Manuel de Falla - Los amores de la Inés
Es gibt spektakuläre Neuigkeiten von Manuel de Falla:
derzeit läuft in Madrid im Teatro de la zarzuela "Los amores de la Inés", die einzige Zarzuela aus der Feder von Don Manuel, die jemals aufgeführt wurde (de Falla hatte ein halbes Dutzend vertont). Das kurze Werk (mit Dialogen etwas mehr als eine Stunde) wird zusammen mit Bretóns 'La Verbena de la Paloma' aufgeführt. Seit 1902 schlummerte diese Partitur de Fallas in den Archiven (wenn man von einer Aufführung einer Theatergruppe aus Albacete 2006 absieht, die das Werk mit Klavierbegleitung zur Aufführung brachte in kleinem Rahmen).
Immerhin erzielte diese Zarzuela damals einen Achtungserfolg, wurde 20 mal gespielt, allerdings waren die Rahmenbedingungen fürchterlich, das Orchester war mies, den Kontrabassisten musste man regelmäßig in irgendeiner anderen Kneipe suchen, es gab keine Oboe, lediglich eine einzige Bratsche. Somit wollte de Falla später dieses frühe Werk, dessen er sich schämte, ganz aus seiner Biographie streichen - was jedoch nicht heißt, dass sein Werk schlecht wäre - nur war ja de Falla ein notorischer Perfektionist und fanatisch selbstkritisch, und neben seiner persönlichen Weiterentwicklung trug auch die verheerend schlechte Aufführung und Orchesterleistung dazu bei, dass er sich enttäuscht abwandte und das Werk als “absolutamente despreciable”, also als "absolut verabscheuungswürdig" verwarf.
Es scheint jedoch so, dass de Falla zu einem späteren Zeitpunkt das Werk wieder aufgreifen wollte, sich jedoch ganz und gar in eine dermaßen unterschiedliche Richtung bewegte, dass er sich ganz von der Zarzuela abwandte, um den Aufbruch in Richtung der Moderne zu wagen - die Teile seines grandiosen letzten Werkes Atlántida, die er vollenden konnte, legen ein beredtes Zeugnis davon ab, wie kühn und richtungsweisend seine Musik am Ende war, wie sehr er sich weiterentwickelt hatte, um jedes nationalistische Lokalkolorit, jedes impressionistische Parfüm hinter sich zu lassen.
Nun ist es also mit dem Archivo Manuel de Falla in Granada gelungen, eine neue Fassung von Fallas frühem Werk "Los Amores de la Inés" zu erstellen. Die Zarzuela ist sehr kurz und enthält neben einem Vorspiel fünf weitere Musiknummern. Man hat dabei den gelungenen Kniff eingesetzt, einige Dialoge des schmalen Werks mit Musik aus de Falla früher Schaffensperiode zu unterlegen, wie z. B. «Cortejo de gnomos», «Mazurca» für Klavier, «Olas gigantes» für Sopran und Klavier, «Nocturno» für die Oboe oder «Melodía» für Violoncello.
Die mediokre Handlung, die in Madrid spielt, ist schnell erzählt. wie auch bei La Vida breve ist hier Eifersucht ein großes Thema:
Akt I
Erstes Bild. In der Schenke von Sr. Lucas trifft Felipa ein, eine temperamentvolle Frau, die ganz außer sich ist, weil sie beim Stierkampf gerade ihren ehemaligen Verehrer, Fatigas, mit Inés gesehen hat. Fatigas ist ständig in Geldnöten, so dass er sich, als er wieder einmal mittellos war, bei Felipa einquartiert hatte; jetzt, da er geerbt hat und zu Wohlstand gekommen ist, möchte er Inés heiraten.
In der nächsten Szene betreten Araña, Rata Sabia und Pesqui die Schenke, drei Originale aus dem Vorstadtmilieu, die sich in mannigfaltigen Stierkampfmetaphern ausdrücken und für etwas Heiterkeit in diesem Werk sorgen. Danach erscheint Inés und singt, vom Chor begleitet, einige Seguidillas, in denen es ebenfalls - um Stierkampf geht. Sie bezieht sich in einer Erzählung, die teils gesprochen wird, auf die Auseinandersetzung zwischen ihr und Felipa. Moreno betritt die Szene und teilt mit, dass Juan begnadigt worden ist - selbiger hatte sich dereinst für Inés erwärmt und ihr den Hof gemacht, dabei hatte er jemanden getötet, der seine Inés beleidigt hatte - dafür war er angeklagt worden. In der sechsten Szene stellt sich Juan selber vor, in der siebten Szene stimmt er einige carceleras an - Lieder, die seine Gefängniszeit thematisieren. Felipa sorgt dafür, dass Inés erneut in der Schenke auftaucht, wo sie auf Juan tritt, es kommt zu einer Diskussion, beide singen ein Duett. Danach vereinbaren Felipa y Juan, dass sie vorgeben, ein Verhältnis miteinander zu haben, um ihre ehemaligen Liebhaber, für die ihr Herz eigentlich immer noch schlägt, jeweils zurückzugewinnen.
Zweites Bild. Sr. Lucas hat alle eingeladen anlässlich der Eröffnung seines neuen Restaurants und stimmt eine Copla an. Felipas und Juans Plan geht auf, Felipa und Fatigas sind am Ende wieder zusammen, genau wie Ines und Juan ebenfalls wieder vereint sind.
Von diesem höchst seltenen Werk gibt es einen Radiomitschnitt des spanischen Rundfunks, über den ich, überglücklich, mittlerweile verfüge. Auch eine Fernsehaufzeichnung wurde gemacht, die ich jedoch leider noch nicht gesehen habe. Es singen:
Inés - Susana Cordón, Pepa Gracia, Montse Peidro, Enrique Ferrer, Santos Ariño, Juan Carlos Martín, Israel Frías, Xavi Montesinos, Ángel Pardo, Joaquín Mancera y Marcos Marcell.
José Carlos Plaza führte Regie; es spielen das Orquesta de la Comunidad de Madrid, Coro del Teatro de La Zarzuela, dirigiert von Cristóbal Soler.
Natürlich darf man hier kein Meisterwerk vom gleichen Kaliber erwarten, wie sie de Falla später abgeliefert hat - hier geht es natürlich um ein Jugendwerk des 25jährigen Komponisten, das sich noch in vielerlei Hinsicht in den überlieferten Konventionen der Zarzuela bewegt - es gibt jedoch immer wieder viele schöne, originelle Momente, in denen durchaus schon etwas von de Fallas künftiger Meisterschaft aufblitzt - mehr als einmal fühlt man sich ein paar Takte lang in die Welt von 'La vida breve' versetzt, erfreut man sich an den wunderschönen melodischen Wendungen, der stellenweise exquisiten Behandlung des Orchesters, an der Atmosphäre. Für jeden Freund von de Fallas Werk, der Interesse für die Entwicklung dieses Komponisten hat, stellt diese Aufnahme eine ganz großartige Trouvaille dar - welch ein Glück, dem eher zahlenmäßig überschaubaren Werk ein weiteres nach über hundert Jahren hinzufügen zu dürfen!