Eigentlich könnte ich die Antwort kurz fassen: Schlicht und einfach NICHTS.
Die h-moll Sonate ist mir zu spröde, seine Sinfonischen Dichtungen sind mir (bis auf eine Ausnahme) kaum im Gedächtnis.
Lediglich eine Kaskade von Bearbeitungen und Variationen von Werken anderer Komponisten habe ich im Hinterkopf. Alles virtuos und eindrucksvoll
gestaltet ("komponiert" - da sträubt sich mir die Feder - äh Tastatur)
Und damit willkommen im Liszt-Jahr!
Aber im Ernst, ich mag Liszt sehr gerne. Ein Problem ist, dass er doch sehr gerne reduziert wird, beispielsweise auf das Klavier. Allein seine Choral-Werke sind umfangreicher als Chopins gesamtes Schaffen. Quantität hat mit Qualität zwar außer einer Menge Buchstaben nicht viel gemein, aber ich meine dass man Liszt schon gehörig Unrecht tut, wenn man ihn auf einen Tastenakrobaten reduziert.
Freilich, die Auslotung der manuellen Möglichkeiten war sicher in seinem Interessengebiet (zum Glück! Alle Komponisten nach ihm konnten davon zehren) und er hatte sicher seine Freude an Fingerfertigkeit und wusste wie kaum ein anderer Komponist, wie man effektvolle Passagen zu setzen hat, so dass sie Eindruck machen und oft sogar schwerer klingen als sie sind. Aber ebenso hat er mit Harmonien experimentiert, die in seinem Spätwerk nicht nur Debussy sondern gar die Atonalität vorweggenommen haben. Hier ist ein ausführlicher Thread hierzu.
Der exzellente Pianist Stephen Hough, der selbst vorzüglichen Liszt eingespielt hat, hat vor kurzem in seinem Kolumne für The Guardian einen Artikel zu Ehren von Liszt geschrieben, den ich sehr lesenswert finde. Er ist zwar auf Englisch, aber wer der Sprache mächtig ist sollte sich die Zeit dafür nehmen: The hot Liszt. Hier wird seine Vielseitigkeit und sein Einfluss zusammen gefasst.
Übrigens: Wer ein iPhone oder ein iPad sein eigen nennt, kann dort die kostenlose App iBooks herunter laden. Dort findet man, wenn man in die Suche "liszt" eingibt, kostenlos elektronische Bücher mit Liszts Briefen und zwar zwei Bände mit der Wagner-Liszt-Korrespondenz und zwei Bände mit den Briefen von Liszt. Ich stöbere darin hin und wieder herum und finde es einen schönen Zeitvertreib während man irgendwo warten muss.
Ich will ein paar Klavierwerke von Liszt auflisten, die mir besonders gut gefallen. Da sind zunächst seine eigenen Kompositionen, die oft schlecht weg kommen nach dem Motto "Wenn er Bearbeitungen schreibt macht er seine Sache meist gut, aber selbst scheint ihm nichts tolles einzufallen". Nun, das würde ich nicht sagen.
Da sind zum einen die drei Liebesträume. Der dritte ist zwar der bekannteste, aber schön sind sie alle. Dann sind da seine sechs Consolations, die an Nocturnes erinnern und im übrigen überhaupt nicht virtuos sind.
Die Transzendentalen Etüden sind zwar schwer zum Erblühen zu bekommen, aber wenn jemand technisch über den Dingen steht, ist das herrliche Musik. Ich empfehle dazu Kissin (er spielte nur ein paar ein), Cziffra oder Arrau.
In den drei Années de Pelerinage sind zukunftsweisende Kompositionen, etwa Vallée D'Oberman (Volodos), Au bord d'une source, die drei Sonetti del Petrarca (das Sonetto 104 gehört zu meinen liebsten Liszt-Kompositionen und ich empfehle Jorge Bolet), die Dante-Sonate (Volodos), Les jeux d'eaux à la Villa d'Este (Cziffra). Das ist Programmmusik, die Bilder vor Augen zaubern kann. Wer bei den Wasserspielen dieselben nicht perlen und sprudeln sieht, hat wahrscheinlich nur eine schlechte Aufnahme zur Hand genommen...
Dann haben wir noch die vier Mephisto-Walzer. Nicht nur der erste lohnt sich, aber bei diesem ist die frühe Cziffra-Aufnahme besonders diabolisch. Seine beiden Polonaisen und Balladen haben meiner Meinung nach sehr hübsche Ideen, bei denen man vielleicht als Hörer - wie so oft bei Liszt - über den Tellerrand der spieltechnischen Schwierigkeiten hinausschauen muss, um die Tiefen zu erkennen.
Seine 19 Ungarischen Rhapsodien verarbeiten zwar Themen aus ungarischen Weisen und ähnlichem, dürfen aber wohl trotzdem als sehr originelle Kompositionen angesehen werden. Wer eine gute Gesamteinspielung haben will, ist mit frühem Cziffra bestens bedient. Er hat als Landsmann das passende Temperament im Blut und keinerlei technischen Probleme. Meine liebsten sind die No.2 (natürlich...), 6, 9, 10, 12, 13, 15, 19.
Als Bearbeiter sucht Liszt freilich seinesgleichen. Er weiß wie kaum ein anderer Werke auf das Klavier funktionierend zu übertragen und die vielen Lieder von Schubert, Beethoven, Schumann, Mendelssohn... sind genauso ein Beweis dafür wie die Beethoven-Sinfonien und die prachtvollen Opern-Transkriptionen und -Paraphrasen und vieles andere mehr. Das muss einem nicht gefallen, aber wenn man dafür ein offenes Ohr hat, ist man bei Liszt im Himmel!
Er hat auch eine meiner Lieblingsfugen von Bach von der Orgel für das Klavier transkribiert, und zwar Präludium und Fuge in a-Moll, BWV 543. Da empfehle ich die Einspielung von Byron Janis.
Leslie Howard hat bekanntlich das gesamte Werk für Soloklavier (und Soloklavier mit Orchester) eingespielt und es umfasst 99 CDs, alle randvoll. Die gibt es ab Februar als Box, inklusive der neuen Doppel-CD New Discoveries 3. Hier ist eine Auflistung aller Titel.
Da ist sicher nicht alles die Referenzaufnahme, aber dafür dass überhaupt alles in guter Qualität eingespielt ist sind wir Leslie Howard zu Dank verpflichtet. Bei Naxos läuft ja auch eine solche Reihe, in der bisher knapp über 30 CDs erschienen sind.
Ich hoffe, dass hier in diesem Jahr auch noch viele weitere Empfehlungen kommen, auch von Liszts riesigem Nicht-Klavier-Werk, bei dem ich selbst bisher nur an der Oberfläche (die üblichen Verdächtigen wie Sinfonische Dichtungen, Faust-Sinfonie, Psalm XIII) gekratzt habe!