Dank meines Doktorvaters kam ich gestern in den zweifelhaften Genuss der neuen Staatsopern-Forza, einer weiteren Inszenierung aus dem Bachlerschen-Regietheater-Panoptikum. Martin Kusej, Chef des Bayerischen Staatsschauspiel bekommt einmal mehr Gelegenheit, seine Phantasien auf der Opernbühne auf Steuerzahlerkosten auszuleben. Natürlich ist die Handlung einmal mehr aktualisiert - historische Kostüme des 18. Jahrhunderts? Pfui Deibel - viel zu schön für München. Stattdessen hat sich Frau Heidi Hackl ( der Name ist Programm ) wieder in der Altkleidersammlung bedient, tja nur leider würde die hier als "Kostüme" verkauften Fummel kaum einer freiwillig anziehen. Schon die Ouvertüre war gnadenlos kaputtinszeniert: wir sehen Leonoras Familie beim Suppenlöffeln und Weinsaufen - herrlich intellektuell. Der Rest war Rampensingen nach Regietheatermanier. Dann machte es sich der Chor neben den rauchenden Trümmern des World Trade Centers (!) gemütlich, auch Polizisten waren dabei. Schade, dass man die Feuerwehrmänner vergessen hatte - wenn schon, denn schon. Wirklich süß war, wie die Übertitelungsanlage immer wieder missbraucht wurde, um das Libretto nach Kusejschem Gutmenschentum politisch korrekt zu verfälschen ("morte ai tedeschi" wird zu " Tod dem Feind" )oder um die verfälschenden "Regieeinfälle" vor dem nichtfachkundigen Publikum zu vertuschen. Man verkaufte, um eine ältere Dame mit Opernkenntnissen zu zitieren, das Publikum offenbar für blöd. Weiter ging's: statt in ein Kloster lief das Harteros'sche Leonörchen, die an diesem Abend trotz einiger Schärfen, die einzige staatsopernwürdige Besetzung war, direkt in den Gemeinderaum einer Sekte, wo eine ähnlich gewandete Statistin von vier kräftigen Burschen im hauseigenen Whirlpool untergetaucht wurde.Soso, eine Taufe also. Dass die Harteros danach im trockenen Kostüm den Akt fertig sang, war nur eine der grotesken Lachnummern, die diesen herrlich lustigen Abend garnierten. Und weiter geht's wieder: das Sexsymbol der derzeitigen Opernwelt, alias Jonas Kaufmann, fand sich plötzlich im Afghanistankrieg wieder und orgelte sich mit gaumigem Bariton durch die Alvaro Arie, ein Rollentausch mit dem Carlotto des Abends, Ludovic Tézier hätte vielleicht zu einer interessanten Besetzung geführt. Jedenfalls durften die beiden Herrschaften die eine oder andere Rauferei auf einem Tisch abliefern, davon sah ich aber zum Glück vom rechten ersten Rang nicht viel - der Tisch stand nämlich ebenfalls rechts. Hier, im dritten Akt, ist Herr Kusej in seinem Element und darf mit ekelhaften Einfällen um sich werfen, sodass es nur so kracht. Die arme Nadia Krasteva gab sich in diesem Umfeld gar keine Mühe mehr zu singen, ihr Kreischen passte perfekt zu dem Gruppensex, den man nun bestaunen durfte - damit es richtig munter zur Sache ging, durften die Choristen neben dem V****n, auch mal an der Wodkaflasche nippen und die Oberweite der Preziosilla bewundern. Nene Kusej, du musst noch viel lernen. Ich schlage die Reeperbahn vor : dort ist das Preis-Leistungsverhältnis besser. Und weiter ging's abermals: die Bettler von heute essen ja keine Suppe mehr, sondern balgen sich um Frischhalteboxen. Der Sänger des Melitone machte seine Sache ordentlich und konnte einem wahrlich leid tun, musste er sich doch immer das Gekeife des launischen Sektenführers Guardiano reinziehen. Und was passierte dann? Die Einsiedlerin, das Leonörchen, stöckelte mit High-Heels in einem Haufen von Kreuzen rum, man lachte sich kaputt, das Finale ging in Langeweile unter. Einsiedlerinnen bei einer Sekte schoppen wohl in der Luxusschuh-Boutique, will uns der Regisseur mitteilen. In der Radioübertragung vor zwei Wochen hatte Dirigent Asher Fisch noch lauthals verkündet, Oper sei kein Museum - nun er wird wohl neidisch sein, dass seinem grottenschlechten Dirigat wohl niemals ein solches errichtet werden wird. Ein Claqueur animierte mehrfach die Münchner Schickeria zu Applausstürmen, am Ende war ich froh, dass ich an die frische Luft konnte. Im Restaurant danach führte mich mein erster Weg dennoch erst vorsichtshalber aufs WC - man will ja nicht vor seinem Doktorvater erbrechen. Wohl bekommt's!