Eien Kostprobe aus dem "Völkischen Beobachter" vom 10.2.1933, demonstrierend, mit wes Geistes Kind man es bei Paul Graener zu tun hat:
"Wie weit es unter dem vierzehnjährigen marxistischen Regime gekommen ist, bewies ein Konzert [in der Staatl. Hochschule für Musik Berlin], das die Klasse des Herrn Gmeindl [dort 1922-45 Kompositionslehrer] geben durfte. Was da an wüsten Tönen auf die leidende Menschheit losgelassen wurde, spottet jeder Beschreibung. So war es kein Wunder, wenn nach dem ersten Stück der Komponist Prof. Dr. Paul Graener aufstand und in den Saal rief: 'Meine Damen und Herren! Dieses klägliche Gestammel wagt man Ihnen als deutsche Kunst an einer deutschen Hochschule für Musik zu bieten. Ich protestiere dagegen als deutscher Künstler.'"
Graener verließ daraufhin lautstark die Veranstaltung in Begleitung von sechs Mitgliedern des Kampfbundes für Deutsche Kultur.
Der Direktor der Hochschule Georg Schünemann wurde noch 1933 fristlos entlassen. Graener wurde 1935 Vizepräsident der Reichsmusikkammer. Seine Opern bei den Oberen des 3. Reichs erfreuten sich großer Beliebtheit, und zwar, wie es offiziell hieß, wegen ihrer "bewußt deutschen Haltung."
Auszug aus einem Aufsatz Graeners in: Die Musik vom Juni 1933:
"Die falschen Propheten des Fortschritts und die ihnen allzu dienstbare Presse, deren Vertreter fast ausnahmslos artfremden, internationalen und liberalistischen Kreisen angehörten, vermochten durch viele Jahre das naivere Publikum vom wahren Wesen deutscher Kunst abzudrängen, indem sie ihm neue Scheinideale aufdrängte, indem sie das, was wirklich deutsch und echt (Romantik!) war, als rückständig bezeichneten und es lächerlich machten, indem sie Künstler - meist gegen deren innerstes Fühlen - zwangen, die haarsträubendsten Kakophonien als 'interessant' und 'voll tiefer Problematik' zur Diskussion zu stellen, um somit selbst als interessant und auf der Höhe der Zeit zu erscheinen. ... Nun aber, wo das Volk sich selbst wiederfindet, wo seine Seele emporsteigt, wie der Phönix aus der Asche, wo sein verdorrtes Herz wieder aufblüht, nun will es auch, daß seine Kunst wieder gesundet, will eine Kunst, an der es wieder teilhaben kann, die von seinem Herzblut durchtränkt ist, die seine Seele widerspiegelt. Es will wieder Romantik - härter wohl als die Vorfahren - es will wieder Schönheit - mag und soll sie herb sein - und es will wieder mitsingen können, so wie es bei den Alten, Unvergeßlichen mitgesungen hat. Ihr deutschen Künstler, hört Ihr die Stimme Eures Volkes?"
Brief Graeners an die Privatkanzlei Adolf Hitler vom 19.2.36:
"Mein Führer! Am Freitag d. 28. d. M. dirigiere ich meine Oper 'Der Prinz von Homburg' in der Staatsoper. Seit dem ersten Erscheinen des Werkes im März 35 hegte ich die Hoffnung, daß Sie, mein Führer, den Besuch einer Aufführung ermöglichen möchten. In jahrelanger Arbeit habe ich versucht, mit dieser Oper ein nationales Kunstwerk zu schaffen und ich wäre glücklich, wenn Sie, mein Führer, diese von mir zum ersten Mal geleitete Vorstellung am 28. d. M. mit Ihrer Gegenwart beehren würden. In tiefster Ergebenheit Ihr Paul Graener."
Von einer Tagung der Reichsfachschaft deutscher Komponisten sandte Graener im Mai 1936 folgendes Grußtelegramm an Hitler: "Die erste Reichstagung der deutschen Komponisten auf Schloß Burg an der Wupper sendet Ihnen, mein Führer, als dem ersten Künstler der deutschen Nation in steter Einsatzbereitschaft ergebenste Treue. Paul Graener im Namen der Reichsfachschaft Komponisten in der Reichsmusikkammer."
1942 erhielt Graener zu seinem 70. Geburtstag "im Auftrag von Reichsminister Dr. Goebbels mit dessen Bild die vom Führer verliehene Goethe-Medaille".
Man könnte diese Zitate fortführen, doch denke ich, daß deutlich wurde, Graener war keiner der üblichen Mitläufer, sondern aktiver Teilhaber des Nationalsozialismus im Funktionärsrang mit erheblichem Einfluß auf die Musikpolitik des 3. Reiches.
Ich denke, ein abgeschlossenes Leben, zur Historie geworden, ist nicht nur nach dem hinterlassenen Werk zu beurteilen, sondern auch nach Lebensumständen und Geisteshaltung. Alles andere wäre schizophren - jedenfalls im historischen Sinne.
Florian