht so traurig. Dann nahm, zur Erscheinung des Seemonsters Idomeneo eine Knarre und fuchtelte damit psychotisch grinsend herum, während sich der hölzerne Bühnenraum über im hob. Zum ersten Mal an diesem Abend wurde die musikalische Wucht dieser Mozartoper aus dem Orchestergraben spürbar. Denn was der Dirigent Giovanni Antonini mit dem tiefgestimmten Orchester in pseudo-historischer Aufführungpraxis geboten hatte, war lauter, verwaschener Einheitsbrei in breiten Tempi. Endlich Pause. Meine Kollegen waren sichtlich ermattet. Für die Eine war es der erste Opernbesuch, höchstwahrscheinlich auch der Letzte. Um den Abend zu retten, beschlossenen wir auf den Rest der Oper zu verzichten und den Abend in der benachbarten Belcanto-Bar den Abend bei einem Bierchen ausklingen zu lassen, wir plauderten und lachten gut gelaunt, fast war die versaute Oper vergessen. Als wir gingen war auch die Oper beendet. Man beobachtete wie sich das sichtlich ermüdete Publikum zur Trambahn schleppte.
    Wie tief kann ein Opernhaus noch fallen, bevor endlich jemand die Notbremse zieht?

    Knuspi bittet, dass ich folgendes von ihm Poste: Die Arroganz der Verbildeten


    So nannten es die Brüder Grimm. Diese Arroganz, die einige hier veranlasst für ein Bonmot ihre Großmutter zu verkaufen, und die nicht vorhandene Moderation, das sind die Gründe, warum ich meinen Austritt hier nicht bedauere. Als nunmehr Außenstehender bitte ich die Moderation, Beiträge, wo sich über die Optik von Künstlern lustig gemacht wird, zu löschen. Diese Grenzüberschreitungen hatte das Forum früher nicht nötig. Leider haben sie trotz mehrfacher Bitten um Einschreiten der Moderation die letzten Monate dermaßen zugenommen, dass ich das nicht mit meinem Gewissen vereinbaren kann. In diesem Sinne: Gesegnete Weihnachten wünscht Knusperhexe

    Lieber Ralf,


    danke für deinen tollen Bericht. Ich war auch in der Vorstellung am 29.11. nachdem ich schon die Preniere letzten März gesehen habe. Ich schliesse mich deiner Beschreibung vollinhaltlich an. Ich finde die ganze Inszenierung, das Zusammenspiel des Ensembles hat seit der Premiere deutlich gewonnen, Kaufmann und haretros haben sich seit damals deutlich gesteigert, auch der Bariton, der als einziger der Hauptpartien neu in dieser Serie war, gefiel mir leicht besser, als der Sänger der Premiere.


    Die Inszenierung, die du so ausführlich beschrieben hast, ist anders als die meisten anderen Neuproduktionen in München klug durchdacht und wunderschön. Besonderes Lob gebührt dabei der Kostümabteilung. Ensprechend begeistert war auch das Publikum. So eine Produktion kann zu einem wahren Repertoire-Klassiker werden (wie Schenks Boheme) und durchaus auch noch Leute in 30 Jahren glücklich machen!

    @Rodolfo: Szenenapplaus gab es wirklich nur in der offenen Verwandlung im zweiten Akt, aber ein deutliches Raunen ging jedes Mal durch das Publikum wenn sich der Vorhang öffnet.


    chrissy: ich habe mir für diese Aufführung einen Parkettplatz (etwas seitlich) für knapp 100 Dollar gegönnt. Man ist ja nicht jeden Tag in NY. Es gibt aber auch durchaus günstigere Plätze (ab 20 Dollar), mit guter Sicht auf die Bühne, wobei die höheren Ränge einfach vom Geschehen sehr weit entfernt sind und die Sänger da von oben sehr klein aussehen. Das Haus war mit seinen fast 4000 Plätzen sehr gut besucht aber nicht ausverkauft. Man hört, dass moderne Inszenierungen an der Met im Verkauf regelrecht eingebrochen sind, deswegen werden die Tosca und die Traviata bereits nach wenigen Jahren wieder ersetzt, während man das geplante Engagement von Bieito glücklicherweise ganz gecancelt hat. Nein, es ist nicht die Inszenierung aus dem von dir erwähnten Film.


    Bertarido: Man kann ja viel über diese Inszenierung sagen, aber besonders bunt ist sie wirklich nicht. Der erste Akt ist sehr düster mit nur wenig Farbe, das erste Bild des dritten Aktes ebenfalls. Im Kaiserpalast dominiert die Farbe gold und die Kostümfarben sind farblich dazu sehr gut abgestimmt, lediglich der Pavillon von Ping-Pang-Pong hat etwas mehr Farben.

    Liebe Freunde,


    wenn man sich mal eine Woche Ferien in New York gönnt, kommt man nicht umhin, auch die Met zu besuchen. Und wenn es dann ein Abend wird, wie ich im Folgenden beschreiben werde, kann man einfach nur zutiefst dankbar sein!



    Wie heißt das Hassobjekt Nummer eins der Regietheater-Mafia? Richtig, Maestro Franco Zeffirelli! Und warum wird dieser Regisseur aller Regisseure von den RTlern so verachtet und gar lächerlich gemacht? Weil er ihnen gefährlich wird. Weil sie wissen, dass sie niemals so erfolgreich sein werden, wie seine Inszenierungen, welche sich zum Teil Jahrzehnte oder sogar ein halbes Jahrhundert im Repertoire verschiedene Opernhäuser gehalten haben und sich immer noch größter Beliebtheit beim Publikum erfreuen, wie am ersten Tag. Und das ist für die mafiösen Strukturen die das Regietheater in Europa etabliert hat, eben gefährlich. Man will, das was einem gefährlich wird, auslöschen, es vergessen machen, das Publikum soll sich an den Schmutz gewöhnen, den es von den Machern des RTs vorgesetzt bekommt. Deswegen versucht die Regie-Mafia überall dort, wo sie das Sagen hat, die Inszenierungen von Franco Zeffirelli abzusetzen, denn sie fürchtet, dass die übermächtige Erinnerung an diese Meisterwerke der Regie ihr eigenes Nicht-Können in den Schatten stellen wird und in Bedeutungslosigkeit verkommen lassen wird. Die Jugend soll diese richtige Form der Oper niemals kennenlernen und stramm linientreu im Sinne des Regietheaters erzogen werden. Wenn man jedoch einmal eine so großartige Inszenierung, wie die von Turandot durch Franco Zeffirelli an der Metropolitan Opera erlebt hat, oder gar das Glück hatte, so wie ich, mehrere seiner Inszenierungen an verschiedenen Spielorten live mitzuerleben, wird man gegen die Indoktrinierungen des Regietheaters immun, und erkennt darin des Kaisers neue Kleider.


    Ich hatte Mitte November das Glück Franco Zeffirellis Turandot live auf der Bühne der Metropolitan Opera in New York miterleben zu dürfen, und muss nun für mich sagen, dass es nun schwierig wird, eine andere Inszenierung dieser Oper jemals zu akzeptieren, da die an der Met so mustergültig war, dass ich diese Erinnerung nur ungern überschreiben würde. Schon beim Betreten des Opernhauses viel einem die festliche Atmosphäre auf, zu der das internationale Publikum pilgerte. Alles schien in der frohen Erwartung, dass an diesem Abend etwas ganz Besonderes stattfinden würde. Freudig nahm man in dem grosszügigen Zuschauerraum Platz und bestaunte als Einstimmung den prunkvollen goldenen Vorhang der noch die Bühne bedeckte. Als es kurz nach 8 Uhr im Saal dunkel wurde und der Dirigent unter Applaus ans Pult trat hielt man in gespannter Erwartung den Atem an. Majestätisch dirigierte Carlo Rizzi die einleitenden Akkorde, während denen der goldene Vorhang kunstvoll nach seitlich und oben gezogen wurde. Die Bühne war eine wahre Augenweide. Man sah einen klassisch gemalten Prospekt im Hintergrund, während sich an den Seiten die Hütten der Armen chinesischen Bevölkerung befanden. Der Chor befand sich als düstere gesichtslose Masse auf der Bühne, blieb jedoch dank der ausgezeichneten Chor-Regie Zeffirellis immer in Bewegung. So wurden ganz im Einklang mit der Musik immer wieder zahlreiche kleine individuelle Geschichten erzählt. Ein wahres Heer aus Statisten und Akrobaten brachte immer wieder Farbe in die dunkle, monumentale Szenerie und setzte so immer wieder optische Akzente und Überraschungen. Die Protagonisten waren auf beeindruckende Weise immer von den Chor-Massen und Statisten abgrenzbar und für den Zuschauer klar im Fokus. Zeffirelli tat nichts anderes als das auf die Bühne zu bringen wozu ihn Partitur und Libretto verpflichtet haben, wenn er eingewilligt hat, diese Oper zu inszenieren. Er hat nämlich im Gegensatz zu manch pseudointellektueller Pappnase begriffen, dass die Regieanweisungen genauso Teil der Partitur sind, wie auch die Noten. Schade dass man eine Selbstverständlichkeit wie diese, hier extra erwähnen muss. Die Personenregie war immer ganz genau im Einklang der Musik und äußerst sensibel gezeichnet. Es war beeindruckend mit anzusehen, wie beim stummen Auftritt des Prinzen von Persien der Palast der Turandot plötzlich im Bühnenhintergrund aus dem Nebel quasi aus dem Nichts auftauchte und man darin die eiskalte Prinzessin umgeben von ihren Dienerinnen auf einem Diwan liegen sah, von wo aus sie das Zeichen zur Hinrichtung gab. Wenn Calaf am Ende des ersten Aktes den Gong schlägt, um die Rätsel der Prinzessin zu lösen, wird der in der Zwischenzeit wieder dunkel gewordene Palast plötzlich wieder strahlend hell, während der alte Timur sich verzweifelt an die Sklavin Liu klammert, während der Vorhang fällt. Timur und Liu stehen dabei genau an der Stelle welche zuletzt vom Vorhang bedeckt wird. Was für ein Akt-Ende!


    Nach einer längeren Pause begann der zweite Akt: das Bühnenbild stellte nun Libretto gemäß einen Pavillon dar, welche dreigeteilt war und in jedem Teil des Pavillons befanden sich die drei Minister Ping, Pang und Pong. Jeder Teil des Pavillons war dabei in einer anderen Farbe gehalten, das Dach war durch Bambus angedeutet, durch das man den Himmel sah. Auf kostbaren Polstern saßen die drei Minister und philosophierten über die jüngsten Geschehnisse in China. Die Kostüme waren bunt und vermittelten eine chinesisch angehauchte Form der Commedia dell’arte, was sich auch in der durchaus augenzwinkernd gehaltenen Personenregie dieser Szene niederschlug. Am Ende der Szene schloss sich der Pavillon mittels gemalter Stofftransparente, als Diener verkleidete Statisten räumten die Requisiten zur Seite, das Bühnenlicht wurde für einen Augenblick dunkel, während der gesamte Pavillon in einer Sekunde in den Bühnenhimmel gehoben wurde. Dahinter da man nun den Kaiserpalast in strahlendem Gold und von goldenen gemalten Prospekten umgeben. Zahlreiche Statuen und chinesisch anmutende Säulen säumten diese Szenerie. Das Bild dieser Szene ist wohl vielen aus den Plakaten der Metropolitan Opera wohlbekannt. Regie Theater-Jünger haben an ihr immer wieder ausgesetzt, dass Zeffirelli ja in dieser Szene den Vorgaben des Librettos nicht gefolgt sei, da die dort verlangte Treppe, welche Turandot herab steigt ja so nicht vorkomme. Aber: Liebe Regietheater - Pappnasen, Ellerbätsch! Wer Augen in der Birne hat, ist klar im Vorteil, denn die Treppe gibt es - genauso wie im Libretto gefordert. Der Kaiserpalast steht nämlich gegenüber dem Bühnenboden stark erhöht auf einem Sockel und die Treppe führt von hinten oben schräg nach vorne unten. Und Prinzessin Turandot darf sie bei ihren Fragen genauso hinunter schreiten, wie es sein soll. Also, haltet doch die Klappe und akzeptiert, dass es andere besser können als ihr. Kommt Kunst nicht vom Können? Muss man noch erwähnen, wie begeisterter Applaus spontan aufbrandete als diese wunderbare goldene Szenerie zum ersten Mal auf der Bühne sichtbar wurde? Chorsänger und Statisten waren in prächtiger fantasievolle märchenhafte und historische Kostüme gekleidet, dass man aus dem Staunen gar nicht mehr herauskam. Zeffirellis langjährige Kostümbildnerin, die 2011 verstorbene Anna Anni hatte gemeinsam mit Dada Saligeri wirklich ganze Arbeit geleistet. In dieser Rätselszene war der Chor des einfachen Volkes vorne an der Bühne positioniert und man konnte mitansehen, wie das einfache Volk mit der Rätsel Szene regelrecht mitlitt und den siegreichen Calaf am Ende frenetisch bejubelte.


    Nach einer weiteren Pause begann der dritte Akt. Wie im Libretto gefordert befand man sich nun in einem nächtlichen chinesischen Garten. In diesem sang Calaf die berühmteste Arie des Stücks „Nessun dorma“. Abermals ergänzten sich traditionell gemalte Prospekte und gebaute Elemente des Bühnenbildes perfekt, auch die Ausleuchtung der Szene war optimal gelungen. In diesem wunderschönen Rahmen kam es dann zur schicksalhaften Begegnung von Liu und Turandot. Hierin ereignete sich der tragische und berührend umgesetzte Suizid der Liu. Und in diesem wunderschönen Bühnenbild gelang es Calaf dann auch während des Alfano Schlusses Turandot zu küssen und ihr seinen Namen zu offenbaren, um sein Schicksal in ihre Hand zu legen. Anschließend verwandelte sich die Szenerie erneut binnen Sekunden in den Kaiserpalast, mit dem über allen thronenden Kaiser Altoum. Als die Prinzessin bekannt gab, dass der Name des Fremden Liebe sei, brach das umstehende Volk in Jubel aus, Glitter viel von oben herab und der Vorhang fiel unter dem überwältigenden Jubel des Publikums. Wann hat man in Regietheater-kontaminierten Zeiten so etwas zuletzt gesehen?


    Kommen wir nun zu den wunderbaren Sängern, die dieser wunderbaren Inszenierung erst zur vollen Wirkung verhalfen.
    In der kurzen, aber ungemein anspruchsvollen Titelrolle bewies die Ukrainerin Oksana Dyka vom ersten Ton an ganz großes Format. Auch optisch entsprach sie genau dem, was man sich unter der Turandot vorstellt. So schleuderte sie mit ihrer riesigen Stimme und scheinbar grenzenlosem Tonumfang die gefürchtete Auftrittsarie „In questa reggia“ mit eisiger Kälte ins Auditorium. Man folgte ihrem Vortrag mit angehaltenem Atem. Im Verlauf des Abends bewies Dyka jedoch auch, dass sie zu wärmeren Farben und wunderschön im Piano ausgesungenen Phrasen wie in dem von Franco Alfanos komplettierten Finale fähig war. So gelang die Wandlung der Prinzessin aus Eis zu liebenden Frau musikalisch bestens. Mit dem lettischen Tenor Aleksandrs Antonenko hatte ich bisher keine guten Erfahrungen gemacht. Ich habe ihn des öfteren in München und Zürich erlebt und erinnerte mich an eine belegte, angestrengte Stimme. Entsprechend skeptisch, war ich als ich seinen Name in der Besetzungsliste sah. Aber wie man sich täuschen kann! Als Calaf wirkte dieser Tenor wie verwandelt und begeisterte fast uneingeschränkt. Hatte ihn die grandiose Inszenierung zu dieser Höchstleistung animiert und inspiriert? Die Stimme Antonenkos war voller Strahlkraft mit ihrem metallischen Timbre, die fast alle hohen Anforderungen seiner schwierigen Rolle mühelos meisterte. Auch die leiseren, lyrischen Passagen seiner Rolle wie das „Non piangere Liu“ waren gefühlvoll und sensibel interpretiert; das berühmte „Nessun Dorma“ klang strahlend heldisch und mühelos. Dankenswerterweise hatte man an der Met nicht die Unsitte übernommen, für diese Arie den Konzertschluss zu verwenden, um dem Publikum die Möglichkeit für störenden Applaus zu geben. Wir sind ja schliesslich an der Met und nicht bei Paul Potts! Dass man den Calaf insgesamt vielleicht etwas kultivierter singen könnte, bleibt bei einer so mitreissenden Interpretation Kritik auf sehr hohem Niveau. Sehr zart und berührend gestalte Hei-Kyung Hong, Urgestein an der Metropolitan Opera, die treue Sklavin Liu. Ihre Arie im ersten Akt, sowie ihre Todesszene „Tu, che di gel sei cinta“ wurden wahrlich herzergreifend mit warmem lyrisch strömendem Sopran gesungen. Luxuriös besetzt war auch Calafs Vater, der blinde Tataren-König Timur mit Giorgi Kirof, der mit balsamischem warmem Bass auf bewegende Weise um Liu trauerte. Stimmlich ausgezeichnet und spielfreudig-komödiantisch präsentierte sich das Minister-Trio aus Ping, Pang und Pong mit Alexey Lavrov, Toni Stevenson und Eduardo Valdes. In ihren kurzen Rollen als düsterer Mandarin und Imperatore Altoum, konnten Jeongcheol Cha und Ronald Naldi nachhaltig auf sich aufmerksam machen. Der Chor der Metropolitan Opera war phantastisch von Donald Palumbo einstudiert, ich habe den Chorpart dieser Oper selten so textverständlich gehört. Als er am Ende des Trauermarsches „Oblia! Liù...Poesia!“, den letzten von Puccini komponierten Worten, hauchte, war das ein absoluter Gänsehautmoment, die von Carlo Rizzi lange ausgekostete Generalpause danach, ein wahrer Moment des Innehaltens. Am Pult des Orchesters der Metropolitan Opera sorgte Rizzi für eine spannende, vorwärtsdrängende Interpretation, das einem schier der Atem stockte. Am Ende stehende Ovationen und viele Blumensträusse für ebenfalls berührten und glücklichen Sänger. Was für ein Abend! Leider waren meine Ferien bereits am Tag darauf beendet und ich musste die Heimreise nach Europa antreten.


    PS: Ich habe im Sommer 2012 bereits Franco Zeffirellis Inszenierung von Turandot in Verona gesehen. Auch diese Version war inszenatorisch toll, aber aufgrund der dortigen Einschränkungen der Bühnentechnik in gewisser Weise abgespeckt. Über die damaligen Sänger hülle ich besser den Mantel des Schweigens, denn diese haben mir damals den Abend gehörig verdorben...


    http://tamino-klassikforum.at/…age=Thread&threadID=14865

    Lieber Marcel, ich bin froh dass du diese Aufführung in etwa so beurteilst wie ich. Wenn ich die Aufführung von 2010 mit der von letzter Woche vergleiche, möchte ich im Detail gar nicht sagen dieser oder jener Titelheld sei im Detail ich besser gewesen. Ich weiß noch, dass ich damals das Opernhaus mit dem Gefühl verlassen habe, eine erhabene und berührende Aufführung gesehen zu haben. Der Gesamteindruck damals war überwältigend. Letzte Woche verliess ich das Opernhaus mit einem indifferenten und gelangweilten im Gefühl. Ein Arbeits-Kollege der mit mir in der Aufführung letzte Woche war, überlegte in der Pause die Aufführung zu verlassen. Dieser Opernbesuch hat mir absolut nichts gegeben, geärgert habe ich mich aber auch schon mehr. Ich habe in all den Jahren schon weitaus Schlimmeres erlebt. Fast hatte man das Gefühl, die Oper in Zürich sei tot. Aber ich würde diese Inszenierung dennoch jederzeit wieder besuchen, sobald vielversprechendere Sänger angekündigt wären. Netrebko wäre als Tatjana schonmal eine gute Idee. Nur ist das derzeit leider eine völlige Utopie.

    Das völlig verkommene Opernhaus Zürich hat wieder eine halbwegs normale Neuinszenierung herausgebracht. Wie heißt es doch so schön: Wunder gibt es immer wieder. Und auch diese Aufführung bestätigte, was ich immer gesagt habe: Klassische Inszenierungen demaskieren gnadenlos ein tiefes musikalisches Niveau. Aber nun der Reihe nach.


    Der für seine beknackten Produktionen sonst so gehypte Barrie Kosky ist wohl mit dem falschen Fuß aufgestanden und meinte: "jetzt probiere ich es mal seriös". Seine Bühenbildnerin Rebecca Ringst, sonst auch nicht gerade mit Ruhm bekleckert, hat sich mal etwas angestrengt und eine aufwändige Wiese auf die Bühne gestellt, in die eine Drehbühne integriert war, dahinter zahlreiche Bäume. Sieht hübsch, aber auch irgendwie stümperhaft aus, wenn man bedenkt, wie einst die großen Bühnenbildner ihre Kulissen gebaut haben. Die Kostüme von Claus Bruns sind ländlich, zeitlos und deuten vage das ausgehende 19. Jh an. In diesem Rahmen wird eigentlich die Handlung fast so erzählt, wie es im Buche steht. Nicht besonders gut, aber auch nicht schlecht. Das Bett in dem Tatjana ihren Liebesbrief schreibt wird durch einen Scheinwerferkegel angedeutet, lediglich dass sich Lenski vor seiner großen Arie mit Wodka antrinkt ist ärgerlich und widerspricht dem Geist der Musik Tschaikowskis. Nach der Pause wird der Palast des Fürsten Gremin auf die Bühne gestellt, die einleitende Polonaise wird bei geschlossenem Vorhang gespielt. Besser so, wenn man unfähig ist, eine gescheite Choreographie auf die Bühne zu stellen. Zur letzten Szene wird der Palast wieder abgebaut und Onegin und Tatjana spielen die letzte Szene wieder auf der nun verregneten Wiese. So weit, so gut....


    Wenn die Sänger gepasst hätten, wäre es ein schöner Abend gewesen. Wurde es aber nicht. Peter Mattei singt den Onegin an allen grossen Häusern, aber überzeugt hat er mich nicht. Eine schöne Stimme, aber er tut sich mit der russischen Aussprache äusserst schwer, die Intonation ist unsauber, darstellerisch bleibt der Sänger blass und unbeholfen. Olga Bezsmertna gefiel mir als Tatjana überhaupt nicht. Die Stimme klang dünn und schrill-tremolierend, besonders in der Höhe. So wurde die Wirkung der Briefszene weitgehend verschenkt, da wo sich sonst Anteilnahme einstellen sollte, bleib mein Gefühl weitgehend indifferent. Das wahre Ärgernis der Aufführung hieß Pavol Breslik in der Rolle des Lenski. Es ist ein Skandal, dass dieser Sänger gerade in Zürich und München regelmäßig Hauptrollen singen darf. Die Stimme klingt meckrig im Timbre, unangenehm hoch, keine Stilistik....So störte der Sänger bereits massiv das Quartett des ersten Akts, das "Kuda" offenbarte auf brutale Weise die stimmlichen Defizite des Sängers. Wieviel begeisterten Applaus erhielt 2010 Piotr Beczala am gleichen Ort für diese Arie, der man damals mit angehaltenem Atem folgte? Christoph Fischesser als Gremin sang seine Arie etwas knorrig, was aber für diese Rolle durchaus angemessen ist. Einen warmen Alt präsentierte die Rollenadäquate Ksenia Dudnikova als Olga, auch Liliana Nikiteanu als Larina und Margarita Nekrasova als Filippjewna sangen durchweg ausgezeichnet. Martin Zysset war ein herrlich affektierter Triquet. Etwas schrill und undifferenziert tönte der von Ernst Raffelsberger einstudierte Chor. Das Orchester unter Stanislav Kochanovsky hatte einen rabenschwarzen Tag. Da passten die Einsätze der Bläser weitgehend nicht, da waren rhytmische Unsauberkeiten in der Polonaise, da wurde nur selten ein spannungsbogen hergestellt.... Bescheiden.....


    Fazit: Schade, dass eine Inszenierung mit durchaus Potential , durch unzureichende Sänger so schlecht zur Geltung kommt. Kaum zu glauben, aber das war das erste Mal, dass ich mich bei Eugen Onegin gelangweilt habe....Der Applaus am Ende war höflich, mehr nicht.

    Lieber Figaroo,


    auch von mir vielen Dank für den Bericht. Wenn ich mir die Bilder ansehe, dann hast du durchaus eine schöne und passende Inszenierung erlebt. Anderswo scheint es also möglich, werkgerecht zu inszenieren. Nur in Deutschland und einigen anliegenden Ländern scheint das kaum noch einer zu können.


    Liebe Grüße
    Gerhard


    Lieber Gerhard,


    diese Striche waren auch eine Form des Regietheaters, zumal diese vom Regisseur völlig willkürlich gesetzt waren. Das ist auch nicht besser als das Werk in den Irakkrieg zu versetzen wie jüngst in München. :cursing:

    Bei meinem Israel-Kurzurlaub habe ich nebenbei auch die Forza in Tel Aviv in einer Vorstellung am Freitag-Mittag besucht. Bei Betreten des Tel Aviv Performing Arts Center, in dem sich auch das Opernhaus befindet, fiel als erstes ein Kamerateam des ORF auf, welches ein Interview mit Wiens Ex-Operndirektor Ioan Hollender führte, welcher sich voller Lobes über die Israeli Opera äusserte. Aber dies nur am Rande.
    Ich erlebte eine insgesamt schöne Vorstellung der Forza, auch, wenn ich einige Details der ausverkauften Aufführung als fragwürdig empfand.
    Zunächst zur Inszenierung: Pier Francesco Maestrini hat eine ingesamt wunderschöne traditionelle Aufführung auf die Bühne gestellt. Das Bühnenbild von Juan Guillermo Nova hielt sich eins zu eins an die Vorgaben Giuseppe Verdis und seiner Librettisten Piave und Ghislanzoni. Der Einsatz nach oben fahrbarer Wänden in Kombination mit Projektionen ermöglichte alle im Libretto geforderten Schauplätze und sorgte für schnelle Umbauten. Da sorgten die kahlen Bäume im von Kerzenlicht erleuchteten ersten Akt ebenso für Gruselfeeling, wie die monumentale Klosterpforte mit der dagegen fast winzig aussehenden Leonora.
    Unvergesslich geriet die Schlachtszene, bei der das Kanonenfeuer nicht nur historische Schlachtgemälde heraufbeschwor, sondern dank der gelungenen Projektionen die ganze Bühne in Brand versetzte. Beklemmend und düster geriet das Tal zwischen hohen Bergen und seinem Bach, wo Leonora in ihrer Einsiedlerklause hauste. Meisterhaft waren auch die Kostüme von Luca Dall‘ Alpi geraten, der sämtliche Sänger opulent im Stil des 18. Jahrhunderts gekleidet hatte.
    Nun könnte man meinen, ich sei als Regietheater-Gegner im siebten Himmel geschwebt und voll auf meine Kosten gekommen. Leider, leider trat dies jedoch nicht ein, da sich der Regisseur für eine Strichfassung der Oper entschieden hatte, die mir das kalte Grausen regelrecht über den Rücken jagte. Mit einer fadenscheinigen Argumentation ("Es sei immer so gewesen", "Die Striche verbessern den Fluss der Handlung") hatte Regisseur Maestrini im dritten Akt nicht nur das musikalisch und dramaturgisch wichtige Duett "Né gustare m'è dato" zwischen Carlo und Alvaro gestrichen, sondern auch bei den Chören derart dicke gekürzt, dass das was vom dritten Akt blieb, ein völlig verstümmelter Torso war, der im Gesamtzusammenhang der Oper für mich keinen Sinn mehr ergab. Sicher: es ist üblich bei so langen und schweren Opern wie der Forza zu kürzen, und ungestrichene Aufführungen sind nicht immer der Weisheit letzter Schluss, aber das, was hier in Tel Aviv betrieben wurde, war eine absolute Unverschämtheit und Beleidigung des Komponisten. Im englischsprachigen Programmheft wurde ferner dem unwissenden Publikum mit einer kompletten Inhaltsangabe suggeriert man sehe die ganze Oper…Einfach nur unmöglich…
    Gesungen wurde in der besuchten Aufführung, von kleineren Abstrichen abgesehen, auf hohem Niveau: Die grosse Überraschung der Aufführung war Ensamble-Mitglied Ira Bertmann, die mit einem riesigen, dunklen Sopran aufwartete und mit strahlenden Höhen und bedrückenden dramatischen Bögen eine Rundum grossartige Leonora sang. „Madre pietosa Vergine“ und das berühmte „Pace“ waren Beispiele grosser Italienischer Gesangskunst. Das grosse Duett mit Bass-Veteran Giorgio Giuseppini als Padre Guardiano war ein ganz grosser, berührender Moment- Giuseppinis markanter, aber dennoch balsamischer Bass brachte alles mit, um in dieser wunderbaren, aber vergleichsweise kurzen Partie zu überzeugen. Nicht ganz glücklich war ich dagegen mit Gustavo Porta, dessen Tenor als Alvaro von Beginn an leicht belegt klang, auch seine grosse Arie des dritten Akts litt noch deutlich unter dieser nasalen Tongebung. Im späteren Verlauf der Aufführung gelangen dem Sänger dann deutlich sauberer gesungene Phrasen, aber es fehlten durch die Striche Möglichkeiten sich stimmlich zu entfalten. Dasselbe gilt auch für Ionut Pascu, der mit einem markanten, aber weichen Bariton, einen tadellosen Carlo di Vargas sang, weshalb dieser jedoch nach jahrelanger Suche bei Alvaro im Kloster auftauchte und von diesem mit „Don Carlo, voi, vivete“ begrüsst wurde, erschloss sich dank der Strichfassung nicht mehr. Aber was solls. Sehr gut hatte man zwei weitere Nebenrollen besetzt: Boris Statsenko von der Rheinoper als herrlich bissiger Fra Melitone (der Leonora bei ihrer Abkunft im Kloster als erstes ihre wenigen Habseligkeiten entwendet), und Enkelejda Shkoso als sinnliche koloratursichere Preziosilla komplettierten das Ensemble auf höchstem Niveau. Ausgezeichnet sang der Chor, einstudiert von Ethan Schmeisser, während die folkloristisch gewandeten Tänzerinnen und Tänzer bravourös die Tarantella tanzten, welche – man muss schon sogar wie durch ein Wunder- nicht gestrichen war. Grossartig dirigierte Musikchef Daniel Oren von Beginn der Ouvertüre an: Straffe, spannende Tempi, gefühlvoll und voller vorwärtsdrängender Dramatik. Es hätte sooo schön sein können…..


    Ich habe mich bisher zurück gehalten, obwohl mir beim Lesen dieses Ergusses wieder einmal übel geworden ist, wie üblich bei "Figaroos" Beiträgen. Ich finde es unerträglich, in welcher abfälligen Weise hier über Menschen gesprochen wird, und ich bin froh, dass ich nicht ganz allein damit bin. :no:


    Und mir wird übel, bei einem derartigen Level an Heuchelei. Wer zu diesen Preisen, etwas derartiges vorsätzlich bietet (was in Zürich der Fall ist, da dort eine ehemalige Agentin das Besetzungsbüro leitet, die aus finanziellen Interessen solche Leute aus ihrer ehemaligen Agentur verpflichtet), der begeht Betrug. Und bei soetwas nehme ich kein Blatt vor den Mund.

    Alle haben sie gejubelt. Das Feuilleton. Die NZZ. Der Primarschullehrer und Hobby-Kritiker von Oper aktuell. Der Merker. Ein Psychodrama spiele sich ab, beim aktuellen neuen Werther in Zürich. Viel Blabla um nichts, wie ich nach dem Besuch der gestrigen Vorstellung festgestellt habe. Denn der neue Züricher Werther ist nichts als schlechtestes Provinztheater, wie man es am kleinen Stadttheater im deutschen Wolkenkuckucksheim in höherer Qualität erleben kann - nur zu niedrigeren Preisen und nicht zu bis zu über 300 Franken.


    Das Debut von Juan Diego Florez als Werther. Juhu. Nichts wie nach Zürich, wo bekannte Sängernamen mittlerweile selten geworden sind. Nur leider kann ein guter Rossini-Tenor noch lange keinen Werther. Und so wirkte Florez dünnstimmig, er war im zweiten Rang des Opernhauses zum Teil kaum zu hören. Das unter Cornelius Meister kräftig aufspielende Orchester deckte dieses Wertherchen, das sich den ganzen Abend lang vergeblich um Dramatik bemühte über weite Strecken komplett zu. Zwar gelang die zentrale Arie "Pourquoi me reveiller" einigermassen schönstimmig und lyrisch, aber insgesamt blieb Florez weitest hinter den grossen Rollenvorgängern als Werther zurück. Berührt wurde ich kein einziges Mal.
    Eine absolute Frechheit war die übrige Besetzung: Eine schrill klingende Anna Stephany orgelte sich technisch unsauber mit störendem Vibrato durch die Charlotte, die grosse Arie zu Beginn des dritten Aktes war fast unerträglich. Melissa Petit als Sophie singt, wenn ich richtig gezählt habe, bereits die vierte grosse Partie in dieser Saison am Opernhaus Zürich. Diese dünnstimmige Piepse wirkte derart fehlbesetzt, dass man sich fragte, ob man nicht im falschen Film sei. So jemand sollte doch bitte den Pagen im Rigoletto singen, oder doch besser gleich ab in den Chor. Aber Madame Petit sieht gut aus, und passt deshalb in die derzeitige Regietheaterwelt. Audun Iversern war ein grobstimmiger unsauber intonierender Albert. Über den Rest der Besetzung hülle ich am Besten den Mantel des Schweigens.
    Tatjana Gürbaca, auch bekannt als "La Garbaggia" lieferte eine Inszenierung ab, die verglichen mit ihren sonstigen Inszenierungen noch in gewisser Weise harmlos erscheint. Dennoch schüttelte man den Kopf über im Rollstuhl sitzende Ommas, welche von den Comprimari hin und her geschoben wurden. Die schlecht sitzenden Kostüme, aus den Dreissigerjahren waren eine Beleidigung für das Auge und brachten gegenüber dem 18. Jahrhundert, in dem die Handlung angesiedelt sein muss, null Mehrwert. Alles langweilig, leidenschaftslos und austauschbar.
    Eine Schande für das Opernhaus Zürich. Die guten Rezis waren einmal mehr nichts als Fake News oder alternative Fakten. Die freie Platzwahl im Opernhaus sowie der insgesamt sehr müde Applaus waren Beweis des Abstieges des Opernhaus Zürich. Schade.

    Wie man hört, soll in München der neue Andrea Chenier am kommenden Sonntag eine wunderschöne traditionelle Inszenieung werden. Das wäre nach Lady Macbeth von Mzensk schon die zweite normale Neuproduktion an der Bayerischen Staatsoper in einer Saison. Wunder gibt es immer wieder...

    ]



    Das geht mir ganz genauso. Allerdings auch bezogen auf die Inszenierung, das Bühnenbild und die Kostüme. Da möchte ich auch nicht, dass irgendjemand mir das so präsentiert wie er es für am besten verdaulich hält.


    Dieser Aussage lieber Knuspi, schliesse ich mich vollinhaltlich an. Es ist für mich ein deutlicher Widerspruch einerseits auf der vollen Länge ("wie vom Komponisten komponiert") , aber andererseits etwas auf der Bühne ansehen zu müssen, was nichts mit dem Orginal zu tun hat.

    Sowenig mich die lady Macbeth der Anna Netrebko 2014 überzeugt hat, so grossartig war musikalisch die aktuelle Wiederaufnahme, die ich am 27.12.2016 besuchen durfte. Netrebko hat deutlich an ihrer Interpretation gearbeitet, die Stimme fühlt sich deutlich in diesem Repertoire wohl. Eine grossartige Intonation und Technik. Mitreissend von Anfang bis Schluss. Die Stimme an Grösse und Volumen deutlich gewonnen. Brava! Ebenfalls grossrtig: Franco Vasallo in der Titelrolle und Ildebrando d'Arcangelo als Banco. Völlig Daneben: Yusif Eyvazov (Herr Netrebko) als Macduff: eine brüchige Stimme ohne jeglichen Glanz mit schweren Registerbrüchen. Kusejs Inszenierung beim mehrmaligen Anhsehen: einfach nur noch peinlich und infantil. Wie man hört, war das allerdings die letzte Wiederaufmahme dieses Mists. Dennoch ein Sieg der Musik.


    LG und guten Rutsch.

    Liebe Freunde, heute möchte ich von einem Opernabend berichten, der für mich eindeutig zu den Besten gehört, die ich in den letzten Jahren in Sachen italienischer Oper erleben durfte. Nachdem ich ein paar Tage Freunde in Israel besucht habe, war es für mich als Opernfan irgendwo selbstverständlich, auch einmal die Oper in Tel Aviv zu besuchen, nachdem ich vor zwei Jahren in Israel bereits eine ausgezeichnete Tosca in Massada als Open Air erleben durfte.
    Das moderne Opernhaus in Tel Aviv war bis auf wenige Plätze komplett ausverkauft. Norma ist ein sehr populäres Werk und das wollte man sich in einem so klassikbegeisterten Land natürlich nicht entgehen lassen. Im Gegenzug dazu liebt die Oper in Tel Aviv ihr Publikum und ist auf dieses angewiesen. Bis auf wenige (gemässigte) Ausnahmen würde man diesen treuen Besuchern niemals solche abartigen Regietheaterinszenierungen zumuten, wie das in Europa leider der Fall ist. Trotz knapper Kassen hatte die Intendanz der Israeli Opera eine Norma Besetzung zusammengestellt, die auch an europäischen Bühnen ihresgleichen sucht.
    Aber zunächst zur Inszenierung: diese war vom Teatro Regio in Turin übernommen worden und einfach nur wunderschön. Alberto Fassini hat Bellinis Musik und das Libretto Felice Romanis' eins zu eins liebevoll umgesetzt. Die Bühnenbilder von William Orlandi waren intelligent arrangiert und hochästhetisch. Die ebenfalls von Orlandi entworfenen Kostüme prächtig und historisch genau. Druiden waren Druiden, Römer waren Römer und die Krieger waren als solche erkennbar. Norma trat in einem prächtigen roten Kleid mit einer goldenen Priesterinnen-Krone auf. Burkas und Kalaschnikows wie einst in einer abstrusen Münchner Inszenierung suchte man - surprise, surprise - vergeblich. Die Bühnenbilder ermöglichten fliessende Szenenwechsel. Man sah eine aus diversen Steinplatten gebildete Rückwand. Diese konnten sich verschieben und gaben den Blick auf schön gemalte Hintergrundprospekte frei, welche gallische Landschaften zeigten. Die Statue eines römischen Kaisers, die zu Beginn die Szenerie überragte war am Ende zerstört. In dem aus dem Steinplatten gebildeten Raum, wirkte die Titelheldin Norma wie lebendig begraben. In dieser Abgeschiedenheit zog sie ihre Kinder gross. Die Bühnenbilder machten auf ästhetische und zugleich bedrückende Weise die Unfreiheit der Druidenpriesterin deutlich. Innenwelt, Privatsphäre und Aussenwelt sind klar voneinander getrennt. In diesem Rahmen darf Norma ihre Casta-Diva-Arie auf einem imposanten Steinaltar umgeben von dem prächtig kostümierten Chor singen. Der Mond beleuchtet die Szenerie authentisch.
    Mit Maria Pia Piscitelli Hat die Israeli Opera eine erfahrene und international gefragter Rolleninterpretin verpflichten können. Sie hat diese Partie bereits konzertant in Wien, Buenos Aires und Rom gesungen. Eine riesige, volle, aber doch kontrollierte Sopran-Stimme, die in allen Lagen ausgezeichnet anspricht und der auch die schwierigen Koloraturen keinerlei Probleme bereiten. Casta Diva war so ein wahres Erlebnis, die Duette mit Adalgisa voll von betörendem Schönklang. Diese Priesterin blieb auch darstellerisch nichts schuldig - da stimmte jede Geste: Wut, Verzweiflung, Trauer und Rache all dies konnte man auf der Bühne real erleben. Grossartig geriet auch die Adalgisa von Jane Holloway. Vom Timbre her völlig anders als die Norma, erweckte Sie die junge Novizin zu Fleisch und Blut. Das silbrige Verschmelzen der Stimmen von Piscitelli und Holloway war ein Erlebnis; das Mira oh Norma ein Triumph. Der Pollione des Abends war bei Hector Sandoval in besten Händen. Dessen markanter metallischer Tenor mit ausgezeichneter Höhe musste sich zu Beginn noch etwas aufwärmen, aber dann zeichnete er das zynische Portrait eines kaltherzigen testosterongesteuerten römischen Statthalters, der beiden Frauen das Herz bricht. Das Ende des ersten Aktes platzte nur so fast vor Dramatik. Carlo Striuli wirkte als Oroveso so, als habe er sich leider eine Erkältung eingefangen, berührend geriet seine Schlussszene, wenn der oberste Druide erstmals Herz zeigt und sich bereit erklärt für seine Enkelchen zu sorgen. Der Chor unter der Einstudierung von Ethan Schmeisser war eine Wucht: er sang präzise und elegant, ausgezeichnet der mitreissende Guerra-Chor. Unter seinem Musikdirektor Daniel Oren spielte das Symphony Orchestra Rischon LeZion ausgezeichnet. Das war eine Interpretation voller Leidenschaft und Herzblut von der Ouvertüre an. Von Routine keine Spur. Sicher leitete Orens Sängerfreundliches Dirigat durch den gesamten Abend: Farben Spannung und Dramatik liessen das Publikum zum Teil den Atem anhalten. Dieser Opern-Abend war wirklich etwas ganz besonderes, was ich In dieser Form so nicht erwartet hatte. Das Publikum spendete allen Beteiligten stehende Ovationen und feierte das gesamte Ensemble lange mit rhythmischem Klatschen. Vielleicht sollte man mal ein paar bescheuerte Kritiker des Deutschen Feuilletons mal nach Israel schicken. Hier wartet nämlich ein potentielles Opernhaus des Jahres. Um den kürzlich verstorbenen Präsidenten Shimon Peres zu zitieren: ein kleines Land mit einem grossen Opernhaus.

    Kürzlich habe ich einen Opernrezensenten, der für diverse internationale Opernmagazine rezensiert, persönlich kennen lernen dürfen, unter anderem schreibt er für Bachtrack und Opera Now. Der Herr in der ersten Hälfte dreissig, war sehr nett und an Oper interessiert, leider war jedoch schnell klar, dass er von davon keine Ahnung hatte. Auf Nachfrage gestand er dann ein, seine erste Oper erst 2011 besucht zu haben. Namen wie Nicolai Ghiaurov, Ettore Bastianini oder Alfredo Kraus hatte Herr P. noch nie gehört.... Nun, wen wundert es, dass viele Rezensionen einfach unsäglich sind?

    An der Rheinoper gab es vor einigen Jahren die 5aktige französische Fassung. Der Hauptgrund warum diese nicht so häufig aufgeführt wird, ist angeblich, daß die meisten Tenöre die Arie im Fontainebleau Akt nicht in ihrem Repertoire haben.


    Beide aufgebotenen Sänger, Wilson und Vargas (sowie auch die Harteros) können den Fontaineblau-Akt und haben diesen bereits häufig gesungen....

    Nachdem die Besetzung auf dem Papier äusserst vielversprechend war und die Inszenierung bekanntermassen kein Regietheater, hatte ich beschlossen mir eine meiner Lieblingsopern, den Don Carlo am Opernhaus Zürich live anzusehen. Das Ergebnis war, wie immer in Zürich in letzter Zeit, äusserst zwiespältig. Die Inszenierung von Sven-Erich Bechtolf hatte im März 2012 Premiere. Damals war unter dem Dirigenten Zubin Mehta die fünfaktige Fassung der Oper von 1886 gespielt worden. Nun aber hatte die neue Intendanz unter Andreas Homoki den ersten Akt amputiert und auf die Mailänder in der Fassung von 1884 zurückgegriffen. Warum auch immer… Vermutlich wollte man Gagen für Musiker und Choristen sparen. Ich musste für mich feststellen, dass die Oper in dieser verstümmelten Form für mich kaum Sinn ergibt. Das Werk wirkt wie ein Torso dessen Kopf fehlt. Weder das Libretto, noch das komplizierte musikalische Motivgeflechte haben in dieser Form eine Logik. Als Beispiel sei nur das Duett zwischen Carlos und Elisabeth im vierten ( eigentlich fünften ) Akt genannt: die beiden nehmen traurig voneinander Abschied und besingen etwas, das dem Publikum völlig fremd wird, wenn man es nicht auf der Bühne miterlebt hat: die verliebte Begegnung in Fontainebleau, die Motive und Gefühle der beiden bleiben völlig unerklärt und im dunklen, wirkliche Anteilnahme kommt durch das Fehlen des ersten Aktes so gut wie nicht auf. Auch das Liebes Thema welches zu Carlos und Elisabeth gehört, geht völlig ins Leere. Schade! Man kann nur hoffen dass sich die Intendanz eines Besseren besinnt und bei zukünftigen Wiederaufnahmen dem ersten Akt den Platz einräumt, den er verdient. Zur Besprechung der Inszenierung verweise ich auf meinen Bericht von der Premiere im März 2012: Don Carlo-Premiere, Opernhaus Zürich, 4. März 2012 . Bei der Wiederaufnahme möchte ich lediglich Feststellen , dass diese Inszenierung nun völlig müde und uninspiriert wirkt. Bisweilen hatte man den Eindruck in einer Schulaufführung zu sitzen: eine Wand hier, ein Stuhl da, ein Bäumchen dort, zusammen mit einem bisweilen völlig beliebigen Gesten an der Rampe, wären allenfalls als halbszenische Aufführung akzeptabel. Schön sind lediglich die historischen Kostüme von Marianne Glittenberg. Aber um das noch einmal klarzustellen: ein solches Arrangement ist mir tausendfach lieber als die aufwändigste pseudointellektuelle Regiethetheater-Aufführung. Dass der Abend nicht so recht zünden wollte liegt auch an dem schlechten Dirigat des Generalmusikdirektors Fabio Luisi. Dieser dirigierte laut und uninspiriert. Im Autodafé gab es derartig grosse Unstimmigkeiten zwischen Orchester und Chor, dass in der Pause im Publikum ratlose Gesichter zu sehen waren. Wie mir ein Chorsänger nach der Aufführung erklärte, war ein Teil des Chores Luisis Dirigat gefolgt, ein anderer dem Dirigenten der Bühnenmusik. So etwas dürfte an einem grösseren Opernhaus eigentlich nicht passieren. Aber auch andere Szenen wie der Volksaufstand wurden von Luisi völlig um ihre Wirkung gebracht: das Crescendo welches normalerweise das Publikum aus den Sitzen reisst, hörte sich hier völlig beliebig an... Licht und Schatten gab es gestern bei den Sängern: Vor Beginn der Aufführung gab eine unsympathisch wirkende, blonde Schreckschraube (wohl die Leiterin des Züricher Besetzungsbüros) bekannt, dass Anja Harteros krankheitshalber habe absagen müssen, mit Tamara Wilson jedoch eine vielversprechende Nachwuchsängerin eingesprungen sei. Wilson wirkte wie aus einer Zeit, in der Leibesfülle noch als das Markenzeichen grosser Opernsängerinnen galt: mit warmem reinen Sopran und strahlenden Bögen und bedrückenden Piani gab die sympathische Sängerin eine wunderbare Elisabetta. Auch Marina Prudenskaya war mit kleinem aber sauber geführten Mezzo eine ausgezeichnete Eboli, deren Don Fatale zurecht grossen Jubel erntete. In der Titelrolle dagegen war Ramon Vargas jedoch völlig jenseits seines Zenits. Er klang matt, glanzlos und abgesungen, die Höhe schien dem routinierten Sänger völlig abhanden gekommen. Peter Mattei dagegen ein ordentlicher Rodrigo. Zwar ist er weit von einem Bastianini entfernt, aber die Stimme ist elegant und sauber geführt, lediglich an der Intonation könnte er etwas arbeiten. Seltsam, dass man die zweite Strophe des Duetts Carlo-Rodrigo gestrichen hatte. Blass und müde wirkte gestern René Pape als Filippo. Das war wohl ein schlechter Abend, zumal ich ihn in München in dieser Rolle bereits in wesentlich besserer Verfassung erlebt habe. Rafal Siwek als Grossinquisitor und Ildo Song als Mönch/ Karl V. machten da ihre Sache deutlich überzeugender. Einmal mehr hat das Opernhaus Zürich mit dieser Aufführung bewiesen, dass es unter seiner derzeitigen Leitung nicht mehr zu den weltweit führenden Opernhäusern gehört. Das ist wirklich schade, da gerade diese Inszenierung dazu geeignet wäre, auch einmal gute Sänger ohne RT-Ablenkung nach Zürich zu holen. Das erste Mal, dass mich ein Don Carlo gelangweilt hat.

    Für die gestrige Nachmittagsvorstellung von Cavalleria Rusticana und Pagliacci war ich nochmals in der Züricher Oper, im Wissen, dass diese beiden älteren Inszenierungen, die auch schon im Fernsehen ausgestrahlt wurden, ausnahmsweise mal kein RT sein würden. Während die Inszenierungen beide auch aussergewöhnlich schön waren, war ich über die Sänger zum Grossteil enttäuscht bis entsetzt. Aber nun mal der Reihe nach. Der einstige Züricher Oberspielleiter und engster Assistent des grossen Ponnelle, Grischa Asagaroff, hat im Jahr 2009 mit seinem Ausstatter Luigi Perego diesen Doppelabend auf die Züricher Opernbühne gebracht. Man sieht eine zweistöckige angedeutete Häuserfassade in südlichem Flair, in der Cavalleria ist auf der rechten Seite die obligate Kirche, im Pagliacci stattdessen mittig die Bühne der Artisten. Die halbrunde Spielfläche beschwört unaufdringlich Erinnerungen an die antike griechische Tragödie. Die Kostüme sind für die Cavalleria in der Entstehungszeit der Oper gehalten und ländlich-katholisch, für Pagliacci befinden wir uns im Italien nach dem zweiten Weltkrieg. Diese Zeitverlegung tut ausnahmsweise der Oper keine Gewalt an (eine vergleichbare Zeitverlerlegung konnte man sogar in diversen Zeffirelli-Inszenierungen dieser Oper beobachten) , bis auf diesen geringen Eingriff wird das Libretto sehr liebevoll und detailliert umgesetzt. Während Mascagnis Oper (abgesehen von der prächtigen Osterprozession) eher farblich karg und schwer wirkt, kommt der Leoncavallo-Teil farbig und verspielt daher. Asagaroff zeichnet die Personen treffend und intelligent im Einklang mit der Musik. Um dieser zu ihrer Geltung zu helfen, hätte es aber Sänger gebraucht die singen können. Und da hat das Besetzungsbüro des Regietheater-Prolls Homoki Riesenmist gebaut. Catherine Nagelstad als Santuzza ist eine Schande. Das überrascht nicht, wenn man liest, dass diese Tante ihre Karriere an der Stuttgarter Oper begann, wo im Regietheater-Betrieb Sänger gefördert werden, die noch jeden Mist mitmachen. Und genau da gehört die Dame rein. Mit schrillen Spitzentönen, brüllt sich Nagelstad durch den Abend, ohne Stil, Technik, ja sogar ohne die Noten zu treffen. Am Ende artet es in Gekreische aus, das einzig zu ihrer hyterischen Darstellung passt. An ihrer Seite war Roberto Alagna wahrlich das kleinere Übel. Dass grosse Namen, nicht unbedingt grosse Opernabende bedeuten, hat Alagna, dessen aktuelle Verfassung kein Grund zur Freude ist, eindrucksvoll bewiesen. Um sein brüchiges glanzloses Material maximal zu bündeln, flüchtet sich der Tenor in Lautstärke. Das täuscht aber nicht darüber hinweg, dass er seine Register nicht im Griff hat und mit drei Stimmen singt. Ein paar schöne spitzentöne gelingen ihm dann doch noch im Pagliacci, der ihm deutlich besser liegt als der Turiddu. Alagnas Spiel war hingegen sehr dramatisch und anrührend. Als Nedda erlebte man Alagnas Gattin Aleksandra Kurzak, die immerhin über eine schöne gesunde Stimme verfügt, und am Besten rüberkam wenn Sie Ihren Sopran frei strömen lassen konnte. Leider fehlt ihr vieles an Dramatik, der Interpretation fehlte über weite Strecken somit der nötige Ausdruck. In den weiteres Rollen gefiel der markante Bass-Bariton von Roman Budenko als Alfio, sowie die sinnlich timbrierte Lola von Yulia Menninbaeva. Irène Friedlis Alt als Mamma Lucia dagegen klang matt und abgesungen. Im Pagliacci war Roman Burdenko ein rauh timbrierter aber solider Tonio, während Tristan Llyr Griffiths als Beppe lediglich über ein zartes Stimmchen verfügt, das man kaum hörte. Der Silvio von Alexei Lavrov führte seinen Bariton jedoch elegant und wertete seine kurze Partie so deutlich auf. Das Orchester spielte unter Daniele Rustioni Dauer-Fortissimo. Es ist schon eine "Leistung" wenn solche Brüllsänger wie Alagna und Nagelstad über Strecken fast zugedeckt werden. Am Ende gab es lauten Jubel aus der eingefleischten Alagna-Fan-Gemeinde, die grossen Teils aus von weither angereisten Damen jenseits der 50 bestand. Was lehrt mich dieser Abend? Wenn Homoki eine RT- Inszenierung gezeigt hätte, wären die musikalischen Schlampereien und unzulänglichen Sängerleistungen wohl kaum jemandem aufgefallen. Die klassische Inszenierung hat diese durch ihre Fokussierung auf die Musik jedoch gnadenlos demaskiert. Schade um die schöne Inszenierung. Homoki muss weg!

    Liebe Freunde, heute möchte ich euch von einer aussergewöhnlichen Zauberflöten -Aufführung berichten, die ich gestern an der Mailänder Scala erleben durfte. Es war die zweite Aufführung einer neuen Produktion, die der Regietheater-Aussteiger Peter Stein und der Dirigent Adam Fischer gemeinsam mit den jungen Sängern der Accademia Teatro alla Scala erarbeitet haben. Es war ein Opernabend der an Qualität nicht getoppt werden kann, und mir noch sehr lange im Gedächtnis bleiben wird. Peter Stein hat eine Inszenierung geschaffen, die die Vorgaben Mozarts und Schikaneder fast eins zu eins umsetzt, alle Dialoge in voller Länge belässt und mit liebevoller Personenregie dem Publikum Einsichten in die Figuren ermöglicht, die ich bisher so noch nicht hatte. Bühnenbildner Ferdinand Wögerbauer hat eine einfache, aber zum niederknien schöne Szenerie geschaffen, die fliessende Übergänge ermöglichte, mit kräftigen Farben beeindruckte und mit "Special Effects" nicht geizte, welche u.a. moderner Video-Technologie und Lichteffekten von Joachim Barth realisiert wurden. Annamaria Heinrichs Kostüme waren ein Fest für die Augen und bedienten historischer Entwürfe als Vorlage, in die dann sowohl altägyptische als auch Fantasy-Elemente ( Die drei Damen erinnerten im zweiten Akt ein wenig an Walküren ;-) ) einflossen. In diesem Rahmen wurde das alte und junge Publikum zum Stauen verführt: Magische Felsengegenden wechselten mit orientalischen Palastgärten, goldene Palmenhaine und monumentale Tempel mit düsteren unterirdischen Gewölben. Darüber hinaus beschworen Versenkungen, Donner und Blitz genau jenes Zaubertheater herauf, den der geschäftstüchtige Theatermann Schikaneder 1791 im Sinn hatte. Einfach hinreissend die als Löwen, Straussvögel, Affen und Bären verkleideten Statisten, welche nicht nur zu Taminos Flötenklängen tanzten, sondern im Falle der Löwen auch librettogetreu Sarstros Wagen zogen. Peter Stein und Adam Fischer hatten bewusst alle Partien mit deutschen Muttersprachlern besetzt. Die Stimmen der jungen Künstler der Accademia wirkten nicht nur völlig unverbraucht, sondern waren in der Lage ihre anspruchsvollen Partien auf höchstem Niveau zu meistern. Martin Summer war ein eindrucksvoller Sarastro, der mit mächtigem balsamischen schwarzem Bass Isis und Osiris anrief, sowie die "Heil'gen Hallen" auf würdevolle Weise musikalisch spürbar werden liess. Martin Pikorski war ein kräftiger, aber dennoch lyrischer Tamino. Eine in allen Lagen mustergültig und makellos geführte Tenorstimme! Auch sein grosser Einsatz in den langen Dialogszenen des Prüfungstempel verdient volles Lob. Dem stand der grossartige Papageno von Tim von Orlowski um nichts nach, der es mit warmem lyrischen Bariton und liebenswürdigem natürlichen Spiel schnell in die Herzen des Publikums schaffte. Sein Mädchen oder Weibchen hatte sich dieser liebenswerte wie ein Hahn kostümierte Charakter mehr als verdient! Yasmin Özkan war eine fulminante sternflammende Königin, deren eiskalt timbrierter Koloratursopran sich mühelos bis in höchste Höhen aufschwang und deren Triller und Verzierungen in ihren gefürchteten und in der gesamten Opernliteratur einzigartigen Arien wahrlich auf musikalische Weise einen funkelnden Sternenhimmel auf musikalische Art heraufbeschworen. So eine Königin habe ich live wahrlich noch nie gehört. Hinzu kam wie beeindruckend Peter Stein ihre Auftritte inszeniert hatte: einmal kam sie über eine riesige Treppe von ihrem riesigen sternenverzierten Thron herab, das andere Mal tobte als Illustration ihrer Rache ein meisterhafter ( aber die Musik nicht störender ) Gewitterrsturm. Fatma Said war eine bildhübsche, liebliche Pamina, die mit herrlich leuchtendem lyrischen Sopran bereits im Duett mit Papageno ganz für sich einnahm und in ihrer todtraurigen Arie "Ach ich fühl's" auf ganzer Linie berührte. Theresa Zisser war eine bunt kostümierte, verführerische Papagena, die es sich zur Freude des Publikums nicht nehmen liess, auch als "altes Weib" verkleidet ganz aus dem vollen zu schöpfen. Sascha Emmanuel Kramer war ein grossartiger Monostatos der seine Arie gemeinsam mit dem Orchester ganz wie von Mozart gefordert "wie aus weiter ferne klingend" musizierte. Dass er in der etwas undankbaren Rolle so berühren konnte, lag nicht zuletzt daran, dass Monostatos entgegen ermüdender Blackfacing-Debatten in dieser Inszenierung so aussah, wie Mozart und Schikaneder ihn erdachten oder um Franco Zeffirelli zu zitieren: Politisch unkorrekt, aber dafür korrekt im Sinne der Oper. Hinreissend gestalteten auch die drei Damen der Königin, sowie die überirdisch schön klingenden Wiltener Sängerknaben ihre Partien. Alle anderen kleineren Partien gestalteten ihre kurzen Auftritte würdevoll, was insbesondere für den Sprecher gilt, den die Scala offenbar auf dem Besetzungszettel vergessen hatte.... Adam Fischer hatte das grossartige Scala Orchester bis ins kleinste Detail und mit grosser Liebe einstudiert. Der schlanke aber dennoch weihevolle Orchesterklang verhalf Mozarts unvergänglicher Musik zu maximaler Würde. Dazu trugen auch die grossartigen von Alberto Malazzi einstudierten Chöre bei. Am Ende viel herzlicher und begeisterter Applaus in der leider nicht ausverkauften Scala (was wohl auch damit zusammenhängen mag, dass das einheimische Publikum am liebsten "seinen" Verdi und Puccini hört... ).Jung und alt waren berührt und verzaubert. Es lohnt sich für die noch den ganzen September auf dem Spielplan stehende Produktion die Reise nach Milano anzutreten, denn schöner kann man die Zauberflöte gar nicht spielen.

    Zogen die Regietheaterjünger nicht einst aus, das Theater mit dem Gral neuer Sichtweisen zu beleben.... Amüsant, wie sich da die Bilder gleichen:


    http://www.general-anzeiger-bo…3%B6ln-article277880.html


    http://www.omm.de/veranstaltun…hrung-aus-dem-serail1.jpg


    Herr Laufenberg scheint offenbar Burkas sexuell extrem anregend zu finden. Fast möchte man an einen Fetisch glauben. :D Das ist ja gut und schön für ihn, aber ich würde mir wünschen, dass er die Öffentlichkeit mit seinen Vorlieben nicht behelligt.

    Ich bin immer noch fassungslos über die Aufführung, die ich gestern Abend am Opernhaus Zürich über mich ergehen lassen musste. Es gibt Aufführungen mit sehr guten Sängern aber einer schlechten Inszenierung, wo man am Ende sagen kann, das war trotz allem ein Sieg der Musik. Nicht so in Zürich. Denn dort hat ein unfähiger und unmusikalischer Regisseur und Intendant derart "ganze Arbeit" geleistet, dass ein wunderbares Solistenquartett völlig an den Rand gedrängt wurde. Dass das Opernhaus Zürich seit dem Amtsantritt von Andreas Homoki als Intendant sehr tief gefallen ist, ist kein Geheimnis mehr. Insofern reiht sich diese Puritani-Premiere nahtlos in die Regietheater-Flopps der letzten Jahre ein, und kam auch nicht wirklich überraschend. Als düsteres Kriegsstück in historischen Kostümen wolle er Bellini's 1835 in Paris uraufgeführtes Werk inszenieren, tönte Herr Homoki neunmalklug im Programmheft. Was herausgekommen ist, ist altabgedroschenes platt-plumpes Regietheater, todlangweilig und unmusikalisch mit einem geänderten, dumm-dreisten Ende, welches Vincenzo Bellini und seine Musik völlig pervertierte. Oper von Prolls für Prolls. Aber nun mal der Reihe nach. Bühnenbildner Henrik Ahr (der in München bereits die Lucrezia Borgia verbrochen hatte) hatte eine dauer-rotierende runde Scheune aus Holzlatten auf die Bühne gestellt, die sich öffnen und auch mal heben konnte. Abgesehen von akustischen Problemen durch fehlende Deckelung, sah die Konstruktion billig, lieblos und völlig austauschbar aus, was durch die Stühle im Inneren verstärkt wurde. Die Bühne war so verbaut, dass im Grunde nur Rampensingen möglich war. Ab und an wurde das Ganze - ach wie originell- durch ein paar erhängte Frauen, die vom Schnürboden herabbaumelten und Leichenhaufen ergänzt. Selbst wenn nichts passierte und die Sänger "nur" an der Rampe standen, nervte die immer rotierende Drehbühne. Die angekündigten historischen Kostüme von Barbara Drohsin waren allesamt schmuddelig-schwarz und hässlich; alles wirkte wie aus einer Geisterbahn. Vielleicht hätte man sie für die Mannschaft des fliegenden Holländer akzeptieren können, für Bellini's Puritani waren sie jedoch fehl am Platz. Gleich in der ersten Szene beginnt Homoki mit dem Holzhammer. Das katholische Stuart-Königspaar in schmuddelig-elisabethanischer Robe wird im Eingangschor gefangen genommen und gefoltert, danach wird König Charles auf offener Bühne geköpft und Enrichettchen darf mit dem abgehauenen Kopf spielen, bevor sie von Soldaten vergewaltigt wird. Man weiss nich,t ob man lachen oder weinen soll. Der Chor wird von Homoki nonstop hyperaktiv geführt. Man schüttelt den Kopf über prollig schunkelnde Chordamen und Brautjungfern oder deren Hin- und Hergeschleppe von Kerzen. Die Personenführung war im wesentlichen auf das viel gescholtene Rampensingen beschränkt und todlangweilig . Wie beliebig wirkte der Schlüsselmoment als Arturo die Königin erkannte und beschloss sie zu retten.... In Jonathan Miller’s mustergültiger Münchner Puritani-Inszenierung aus dem Jahr 2000 war dieser Augenblick ein Gänsehautmoment, wenn Arturo vor Enrichetta seinen Hut abnahm und von Ehrfurcht überwältigt auf die Knie sank! Natürlich ließ Homoki die Sänger ihre Arien nicht ungestört vortragen. Während diese an der Rampe sangen, musste in bester schulmeisterlicher Regietheater-Tradition im Hintergrund irgendeine Parallelhandlung abgespult werden, so als ob man dem "dummen Publikum" gar nichts mehr zutraut. Wenn die Musik auf diese Weise gestört wurde schien Homoki zufrieden. Am Ende eines ermüdenden Abends wollte der Regisseur es dann scheinbar dem Publikum nochmal so richtig zeigen. Bei der von Sir Giorgio verkündeten Generalamnestie wurde Arturo, wie zu Beginn König Charles, auf offener Bühne geköpft und der Kopf der munter weitersingenden Elvira zum Spielen überlassen. Sie sah aus wie Salome, die in das falsche Stück gebeamt wurde....Einfach nur zum Kotzen! Povero Bellini! Schade um die guten und hochtalentierten Sänger. Die 31-jährige Pretty Yende als Elvira hätte nämlich das Potential sich in die Reihe ganz großer Rollenvorgängerinnen einzureihen. Man bedauerte, dass dieses Rollendebut derart von der Regie-Willkür des Herrn Homoki überschattet wurde. Ihre glockenhelle, aber dennoch warm timbrierte Stimme, traumhafte Koloraturen, wunderbare Farben und ihre jugendliche Naivität wirkten hinreissend! Wie sie in der Wiederholung des "Vien diletto" Bellini's Musik mit herrlichen Trillern und wunderbaren Verzierungen ausschmückte, das war ganz große Klasse. Lawrence Brownlee als Arturo stand dem um nichts nach. Bis zum verstümmelten Ende der Oper setzte er sich darstellerisch von allen Sängern noch am besten gegen Homoki’s Schwachsinn durch und sang einen vom ersten Ton an mitreissenden Lord Arturo Talbot. Das herrliche Timbre, die bewegenden und mit Leichtigkeit gesungenen Spitzentöne bis zum hohen F ließen seinen Auftritt zu einem wahren Erlebnis werden. Sowohl das "A te, oh cara" als auch die Romanze und die große Klage des dritten Akts waren bewegende Zeugnisse ganz großer Belcanto-Kunst. Da hatten es die anderen Männer schwerer auch wenn sie ihre Sache bisweilen sehr ordentlich machten. Georges Peteans Timbre ist rauh und hart, jedoch zeigte er in seiner Arie, dass er in der Lage ist wunderbar gefühlvolle Phrasen zu singen und im Duett mit Sir Giorgio mächtig aufzutrumpfen. Dieser war mit Michele Petrusi sehr ordentlich besetzt, auch wenn ich mir von seinem kultivierten Bass etwas mehr "Balsam" gewünscht hätte. Erwähnt werden soll auch Opernhaus-Urgestein Liliana Niketeanu als Königin Enrichetta, die ihrem Auftritt stimmlich die nötige Würde verlieh. Der Chor war von Pablo Assante -von einigen Wacklern abgesehen- ordentlich einstudiert worden, litt aber an der ständigen durch die Regie verordneten Unruhe und Nervosität. Fast wirkte es, als litten die Soldaten alle an ADHS. Der Generalmusikdirektor Fabio Luisi dirigierte aufgeblasen und selbstgefällig, der harte Orchesterklang entbehrte jedoch an Substanz und der für Belcanto-Opern so wichtigen Sensitivität. Am Ende gab es viel Jubel für die Sänger und mitunter heftige Buhs für die Regie, welche von den Zuschauern neben mir Zustimmung erhielten. Bei dem sich verbeugenden Regieteam fiel auf, dass die Kostüm-Bärbel im dunklen Zuschauerraum eine Sonnenbrille trug, welche symbolisch für die Blindheit der Regietheater-Mafia stehen könnte. Beim Verlassen der Oper Zürich dachte ich traurig an die bereits erwähnte mustergültige Münchner Inszenierung, welche Belcanto Belcanto sein ließ und das Auge mit kostbaren Bildern verwöhnte, welche den Rembrandt-Gemälden der Münchner alten Pinakothek nachempfunden waren. Damals führte die Gruberova auf dem Zenit ihrer Karriere das wunderbare Solistenquartett an, am Pult ließ der zu früh verstorbene Marcello Viotti mit sensiblen Klängen die Puritani zum Erlebnis werden. Eine Erinnerung, von der man in der derzeitigen, kaputten Opernwelt nur noch träumen kann.