Schumanns Streichquartette - Herausforderung pur... Ich spreche da auch aus praktischer Erfahrung, also nicht nur vom Hören her. Das für Schumann so typische Rhythmisch-wider-den-Stachel-Löcken wird hier geradezu auf die Spitze getrieben, noch mehr als bei allen anderen Werken Schumanns, die ich je unter den Fingern haben durfte. Den romantischen Odem aus diesem Gespinst feinster Ösen und Widerhaken heraus zum Klingen, ins Ohr und Herz des sehnsüchtigen Hörers zu bringen, das ist wahrlich keine kleine Aufgabe. Diese Quartette spielen und entfalten sich ganz und gar nicht von selbst.
Die größte Faszination übt auf mich das 3. Quartett in A-dur aus, vielleicht weil es beim ersten Zugang das widerspenstigste ist. Voller Ideen, voller Überraschungen, voller plötzlicher Stimmungswechsel und kleinster Nuancen, von denen jede wichtig ist. Gemeinplätze, die zu vielen Werken passen? Man höre, lese die Partitur, spiele (sofern Streicher) - und staune. Am konventionellsten wirkt der dritte Satz, ein herrliches Adagio molto. In den Ecksätzen ist man da wohl weniger schnell zu Hause. Im ersten Satz gibt es eine Passage, die m.E. einmalig in der gesamten Literatur der Zeit ist: Ich meine die T. 46 - 75 sowie die ähnliche Stelle T. 154 - 169. Das kantable Thema beginnt sozusagen auf dem linken Fuß (nämlich auf dem "falschen" Taktteil) und wird ellenlang von stecknadelartigen Piano-Achteln im Gegentakt von den drei anderen beunruhigend störend untermalt. Bei mehreren Aufnahmen stimmt es schon rein buchhalterisch an dieser Stelle nicht - scheint mir, sollte ich sagen, denn an so einer Stelle kann selbst der unbestechlichste Beckmesser an sich irre werden; erst recht also jemand, der wie ich doch gar nicht beckmessern möchte! Die Frage, ob die Stelle "wirklich stimmt", ist denn auch weniger wichtig als die Frage, ob sie - stimmt. Was hat sich Schumann nur dabei gedacht?
Eben habe ich zwei Aufnahmen, die ich davon besitze, verglichen. Beim Auryn-Quartett (Tacet 102, aus dem Jahr 2001) klingen die besagten Stellen ähnlich einem rückwärts laufenden Tonband. Ich habe beim Hören immer wieder das Gefühl, daß dieses Ensemble am ehrlichsten den völlig aus dem Rahmen fallenden Notentext widergibt. Das Ergebnis ist ein Klangeffekt, den ich erst in der Musik ca. 120 Jahre nach Schumann wiedergefunden habe. Wenn es wahr ist, daß Schumann das so wollte - und geschrieben hat er es so! -, dann handelt es sich um einen revolutionären Vorgriff, wie man ihn in anderer Weise bekanntlich den letzten Beethoven-Quartetten zuerkennt. Ich bin daher froh, die Aufnahme des Auryn-Quartetts zu haben, obwohl ich die Gesamt-Interpretation weniger gelungen (und die CD-Qualität weniger gut) finde als die des Hagen-Quartetts (DG 449214, aus dem Jahr 1996). Die besagten Stellen im ersten Satz werden vom Hagen-Quartett in gekonnter Eleganz "entschärft", für mich so, als habe man eine Peinlichkeit zugedeckt; ja, es klingt schon schön - aber wollte Schumann das so? Bei den Auryns höre ich alles, was die Partitur sagt, während ich bei den Hagens das Gefühl nicht los werde, daß geschummelt wurde. Aber ansonsten... Das "Assai agitato" ist so überzeugend assai agitato, daß sich beim Hören rastlose Unruhe einstellt, das "Tempo risoluto" ist wirklich resolut, das "Finale molto vivace" so lebhaft, wie es nur sein kann. Und alles, alles von erlesener Eleganz. Das ist eine bestens zu empfehlende Aufnahme, finde ich.
Aber es ist schwerer zu sagen, ob eine Interpretation stimmt als ein
Lagenwechsel