Beiträge von Daniel Behrendt

    Rilling mag zu machen, ist wirklich nicht fair - das sehe ich im Wesentlichen genau so, wie meine Vorredner. Allerdings komme ich mit den breiten Tempi und der reichlich behäbigen Rhetorik seiner früheren Aufnahmen nicht klar. Allerdings: Es wäre vermessen, Rillings Einsichten der 70er gegen modernere Bach-Auffassungen auszuspielen. Misst man Rillings frühere Aufnahmen, an der Konkurenz dieser Zeit, kann man nicht umhin, ihm zuzugestehen, dass er sich um Klarheit, Einfachheit und die tiefgründige Auslotung der "Botschaft" bemüht.
    Da ich noch verhältnissmäßig jung bin, wurde ich von den "historosierenden" Konzepten zwischen Rifkin und Herreweghe geprägt Das ist ferilich eine ganz andere Welt. Mitunter muss man das Gewohnte allerdings aus dem Kopf verbannen, um anderen Auffassungen eine Chance zu geben - Mir hat das zumindest zu Rillings neueren Aufnahmen einen Zugang gelegt. Die erfordern eigentlich auch gar nicht so viel Umdenken: Man spürt, dass iRilling Anleihen bei der "historisch informierten" (all diese Begriffe sind eigentlich fürchterlich...) Musizierpraxis macht, sich dabei aber weiterhin treu bleibt. Es kann gut sein, dass sich Rilling auch noch in 20, 30 Jahren als "Klassiker" am Markt behaupten kann - das müssen andere erst mal beweisen...
    Und: Rillings Händchen für Sänger ist wirklich einzigartig - er greift eigentlich nie daneben (anders als gelegentlich Gardiner und Koopman)!


    Kiebe Grüße! :hello:
    Daniel

    Hallo Matthias,


    Danke für den Tipp! Werd' mich mal nach Hickox umsehen (Habe einiges von Britten mit ihm - ist auch sehr orgdentlich) Es gibt übrigens auch noch eine passable Gloria-Aufnahme mit Gardiner (kombiniert mit Händels Dixit Dominus) - auch die ist nicht übel, aber solistisch hat sie mich nicht wirklich befriedigt.


    LG :hello:
    Daniel

    Die King-Box ist bei mir eingetroffen - nach kurzen Sichproben kann ich nur sagen: spitze! Die richtigen Tempi, der richtige Klang, stilistisch extrem stimmig, eine (wie immer bei King) fabelhafte Sängerauswahl. Irgendwie scheint so gut wie alles zu gelingen, was King anpackt - gut angelegtes Geld!


    LG! :hello:
    Daniel

    Hallo Maik,


    hier ist ja schon so viel schönes und nützliches zum debussy-klavierwerk gesagt worden, dass du dir daraus deine diskothek quasi im blinden vertrauen auf die geballte kompetenz der taminos zusammenstellen kannst.


    ich bekräftige also nur noch mal: ich würde bezüglich einer erstanschaffung der préludes unbedingt zu zimerman raten - die übertrifft m.e. sogar die kultaufnahme von abm! hör einfach man nur in die "cathédrale" (weiter oben schon von christan wärmstens empfohlen) und in "feux D'artifice" rein- zwischen diesen beiden interpretatorischen extrempolen spürst du sofort, welch ungeheuerliche dynamische, klangfarbliche und dramatische "amplitude" zimerman abdeckt - die scheibe ist ein pianistisches wunder und wird es vermutlich noch lange bleiben!
    Über gieseking habe ich an anderer stelle, glaube ich, schon abgelästert - ich finde nicht, dass seine platten viel von seiner legendären fähigkeit verraten, unendliche viele klangfarben und dynamische feinstschattierungen hervorzubringen. angesichts des mythos der sich um G.'s ravel- und debussyspiel rankt, war ich total enttäuscht. vermutlich war er kein platten-, sondern ein live-künstler. (seine mozart-aufnahmen sind dennoch göttlich, wenigstens z.t.) Wenn du einen "klassiker" kaufen willst, dann unbedingt Casadesus!


    Und noch ein tipp: ich glaube, man bekommt die debussy-aufnahmen von zoltan kocsis derzeit in einer preiswerten philips-box. sie gehören debussy-mäßig wirklich zum besten - ohne den kleinsten abstrich zu empfehlen (übrigens ist kocsis' "childrens corner", der dir ja den anstoß zu diesem thread gab, ein gedicht!) - kaufen!


    Und zuletzt ein geheimtipp: Eine überraschung waren für mich die arrau-préludes - ich holte sie seit jahren mal wieder aus dem regal und war wirklich angetan von seinem sehr sonoren, sehr intimen und total "unimpressionistischem" spiel - eine ausgefallene einspielung, die man eigentlich kaum irgendeiner anderen zuordnen kann.


    also:
    aufregende entdeckungen mit claude wünscht
    daniel :hello:

    Lieber Tastenwolf,


    ein interessantes Thema, über das ich neulich anlässlich eines recht miesen Kantorei-Konzerts nachdenken musste...


    Meine Überlegungen galten nicht nur den "kleinen Schleifern", sondern auchdem (angemessenen) Vibrato (zwei Gestaltungsmittel, die von Geigern nicht seltener ge- oder missbracht werden als von Sängern...).
    Ich glaube schon, dass man eindeutig erkennen kann, ob diese Mittel mit künstlerischer Absicht eingesetzt werden, oder dem Musiker aus Unvermögen "entfleuchen". Die Anforderung an eine saubere Intonation, an ein reines Singen sind ja stetig gestiegen - Wenn ein Sänger im Allgemeinen "sauber" singt und Portamenti nur gelegentlich und gezielt einsetzt, dann kann das durchaus seinen Reiz haben (zu viel davon wirkt aber unerträglich schmalzig, dann klingt's einfach nur getrickst!) . Selbst das sogenannte "Knödeln" kann in Maßen recht einschmeicheld klingen (Goerne und Prey sind Beispiele für Sänger, die mit viel Kehldruck arbeiten/gearbeitet haben, beide bewegen/bewegten sich gekonnt auf dem schmalen Grat zum "Knödeln"). Auch das Vibrato kann sehr bewusst als gestalterisches Mittel eingesetzt werden, gerne auch in der Altem Musik - allerdings dort mit ausgesprochener Behutsamkeit.
    Diese und andere Stilmittel sind in den letzten Jahrzehnten anscheinend in Veruf geraten - die Präferenzen verschoben sich eindeutig zugunsten eines "obejektiveren" Singens.


    Der Vergleich mit dem Rubato ist mir übrigens auch in den Sinn gekommen. Ebenfalls ein Stilmittel, das kaum objektivierbar ist. Chopin-Interpretationen ohne subtiles Rubato (besonders bei den Mazurken) sind ein echter Graus. Aber wo ist die Grenze zur Geschmacklosigkeit, zum billigen Effekt? Die Kunst liegt darin, den Puls der Musik zu spühren, ihre "Bedürfnisse" zu erahnen. Das Rubato erinnert mich irgendwie an diese Hundeleinen, die man per Knopfdruck arretieren bzw. freigeben kann - das soll natürlich nicht heißen, dass Chopin-Mazurken Hündchen sind... Aber ein untrügliches Gefühl für die perfekte Balance zwischen Freiheit und Strenge ist schon nötig, um die "subjektiven" Gestaltungsmittel geschmackvoll und schlüssig einzusetzen...
    Als Faustregel könnte gelten: Ohne gestalterische Freiheit ist Musik leblos, aber Freiheit in der Musik verpflichtet (wie auch im echten Leben) zur Verantwortung.


    LG! :hello:
    Daniel

    Liebe Taminos,


    eigentlich ein schöner Thread - schade, dass der nicht in Geng gekommen ist...
    Also versuch ich's nochmal. Gerrit hat in der Eröffnung einen interessanten Aspekt erwähnt:


    Zitat

    Zitat Gerrit Stolte: gab es doch schon nach kurzer Zeit heftige Diskussion und beißende Kritik bzgl. des Wertes der Serie, der Relevanz der Pianistenauswahl und der Zusammenstellung des jeweils publizierten Repertoires.


    Man könnte diesen Aspekt mühelos auf andere Projekte, wie den "Klavier-Kaiser" übertragen. Grundsätzlich ist der Versuch einer Übersichtsdarstellung eines "klavierspielenden Jahrhunderts" natürlich zum Scheitern verurteilt. Aber ich fand die "Great Pianists"-Reihe in ihrer Größe und Vielfalt schon sehr ambitioniert. Es waren weiß Gott nicht nur aktuelle Berühmtheiten, sondern auch in Vergessenheit geratene Ostblock-Legenden und Größen der diskographischen Frühzeit vertreten. Als die Restbestände abverkauft wurden (natürlich für 'nen Appel und 'n Ei!) habe ich leider nicht kräftig genug zugelangt - ich hätte mir alles kaufen sollen, was verfügbar war, denn viele Aufnahmen sind mit der Edition vom Markt verschwunden. Den Wert der Edition habe ich wohl etwas zu späte erkannt.


    Ich habe Reihe einige Entdeckungen zu verdanken - ohne sie wüßte ich vielleicht nicht wer Rosalyn Tureck war. Und das wäre Jammerschade!


    Es ist natürlich berechtigt, Kritik an der Pianistenzusammenstellung und der Stückeauswahl zu üben. Manche Namen und viele herausragende Interpretation fehlen unter Garantie.


    Wen oder was habt ihr vermisst? Was würdet ihr tun, wenn man euch die Ehre antragen würde eine solche Edition zusammenzustellen?


    LG! :hello:
    Daniel

    Hallo Johannes,
    Ja, man könnte auch die gesamte Beethoven-GA mit Solti loben - ist wirklich nicht übel!
    Zu seinem Schubert: Neulich spielte mir ein Freund die ersten Takte aus (wenn ich mich recht entsinne) D959 der Vorletzten Schubert-Sonate vor. Ich sollte Raten wer's war. Es klang hart, fast scheppernd, so als ob ein ungezähmter Wilder auf Beethovens Hammerklaviersonate losgehen würde. Ich tippte uncharmanterweise auf den greisen Serkin aber, oh Schreck, es war der noch nicht ganz so greise Ashkenazy...
    Die Platten, die A. in den letzten Jahren gemacht hat (er ist ja, wie's scheint mit vollem Elan an den Flügel zurückgekehrt) sind für mein Empfinden nicht mehr auf dem Level der früheren Aufnahmen. Heute klingt manches unrund, hölzern, etwas zu pauschal oder gar langweilig - bisweilen ein bisschen Chorepetitorenmäßig. Schade, denn der junge Ashkenazy war wirklich ein absolutes Ausnahmetalent.


    LG! :hello:
    Daniel

    Hallo Siamak,


    Ja, des sehe ich genauso: Ashkenazy ist ein echter Sympath und ein wirklich großer, universeller Musiker - Im Einzelnen snd andere besser, in der Vielfalt seiner Talente ist Ashkenazy hingegen ein Phänomen.
    Im Konzert wirkt er stets so, als würde er sich riesig darauf freuen, Musik zu machen. Allein wie zackig dieser laufende Meter (er ist ja wirklich ein Zwerg, fast wie Cherkassky...) auf die Bühne flitzt ist schon enorm mitreißend. Am Flügel agiert er für mein Empfinden dann allerdings deutlich verhaltener als am Dirigentenpult, wo er es an starken Abenden durchaus versteht, dem Affen Zucker zu geben. Mir fallen übrigens noch zwei Aufnahmen ein, die sehr, sehr gut sind:


    Bachs BWV 1052 mit Zinman - eine sehr energisch vorwärtsdrängende "dramatische" Interpretation,sicher nix für Puristen, aber trotzdem: toll, toll, toll!


    Und: Beethoven 2 aus der frühesten GA mit Solti


    Aber auch die Mozartkonzerte - absolut unterschätzt, sollten häufiger erwähnt werden.


    LG! :hello:
    Daniel

    Ich gebe zu: Auf Schwarzkopfs ganz und gar unverwechselbares klares, helles Timbre fahre ich voll ab. Auch ihre Artikulation ist unglaublich - danach könnte man problemlos Diktate schreiben. Ihre frühen Schubert-Aufnahmen, die Vier letzten Lieder von Strauss, Mozart, aber auch die Noblesse, mit der sie den Operetten-Strauß adelt, sind absolut göttlich und von wirklich erlesenem Geschmack. Keine Frage: Ihr Singen ist total überfeinert, oft regelrecht gekünstelt. Aber so schwere- und mühelos konnten nun wirklich nicht viele Singen!


    Dieser notorische Dauervorwurf der Kälte, der inneren Anteilnahmslosigkeit wird natürlich bei jeder Gelegenheit ins Feld geführt. Ich kann das, ehrlich gesagt, nicht nachvollziehen. Die Kunst der Schwarzkopf buhlt um jede Silbe, um die feinste klangfarbliche Nuance um einfach jeder noch so kleine Detail - diese kaum zu übertreffende Gründlichkeit zeugt doch von einer bedingungslosen Liebe zum eigenen Tun, oder? Und das hat mit "Kälte" wirklich nichts zu tun...


    LG :hello:
    Daniel

    Lieber Lullist,


    ich ringe sehr mit mir, in die King-Box zu investieren, da ich eigentlich alles, was ich von ihm habe, richtig toll finde. Derzeit ist sie relativ preiswert, also: warum eigentlich nicht...


    Ich liebe natürlich das bekannte Gloria RV589. Kennengelernt habe ich es in der hochanständigen Harnoncourt-Aufnahme. Dann kamen Alessandrini und sein fabelhaftes Concerto Italiano - die fegen wie der Teufel durch die Partitur. Das hat mich natürlich aus den Latschen gehaun: Wahnsinn! Seitdem erscheinen mir alle anderen Einspielungen als zu "langsam". Das ist eigentlich ziemlich schlimm, denn was Alessandrini da macht, ist schon ganz schön pervers! Der arme Chor! Aber einen Heidenspaß macht's trotzdem...


    LG :hello:
    Daniel

    Hallo Tom,

    Zitat

    Zitat Tom: Falls Du nicht der Typ für Extreme bist, gibt es auch vermittelnde Einspielungen, wie meine persönliche Lieblingsaufnahme, nämlich die mit Thomas Hengelbrock aus dem Jahr 1996.


    ...naja, ich weiß ja nicht... Hengelbrock als NICHT extrem zu bezeichnen, finde ich reichlich gewagt ( übrigens: es ist auch meine Lieblingsaufnahme). In bezug auf Tempo und Emphase gehen Hengelbrock und sein Balthasar-Neumann-Chor schon sehr in die Extreme. Das ist definitiv eine Aufnahme bei der man sich anschnallen muß, aber, ohne Frage: heiß!


    Als vermittelnde Aufnahme zwischen den von dir skizzierten Polen Rifkin und Giulini würde ich da eher Herreweghe (klangschön, fließend und mittelgroß besetzt) oder Rilling ("redliche" Interpretation ohne Schnörkel, tolle Solisten) empfehlen.


    LG! :hello:
    Daniel

    Hallo IFI,


    Herr Castro produziert schon viele Jahre bei Arte Nova (und hat kürzlich mit M.-J. Pires vierhändigen Schubert bei der DG eingespielt) . Irgendeine Aufnahme hatte ich mal von ihm, deshalb ist mir sein Name auch noch geläufig. Hängengeblieben ist da allerdings nix - ich muss Herrn Castro also als nicht sonderlich spektakulär empfunden haben (wer weiß, vielleicht ginge es mir anders, wenn ich ihn nochmals höre - ist ja nicht auszuschließen...)
    Wenn seine Nocturnes wirklich besser sind als die von Arrau, dann muss er ja ein ziemlich Wundertier sein - Arraus Version gehört für mein Empfinden neben die von Moravec und Rubinstein, in die Reihe der wirklich "klassischen" Nocturne-Aufnahmen - hohe, noble Kunst, die sich nirgendwo im Effekt verschwendet!


    PS: habe inzwischen übrigens die in diesem Thread vielfach erwähnte Askenase-Box im Regal stehen - schön, aber zu wirklicher Begeisterung reißt's mich nicht hin.


    LG! :hello:
    Daniel

    Liebe Taminos,


    Vor vielen, vielen Jahren entlieh ich aus unserer städtischen Bibliothek ein Buch über Claudio Arrau, das, wenn ich mich recht erinnere, auf der Grundlage von Interviews entstand. (Keine Ahnung mehr, wie's hieß...)


    Auf mich machte Arrau damals einen schrecklich unsympathischen Eindruck: spitzfindig bis kleinkarriert, dogmatisch und nicht immer wohlwollend in seinen Äußerungen gegenüber Kollegen (er sprach z.B. ziemlich abschätzig über Horowitz Technik). Irgendwie war ich dieser Person gegenüber immer etwas ambivalent. Einige seiner Platten gehören fraglos zum Schönsten überhaupt (sein Chopin und sein Schumann ganz sicher). Hätte ich das Buch nicht gelesen, könnte ich Arraus grandiose Kunst wohl (noch) unbefangener genießen...


    Andersherum gibt es natürlich auch Pianisten, die mir in ihrer Ausstrahlung sympathisch sind (waren). Wenn sie irgendwo (begründet) kritisiert werden, nege ich dazu, sie blindwütig zu verteidigen. Es kostete mich beispielsweise viel Überwindung, mir endlich einzugestehen, dass Shura Cherkassky neben einigen wirklich genialischen Leistungen auch ziemlich viel Käse fabriziert hat.


    Anscheinend ist es nicht immer einfach die Person und ihr Wirken klar und "unparteiisch" voneinader zu trennen.


    LG! :hello:
    Daniel

    ... Kruzifix! Irgendwas mache ich beim Durchsuchen der Foren falsch!!! Naja, jetzt sind die Threads wenigstens zusammengeflickt- ...vielmals um Entschuldigung!
    Also, dann kann ich jetzt ja lesen, was ihr von Ashkenazy haltet.


    Und, Hallo Maexl,

    Zitat

    Zitat Maexl: Kennt jemand vll. die Aufnahme schon - oder den/die Pianist/in: Håkon Austbø?


    Ja, der ist nicht schlecht. Er produziert nicht nur für Brilliant sondern auch für Naxos. Unprätentiöser, im Detail höchst akkurater Spieler, der eine Menge Modernes im Repertoire hat. Seine Messiaen-Aufnahmen gehören zu den besten, auch die Scrjabin-Sonaten sind nicht übel - er legt offenbar weniger Wert auf rauschende Virtuosität als auf eine behutsame Klangregie und Strukturklarheit. Für die paar Euro macht man jedenfalls nix falsch!


    LG :hello:
    Daniel

    Liebe Taminos,


    habe ich das Forum richtig durchsucht? Gibt es tatsächlich noch keinen Thread zu Vladimir Ashkenazy? Wenn nicht, dann schieße ich einfach mal los:


    Eines vorweg: Ich will an dieser Stelle den Kapellmeister Ashkenazy außen vor lassen und mich erst gar nicht an die leidige Diskussion wagen, ob Pianisten, die das Dirigieren für sich entdecken, zwangsläufig zu klimpernden Dirigenten mutieren müssen. In dieser Hinsicht scheint mir Ashkenazy pianistisch doch sattelfester geblieben zu sein, als Daniel Barenboim.


    Den Pianisten Ashkenazy zeichnete ein wahrhaft enzyklopädisches Interesse an der Musik des klassich-romantischen Repertoires aus. Wenn er sich Schumann vornahm, spielte er nicht nur die Kreisleriana und die symphonischen Etüden, sondern gleich den ganzen Schumann ein. Genauso verfuhr Ashkenazy auch mit Chopin, Rachmaninow, Skrjabin, Prokofjew, Mozarts Klavierkonzerten und Beethoven (dessen Klavierkonzerte ich zumindest in drei Gesamtaufnahmen habe - vermutlich staubt in irgendwelchen russischen Archiven noch die eine oder andere vor sich hin...)


    Auf dem Feld der Kammermusik mit Klavier tummelte sich Ashkenazy nicht weniger fleißig. Es liegen praktisch alle Standardwerke der Literatur mit ihm vor, dazu die eine oder andere Scheibe auf der er sich als Liedbegleiter austobt...


    Tja, was soll man von ihm halten? Er ist erstaunlich vielseitig, ein gründlicher, natürlicher Musiker, mit kernigem, "urgesundem" pianistischem Zugriff.


    Mir scheint, als habe er inzwischen einen ziemlich miesen Ruf, um's vorsichtig auszudrücken... Woran liegt das? Hat er zu viele Noten gefressen und über die Quantität vergessen, hin und wieder eine wirklich aufregende, künstlerisch eigenständige Platte zu machen? Bemerkenswerterweise dominierte Ashkenazy vor ca. 15 Jahren den Katalog von DECCA - heute wird er in Budget-Boxen verramscht...


    Ich finde ihn allerdings deutlich besser, als seinen Ruf. Technisch ist er nach wie vor sehr zuverlässig, allerdings scheint er seine Bänder im Studio (aus Nachlässigkeit oder mit Absicht?) nicht immer gründlich abzuhören. Es gibt hier und da Huddeligkeit, rhythmische Unsauberkeiten, in langen brillanten Passagen, droht er manchmal zu "verhungern", bzw. schließt sie nicht mustergültig ab (es kann natürlich auch sein, dass er es ablehnt, von"misslungene" Passagen weitereTakes zu machen). Sein klangliches Differenzierungsvermögen (bzw sein Interesse an Klangfarben) war noch nie besonders stark ausgeprägt. Ashkenazy hat einen massiven, recht unpersönlichen Ton und arbeitet nur wenig mit dynamischen Abstufungen - sein wirklich alles andere als überfeinertes Spiel schwankt zwischen aufrichtiger Natürlichkeit (in den gelungenen Aufnahmen) und bäuerlicher Plumpheit (in den weniger gelungenen Aufnahmen).


    Allerdings: Das er in irgendeiner Form respektlos, bzw. fahrlässig mit Musik umgeht, kann man ihm als allerletztes unterstellen. Seine Redlichkeit ist mit Sicherheit eine seiner Kardinalstugenden.


    Der aktuelle Anlass dieses Threads ist sein neu erschienenes "wohltemperiertes Klavier". Ich habe bezüglich des WTK einen Vollständigkeitstick, ich nehme wirklich jede Aufnahme mit, also auch die Lesart von Vladimir Ashkenazy. Ich habe ein paar Nummern (allerdings noch nicht wirklich konzentriert) gehört. Es ist wie erwartet: Besser als Ashkenazys Ruf, aber vermutlich nicht gut genug, um für längere Zeit Bestand in den Katalogen zu haben. Ashkenazy fehlen einfach zentrale Qualitäten, die wirkliche Bach-Spezialisten auszeichnen (z.B. in bezug auf Phrasierung, Akzente, korrekte Triller). Ashkenazys Spiel klingt strukturklar, pianistisch im Großen und Ganzen souverän, ehrlich und im positiven Sinne unaufgeregt - aber leider auch etwas zu unbedarft und hölzern.
    Allerdings kann man auch hier attestieren, dass Ashkenazy wenigstens keine Nabelschau praktiziert und seinen Bach auf Teufel komm raus extravagant aufhübscht, um seine Version "einmaliger" und damit konkurenzfähiger zu machen. Dafür, dass Bach für Ashkenazy nur ein Projekt unter vielen ist, sollte man ihm fairerweise wenigstens etwas Respekt für seine Leistung zollen - andere würden es sicher um einiges schlechter machen.


    Wie geht es Euch? Ist Ashkenazy ein Langweiler, ein uninspirierter Allesspieler, ein Handwerker, der sich versehentlich ins Künstlerzimmer verirrt hat?


    Oder doch ein zu unrecht verschmähter Tastengroßmeister?



    LG! :hello:
    Daniel

    Hallo Siamak,
    ich bin so frei, dich zu zitieren:

    Zitat

    letztlich muss man sagen, dass hier das label hyperion zwei superlative aufbietet, die mal nicht der russischen klavierschule entsprangen und insgesamt auch abwechslung schon alleine deshalb versprechen


    ... allerdings kommt es mir so vor, als würde heute kaum noch jemand der russischen Klavierschule entspringen und die typischen Merkmale Krafteinsatz, fester (um nicht zu sagen: harter) Anschlag, orchestrale Klangfülle und Temperament kultivieren. Osborne und Hamelin empfinde ich als ziemlich moderne "kosmopolitische" Spieler - zweifellos hat dieser "internationale" Pianistentypus (natürlich nur in weniger markanten Ausprägungen als Hamelin und Osborne) neben Vielseitigkeit, Stilsicherheit und Brillanz nicht selten auch die herausragende Eigenschaft der Langweiligkeit...
    Positiv gesagt: Als Russe muss man nicht mehr zwingend auf den Tasten rumhämmern bis der Flügel unter einem kolabiert.
    Negativ gesprochen: Das Aussterben der sogennanten "Nationalen Schulen" (fürchterlicher Begriff!) führt zum Verschwinden vieler pianistsischer Eigenheiten, zum Verlust eines markanten Profils.
    Die Globalisierung trifft eben auch die Musik in der ganzen Fülle ihrer Möglichkeiten und Gefahren...


    LG! :hello:
    Daniel

    Hallo Siamak,


    Ja, Streven Osborne ist ein ganz heißes Eisen - Famos ist auch sein mitreißende Kapustin-Scheibe. Sie steht der von Hamelin in nichts nach. Vielleicht zündet Osborne den Tasten-Turbo etwas dezenter als Hamelin, dafür ist sein Spiel fast ein wenig konturierter und kerniger. Hypérion scheint Osborne und Hamelin als "Konkurenzprodukte" zu vermarkten, als die vollblütigen Rennpferde aus dem eigenen Stall. Ich glaube aber, dass Osborne, dem technisch zweifellos alles zu Gebote stünde, reflektierter mit dem "Virtuositätsaspekt" umgeht, als Hamelin. Es würde mich nicht wundern, wenn Osborn ihn irgendwann musikalisch überflügelt.


    LG! :hello:
    Daniel

    ... es ist schon lustig, wie auf einmal alle Taminos betonen nur GANZ SELTEN und, wenn überhaupt, nur GANZ, GANZ KURZ krank zu sein... Scheint also doch was dran zu sein, an der hier geäußerten musikalischen "Gesundbrunnen-These". Wir könnten ja eine musikalische Hausapotheke zusammenstellen: "Die passende Musik für Galle, Niere, Leber und Liebeskummer". Damit könnte Tamino glatt ein (aller Voraussicht nach florierendes) Gewerbe anmelden...


    LG :hello:
    Daniel

    Hallo Michael,

    Zitat

    Zitat Michael: Beroff arbeitete damals an einer neuen Gesamteinspielung des Debussy-Klavierwerkes, er scheint also mit Abstrichen wieder "beidhändig" spielen zu können.


    ...es wird vermutlich die Denon-Einspielung sein. Béroff veröffentlichte seine Préludes kurz nach Zimerman, es muss also schon ein paar Jahre länger her sein als vier Jahre. Komischerweise habe ich danach nichts mehr vom Fortgang des Debussy-Projekts gehört. Meines Wissens nach blieb es bei zwei oder drei CD's. Ob er z.B. die Ètudes noch eingespielt hat, weiß ich nicht.
    Die Aufnahme der Préludes lässt aber darauf schließen, dass die Rechte auch damals wieder OK gewesen sein muss - sie ist überaus brillant, souveräner noch, als die EMI-Einspielungen aus den 70ern. Aber wie so oft: Viielleicht machte er live (da schlägt die Stunde der Wahrheit natürlich unüberhörbarer, als im Studio) einen vollkommen anderen Eindruck oder er hatte vor vier Jahren schon wieder eine Lähmung...


    LG! :hello:
    Daniel

    Hallo Maik,
    Also ehrlich gesagt: eigentlich haut es mich (toi toi toi!) so gut wie nie um. Aber wenn ich mal flach liege, dann so heftig, dass das Fieberdelirium jedes Sicheinlassen auf Musik verhindert...


    Wenn mich aber eine nur leicht fibrige Erkältung oder ein gebrochenes Bein ans Bett fesseln würden, griffe ich auf jeden Fall zu Vertrautem. Experimente mache ich im geschwächtem Zustand grundsätzlich nicht!


    Ich würde große, zyklische Sachen, oder viele Kleinigkeiten von nur einem Komponisten hören, weil ich ja richtig viel Zeit hätte: Das ganze wohltemperierte Klavier, einen ganzen Tag lang, in vier, fünf Aufnahmen. 50 Scarlatti-Sonaten am Stück. Endlich mal die ganz frühen Klavierkonzerte von Mozart richtig genau hören. Viele Bach-Kantaten, wenn ich Ostern krank sein sollte, natürlich seine Passionen. Purcell rauf und runter. Schubert-Lieder in hellen, labenden Sopranstimmen. Monteverdis achtes Madrigalbuch (gesund bin ich oft zu überdreht dazu...). Alte Klavieraufnahmen der guten, alten "romantischen" Schule...


    Ich glaube, ich würde mir im Krankheitsfall meine allerliebsten Scheiben zu Gemüte führen, vor allem die, die ich mir ständig (erfolglos) zu hören vornehme. Wenn man Zeit hat und zum Stöbern und Wiederentdecken kommt, merkt man oft, welche Scheiben wirklich bestand, wirklich das Zeug zur Herzensangelegenheit haben - und das sind eigentlich weniger, als man denkt.


    LG! :hello:
    Daniel

    Hollo Edwin & Tom,
    ich erwarb seinerzeit die Doppel-CD aus der "Great Pianists of the 20th Century"-Reihe. Drauf sind die Doldberg-Var. und Beethoven, Diabelli- & Eroica-Variationen. Ja, man könnte sie wirklich Lady Stahlfinger oder besser: Babuschka Kalaschnikow nennen. Sie pflügt sich mit wie ein schwerfälliges Kettenfahrzeug durch diese vielgestaltigen Variationenuniversen, sie setzt total spleenige Akzente, phrasiert für mein Empfinden absolut unorganisch, Triller klingen mal wie holpernde Flak-Salven, mal wie Brei... also mir hat's nach 5 Tracks gereicht... Ich glaube, mehr brauch' ich wirklich nicht von Mütterchen Yudina.


    Ihre Konzerte sollen in etwa gottesdienstartige Séancen gewesen sein - wahrscheinlich hatten die Fans alle leicht betäubte Sinne oder waren gar schon im Himmel ...


    LG :hello:
    Daniel

    Hallo Siamak,


    Ich sehe auch das Bildchen mit der Siirala-Schubert-CD. Wie findest du ihn? Ich hatte schon 2x das Vergnügen ihn live hören zu dürfen - gar nicht so schlecht: sensibel, detailverliebt, ernsthaft, bescheiden - kein Reißertyp aber ein auf Verinnerlichung zielender Musiker. Spielt einen sehr eigenwilligen, aber durchaus nicht mutwilligen Beethoven: Ich habe mit ihm ein bemerkenswert "antititanisches" 5. KK, und hochkonzentrierte Diabelli-Variationen gehört (denen fehlte hier und da allerdings die Gewalt). Die Schubert-Platte vermittelt allerdings kaum etwas von Siiralas hochintensiven Liveeindruck, leider!


    LG! :hello:
    Daniel

    Das Thema, wie die Alte Musik aufzuführen sei, ist ja nicht selten Anlass für erbitterte ideologische Auseinandersetzungen. Ich staune, wie kultiviert die Argumente in diesem Thread ausgetauscht werden.
    Irgendwie koam's mir immer so vor, als hätten die "Modernen" und "Historisierenden" Angst, sich gegenseitig etwas wegzunehmen.
    Zuerst wurden die Alte-Musik-Spezialisten eher belächelt für ihre eigenartige Bogentechnik, für ihr unaufgepolstertes, quasi knöchnernes Klangideal, für die Rehabilitation altertümlicher Blasinstrumente, die anfangs von kaum einem Spieler auch nur halbwegs befriedigend beherrscht wurden, für ihr kerzengrades, vibratoloses Singen... Irgendwann musste man die historisierende Aufführungspraxis dann doch ernst nehmen - es gab immer mehr Ensembles, die immer versierter wurden und zahllose in Vergessenheit geratene Meisterwerke neu zur Diskussion stellten. Die rhetorischen Ungelenkigkeiten der ersten Tage verloren sich, Herreweghe, Christie und Co. setzten spielerisch-oppulente Kontrapunkte zum brillanten, aber sachlichen Klangideal der Briten... Inzwischen ist eine faszinierende Bandbreite und eine Selbstverständlichkeit im Umgang mit der Musik vor 1750 gewachsen. Neuerdings holen sich die "modernen" Orchester Alte Musik-Spezis ans Pult, um ihre (lang verpennten) Hausaufgaben zu machen. Unsere Radiophilharmonie in Hannover ist ein gutes Beispiel - in dieser Saison wurde der "Ring Barock" aus der Taufe gehoben: Erst beglückte uns Robert King, dann Reinhard Goebel und demnächst kommt Andrew Manze. Das Orchester nimmt sich veil Zeit zum Proben und findet sich erstaunlich souverän in die spieltechnichen Finessen der HIP ein. Diese stilistische Versiertheit gehört heute einfach zur "Grundausstattung" eines modernen Orchesters. Umgekehrt gehen die Promis der Alte Musik-Szene inzwischen auch recht regelmäßig "fremd" - es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis Herreweghe seinen ersten Ring in Bayreuth dirigiert (Wagnerianer werden mich dafür killen...)
    Mir scheint als sei der Graben zwischen "alt" und "neu" ein wenig schmaler geworden... Irgendwann wird es (außer für Dogmatiker oder Überexperten natürlich) kaum noch einen Unterschied machen, wer welche Musik spielt. Der Tod des Orchesters ist ein Dirigent, der ihm ein unverrückbares Klang- und Stilideal aufpfropft.


    LG :hello:
    Daniel

    Lieber Siamak,
    bist du sicher, dass K. Giilbert seinerzeit eine GA eingespielt hat? Der Mann ist ja keineswegs schlechter als Ross, es sollte mich doch wundern, wenn die nicht für CD aufbereitet am Markt wäre - aber ich habe nie was davon gehört. Das müsste sich aber recherchieren lassen.
    Übrigens: Eben brachte mir der Paketbote das Warner-Würfelchen, es kann also losgehen!


    LG :hello:
    Daniel

    Hallo Siamak,


    Ich habe noch mal im Haydn-Thread nachgeschaut - du bist also voll des allergrößten Lobes für Herrn Koroliov, sehr schön! Ein Freund von mir war hingegen vollkommen enttäuscht, fand die Scheibe total öde - so unterschiedlicher Meinung kann man sein...
    Die Sonorität und Fülle von Koroliovs Ton, sein auf große Zusammenhänge zielendes Gestaltungskonzept hast besonders gelobt - das sind auch m.E. die besonderen Vorzüge dieser Aufnahme.
    Viele Pianisten pflegen einen überfeinerten, an der Grenze zur Koketterie vorbeischrammenden Haydn. Es wird getupft, getänzelt und geturtelt und es stinkt bisweilen nach Veilchen... Diese Klischees lassen sich offenbar nicht ohne weiteres abschütteln. Koroliovs kompaktere und deutlich "asketischere" Lesart wirkt da beim ersten Hören ziemlich unspektakulär. In der Summe ihrer Qualitäten ist sie aber ein Musterbeispiel für differenzierteste Pianistik und musikalische "Lauterkeit" - eine Scheibe für stille Stunden!
    Übrigens habe ich kürzlich einen alten Mittschnitt von G. Sokolov aus Braunschweig gehört - die erste Hälfte des Konzerts nur Haydn - so ein raffinierter Hund! Ganz anders als Koroliov (aber durchaus mit kräftigem Ton) - witzig, extrem nuanciert, ohne jedoch in die eben geschiderte Spieldöschenverniedlichung zu verfallen... Irgendwie eine tolle Mischung aus hart und zart!


    LG :hello:
    Daniel

    Ich habe mir die Ross-Box bestellt und warte derzeit auf deren Auslieferung. Ich kenne zwar nur Eizelnes aus der Edition, fand es aber so ordentlich, dass ich die Anschaffung der Komplett-Box für angemessen hielt.
    Leider hat man nicht die Wahl, wenn man alle Scarlatti-Sonaten kennenlernen will. Ross scheint auf keinen Fall von Belders betulicher, ebenfalls auf Vollständigkeit zielender Lesart (bei Brillant) eingeholt zu werden und die langsam wachsende Piano-Großtat bei Naxos wird von verschiedenen Pianisten eingespielt, die sich unterschiedlich versiert durch Scarlattis Sonatenkosmos pflügen. In absehbarer Zeit ist mit keiner ernstzunehmenden Alternative zu Ross zu rechnen - zu meinem Bedauern, denn ich würde es zu Lebzeiten gerne noch einmal erleben, dass ein bedeutender Pianist diese Mamutarbeit auf sich nimmt. am liebsten Christian Zacharias. Ich glaube aber kaum, dass der sich freiwillig für ein oder zwei Jahrzehnte voll auf Scarlatti kaprizieren würde. Solche (freilich wohltuenden) Spleens entwickeln wirklich nur Spezis für historische Tasteninstrumente - Andererseits: Scarlattis Sonaten hätten es verdient, dass sich der eine oder andere Pianist findet, der bereit ist, einen ganzen Abschnitt seines Lebens für sie zu "opfern" - Discographischer Ruhm wäre ihm jedenfalls sicher!


    LG :hello:
    Daniel

    Fiel der Name Wolfram Rieger schon? Er ist der Leib- und Magen-Begleiter (Pardon: Klavierpartner ;)) von Thomas Hampson - fabelhaft! Ob er über "Hampsons Grenzen" hinaus bekannt ist, weiß ich allerdings nicht. Vermutlich neigt er zu künstlerischer Monogamie.
    Genauso famos, die Grenze der Genialität schrammend: Julius Drake, der bevorzugte Klavierpartner von Ian Bostridge. Ich hatte unlängst das Vergnügen, sie in Bremen mit einer Auswahl unbekannterer Schubert-Lieder und vor rund 2 Wochen in Berlin mit Schumanns "Dichterliebe" und den Kerner-Liedern zu hören. Das war -vornehm ausgedrückt- schon sehr offensive Liedkunst, auch seitens des dynamisch hochflexiblen, starke Akzente setzenden Julius Drake. Nach dem Konzert (und der 5. Mini-Zugabe) sagte eine ältere Dame neben uns (allerdings begeistert): "So, jetzt hat der Wahnsinn ein Ende."
    Der lobenden Erwähnung Souzay/Baldwin (später auch Ameling/Baldwin) kann ich mich nur anschließen.
    Auch die Partnerschaft Edwin Fischer + die junge Elisabeth Schwarzkopf brachte ein paar subtil ausbalancierte Schubertlieder hervor.
    Eine andere starke Lady mit kongenialem Kerl: Brigitte Fassbaender und Aribert Reimann.
    Letztlich ist ein Liederabend zum Scheitern verurteilt, wenn sich der Begleiter demütig als Lakai des Sängers empfindet oder wenn man einen liedtechnisch unerfahrenen Solisten an den Flügel setzt - Liedbegleitung ist ein eigenes Fach, eine eigene Kunst, eine kaum zu treffende Mixtur aus pianistische Diskretion und künstlerischer Präsenz.


    LG :hello:
    Daniel

    Ich finde Hengelbrock auch fantastisch. Allerdings wählt er z.T. Tempi (beispielsweise im Eingangschor) die an die Grenzen des Singbaren gehen. Da schrammt selbst der absurd perfekte Balthasar-Neumann-Chor haarscharf am Huddeln vorbei. Ein bisschen hätte Hengelbrock die Handbremse schon anziehen dürfen - es wäre auch so noch schwungvoll genug!Aber gut: Manche stören sich an der bisweilen gratigenTextur und den scharfen Tempi von Hengelbrock. Ich finde sie (sofern sie sich noch im Rahmen des einwandfrei Realisierbaren bewegen) fast immer atemberaubend.


    LG :hello:
    Daniel

    Zwei Beispiele aus der Klavierliteratur:
    Schubert B-Dur D960: Spielt man den Kopfsatz mit Wiederholungen oder nicht? Die meisten tun es, Brendel inzwischen nicht mehr, weil er der Meinung ist, dass ein auf nahezu 20 Minuten gedehnter Kopfsatz zu dominant gegenüber den drei anderen Sätzen wäre - die sind zusammen genommen auch nicht länger. Anderseits: Der Kopfsatz ist das Wunder dieser Sonate, quasi auskomponierte Unendlichkeit - er beherrscht die Sonate, darf also m.E. ruhig "wichtiger" genommen werden. (Das heißt keinesfalls, dass die Folgesätze schwach wären)


    Anderes Beispiel: ein weiteres "Sonatenmonster", Beethovens Hammerklaviersonate: Hier ist jeder Satz ein dramturgischer Höhepunkt - Das Eingangsallegro und die Schlussfuge sind bezüglich ihrer äußeren Abmessungen und in ihrer inneren Gespanntheit gleichgewichtig. Das Adagio ist die vollendete träumerische Gegenwelt dazu und das Scherzo übernimmt eine Brückenfunktion. Wenn ich die Hammerklaviersonate höre, habe ich (auch bezüglich der Satzfolge) stets das Gefühl, dass sie eine "Idealkonstruktion" ist. Die einzelnen Sätze funktionieren nicht ohne einander - das allerdings ist allen späten Beethoven-Sonaten zu eigen, da die Sätze nicht selten durch Überleitungen oder sich wiederholende Motive miteinander verknüpft.
    LG!
    Daniel