Mittlerweile sind ja in diesem Thread zwei Dinge vermischt, die nie explizit getrennt gedacht waren. Ich verstand Alfreds Eingangsbeitrag eher bezogen auf die unterhaltende Funktion der Musik von der Konserve, quasi als Hintergrund zu anderen Tätigkeiten, im Gegensatz zum konzentrierten und analytischen Hören. Mit der Einbeziehung des Konzerts kam eine neue Ebene in die Diskussion.
Nun gut, könnte man argumentieren, wenn Wagner von CD Unterhaltung sein kann, warum sollte Selbiges nicht auch von der Aufführung gelten. Und wenn ich nun Lohengrin zuhause im T-Shirt höre, warum nicht auch im Opernhaus? Vielleicht aus denselben Gründen, die mich daran hindern, dort lautstark in die Verabschiedung des Schwans einzustimmen, was ich zuhause vielleicht tue. Alfred hat schon recht, wenn er ein Konzert als gesellschaftliches Ereignis bezeichnet, und mit einem solchen gehen nunmal gewisse Konventionen einher, die man freilich nicht unkritisch hinnehmen muss.
Ähnliches spielt wohl auch beim Konzert eine Rolle: Die Wahl der feinen Kleidung ist auch Ausdruck dafür gewesen, dass man einen deutlichen Schnitt macht zum Alltag, den man auf diese Weise vergessen will.
Das klingt für mich einleuchtend. Mir kam zuerst ein anderer Gedanke im Zusammenhang mit der erwähnten Beerdigungskleidung. Diese trägt man ja auch als Zeichen des Respektes gegenüber dem Verstorbenen. Ich fühlte mich veranlasst zu sagen, das gelte auch beim Konzert: Aus Respekt vor den Aufführenden kleide ich mich festlich. Dann aber erkannte ich, welche Respektlosigkeit gegenüber den ausführenden Künstlern ich dann bereits begangen hätte, etwa im letzten Jahr in T-Shirt und kurzer Hose bei Springsteen. Das ist natürlich Unsinn. Aber dadurch wird klar, dass zwischen Ausführenden und Hörern in Kleiderfragen doch eine gewisse Ähnlichkeit besteht; sei es bei der Volksmusik, beim Rockkonzert oder in der Oper - und das kann nur zum Teil mit bestimmten Lebenseinstellungen erklärt werden, denn der leidenschaftliche Besuch des einen schließt das andere ja nicht aus.
Wenn die Kleiderfrage ein derartiges Hindernis darstellt, warum gehen dann diejenigen, die am meisten von einem Besucherzuwachs profitieren würden, nicht mit gutem Beispiel voran? Also, Dirigenten und Musiker in selbstgewähltem Look, ganz unverkrampft?