Charles François Gounod ( 1818 - 1893 )
La Colombe
(Die Taube)
Komische Oper in zwei Akten
Libretto: Jules Barbier und Michel Carré
Originalsprache: Französisch
Uraufführung: 1866 Paris
PERSONEN DER HANDLUNG
Sylvie, eine reiche Comtesse, Sopran
Horace, ein verarmter junger Mann, Tenor
Mazet, Kammerdiener von Horace, Sopran
Maître Jean, Haushofmeister bei Sylvie, Bass
Ort und Zeit der Handlung: Umgebung von Florenz, 19 Jahrhundert
VORGESCHICHTE
Horace, ein junger Mann aus Florenz, hat – wie wir später im Gespräch zwischen Mazet, seinem Kammerdiener, und Maître Jean, dem Haushofmeister der reichen Comtesse Sylvie erfahren – sein Vermögen verloren und wohnt nun in einer ärmlichen Hütte. Er ist immer noch verliebt in die schöne Sylvie.
INHALTSANGABE
ERSTER AKT
Ein rustikales Zimmer mit Blick auf einen Garten
Mazet, der Kammerdiener von Horace, bringt die Taube seines Herrn in einem Käfig herein und singt ihr ein Lied. Dann trägt er sie in den Garten.
Indessen tritt Maître Jean, der Haushofmeister Sylvies, ein und beschwert sich erst einmal, dass niemand ihn empfängt. Als Mazet aus dem Garten zurückkehrt, kommt es zu einer heiteren Auseinandersetzung über einige Bezeichnungen, die Jean über Horace und dessen Anwesen äußert. Dann kommt Maître Jean auf den eigentlichen Zweck seines Besuchs zu sprechen: Horace besitze eine Taube, die er nach Sylvie benannt habe und die einige besondere Eigenschaften haben soll. Überschwänglich preist Mazet die besonderen Eigenschaften der Taube. Jean gibt vor, sie für einen gewissen Herrn Lélio kaufen zu wollen, der eine hohe Summe dafür biete. Mazet glaubt, dass sein Herr sie wohl nicht verkaufen werde, aber Jean vermutet, dass Horace in seiner derzeitigen Lage seinem Angebot wohl nicht widerstehen könne.
Als Horace sich nähert, versteckt Mazet Jean hinter einer Tür. Horace beschwert sich, dass Mazet ihn nicht geweckt habe. Sie kommen darauf zu sprechen, dass kein Geld mehr für ein ordentliches Frühstück vorhanden sei. Da verkündet Mazet, dass er eine gute Fee wisse, die ihre Lage mit einem Schlag verändern könne und präsentiert ihm Jean. In einem großen Terzett weist Horace jedoch jedes Angebot zurück, weil seine Taube ihn an seine Geliebte erinnere. Jean ist erstaunt, dass Horace sein großzügiges Angebot nicht annehmen will und Mazet mokiert sich ein wenig über diese „verfluchte Liebe“ seines Herrn. Alles Zureden hilft nicht. Horace begibt sich zu seiner Taube in den Garten. Mazet bedauert, dass das für Horace gute Geschäft nicht zustande kommt. Dann ruft ihn sein Herr.
Jean hat erkannt, dass Horace Sylvie immer noch liebt und singt ein Couplet auf die Liebenden. Dann will er gehen, um seine Herrin über den Misserfolg seiner Mission zu unterrichten. Im selben Augenblick erscheint Sylvie selbst. Jean wundert sich, dass die Comtesse diese „elende“ Hütte betritt, wo es für sie nicht einmal einen Sessel gibt. Dann berichtet er, dass sein Kaufangebot bei Horace erfolglos war. Er schlägt ihr vor, es einmal selbst zu versuchen. Sie will die Taube unbedingt besitzen, um eine Rivalin, Amynte, in der Gesellschaft auszustechen, deren Papagei sprechen und singen kann. Damit begeistert Amynte regelmäßig die ganze Gesellschaft. Sylvie ist nicht mehr der Mittelpunkt und ihre Rivalin schnappt ihr alle Männer weg. Deshalb geht sie nach einigem Zögern auf den Vorschlag Jeans ein. Sie vereinbaren, dass sie eine Freundin des angeblichen Herrn Lélio sei, die zufällig vorbeigekommen sei und Jean hier getroffen habe. Er solle seine Rolle vorläufig weiterspielen und nicht zu erkennen geben, dass sie seine Auftraggeberin sei. Er geht, um Mazet zu benachrichtigen, dass eine Dame auf ihn warte.
Dass die Taube ihren Namen trägt, lässt Sylvie vermuten, dass Horace sie immer noch liebt. Doch sie will erst einmal bei Mazet ausforschen, ob ihre Vermutung stimmt. Dann will sie über die Liebe versuchen, Macht über Horace zu gewinnen.
Mazet kommt und fragt brüsk, was die Unbekannte von ihm wolle. Er habe wenig Zeit. Sylvie verlangt zunächst nur etwas zu trinken und er bringt ihr ein großes Glas Brunnenwasser. Doch da ist ihr Durst bereits vorbei und er trinkt das Glas selbst leer. Dann erklärt er ihr, dass sie hier keine Damen empfangen würden und er beauftragt sei, solche „Vögel“ zu verscheuchen. Er singt ein Spottlied auf die Damen. Nach seinem Herrn befragt, gibt er vor, dass dieser alle Frauen verabscheue seit jener Geschichte mit einer gewissen Comtesse Sylvie, die alle Männer verrückt mache und sicherlich nicht so schön sei, wie sie selbst glaube. Wenn die Comtesse sich hier sehen ließe, würde Horace sie wohl beleidigen und mit seinen eigenen Händen schlagen (In Wirklichkeit befürchtet Mazet, dass Horace sich wieder in sie verlieben könne). Und er sei dazu da, zu verhindern, dass sein Herr in diese Verlegenheit käme. Da gibt sich Sylvie zu erkennen. Als ihn Horace ruft, will Mazet Sylvie schnell verstecken.
Aber es ist bereits zu spät. Horace tritt ein und ist sofort hocherfreut, Sylvie in seiner bescheidenen Hütte zu sehen. Sie erkennt, dass er sie immer noch liebt und die Aussagen Mazets nur vorgespiegelt waren. Sylvie lädt sich dann selbst zum Mittagessen ein. Da wird noch Zeit genug sein, über ihr Anliegen zu reden.
Dann kommt auch noch Maître Jean hinzu. Sylvie tut so, als ob es ein Zufall sei, ihn hier zu treffen und stellt ihn als Haushofmeister des fiktiven Herrn Lélio vor. Indessen regt sich in Horace sofort die Eifersucht. Sylvie nennt Jean einen Meister der Kochkunst, der Mazet helfen könne, ein gutes Mahl zu bereiten.
Es folgt ein Ensemble: Horace freut sich, seine geliebte Comtesse hier zu sehen. Sylvie glaubt, Horace nun in der Hand zu haben. Mazet fürchtet, dass sein Herr ihr jetzt ausgeliefert sei. Jean wundert sich, dass seine Herrin sich auf diese Weise kompromittieren will. Dann bietet Horace Sylvie seinen Arm und sie gehen ab.
Jean fordert Mazet auf, mit ihm die Vorräte des Hauses zusammenzutragen, um das Mahl zu bereiten. Mazet singt noch ein Spottlied auf die Männer, die sich so schnell umstimmen lassen. Dann nimmt er einen Korb, um einkaufen zu gehen. Der Vorhang fällt.
ZWEITER AKT
dasselbe Bild
Maître Jean hat Vorbereitungen für ein opulentes Mahl getroffen und wartet nun auf Mazet, der die Zutaten bringen soll. Inzwischen singt er ein Lied auf die Kochkunst.
Da kommt der Kammerdiener mit leerem Korb zurück, weil die Händler Horace keinen Kredit mehr geben wollten. Dem enttäuschten Jean schlägt er Saubohnen als Mahlzeit vor, für die dieser ein Rezept mit allerhand Zutaten entwickelt. Es entspinnt sich eine Diskussion über die Zubereitung von Speisen, für die die Zutaten fehlen.
Mazet schlägt (aus Mangel an diesen Zutaten) vor, die Saubohnen nur in Wasser mit etwas Salz zu kochen. Jean zieht sich zurück, weil er dafür nicht verantwortlich sein will.
Horace hat sich für einen Augenblick von Sylvie lösen können, die im Garten die Blumen betrachtet und kommt nun, um sich zu erkundigen, wieweit die Vorbereitungen gediehen sind. Da noch nichts geschehen ist, beschließen Horace und Mazet, zuerst den Tisch zu decken. In einem heiteren Duett ergibt sich, dass
- der Tisch wackelt,
- nur eine halb zerrissene Decke aufzufinden ist, deren Beschädigung Mazet aber gut verdeckt,
- gerade zwei Teller vorhanden sind,
- es auch nur zwei unterschiedlich große Gläser gibt, wobei das kleinere wohl für die Comtesse besser zu handhaben sei,
- die beiden Bestecke nur aus Zinn statt aus Silber bestehen.
Aber was soll man als Braten servieren? Auch der Hühnerstall ist inzwischen leer. Bleibt nur die Taube. Horace ist schließlich auch bereit, die Taube für seine Geliebte zu opfern, und gibt die Zustimmung zur Schlachtung. Sie entfernen sich.
Sylvie kommt herein. Sie macht sich Vorwürfe, Horace in dieses Elend gebracht zu haben, erinnert sich in einer Romanze an sein zärtliches Werben und bereut, dass sie ihm die „kalte Schulter“ gezeigt hat. Dann kommt Maître Jean und beschwert sich, dass man Sylvie lediglich in Salzwasser gekochte Saubohnen servieren will. Doch sie entgegnet, dass sie auch das hinnehmen wolle, um die Taube zu erlangen.
Horace bringt seine letzte Flasche Wein, die er auf Wunsch Sylvies Jean zum Einschenken übergibt. Sylvie hat im Garten einen Blumenstrauß gepflückt und sagt, dass sie seit Horaces Weggang aus Florenz ihr nie jemand Blumen geschenkt habe. Er singt daraufhin ein Couplet, in dem er meint, dass doch alle ihr zu Füßen fallen müssten. Sie aber berichtet, dass Amynte jetzt die Göttin der Gesellschaft sei. Dazwischen hört man im Hintergrund den Schmerzensschrei eines Vogels. Horace erschrickt. Schließlich fragt er Sylvie nach ihrem Anliegen. Das will sie ihm aber erst nach dem Essen sagen.
Mazet kommt mit einem gebratenen Vogel herein und Maître Jean wundert sich, woher er den wohl hat. Sylvie und Horace setzen sich zum Essen. Die beiden anderen entfernen sich.
Horace legt Sylvie einen Flügel des Vogels vor, er selbst möchte - verständlicherweise - nichts von seiner geliebten Taube essen. Sylvie stellt fest, dass der Vogel einen seltsamen Geschmack hat, isst jedoch tapfer davon. Im Verlauf des Tischgesprächs kommt Sylvie dann auf die Taube zu sprechen. Nun muss Horace bekennen, dass es die Taube nicht mehr gibt. Sylvie erkennt, dass er mit diesem Opfer keinen größeren Beweis seiner Liebe hätte erbringen können und offenbart auch ihm ihre Liebe.
In diesem Augenblick tritt Mazet mit der lebenden Taube auf der Hand ein. Auch Maitre Jean kommt hinzu und berichtet, dass der Papagei Amyntes entflogen sei und dreißig Diener nach ihm suchten. Bei näherem Betrachten stellt man fest, dass die Comtesse den vermissten Papagei verspeist hat. Als Horace sie nun fragt, ob sie die Taube weiterhin benötige, bejaht sie: Sie solle ihn für immer an seine Liebe erinnern. Die Oper endet in einem fröhlichen Ensemble über den Sieg der Liebe.