Lieber Operus !
Ich muß gestehen, daß es mir neu war, daß Struckmann, von dem ich Gesamtaufnahmen als Holländer und Amfortas habe, in die tiefe Baßlage gewechselt ist. Wenn Du ihn in einer Aufführung der Götterdämmerung als Hagen gesehen hast, so brauchen wir beide wohl nicht darüber zu reden, wen wir für den einzigen, wahren Hagen halten, oder ?
Das Grundproblem ist im Wagnerfach ein ganz anderes: Wir haben nämlich nicht in erster Linie ein Tenorproblem, sondern, meines Erachtens, ein Bariton- und Baßproblem ! Es gibt heute den klassischen, wagnerschen Heldenbariton, Stimmen für Holländer, Sachs, Wotan, Amfortas, ebenso selten, wie den tiefen Wagner-Baß, Daland, Landgraf, König Heinrich, Marke, Fafner, Hunding, Hagen. Deswegen wirken die Sänger, die heute diese beiden Stimmfächer besetzen, in beiden oft zu leichtgewichtig. Merkwürdigerweise hat sich gerade deswegen, meines Erachtens, durch die Vorbilder Hans Hotter und Theo Adam eine ungute Wechselneigung von Baß zu Baßbariton, oder von Baßbariton zu Baß entwickelt. Zu erinnern sei hier nur an den Baß John Tomlinson, der als Hagen und Hunding auf Platte gebannt wurde, aber auch lange als Wotan und Holländer unterwegs war, oder der amerikanische Baß Simon Estes, Baß im italienischen Fach, aber Holländer, Sachs, Wotan und Amfortas bei Wagner. Nicht zu vergessen, der berühmte, belgische, hohe Baß Jose von Dam, der grandiose Aufnahmen von Holländer, Sachs und Amfortas machte, stapelweise Aufnahmen von italienischen und französischen Baßpartien hinterließ und unter Karajan einen grandiosen Sarastro aufnahm !
Nur bei den heutigen, besprochenen Beispielen handelt es sich, meiner Meinung nach, nicht um künstlerische Experimente, sondern um Besetzungsnot, von Sixtus richtig erkannt !
Gruß,
Antalwin