Es gibt Konzerte, die kann man kaum beschreiben, die muss man einfach erlebt haben. Ein solches Erlebnis fand am 4. Februar 2007 in der Rudolf-Oetker-Halle in Bielefeld statt. Giora Feidman und Matthias Eisenberg: "From Classic to Klezmer". Nun touren die beiden schon seit geraumer Zeit mit diesem Programm durch die Kirchen der Republik, aber in Bielefeld waren sie zum ersten Mal in einer Konzerthalle. Keine Kathedral-Akustik ausladender Kirchenräume, sondern die fast intime, "trockene" Atmosphäre eines großen Konzertsaales. Krasse Gegensätze. So auch im Programm: Gerade hat Feidman ein atemberaubendes Solo hingelegt, da fordert er das Publikum zum Mitsingen auf "Schalom chaverim". Die meisten der mehr als tausend Zuhörer werden - erstaunlich stimmstark - aktiv. Aber bevor sich allzu große Rührseligkeit einstellt, grätscht Eisenberg mit dem "Entertainer" von Scott Joplin dazwischen. Gerade noch säuselt die Orgel verträumt als Begleitinstrument, im nächsten Moment braust sie solistisch auf. Mitten in kecke Klezmer-Rhythmen, bei denen man streckenweise nicht mehr erkennt, ob Feidman spielt oder Eisenberg mit der Orgel immitiert, bricht Bachs Epidemische fortissimo herein. Toccata und Fuge d-Moll mit sprödem Charme, ganz anders als in der Kirche. Und so geht das weiter, 75 Minuten ohne Pause, ohne Unterbrechung. Ein Feuerwerk nach dem anderen. Feidman ist immer gut und Eisenberg wird immer besser. Fast hat man das Gefühl, er sei warm geworden mit der alten Oetkerhallen-Orgel, die mit nur 4 Kombinationen weit entfernt ist von modernen Tausender-Setzern, mit denen man alles und nichts vorprogrammieren kann. Geradezu eruptiv-enthusiastisch seine Zugaben-Improvisation am Schluss. Selten hat das Publikum wohl solche wundersamen Klänge in der Oetkerhalle gehört. Ein grandioser Giora Feidman und ein kongenialer Matthias Eisenberg, der gezeigt hat, dass Kino-, Konzertsaal- und Kirchenorgel manchmal in einem einzigen Instrument vereint sind - wenn man es denn zu spielen weiß ...
Standing Ovations, minutenlang, mehrere Zugaben und ein - typisches - Ende mit den drei ineinander verwobenen Nationalhymnen von Deutschland, Israel und Palestina, ohne Pomp, nachdenklich - und auf Feidmans Wunsch auch ohne Schluss-Applaus. Phantastisch.
Ach ja: Wo denn wohl die Orgel gewesen sei, wollte mancher nach dem Konzert wissen, der in der Halle ein so großes Instrument gar nicht erwartet hatte. In einer Orgelkammer hinter dem Orchesterpodium steht sie, unsichtbar, ohne Prospekt, als eine der letzten ihrer Art.
Bei Wikipedia gibt's ein Bild der Oetkerhalle, das ich hier nicht unterbringen konnte: Blick auf die (nur für dieses Foto beleuchtete) Orgelkammer der Oetkerhalle
Oetkerhalle Bielefeld, Orgel
Wilh. Sauer, Frankfurt/Oder, 1929, Taschenladen, III/P 52 (+ 3 Transm.)
Umbau: Willi Peter, Köln, 1973, Schleifladen, III/P 54
elektrische Register-/Spieltraktur
Koppeln: III/I, II/I, III/II, III/P, II/P, I/P;
Walze, 4 freie Kombinationen, Zungenabsteller, Pleno, Tutti
Hauptwerk (I. Manual):
Prinzipal 16’
Prinzipal 8’
Grobgedackt 8’
Gemshorn 8’
Gambe 8’
Oktave 4’
Rohrflöte 4’
Quinte 2 2/3’
Oktave 2’
Kornett 3 - 4fach 2 2/3’
Mixtur 4 - 6fach 2’
Trompete 8’
II. Manual (schwellbar):
Rohrgedackt 8’
Quintade 8’
Salicional 8’
Prinzipal 4’
Blockflöte 4’
Oktave 2’
Waldflöte 2’
Sesquialtera 2fach
Scharff 4 - 6fach
Zimbel 3fach 1/2’
Rankett 16’
Krummhorn 8’
Regal 4’
Tremulant
III. Manual (schwellbar):
Nachthorngedackt 16’
Prinzipal 8’
Holzflöte 8’
Gedeckt 8’
Vox coeleste 8’
Oktave 4’
Flaute dolce 4’
Nasat 2 2/3’
Piccelflöte 2’
Terz 1 3/5’
Sifflöte 1’
Plein jeu 4 - 6fach 1 1/3’
Fagott 16’
Trompete 8’
Oboe 8’
Schalmei 4’
Tremulant
Pedal:
Prinzipal 16’
Untersatz 16’
Barem 16’ (= Echobaß)
Quinte 10 2/3’
Oktavbaß 8’
Baßflöte 8’
Choralbaß 4’
Nachthorn 2’
Rauschwerk 4fach 2 2/3’
Basson 32’
Posaune 16’
Trompete 8’
Clarine 4’