Nun denn. Wohlwissend, dass ich manchem mit dieser Wahl etwas zumute, war mir zugleich mein Favorit für meinen Beitrag hier seit längerem klar, und so soll es denn sein:
Franz Schubert:
Oktett für Klarinette, Horn, Fagott, Streichquartett und Kontrabaß F-Dur op. 166 D 803
Es handelt sich hier um Schuberts längstes Kammermusikstück, geschrieben im Februar 1824. In meiner aktuellen Lieblingsaufnahme mit dem Mullova Ensemble ist das Werk 1 Stunde und 4 Minuten lang. "Himmlische Längen"? Ja - aber ganz anders als bei Schuberts Großer C-Dur-Sinfonie, und doch manchmal verwandt.
Schubert schrieb zum Oktett: "überhaupt will ich mir auf diese Art den Weg zur großen Symphonie bahnen". So wird es dann auch ein Werk, das zwar noch als Kammermusik gelten kann, aber zum Sinfonischen neigt, Grenzen tranzendiert oder zumindest berührt.
Im Vergleich zur "großen Symphonie" gilt: Same same but different. Das Adagio im Oktett ist reine Schönheit, ohne die "große Katastrophe" des zweiten Satzes der Sinfonie. Aber im vierten Satz, im Andante, findet sich dann doch wieder ein schmerzhaftes Aufbäumen. Aber weitgehend ist der Ton schwelgerisch, nicht so düster wie im Streichquintett oder gar im G-Dur-Quartett.
Der dritte Satz des Oktetts, Allegro vivace, ist von der Art her deutlich ähnlicher dem Sinfonienpendant.
Insgesamt ist es ein Stück das mich fasziniert, aber auch verwirrt. Es folgt dem Mozartschen Divertimento, auch von der Länge her. Warum waren diese Divertimenti, die ja eigentlich Unterhaltungsstücke waren, zeitlich so lang, länger als Sinfonien?
"Himmlische Längen" - das suggeriert ja immer auch eine gewisse Unverbindlichkeit der Musik. Wird hier das Material zu sorglos ausgesponnen? Ist Schubert hier nicht streng genug mit sich selbst?
Warum hat das Werk sechs Sätze? Weil für Schubert Beethovens Septett formbildend war? (Auch das Septett hat einen Variationensatz).
Insgesamt gibt es in diesem Werk viele typische Schubertsche Stilelemente: Den melodiösen Ohrwurm, das drahtige Crescendo, das klangliche "Weben", das nicht Mendelssohn, sondern Schubert erfunden hat.
Das Stück ist für mich ein wenig wie ein Labyrinthgarten, den ich zugleich immer wieder liebend gern betrete. Tatsächlich liebe ich dieses Werk so sehr, dass ich mir die Welt nicht ohne vorstellen möchte. Es ist wahrscheinlich mein meistgehörtes Kammermusikwerk.
Gute Aufnahmen gibt es übrigens einige. Neben dem unten dargestellten mit dem Mullova Ensemble kann ich auch die SACD mit den Wigmore Soloists empfehlen.

Gutes Hören
Christian Hasiewicz