Beiträge von tongenerator

    Manche werden sie schon kennen, die Mega-Hausorgel, die sich Jörg Glebe in Bochum hat bauen lassen. Der Generalspieltisch mit 4 Manualen und über hundert möglichen Registern, eine Sonderanfertigung von Orgelbauer Otto Heuss, steht bei Glebe im Wohnzimmer. Pfeifen hat die Orgel keine, aber zehn exzellente Aktivlautsprecher + Subwoofer, die vom "Hauptwerk"-Programm versorgt werden. Der Hochleistungs-PC, der alles steuert, steht übrigens rechts unten im Spieltischgehäuse. Und Glebe hat es fertig gebracht (ob nun mit Geld und/oder guten Worten), dass sich eine ausgesuchte Organistenschaar bei ihm im Wohnzimmer die Klinke in die Hand gibt: Ob Sebastian Kübler-Blessing, Adam Nowak, Hans-Dieter Karras, Otto Maria Krämer, Klaus Müller oder Marcus Struempe, sie alle zeigen, wie vielfältig diese Orgel zu spielen und zu hören ist. Je nach geladenem Sample-Set klingt sie wie die Sauer-Orgel in Dortmund-Dorstfeld, die Hus/Schnitger-Orgel in Stade oder die Silbermann-Orgel in Ebersmünster. Schön ausgewählt sind auch die Konzertbeiträge der Organisten, die sich meist jenseits der ausgetretenen Standard-Repertoire-Pfade bewegen.


    Mehr als 70 Klang-/Konzertbeispiele gibt es hier: http://www.youtube.com/user/Prinzipal67

    Zunehmend tummeln sich bei Youtube nicht nur die Dilettanten, sondern absolute Könner. Es lohnt sich also, dort gelegentlich einmal vorbeizuschauen: "Handel81" (= Luca di Donato) aus Italien ist so ein Könner, der schier Unglaubliches vorführt. Besonders beeindruckt hat mich sein "Concerto grande per le ance", eine Improvisation, die sich im letzten Teil noch einmal zu einem nahezu atemberaubenden Allegro furioso steigert:

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    Interessant auch sein Medley über Rule Britannia u. a., bei dem das mechanische Schlagwerk seiner Orgel zum Einsatz kommt:


    Eine Empfehlung geht auch an "Hautbois8" aus den Niederlanden. Die beiden Teenager? zeigen, dass hervorragende Organisten offenbar immer jünger werden ... :-). Scheinbar zieht der Jüngere der beiden nur die Register:


    Dass auch er vorzüglich spielen kann, zeigt das Video "Psalm 24 from Cor Kee". Hier spielen beide auf den zwei historischen Witte-Orgeln der Oude Kerk in Delft:



    Also: Unbedingt mal 'reinhören - auch bei den anderen Stücken - es lohnt sich ...

    Ach ja, viel war los an diesem 9. November 2008. Es kommt ja nicht oft vor, dass man in der Region um Bielefeld zuviel Auswahl hat. Ich habe mich für die Rudolf-Oetker-Halle entschieden. Dort stand Faures Requiem auf dem Programm und Saint-Saens' Orgelsinfonie. Wann bekommt man die altehrwürdige Sauer-Orgel (oder das, was nach fast acht Jahrzehnten noch von ihr übrig geblieben ist, immerhin!) schon mal als Begleitinstrument mit Chor und großem Orchester und solo im letzten Satz von Saint-Saens Orgelsinfonie zu hören? Der Oratorienchor Münster, der Konzertchor Bielefeld und das Münsteraner Kourion-Orchester unter der Leitung von Michael Preiser hatten mit Faures Requiem als Auftakt einen guten Griff getan. Dieses lyrische, tiefsinnige Werk passte auf wundersame Weise gut zum imposant-ernsten Charakter und dem Dur-Ausblick der C-moll-Sinfonie von Saint-Saens. Siebzig Jahre nach dem 9. November 1938 wäre vieles andere fehl am Platze gewesen.
    Dafür, dass die Veranstaltung auch als Abschlusskonzert des Orgelfestivals Westfalen-Lippe gedacht war, kam die Orgel allerdings ein wenig zu kurz. Prof. Tomasz Adam Nowak von der Hochschule für Musik Detmold konnte sein Können - und das der Orgel - nur an wenigen Stellen wie vor allem im Schlussteil der Orgelsinfonie beweisen.
    Ich hatte das Glück, in der Mitte auf der Empore zu sitzen, diese großartige Halle zu meinen Füßen, Chor und Orchester vor mir - mit genügendem Abstand. In der Pause tuschelten einige Analysten aus den vorderen Reihen etwas von unsauberer Intonation. Wenn es Fehler gab, dann habe ich sie wohl überhört, ebenso wie den zu langen Beifall - an solchen Tagen ist weniger manchmal mehr. Die Musik war wunderbar - in beiden Fällen.
    Ach ja: Die Bielefelder Synagoge brannte damals auch - nur ein paar tausend Meter von der Oetkerhalle entfernt ...

    Auch wenn der Thread anders gemeint ist, in modernen Internet-Zeiten sind auch virtuelle Besuche möglich. Dass dabei die Plattform YOUTUBE.COM hilfreich sein kann und nicht nur hilflosen Dilettanten ein willkommenes Forum bietet, hat sich ja schon herumgesprochen. Vor ein paar Tagen bin ich nun beim Surfen auf Martin Mans aus den Niederlanden gestoßen, der u. a. mit einigen interessanten Improvisationen vertreten ist. Er spielt auf der großen Marcussen-Orgel in der St. Laurenskerk in Rotterdam (4/85) sowie auf der historischen Hinsz-Orgel (1781) der Martinikerk in Bolsward (3/42). Offenbar wird er dabei von einer professionellen Video-Produktionsfirma beobachtet, die auch die Tonarbeit beherrscht. Alles in allem sehr sehens- und hörenswert! Wenn man "Martin Mans" in Anführungszeichen eingibt, kommt man zu den Videos (hier der Link: Youtube/Mans ). Meine Favoriten: "Rondo in G" von John Bull/Richard Ellsasser (wenn man sich von den rondotypischen Wiederholungen nicht abschrecken lässt ... :-)), "Ode to Mozart" oder auch die Variationen über Amazing Grace. Schön auch das Schlachtengemälde "De Slag bij Waterloo", das geschickt mit den Möglichkeiten der Orgel spielt.

    Es gibt Konzerte, die kann man kaum beschreiben, die muss man einfach erlebt haben. Ein solches Erlebnis fand am 4. Februar 2007 in der Rudolf-Oetker-Halle in Bielefeld statt. Giora Feidman und Matthias Eisenberg: "From Classic to Klezmer". Nun touren die beiden schon seit geraumer Zeit mit diesem Programm durch die Kirchen der Republik, aber in Bielefeld waren sie zum ersten Mal in einer Konzerthalle. Keine Kathedral-Akustik ausladender Kirchenräume, sondern die fast intime, "trockene" Atmosphäre eines großen Konzertsaales. Krasse Gegensätze. So auch im Programm: Gerade hat Feidman ein atemberaubendes Solo hingelegt, da fordert er das Publikum zum Mitsingen auf "Schalom chaverim". Die meisten der mehr als tausend Zuhörer werden - erstaunlich stimmstark - aktiv. Aber bevor sich allzu große Rührseligkeit einstellt, grätscht Eisenberg mit dem "Entertainer" von Scott Joplin dazwischen. Gerade noch säuselt die Orgel verträumt als Begleitinstrument, im nächsten Moment braust sie solistisch auf. Mitten in kecke Klezmer-Rhythmen, bei denen man streckenweise nicht mehr erkennt, ob Feidman spielt oder Eisenberg mit der Orgel immitiert, bricht Bachs Epidemische fortissimo herein. Toccata und Fuge d-Moll mit sprödem Charme, ganz anders als in der Kirche. Und so geht das weiter, 75 Minuten ohne Pause, ohne Unterbrechung. Ein Feuerwerk nach dem anderen. Feidman ist immer gut und Eisenberg wird immer besser. Fast hat man das Gefühl, er sei warm geworden mit der alten Oetkerhallen-Orgel, die mit nur 4 Kombinationen weit entfernt ist von modernen Tausender-Setzern, mit denen man alles und nichts vorprogrammieren kann. Geradezu eruptiv-enthusiastisch seine Zugaben-Improvisation am Schluss. Selten hat das Publikum wohl solche wundersamen Klänge in der Oetkerhalle gehört. Ein grandioser Giora Feidman und ein kongenialer Matthias Eisenberg, der gezeigt hat, dass Kino-, Konzertsaal- und Kirchenorgel manchmal in einem einzigen Instrument vereint sind - wenn man es denn zu spielen weiß ...
    Standing Ovations, minutenlang, mehrere Zugaben und ein - typisches - Ende mit den drei ineinander verwobenen Nationalhymnen von Deutschland, Israel und Palestina, ohne Pomp, nachdenklich - und auf Feidmans Wunsch auch ohne Schluss-Applaus. Phantastisch.


    Ach ja: Wo denn wohl die Orgel gewesen sei, wollte mancher nach dem Konzert wissen, der in der Halle ein so großes Instrument gar nicht erwartet hatte. In einer Orgelkammer hinter dem Orchesterpodium steht sie, unsichtbar, ohne Prospekt, als eine der letzten ihrer Art.


    Bei Wikipedia gibt's ein Bild der Oetkerhalle, das ich hier nicht unterbringen konnte: Blick auf die (nur für dieses Foto beleuchtete) Orgelkammer der Oetkerhalle


    Oetkerhalle Bielefeld, Orgel
    Wilh. Sauer, Frankfurt/Oder, 1929, Taschenladen, III/P 52 (+ 3 Transm.)
    Umbau: Willi Peter, Köln, 1973, Schleifladen, III/P 54


    elektrische Register-/Spieltraktur
    Koppeln: III/I, II/I, III/II, III/P, II/P, I/P;
    Walze, 4 freie Kombinationen, Zungenabsteller, Pleno, Tutti


    Hauptwerk (I. Manual):
    Prinzipal 16’
    Prinzipal 8’
    Grobgedackt 8’
    Gemshorn 8’
    Gambe 8’
    Oktave 4’
    Rohrflöte 4’
    Quinte 2 2/3’
    Oktave 2’
    Kornett 3 - 4fach 2 2/3’
    Mixtur 4 - 6fach 2’
    Trompete 8’


    II. Manual (schwellbar):
    Rohrgedackt 8’
    Quintade 8’
    Salicional 8’
    Prinzipal 4’
    Blockflöte 4’
    Oktave 2’
    Waldflöte 2’
    Sesquialtera 2fach
    Scharff 4 - 6fach
    Zimbel 3fach 1/2’
    Rankett 16’
    Krummhorn 8’
    Regal 4’
    Tremulant


    III. Manual (schwellbar):
    Nachthorngedackt 16’
    Prinzipal 8’
    Holzflöte 8’
    Gedeckt 8’
    Vox coeleste 8’
    Oktave 4’
    Flaute dolce 4’
    Nasat 2 2/3’
    Piccelflöte 2’
    Terz 1 3/5’
    Sifflöte 1’
    Plein jeu 4 - 6fach 1 1/3’
    Fagott 16’
    Trompete 8’
    Oboe 8’
    Schalmei 4’
    Tremulant


    Pedal:
    Prinzipal 16’
    Untersatz 16’
    Barem 16’ (= Echobaß)
    Quinte 10 2/3’
    Oktavbaß 8’
    Baßflöte 8’
    Choralbaß 4’
    Nachthorn 2’
    Rauschwerk 4fach 2 2/3’
    Basson 32’
    Posaune 16’
    Trompete 8’
    Clarine 4’

    Auch wenn es gut in meine Argumentation passen würde, bin ich doch vorsichtig, bevor nicht mehr Fakten auf dem Tisch liegen. Den Brief soll Bach 1776 geschrieben haben, auf welches Treffen bezieht er sich? Soweit ich weiß, haben sich Bach und Mozart 1778 in Paris getroffen. Zweifel am Bachbrief sind also angebracht. Andererseits hat offenbar erst der Rezensent (Floran Hobert, Doktorrand im Fach Musikwissenschaft an der Hochschule für Musik und Theater, Hannover) von Klassic.com auf diesen Brief aufmerksam gemacht; Hungaroton scheint mit diesem Brief gar nicht geworben zu haben, jedenfalls nicht im Internet. Auf jeden Fall sollte schnell Licht in diese interessante Geschichte gebracht werden. Hat jemand die Hungaroton-DVD, in deren Beipack sich ja der komplette Brief befinden soll? Ist er dort womöglich als Faksimile abgedruckt?

    Zunächst einmal: ist etwas nur nicht mehr bekannt oder ist es verschollen? Das Verschollene ist ja durchweg bekannt - und nur nicht mehr auffindbar, während das Unbekannte ja gänzlich unbekannt ist ... ;)


    Im Ernst: In den großen Handschriftenarchiven dieser Welt lagern mit Sicherheit noch so manche Überraschungen. Sei es, dass tatsächlich noch etwas Unbekanntes von einem der Großen gefunden wird (falsch einsortiert, verlegt, bisher als minderwertig betrachtet usw.), sei es, dass auch verschollen Geglaubtes in bisher nicht zugänglichen Archiven wieder auftaucht.


    Viel spannender ist allerdings die Frage, ob da nicht noch jemand von Bedeutung in den Archiven schlummert, der/die bisher überhaupt nicht beachtet wurde? Wer bestimmt denn eigentlich, wer oder was es wert ist, öffentlich bekannt gemacht oder gar aufgeführt zu werden?

    Mich würde interessieren, ob Bach nicht seinen Fugenzyklus ganz bewusst unvollendet gelassen hat. Vielleicht, weil er nicht so vermessen sein wollte, seinen Fugenkosmos als etwas Endgültiges, Abgeschlossenes und damit statisch Totes zu hinterlassen, vielleicht, weil er - wie Zoltán Göncz mit seiner Permutationsmatrix gezeigt hat - davon ausgehen konnte, dass sich für Kundige dieser letzte Teil logisch aus dem Vorhergehenden erschließen lässt: eine Art Rätselkanon auf höchstem Niveau also, der als Fragment nach Vollendung ruft, möglicherweise sogar mit pädagogischen Ambitionen: Nun versucht es selbst ...


    Dafür spräche das Auftauchen der Tonfolge b-a-c-h "im Contrasubject" (wie sein Sohn Carl Philipp Emanuel berichtet), bevor das Werk abbricht. Das liest sich eher wie eine bewusste Abschlussunterschrift ("bis hierher!") und sieht nicht nach der von der Romantik verklärten rührseligen Geschichte mit der plötzlichen Blindheit und dem vermeintlichen Abschlusschoral aus.

    Wahrscheinlich geht das Fugenthema auf ein altes niederländisches Volkslied "ik ben gegroet" zurück. Würde schön passen, da Bach im Rahmen seiner (letztlich erfolglosen) Bewerbung um das Organistenamt an St. Jacobi in Hamburg auch St. Katharinen besucht hat, um dort dem aus den Niederlanden stammenden Kantor Johann Adam Reincken vorzuspielen.

    Gelegentlich muss man auch mal auf Abseitiges schauen: bei dem Internet-Video-Verteiler http://www.youtube.com gibt's erstaunlicherweise auch (Pfeifen-)Orgelmusik - und nicht nur von (un?-)freiwillig komischen Heim-Dilettanten. Hier z. B. ein schönes Werbe-Video der amerkanischen Firma JAV-Recordings, die eine CD von Vincent Dubois an der Cavaille-Coll-Orgel in St. Sulpice in Paris anpreist und den Meister direkt am 5manualigen Spieltisch zeigt. Am Ende des Video-Clips übrigens sehr schön der Schlussteil des 1. Satzes der 6. Sinfonie von Widor mit allen fünf Manualen gekoppelt - da ächzt sogar das Barker-System ... :-)):
    Vincent Dubois bei YouTube

    Vielleicht als eine Art Querschnitt zum Anfang einmal von jedem etwas:
    für's Gemüt: Einfach und eingängig ist die Choralbearbeitung 721 "Erbarm dich mein, o Herre Gott" - wenn sie schön langsam gespielt wird ...
    für den Glauben: Die Choralbearbeitungen 680 und 681 "Wir glauben all an einen Gott" bilden ein interessantes Tandem innerhalb der Clavierübung, Teil III: die eine mit Pedal mächtig und bestimmt, die andere ohne Pedal merkwürdig verspielt
    für die Virtuosität: Die Fuge 542 ist ein wahres Fest für gelenkige Hände und Füße. Wehe, wer hier im Übermut zu schnell anfängt ...
    für die große Ausdauer: Nach einem glitzernden Anfang donnert das nachfolgende Grave der G-Dur-Fantasie 572 je nach Interpret mit vollem Werk um die sieben Minuten auf die Zuhörer - ohne langweilig zu werden. Die dreiteilige Fantasie endet in einem unglaublichen Abwärtsstrudel (am besten nicht leise und nicht schnell) in Halbtonschritten und strahlendem Schluss.
    für den Verstand: Wenn es eine Quadratur des Kreises gäbe, dann würden manche Musikwissenschaftler gern Präludium und Fuge 548 in e-moll
    als Beispiel nehmen: selten verschmelzen die unterschiedlichsten musikalischen Formen so gelungen wie hier miteinander. Und trotzdem klingt alles noch aufregend interessant, besonders die nahezu atemberaubende Fuge.
    für den großartigen Schmerz: Wer mal so richtig theatralisch leiden möchte: das riesige Präludium 546 in c-moll, Vorspiel und Hauptteil in einem, ist der richtige Rahmen ...
    für die Überraschung: Wenn es keiner mehr erwartet, kommt in der Fuge 547 doch noch das Pedal zum Einsatz, erhebend langsam und gewaltig ...
    für die Hochzeit: Das Präludium 545 ist schön kurz, so dass es sich auch für kurze Kirchen eignet :-))
    für den letzten Weg: Wer es sich leisten kann - wie in England Queen Mum - lässt sich stilvoll und glaubenssicher mit dem strahlenden Es-Dur-Präludium 552 aus der Kirche tragen. Wer es etwas kleiner und kürzer mag (aber keinesfalls weniger schwierig!), geht - "un poco allegro" - mit dem Schlusssatz der Triosonate 528 denselben Weg ...
    für die Insel: die abwechslungsreiche Passacaglia 582 in c-moll mit einer großen Fugenvariation am Schluss. Oft kopiert - nie erreicht.

    Müssen es denn wirklich 4 Manuale sein? Also ich würde mir bei Ebay lieber eine gute gebrauchte Zweimanualige von Johannus, Ahlborn oder anderen kaufen. Ich habe noch nie eine wirklich funktionierende alte Böhm-Orgel gesehen. Die meisten Instrumente haben irgendwelche Macken bei der Registersteuerung oder Tonerzeugung. Wer nicht viel Zeit zum Basteln hat, sollte sich das Leid ersparen.

    Es ist eigentlich nicht so wichtig, aber merkwürdig ist es schon: wieviel Register hat die neue Eule-/Ladegast-Orgel denn nun tatsächlich? Eule gibt auf der eigenen (nicht ganz aktuellen) Homepage V/102 an, Reklov29 meint 110, ich habe in der Disposition bei www.orgelwolf.de nachgezählt und bin auf 105 oder 106 gekommen (ggf. + Carillon + Stahlwerk = 107/108 ) - und die Seite der Nikolaikirche ist völlig inaktuell, bei denen ist ja gerade mal der Orgelbauvertrag unterschrieben ... ;)

    Im Laufe der Zeit hört man so viele interessante Orgelstücke, dass es fast unmöglich ist, einen dauerhaften Favoriten zu finden. Ganz abgesehen davon, kommt es ja immer auch ganz besonders auf die jeweilige Interpretation an.


    Wenn ich es recht bedenke, würde ich mich wohl gerne mit BWV 528/3, also dem Schlusssatz "un poco allegro" (schreitend, nicht schreiend, nicht laufend ... :-)) aus der Triosonate Nr 4, e-moll, von Johann Sebastian Bach zu Grabe tragen lassen (meine Heimatkirche hätte zwar eine passende Orgel - aber leider wohl keinen, der dieses Stück spielen könnte - bleibt also ein unerfüllbarer Wunsch). Und während der Zeit bis dahin würde ich - fein dosiert - (d. h. mit gebotenen Abständen) immer mal wieder die großartige G-Dur-Fantasie (BWV 572) "Pièce d' Orgue" in der Interpretation von Hans van Nieuwkoop an der Großen van-Hagebeer/Schnitger-Orgel der Kirche zu Alkmaar hervorholen.


    Ich habe mittlerweile so viele Einspielungen von diesem Stück gehört, dass ich immer wieder fassungslos bin, wie selbst gestandene Organisten durch den Mittelteil hasten, obwohl er ausdrücklich mit "gravement" überschrieben ist, um dann im Schlussteil "lentement" entweder nochmal an Geschwindigkeit zuzulegen oder massiv abzuregistrieren und in einem piano zu enden.


    Hans van Nieuwkoop hat 1997 eine sehr ausgewogene Fassung aus glitzerndem Anfang (tres vitement), gravitätischem, ruhig dahinströmenden Mittelteil und einem atemberaubenden Schluss gefunden, bei dem sich das Pedal wie in einem Sog mit mächtigen Halbtonschritten, aber nicht übermäßig schnell, in die Tiefe zum Subcontra D hinunterwindet, dann als mahnendes Klopfmotiv verharrt und schließlich im G-Dur-Glanz des vollen Werkes endet.

    In der Bielefelder Oetkerhalle (klassische Konzerthalle, 1930 erbaut, 1500 Sitzplätze) steht eine dreimanualige Sauer-Orgel von 1929/30. Sie ist damit eine der ganz wenigen Konzertsaalorgeln in Deutschland, die den Zweiten Weltkrieg überlebt haben. Außerdem ist sie "unsichtbar", d. h. sie hat keinen Prospekt, sondern ist in einer großen Orgelkammer hinter dem Orchesterpodium eingebaut. Der Spieltisch ist fahrbar und besitzt elektrische Spiel- und Registertraktur. Mit ihren 55 Registern ist sie derzeit Bielefelds größtes Instrument, trotzdem kennt kaum jemand die Orgel, wohl auch wegen ihrer versteckten Bauweise.


    Ursprünglich hatte die Orgel Taschenladen, die aber mit der Zeit sehr störanfällig wurden, was in den 1960iger Jahren die Frage nach einer Restaurierung oder einem Neubau aufwarf. Der Kölner Orgelbauer Willi Peter (ein Sauer-"Schüler") schließlich bekam 1973 - nach heftigen Diskussionen - den Zuschlag zum Umbau der Orgel auf Schleifladen und sollte auch eine Höherstimmung und Neuintonation des Instruments vornehmen. Peter hat sich in den jahrelangen Diskussionen um Restaurierung und Neubau immer wieder für den Erhalt der Sauer-Orgel eingesetzt und auf die Qualität des Instruments hingewiesen. Leider sind die Orgelakten im Bielefelder Stadtarchiv aus dieser Zeit nicht vollständig, so dass nicht ganz ersichtlich wird, wie groß die Eingriffe Peters in den alten Pfeifenbestand wirklich waren. Tatsache ist, dass er einige Registernamen im Sinne einer Barockisierung leicht abänderte (aus Trompette harmonique wurde schlicht Trompete, aus dem Lieblich Gedackt ein Gedeckt und aus der Schalmei eine Clarine). Interessant ist, dass er den ursprünglich transmittierten Echobaß 16’ im Pedal durch einen eigenständigen Barem 16' ersetzte (wobei zu erwähnen wäre, dass Barem nur eine andere Bezeichnung für Echobaß ist, Barem aber viel "orgelbewegter" klingt), aus dem leiseren Sordun 32' wurde bei Peter ein Basson (= Fagott) 32'. Auch den alten Sauer-Spieltisch modernsierte er im typisch peterschen Design (mit Leuchtdrucktasten für die Registersteuerung, 4 freie Kombinationen) ebenso wie die elektrische Steuerung. Das Instrument ist spielbereit und befindet sich jetzt in einem ordentlichen Zustand.


    Soll man so ein Instrument - bei schwieriger Finanzlage der Stadt - wieder in seinen Ursprungszustand zurückführen? Ist eine Konzertsaalorgel nicht ein Gebrauchsinstrument, bei dem es eher auf Betriebssicherheit und Funktionalität (am besten mit neuem Setzer mit 4000 Kombinationen?) ankommt? Andererseits dürfte die Sauer-Orgel in der Oetkerhalle vielleicht das letzte erhaltene Instrument aus der späten Sauer-Ära vor 1945 sein.
    (Fotos folgen später als Link, kann hier leider nichts hochladen)

    Soweit ich weiß sollte Euler die alte Ladegast-Orgel wiederherstellen, die später von Sauer, Frankfurt/O. auf Kegelladen umgebaut worden war. Die alte Ladegast-Orgel hatte mechanische Schleifladen, die jetzt wieder zum Einsatz kommen ebenso wie das weitgehend erhaltene Pfeifenmaterial mit einer Neukonstruktion der verloren gegangenen Stimmen im ladegastschen Sinne. Insofern ist das Innere der Orgel (der Prospekt ist erhalten) teilweise neu. Aber grundsätzlich handelt es sich um eine Rückführung auf den Zustand der Erbauung 1862 mit 84 Registern und um die Integration der später hinzugefügten Stimmen auf insgesamt 102 Register.

    Hm, dachte ich eigentlich auch immer. Aber hier scheint das Experiment offenbar doch einigermaßen geglückt zu sein. Immerhin geben sich bei den Konzertreihen namhafte Organisten die Klinke in die Hand (Wolfgang Seifen, Christoph Grohmann usw.). Transmissionen erinnern ja fast zwangsläufig an jene Mulitiplexorgeln, die zwar im Kino der 1920iger Jahre eine halbwegs gute Figur machten, aber für klassische Konzerte natürlich kaum zu gebrauchen waren (wobei mir der Unterschied zwischen Transmission und Multiplex schon bewusst ist). Ich war bei einem Konzert kurz nach der Inbetriebnahme und fand den Klang nicht schlecht. Werde aber auf jeden Fall noch mal hingehen und genau zuhören ... :-)

    Andererseits soll ja die Domorgel sogar denkmalgeschützt sein, dürfte also nicht so ohne weiteres dem Verfall preisgegeben werden. Und je länger man wartet, desto teurer wird meist eine Restaurierung. Es stimmt ja, dass die Kosten hierfür ein entscheidendes Argument sind, aber auf der anderen Seite stellt ja auch besonders das Pfeifenwerk (wenn es denn nicht gänzlich misslungen und von minderwertiger Qualität ist) einen besonderen Wert dar (ich denke da u. a. an die drei 32'-Register), das mit etwas Geschick und Beschränkung auf Teilwerke wieder nutzbar zu machen wäre. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass ein 125-Register-Werk - ggf. mit behutsamer Neu-Intonation - überhaupt nicht zu gebrauchen sein soll ...

    Ich wäre mir da nicht so sicher, dass es nicht noch einige Überraschungen in den Archiven geben kann, wenn ich mir nur allein den offenbar riesigen und weit verteilten Bestand an mitteldeutscher Barockmusik vorstelle (vgl. Ständige Konferenz Mitteldeutsche Barockmusik, http://www.staendige-konferenz-mbm.de), der nur langsam erschlossen wird und dann auch erst einmal in Gebrauch genommen, d. h. aufgeführt werden muss. Katalogisiert heißt ja noch lange nicht, dass ein bisher unbekanntes Werk in seinem Wert (wer bestimmt den eigentlich?) auch erkannt und eine entsprechende Rezension publiziert worden ist.

    In Harsewinkel in der Nähe von Gütersloh ist 2004 eine interessante Orgel in Dienst genommen worden. Man staunt nicht schlecht, wenn man sich die Disposition der von Günther Claas (aus der gleichnamigen Mähdrescher-Dynastie) spendierten Muhleisen-Orgel in der verhältnismäßig kleinen St.-Paulus-Kirche anschaut: 45 Register mit Prinzipal 16' und Bombarde 16' im Hauptwerk und gleich zwei 32-Füßen (Bourdon 32' und Bombarde 32') im Pedal sind schon ziemlich beeindruckend. Auf den zweiten Blick ist das allerdings nur die halbe "Wahrheit". Denn tatsächlich borgt sich das vermeintliche Groß-Instrument viele Stimmen einfach nur aus und muss mit realen 35 Registern auskommen. So konsequent habe ich das allerdings bisher noch nicht gesehen: Der Bourdon 32' ist offenbar nur eine Quinte 10 2/3' ("akustisch CC - BB" aus Bourdon 16'/Recit zusammen mit Soubasse 16', wie es im Prospekt heißt), außer dem Soubasse und der 32'-Bombarde (immerhin!) hat das Pedal überhaupt keine eigenen Register. Montre 16' und Principal 8', Bourdon 8', Octave 4', Bombarde 16', Trompette 8', Clairon 4' - allesamt nur "geliehen" aus dem Hauptwerk. Zusätzlich muss sich auch noch das Positiv drei Register mit dem Recit teilen. Eine reichlich verwegene Konstruktion also - aber sie klingt. Wenn auch nicht übermäßig laut (ein bisschen "Stoff" vermisst man schon) aber eigentlich ganz rund. Mehr dazu unter: http://www.guenther-claas-orge…de/orgel_disposition.html

    Habe gerade die Disposition der Walcker-Orgel in der Heiliggeistkirche in Frankfurt gesehen. Offenbar ein "aufgebohrtes" Instrument aus der Hochphase der Orgelbewegung. Typisch der unvermeidliche Gedackt-Pommer im Hauptwerk, wahrscheinlich ein "schlankes" Register, das wenig trägt, dazu passend dann - recht steil disponiert - das Schwellwerk ohne 16' und ein Brustwerk - auch unvermeidlich - auf Pr2'-Basis. Etwas aus dem Rahmen fällt dagegen das mehr gravitätisch ausgelegte Pedal mit ursprünglich einem echten 32' - eher ungewöhnlich für ein kleineres Instrument mit 40 Registern in den 1960igern. Mit Vox Coelestis, Sub-Koppeln, 4000fach Setzer ist das Instrument vermutlich in den 1990igern "aufgebohrt" oder leicht romantisiert worden (ist der Registerschweller noch ein Relikt aus Walckers "romantischen" Zeiten?). Interessant, dass die Quinte 10 2/3' mal ein Sordun gewesen sein soll. Ich dachte immer, das sei eine leise Zunge ... Insgesamt also ein Instrument, dessen Klang ich gern mal hören würde, denn 1. sind Registernamen nur ein grober Anhaltspunkt und 2. würde ich gerne wissen, ob sich mit diesen leichten Eingriffen das Klangbild tatsächlich merklich geändert hat ...

    Ich war ja völlig überrascht, dass die Großorgel auf der Westempore des Stephansdoms noch existiert. Ich vermutete, dass man sie spätestens beim Aufbau der neuen großen "Chororgel" abgebaut hätte. Nun habe ich etwas gegoogelt und tatsächlich scheint sie noch da zu sein. Über ihre Qualität gibt es ja durchaus unterschiedliche Aussagen, aber würde denn eine Renovierung des 125-Register-Werks nicht doch lohnen? Immerhin ist die Chororgel mit ihren vergleichsweise bescheidenen 54 Registern dem Riesendom doch eigentlich kaum gewachsen, oder? In der Nürnberger St.-Lorenz-Kirche hat man immerhin gerade die Reisenorgel wieder instand gesetzt - und Neuintonationen wirken ja manchmal wahre Wunder ... :-).

    Wahrscheinlich ist es auch deshalb so schwer, andere Komponisten außer Bach als Urheber in Betracht zu ziehen, weil uns die "Grundgesamtheit" gar nicht bekannt ist. Aus dem Meer der in den Archiven noch unbearbeitet (und möglicherweise in ihrem Wert noch völlig unerkannt) liegenden Noten verschiedenster Komponisten ragt doch derzeit nur eine kleine Gruppe - durch welche Zufälle auch immer - mehr oder weniger unvergessener Komponisten hervor. Ich denke da nur an die "Karriere" von Jan Dismas Zelenka, jenen Zeitgenossen Bachs, den vor Jahren noch kaum jemand kannte und der heute einen ungeheuren Popularitätsanstieg zu verzeichnen hat.

    Hallo reklov29,
    ich war auch in dem bemerkenswerten Konzert von Naji Hakim in der Zionskirche in Bethel, habe aber von den technischen Schwierigkeiten nicht unmittelbar etwas mitbekommen. Natürlich ist die Zionskirche in Bielefeld-Bethel nicht mit Hakims Heimatkirche St. Trinité in Paris zu vergleichen, aber immerhin hat die Schuke-Orgel zumindest das "Grundinventar" einer kleinen Kathedralorgel wie Prinzipal 16 und Trompete 16 im HW, französisch-romantisch orientiertes Schwellwerk mit 15 Registern mit Bordun 16 und Basson 16, ein Pedal mit kräftiger Posaune 16 und Untersatz 32, mechanische und elektrische Koppeln (SW/HW und Pos/HW) und immerhin einem 4000fach-Setzer mit Sequenzer vor- und zurück. Klar, es fehlen natürlich manche Füllregister und eine programmierbare Walze, die eine sehr differnzierte Klangabstufung nur über "Tricks" mit dem Setzer ermöglichen, aber immerhin - es war ja trotzdem ein sehr eindrucksvolles Konzert :-) Oder gab es noch andere technische Mängel?
    Gruß vom tongenerator

    Es ist übrigens ziemlich vergnüglich, sich einmal anzuschauen, wie die Musikwisschenschaft (die bei Bach gelegentlich esoterische Züge angenommen hat) jahrzehntelang mit dem Problem der "Echtheit" von BWV 565 umgegangen ist, wollte man doch offenkundig diesen populären Reißer nicht einfach preisgeben. Da steht dann in einschlägigen Bachpublikationen allen Ernstes: "durch Tradition beglaubigt", "von wem, wenn nicht von Bach?" oder "auch wenn kein Autograph vorliegt, stammt dieses Werk doch unzweifelhaft vom jungen Bach" Punkt. Ende. :angel:

    Für mich war es eine ganz besondere Entdeckung: In der neogotischen Auenkirche in Berlin-Wilmersdorf steht vermutlich das zweitgrößte Berliner Instrument: eine 1898 erbaute viermanualige Furtwängler-und-Hammer-Orgel mit 83 Registern und drei imposanten 32-Füßen (Pr 32, U 32 und Pos 32). Trotz mancher An-, Um- und Erweiterungsbauten im Laufe der Zeit scheint sie doch ihren ursprünglichen Charakter beibehalten zu haben - und das zusammen mit einer exzellenten Kirchenakustik.
    Dispostion und Infos: http://www.orgelherbst-berlin.de/dokumente/grosse_orgel.htm