Beiträge von Felix Meritis

    Ich denke, dass das Lied bei Mendelssohn einen wesentlich geringeren Stellenwert hat als bei Pfitzner, Schönberg oder sogar Brahms. Essentielle Äußerungen sind in Mendelssohns Liedern sehr selten (im wesentlichen haben sie eine analoge Bedeutung wie die "Lieder ohne Worte"), während Schumann, Schubert und Brahms das Lied als sehr wichtigen Schaffensbereich ansahen. Pfitzner war ein ausgesprochener Liederkomponist, ebenso wie Schönberg, der gleich mit mehreren hochbedeutenden Liederzyklen Epoche gemacht hat. Und über Alban Berg braucht man in diesem Zusammenhang ohnehin keine Worte zu verlieren. Kurz vor und um 1900 war das Lied mMn bedeutender als je zuvor. Auch die Russen (vor allem Mussorgsky) und Franzosen (Fauré, Chausson, Debussy und Ravel) haben hier sehr bedeutendes beigetragen.

    Da hatte ich wohl etwas zu schlampig recherchiert. Ich hatte jedenfalls bei jpc nur Aufnahmen mit modernen Instrumenten gefunden, außer der hauseigenen Einspielung natürlich. "Favoriten" ist ein großes Wort bei einem Komponisten wie Mozart, der deutlich über 30 höchstklassige Kammermusikwerke geschrieben hat, allerdings weiß ich die unaufgeregte Meisterschaft der Trios, so wie die der späten Streichquartette, seit einigen Jahren sehr zu schätzen. Trotzdem gebe ich bei den Klaviertrios tatsächlich Haydn und Beethoven doch noch den Vorzug. Das Kegelstatttrio mag ich auch lieber als die traditionellen Trios, allerdings auch lieber als das Klarinettenquintett :untertauch: .

    Ich bin immer etwas verwundert, wie wenig bekannt Mozarts Klaviertrios eigentlich sind. An Einspielungen mangelt es zwar nicht, aber ansonsten werden sie, anders als die Klavierquartette oder die Haydn gewidmeten Streichquartette, selten erwähnt oder aufgeführt. Nachvollziehbar ist das meiner Meinung nach nicht, denn die Werke sind qualitativ über jeden Zweifel erhaben und weisen auch viele schöne Themen auf. Bei mir landen sie daher oft im CD-Player (weentlich häufiger als die Klavierquartette). Mir ist nur eine einzige Einspielung auf historischen Instrumenten, d.h. mit Fortepiano, bekannt. Sie erschien vor einigen Jahren bei cpo:



    Kürzlich habe ich mir die Aufnahmen bestellt und gestern durchgehört. Die Interpretationen gefallen mir um einiges besser als die Einspielung der Haydn-Trios durch das Ensemble 1790, da sie mehr Zartheit aufweisen (das Kegelstatt-Trio ist klarerweise nicht dabei). Meine Lieblingseinspielung bleibt aber wohl die des Beaux Arts Trios (gilt auch für die Trios Haydns).

    Maags Hebriden mit dem LSO habe ich ebenfalls (befindet sich auf einer recht bizarr zusammengestellten Doppel-CD der Australian Eloquence - mit Délibes und Rossini). Diese Aufnahme ist auch schön, aber nicht so singulär wie seine Schottische. Das war wirklich eine Sternstunde - die Aufnahme hat schon fast 60 Jahre auf dem Buckel.

    Ich halte auch das dritte Streichquartett (op. 16) für das beste der sieben - ich habe es mir auch bis jetzt am öftesten angehört. Der langsame Satz und der Finalsatz sind wirklich absolute Spitzenklasse. Der Kopfsatz begeistert mich ein Stück weniger, aber ich finde ihn immer noch gut. Bei den anderen Quartetten, vor allem dem 4. und 5., finde ich einige Sätze fantastisch (z.B. das Scherzo aus dem 4.), aber in ihrer Gesamtheit überzeugen sie mich nicht so recht. Das ist eigentlich überhaupt das Problem, das ich mit Hindemith habe. Es gibt relativ Werke, die ich als Ganzes mag (das 3. SQ, die 3. Klaviersonate und der Schwanendreher würden mir spontan einfallen). Was völlig außer Frage steht, ist die musikhistorische Bedeutung der Hindemithschen SQ. Sie haben ganz klar Janácek (man vergleiche sein 1. Q mit Hindemith 3.) und Schostakowitch (vor allem von
    Hindemiths 4. und 5.) beeinflusst.

    Die Mendelssohnaufnahmen Maags mit dem LSO sind tatsächlich einsame Klasse. Sowohl die Schottische als auch der Sommernachtstraum sind unglaublich gut gelungen, und zumindest bei der Schottischen ist der Ausdruck "Referenz" nicht völlig verfehlt. Die Aufnahmen mit dem spanischen Orchester habe ich auch, allerdings sind mir die nicht als so einprägsam in Erinnerung. Mit einer Ausnahme: die Walpurgisnachtouvertüre klingt nirgends so toll wie hier. Dafür sind die spanischen Solisten mit ihrem teilweise sehr starken Akzent wenig erfreulich.

    Hatte ich nicht schon geschrieben, dass manche populäre Melodien z.B. im 13. Jahrhundert in Motetten verwurstet wurden oder mit geistlichem Text umgedeutet?


    Na, wenn Du diese Melodien raushören kannst - gratuliere! Da muss man wohl so wie Du Professionist sein.


    Im Grunde bestätigt Ihr ja beide meine Thesen. Wenn Johannes schreibt, der Gentleman (also ein Adeliger) hätte genauso auf seine Laute, seinen Gesang begleitet wie Lieschen Müller am Klavier, mag das stimmen. Nur gehörte der Gentleman (oder der minnende Ritter) einer Schicht an, die 1-5% der Bevölkerung ausmachte und Lieschen Müller einer Schicht, die 25 - 50% der Bevölkerung ausmachte. Somit: Popularisierung. Das wurde auch(!) durch Erweiterung der angewandten Ausdrucksmittel erreicht (einfache Lieder für Stimme und Klavier, simple Duos a la Lachner & Co., etc..). Die Instrumentalmusik des Barock war nicht für jedermann. Weder hatte jeder ein Cembalo (Sweelinck wanderte extra aus Amsterdam nach Antwerpen, um dort bei Ruckers ein Cembalo zu kaufen), noch gab es viele Leute im Volk, die genug Zeit hatten, diese höllisch schweren Stücke zu erlernen. Später musste man, selbst wenn wie bei Vivaldi leichte Stimmen für Melodieinstrument vorlagen, immerhin jemanden haben, der Generalbass spielen konnte - auch das braucht intensives Studium.
    Heutzutage gehen Krethi und Plethi ins Konzert, um das Enkerl spielen zu hören. Im 19. Jahrhundert, hätten diese Leute, mit viel Glück auf der Galerie eine Wand angestarrt. Im 18. Jahrhundert hätte man ihnen ein Tritt in den Hintern verpasst.

    Ja und, um 1500 war Josquin in ganz Europa berühmt, u.a. eben auch bei einem musikinteressierten wie Luther.


    Entschuldigung, der Mann war Universitätsprofessor und Theologe. Das war Anfang des 16. ja wohl nicht irgendwer.


    ad Popularisierung: "populär" war eben die Tanzmusik, die zunächst nicht Teil der Kunstmusik war (also nicht notiert wurde und daher nicht von uns heute bekannten Komponisten aus jener Zeit vertrieben wurde).

    Na geh, musst Du immer so viele Behauptungen aufstellen?
    ;)
    Man hat ja das vokale Zeugs auch mit Instrumenten gespielt, insofern ist die notierte Instrumentalmusik keineswegs eindeutig der Volksmusik entsprungen (siehe Genter Altar oder Tabulaturbücher mit Bearbeitungen von Vokalmusik).


    Moment, es ging hier ja um die Tanzmusik, welche schnell in die Kunstmusik assimiliert wurde (Allemands, Courantes, Pavanes etc..).

    Das Schreiben von Instrumentalwerken per se ist ja ein Schritt Richtung Popularisierung der Kunstmusik und eine spätere Entwicklung (die Musik kommt aus der Kirche in die Haushalte - trifft aber zugegebenermassen auch auf frühbarocke Vokalmusik zu). Dass die Instrumentalmusik der Volksmusik entspringt halte ich für völlig offensichtlich, schon deshalb, weil eben die Volksmusikanten ursprünglich die Instrumente hatten und nicht die Chorsänger. Dass sie alt sein muss, steht ebenfalls ausser Frage. Notiert wurde sie aber eben spät.

    Dann musst Du jetzt aber auch die verschiedenen Aspekte ostasiatischer Kunst- und Volksmusik und ihr Überleben und ihre Metamorphosen im Popmusikzeitalter mitberücksichtigen.


    ... und das Wachstum der Weltbevölkerung.


    Das ganze ist eben komplex, vor allem fehlt uns für den Blick auf die heutige Situation die Distanz. Jedenfalls denke ich, das die westliche Kunstmusik in eine neue Phase eingetreten ist.

    Und einige seiner Musik (wie die 4. Sinfonie) wurde selbst von kundigen Freunden als sehr schwierig (zu hören) empfunden, während im 16. Jhd. ein subprofessioneller Musiker wie Luther Josquins Musik offenbar hoch schätzte.


    Na ja, die vierte von Brahms wird nicht nur von sehr talentierten "Subprofessionisten", wie Luther einer war geschätzt, sondern wird landauf landab im Konzertsaal gespielt. Die kundigen Freunde Brahms wollten halt mit tiefsinnigeren Erkenntnissen als nur "hat mir sehr gut gefallen" vor des Meisters Angesicht erscheinen und hatten demgemäss Spundus.

    Dafür ist heute das Musizieren der Massen bezüglich Kunstmusik vielleicht wieder geringer als 1870?


    Glaube ich nicht, ganz im Gegenteil, denn das Erlernen eines Musikinstruments ist in Ostasien sehr weit verbreitet. Bei uns hier mag sich das geändert haben (obwohl sich der Trend angeblich langsam umdreht) - vor allem durch den Erfolg der Pop und Rockmusik. Nichts verschwindet aber sondern macht nur etwas Platz für anderes. Genauso wenig wie Palestrina jemals verschwunden ist, so wenig wird auch die Kammermusik des 19. Jahrhunderts völlig verschwinden.

    Öh, hängt vom Brahmswerk ab.


    Schon richtig, aber die meisten Chorkompositionen sind für Amateure geschrieben. Dasselbe gilt für Mendelssohn, Schumann und Schubert.


    bezüglich Tanzmusik: Woher stammt denn die konzertante Walzermusik des 19. Jahrhunderts? Ich vermute, sie wurzelt viel mehr in der symphonischen Tradition als in der Volksmusik. Der Donauwalzer, z.B. ist ja ein ziemlich komplexes Musikstück, das meilenweit über der in Oesterreich verbreiteten Volksmusik steht.

    Ich kenne schon leicht spielbare Stücke von vor 400 Jahren, Bicinien genannt. Laut Wikipedia auch als Unterrichtsmittel eingesetzt. Manche sind auch recht tänzerisch im Charakter. Die meisten Duos von Bartók sind nicht leichter.


    Noch einmal: ich ziehe keine Grenze zwischen "Gibt es" und "Gibt es nicht", sondern versuche den Blickpunkt auf Häufigkeiten, also Trends, zu verlegen. Im 19. Jahrhundert gibt es bereits Fantastilliarden von Duos und Duetten für Amateure. Klar, diese sind heute kaum mehr bekannt, oder werden wie die Bicinien nur für pädagogische Zwecke eingesetzt, damals waren sie aber sehr präsent.


    Sehen wir uns doch das Beispiel Brahms an: wieviele Stücke für Amateure, die leicht zu rezipieren sind, hat er denn geschrieben? Hunderte? Wieviele von Josquins oder Palestrinas Werken sind für Amateure geeignet? Was ist zugänglicher, Brahms´Chorwerke oder eine isorhythmische Motette von einem Renaissancekomponisten? Nein, es ist schon so wie ich sage: im Laufe der Musikgeschichte, wurden immmer weitere Kreise der Gesellschaft in die Kunstmusik hineingezogen. Das heisst nicht, dass es nicht gleichzeitig sehr anspruchsvolle oder esoterische Musik gegeben hätte, aber eben nicht mehr nur. Es kann schon sein, dass Boulez nicht populär schreibt, aber vor 400 Jahren schrieb eben niemand populär.
    Das Musical ist natürlich definitv ein Derivat der Oper/Operette. Oder wie siehst Du das?

    Ich glaube, ein Aspekt, der bisher zu kurz gekommen ist, ist die Abhängigkeit der Musik von den soziokulturellen Realitäten der jeweiligen Gesellschaft. In der westlichen Kunstmusik lässt sich ein stetiger Trend Richtung Popularisierung und Fasslichkeit feststellen, d.h. von streng kultisch orientierter Musik zu Unterhaltungsmusik verschiedener Art. Die meisten "Fortschritte" sind nichts anderes als (zufällige oder nicht zufällige) Anpassungen an die gesellschaftliche Realität und daher sekundärer Natur. Weiters: entwickelt und diversifiziert sich eine Gesellschaft, dann auch die Musik mit ihr. Die Diversifizierung war niemals so deutlich erkennbar wie heute, aber selbst in 1800 gab es durchaus Pluristilismus zu beobachten. Beispielsweise waren bereits vor 200 Jahren Palestrina und Bach in gewissen Nischen durchaus verbreitet. Zu den Zeiten Palestrinas wurde 200 Jahre ältere Musik hingegen nicht gespielt (natürlich stand um 1800 etwa Palestrina quasi pars pro toto für die Kirchenmusik alten Stils). Da die verschiedenen Ausrichtungen der Musik nicht vollkommen voneinander isoliert sind, hat sich mit der Diversifizierung auch eine grössere Bandbreite an Ausdrucksmöglichkeiten für den individuellen Komponisten ergeben. Im wesentlichen ist die Entwicklung der Musik daher organisch und evolutiv und weniger revolutionär.

    Schon daher sind z.B. polyphone Vokalmusik des 16. Jahrhunderts (die laut Felix Meritis keine Melodie enthielten [??]), Streichquartette von Brahms oder mikropolyphones von Ligeti ein wichtiges Gegengewicht zu "melodieseligen" Werken.


    Da wären wir wieder bei der Diskussion, was denn eigentlich eine Melodie sei. Dieser gehe ich zunächst aus dem Wege ;) . Melodien (Themen als geschlossene Periode), wenn gut erfunden, haben natürlich einen hohen Wiedererkennungswert. Davon unabhängig gibt es aber auch markante Themen, die höchst memorabel sind aber keine Melodien im eigentlichen Sinne darstellen. Das Inzipit des Brahmsschen c-Moll SQ, bspw., ist sicherlich keine Melodie aber trotzdem höchst memorabel. Bei der Renaissancemusik denke ich schon, dass die Fremdheit des thematischen Materials den Zugang zunächst sehr erschwert. Das ist allerdings unabhängig davon, ob eine Melodie im eigentlichen Sinne vorliegt oder nicht. In der elisabethanischen und spätniederländischen Instrumentalmusik gibt es ja zahllose Variationswerke auf damals populäre Lieder. In meinen Ohren sind die aber sehr oft nicht wirklich einprägsam. Das von Sweelinck variierte "Marslied" stellt da für mich fast eine Ausnahme dar. Trotzdem schätze ich die Instrumentalmusik dieser Zeit über alle Massen (schweizer Tastatur!), allerdings wegen anderer Charakterstika.

    Hier liest man ja ein wahres Sammelsurium an fragwürdigen Anwürfen gegenüber Barenboim und Rattle. Zunächst einmal zeigt ein Blick in die jeweiligen Diskographien, dass das deutsche Repertoire bei beiden sehr stark vertreten ist. Rattle spielte in den letzten 15 Jahren alle Mahler-, Brahms- und Beethovensymphonien ein. Dazu noch eine Menge Haydn. Und Barenboim ist ja der Wagnerianer par excellence. Weiters kann man Rattle, der zahlreiche Aufnahmen des Repertoires der Moderne zu verzeichnen hat (dabei unbekanntes wie Szymanowski) ja nun wirklich nicht vorwerfen, er schiele nach der Gunst des Publikums. Ausserdem wurde Shakespeare schon zu seinen Lebzeiten vertont (damals war die englische Musik vielleicht führend in Europa!), und da er wohl der bekannteste Schriftsteller überhaupt ist und Komponisten in vielfältigster Weise inspiriert hat, geht eine Würdigung auch völlig in Ordnung. Man kann ja vom Programm dieses Massenkonzerts enttäuscht sein, aber die hier zu lesenden Tiraden sind völlig deplaziert.

    Sag mal: Leidest Du unter Wahnvorstellungen? Es reicht jetzt wirklich! Und zum letzten Mal: Nichts an meinen Ausführungen hat irgendetwas mit diesem Konzert oder mit Meyerbeer zu tun! Es liegt mir fern, Barenboim schlechtzureden, und ich stimme auch nicht mit der Meinung des Threaderstellers überein! Kannst Du nicht lesen?


    Andere taten das aber sehr wohl und ich verstehe Holgers Ärger. Was ich weniger verstehe, ist, dass Du hier wiederholt postest, ohne erklärtermaßen etwas zum Thema sagen zu wollen. Aber Du scheinst ja Holger in jeden Thread nachsteigen zu müssen - manchmal seltsamerweise unter dem Vorwand, vermittelnd eingreifen zu wollen.

    Und wer bestimmte denn die deutsche Kulturpolitik des ausgehenden 19. und angehenden 20. Jahrhunderts? Die "Mendelssohnianer" oder "Schumannianer"? Nein, die "Wagnerianer", die jedes Wort ihres Meisters für bare Münze nahmen. Mendelssohn hat sich gewiss nicht öffentlich gegen Meyerbeer positioniert, Schumann war wie Wagner auch Musikschriftsteller, aber für den weiteren Verlauf der deutschen Musikgeschichte bis doch mit weit weniger Einfluss, gerade im Opernbereich.


    Mendelssohn hat sich öffentlich überhaupt nie positioniert, aber Schumann war recht deulich anti-Meyerbeer und hatte mit Liszt um 1850 einen heftigen Streit, weil dieser Meyerbeer über Mendelssohn gestellt hatte. Die Schumannianer waren übrigens bis 1900 noch ziemlich einflussreich in Deutschland (Bruch, Reinecke, Dessof, Brahms!, etc..) und zu Lebzeiten hatte es Wagner teilweise noch recht schwer. Aber inhaltlich gehen wir eigentlich konform. Ich wünsche Meyerbeer ja auch eine Neubewertung wie sie Mendelssohn erfahren hat.

    Klar, je öfter man ein Werk hört, desto eher wird man sich an die Themen erinnern. Das gilt aber nicht für alle Werke. Heute habe ich mir wieder einmal das C-Dur Streichquintett von Mozart, KV 515, angehört. Zweifelsohne ein Meisterwerk, aber mit so matten Themen ausgestattet, dass ich jetzt nur das Finalthema vor mich hinsummen könnte. Ich denke, es gibt schon die Tendenz, dass Werke mit sehr starker Kontrapunktik (und da gehört KV 515 eindeutig dazu - ein Wunderwerk der Stimmführung) zu weniger markantem thematischen Material neigen.

    Nein, Berlin ist seine Heimatstadt und zur Allmacht des Herrn Wagner kannst du im Meyerbeer-Thread einiges nachlesen, aber das willst du ja wohl leider nicht...

    Ich habe nicht nur Deine dortigen Beiträge gelesen, sondern auch das Buch Jens Malte Fischers über Wagners Antismitismus. Aber um einmal Dich aus dem Meyerbeer-Thread zu zitieren:


    Zitat

    Meyerbeers Ansehen war freilich schon einige Jahre nach seinem Tod im Sinkflug begriffen:
    Wurde der Verstorbene 1864 bei seiner Überführung von Paris nach Berlin noch in Frankreich und Deutschland geehrt, war ein deutscher Komponist als Opernkönig von Paris 6 Jahre später im Deutsch-Französischen Krieg weder bei den Deutschen noch bei den Franzosen sehr gelitten. Der zunehmende Nationalismus war dem Nachruhm dieses international eingestellten Komponisten, der die nationalen Stile verschmolzen hatte und auch sonst ein guter Europäer war, nicht eben förderlich. Deutschland besann sich auf seinen Richard Wagner, während die Franzosen sich auf ihre eigenen Komponisten besannen.

    Für den deutsch-französischen Krieg kann Wagner nun wirklich nichts, und dass ein Komponist, der selbst nach seiner Rückkehr nach Berlin weiterhin französische Opern schrieb, im späten 19. Jahrhundert in Deutschland einen schweren Stand hatte, verwundert nicht - Wagner hin oder her. Vielleicht sollte man auch nicht verschweigen, dass nicht nur Wagner gegen Meyerbeer anschrieb, sondern auch Schumann. Mendelssohn mochte Meyerbeers Musik übrigens auch überhaupt nicht. Das heißt, dass Meyerbeer weder unter den Wagnerianern noch unter den Konservativen Unterstützer hatte. Trotzdem wurden seine Opern, wie Du schreibst, bis 1933 aufgeführt. Also scheint er in Deutschland trotz allem Anhänger gehabt zu haben.

    Weil ihm schon zu Lebzeiten und erst recht danach viel Unrecht widerfahren ist, und weil es an der Zeit ist, ihm von verfälschenden Bild durch Wagner, das leider noch immer nachwirkt, zu rehabilitieren!


    Das mag sein, aber ob gerade ein "Europakonzert" der passende Rahmen für eine Rehabilitierung ist? An die Allmacht des Herren Wagner glaube ich auch nicht. Was interessiert das die Franzosen? Ich sehe überhaupt hier Paris mehr in der Pflicht als Berlin.

    Für mich ist "Fortschritt" ein per se teleologischer Begriff (dies entspricht auch der gängigen Definition des Wortes), und daher in der Kunst nur ganz gezielt einsetzbar. In der Naturwissenschaft ist Fortschritt immer dann gegeben, wenn Phänomene in größerem Detail verstanden werden. Das ist in der Kunst so nicht anwendbar, da es eben kein allgemeines Ziel gibt. Frage ich speziell: "ermöglichte die Weiterentwicklung des Pianofortes einen Fortschritt in Beethovens Kompositionsstil für Klavier?", dann ist die Antwort "ja". Lautet die Frage: "ist ein Steinway gegenüber einem Streicher von 1800 ein Fortschritt?", dann lautet die Antwort: "kommt darauf an".

    Bei Albinoni habe ich unlängst eine äußerst positive Überraschung erlebt (soll meine zweite Empfehlung werden). Ich muss zugeben, vielleicht nicht der größte Fan von Albinonis Oboenkonzerten zu sein und hab mir aus eher oberflächlicher Neugier sein Triosonaten op. 1 gekauft:



    Und das sind wirklich wunderschöne Werke: tiefsinnig, kontrapunktisch dicht mit guten Themen. Die Stimmung ist eher düster, selbst in den Dur-Werken. Das "Allerwelts-Tralala", das mir oft den italienischen Spätbarock verleidet fehlt hier völlig. Die Werke entstanden noch vor 1700 und sind daher noch stark von der polyphonen italienischen Schule von Legrenzi geprägt (dessen Werke kommen vielleicht als dritte Empfehlung).