Mit Wolfgang Anheisser starb einer der hoffnungsvollsten deutschen Baritone jener Jahre, der bereits durch viele Schallplatten- und Rundfunkaufnahmen deutschlandweit bekannt geworden war. Seine warme und gleichzeitig klare, jederzeit erkennbare Stimme von großer Flexibilität und seine phänomenale Textverständlichkeit – keine Primärtugend heutiger Sänger mehr! – lassen den Verlust für die Musikwelt schmerzlich sein. Die Erinnerung an ihn wird zwar (durch eine Privatinitiative!) in Köln durch eine Straßenbenennung, eine Plakette an seinem Wohnhaus und nicht zuletzt durch sein Grab auf dem Kölner Melaten-Friedhof (in der Nähe des Grabes von Kurt Moll) wach gehalten, aber den jüngeren Melomanen scheint er kein Begriff mehr zu sein.
Wolfgang Anheisser war Mitte vierzig, als er den Unfalltod starb. Ich habe mich oft gefragt, was noch hätte folgen sollen - und können. Und bin zu keinem überzeugenden Ergebnis gekommen - lasse mich aber gern eines anderen belehren. Zumindest seinen Aufnahmen nach und wohl auch auf Bühnen war er vornehmlich in deutscher Sprache unterwegs. Für mich ist er insofern ein Glücksfall gewesen, als er die schöne Tradition des lyrischen Baritons, des so genannten Spielbaritons zu beleben und zu pflegen verstand. Mit seiner leichten, virtuosen und noblen Stimme war er dafür bestens geeignet. Das schien mir immer genug und letztlich wichtiger als noch ein Verdi-Interpret, der mit der internationalen Konkurrenz nicht hätte mithalten können. Insofern war er vielleicht auch zu rückwärtsgewandt, zu traditionell und nicht im globalen Trend seiner Zeit. Das mag auch ein Grund sein, warum er heute kaum mehr beachtet wird. Schon gar nicht von jungen Leuten. Von Melomanen will ich nicht erst reden. Wen sollte man mit Opernquerschnitten in deutscher Übersetzung noch begeistern?
Für mich sind seine Einspielungen von Carl-Loewe-Balladen unerreicht. Sie sind oft gar nicht so heiter, wie das die Herausgeber der einschlägigen Produktion verstanden wissen wollen. Bei "heiter" läuten bei mir ohnehin die Alarmglocken. Dabei muss ich immer auch an unselige Zeiten bei Tamino denken, als wir über selbstverfasste Sprüche in Fröhlichkeit und Heiterkeit ausbrechen sollten, die gottseidank der Vergangenheit angehören.
Die Ehrungen für Anheisser, die Carlo aufzählt, sind seiner würdig und doch auch nicht zu verachten.