Beiträge von Melante

    ...jetzt muss ich doch nachfragen, ob hier nicht zwei verschiedene Dinge betrachtet werden.
    Diese Art Neuschöpfung eines Paderewski oder Busoni kommt aus meiner Sicht noch sehr aus der Tradition des 19.Jahrhundert und hat absolute Berechtigung - und meinen Beifall. Eine Tradition, die in den Jahrhunderten zuvor ja Musik erst zu solcher machte!
    Händel-Suiten zu spielen zwingt geradezu zum "Neuerfinden", da ja doch nur das Skelett notiert ist, das "Fleisch" muss improvisiert werden.
    Selbst von Beethoven kennt man autographe Notizen für eigene Aufführungen von Klavierkonzerten, die Varianten anbieten und Verzierungen im Vergleich zum gedruckten Notentext.
    Solche Verzierungen, Umspielungen - Freiheiten im Grunde - wünsche ich mir heute oft, sie zu hören!
    Der erste Ton von Beethovens viertem Klavierkonzert ist so ein Fall: man kann, was wenige tun, mit einem kleinen Akkord einsteigen, sich "reinschmuggeln" in den Satz. Oder diesen Ton so spielen wie Fleisher- mit einer Selbstverlorenheit und klanglichen und räumlichen Öffnung, dass er quasi zur Intitialzündung wird für ein ganzes Werk - ein Meisterwerk.
    Oder, selbes Konzert, zweiter Satz, diesen so besonderen Triller als Mittelpunkt des ganzen Konzerts zu nehmen, um danach geradezu in Schweigen zu verfallen - in so unsagbar beredtes wie Fleisher es tut, eine Einsamkeit auszudrucken, die erst mit Mühe und einem gewissen "Drauflos" im dritten Satz aufgefangen und relativiert wird.


    Ich erwähnte bereits Mozart mit Casadesus, hier Fleisher bei Beethoven, Feinberg mit op.109; die Grinberg mit der für mich einzig gelungen Aufnahme der op.90 ... ich bin ja gar nicht so fixiert darauf, dass einer nun alles kann und können muss.


    Was mich aber wirklich irritiert, ist die Aussage des "Chopin-Dreschens"- was verstehe ich da falsch?
    Sind diese kleinen Charakterstücke nicht Universen an Schönheit, auch feiner Arbeit an Nebenstimmen, voller Atmosphäre und Tiefsinn?
    Jedes für sich ein kleines Wunder, ganz spezielle Stimmungen zu vermitteln, völlig zeitlos und poetisch?
    Ja vielleicht Musik, die man schnell "zerdreschen" kann und das von vielen Pianisten auch erfolgreich praktiziert wird - müsste nicht Brendel nach allem, was hier zu lesen ist, der perfekte Chopin-Interpret sein?
    So wie Ihr Brendel versteht und ich Chopin - oder eben doch andersherum?


    Mit Bitte um Erklärung:
    Mike

    solche Klischees sagen doch mehr über uns als über Haydn oder wen auch immer.


    Vielleicht fehlt uns heute die Kunst des Zuhörens?
    Humor in Musik nachzuvollziehen? Wie Hindemith meinte, die Stille in der Musik sei das Wichtigste?
    Schließlich ist es besonders der Umgang mit Pausen, die Haydns Musik (für mich) so spannend macht.
    Nebst seiner Beherrschung von Formen, also auch der Kontrapunktik, die ja zunehmend in den Hintergrund rückte.


    Vielleicht liegt es an uns, zu verkennen, dass Neues zu machen ohne nun Revoluzzer zu sein, eben doch genauere Beschäftigung voraussetzt?
    Vielleicht geht uns die Eigenschaft ab, die Haydn vor allem auszeichnet: die Demut.
    Vor Kollegen, vergangenen wie lebenden, deren Kunst. Die völlige Abwesenheit von Überheblichkeit, stattdessen eine Empathie, die ihm als Mensch eigen gewesen muss wie auch als Komponisten.


    Wenn ich nicht irre, suchte er doch, Mozart mit nach Engeland zu nehmen, weil er sich dort für den jungen Kollegen ein besseres Umfeld versprach- woher ja wohl auch die Reaktion Mozarts rührte, ihn "Papa Hydn" zu nennen, der womöglich zum ersten Male menschlich besorgt verstanden wurde statt karrieristisch besorgt wie vom leiblichen "Papa".


    Und dann noch unser aller Ödipuskomplex: wenn jemand "Papa" genannt wird, dann kann da ja nur Übles bedeuten, impliziert in unserem Unterbewussten eine abwertende Haltung.


    Frage also: sind nicht wir selbst die Modehansln und Gsanglmacher, indem wir beinahe völlig kritiklos einem Karajan folgen, einem Brendel, einer Bartoli? Und uns Neuem verschließen- äh...Regietheater etwa?
    Dem Handwerk eines Haydn aber ratlos gegenübertreten und ihn einzuordnen trachten in unsere Welt, die von Klischees beherrscht ist?
    Womit uns unmöglich wird, Regressives und gleichzeit Progressives in Einklang zu bringen- wie es einem Haydn gelang.


    Herzliche Grüße,
    Mike

    Auf jede einzelne Eurer Antworten kann ich nun nicht eingehen. Nur soviel: Brendel zu "demontieren" war nicht meine Absicht.
    Ihn in eine Reihe mit Karajan zu stellen, wünschte ich ebensowenig.


    Mir ging es allein um eine subjektive Stellungnahme.


    Ich erinnere mich noch an meine erste Begegnung mit Brendel: das Mozartsche KV 488 unter Marriner.
    Da war ich noch ein Knäblein - und empfand sowohl seinen als auch Marriners Zugang zu statisch, um diesem Konzert gerecht zu werden.
    Damals hatte ich noch kaum Vergleichsaufnahmen: Annerose Schmidt/Masur und Ivan Moravec/ Vlach - letztere kamen meiner Vorstellung sehr viel näher, erstgenannte erschien mir damals misslungen.
    Mein "Mozart-Glück" fand ich dann bei Casadesus und Szell, insbesondere bei diesem Konzert.


    Ihr schreibt, Brendel sei ein Suchender - als Interpret. Ich blieb und bin das als Hörender ebenso, nur gingen meine Hörwege in andere Richtungen als die Brendelschen Auseinandersetzungen. Und immer wieder hörte ich mir Neuaufnahmen an, wie auch die Karajans, und die Schere wurde stetig weiter.
    Wobei ich eingestehe, dass die Beschäftigung mit HIP mein ästethisches Empfinden nachhaltig beeinflusst hat.
    Casadesus und Szell aber bleiben für mich unerreicht bei Mozart!


    Herzliche Grüße,
    Mike

    Lieber Helmut,


    wie Du andernorts vielleicht gelesen hat, reagiere ich eher allergisch auf Provokationen und hatte wirklich nicht vor, hier meinerseits eine solche einzuwerfen.
    Allerdings unterliegen wir beide manchmal derselben Schwäche und schreiben wo wir schweigen sollten...
    Und so hat mich hier übermannt, zu Brendel zu schreiben.


    Klar dürfte sein, dass ich technische Brillianz auch nicht meine, wenn ich an Brendels Sockel rüttle.
    Bin ganz Deiner Meinung, was "Youngstars" betrifft.


    Meine Ablehung Brendels rührt ja auch viel tiefer.
    Die in Worte zu fassen, das gestehe ich ein, fällt mir schwer.
    Mir gelingt nicht, in Brendels Versuchen die Tiefe der Komposition auslotend zu hören, ich bleibe immer daran hängen, dass ich den Eindruck habe, er suchte danach, sich selbst zu erforschen und nutzt dazu das Mittel der Interpretation von Werken Schuberts oder Beethovens.


    Es tut mir leid, konkreter kann ich das kaum fassen: er selbst scheint mir im Mittelpunkt zu stehen, nicht der Komponist, nicht das Werk.
    Ich nehme bei ihm eine gewisse Art von Egozentrik wahr, die sich selbst zu suchen geneigt ist.


    Mein Beitrag war vielleicht provokant formuliert, gemeint war er nicht so.
    Seit über vierzig Jahren quäle ich mich rum mit Brendel- und höre immer nur ihn. Nie das, was ich zu hören erwarte, wenn ich Beethoven zu hören wünsche.
    Will Haydn hören - und höre Brendel. Will Mozart hören - und höre Brendel. Will Beethoven hören - und höre Brendel. Will Schubert hören - und höre Brendel.
    Und weiß, dass Erwartungen so eine Sache sind....
    dann aber weniger zu hören als die geringste meiner Erwartungen meiner Vorstellungskraft, das ist dann Brendel.
    Der weltumfassende Aussagen zurechtstutzt auf seine Fähigkeit, sie auszudrücken.


    Vor ein paar Tagen hörte ich Samuil Feinberg mit Beethovens op.109- und Feinberg reduziert nicht auf das "kleine Maß" des Pianisten, sondern lässt dem Zuhörer, mir, Raum. Raum und Zeit und eine Aussage, die sich entwickelt.
    Nicht so... ja, eben so gestutzt wie Brendel sie mir an den Mann zu bringen versucht.


    Womöglich liest sich das arrogant: ich habe selbst eine Vorstellung von op.109. Und genieße es, wenn deren Rahmen gesprengt wird.
    Ich schätze aber wenig, wenn er reduziert wird auf das Maß des Pianisten.
    Das macht für mich den Unterschied aus zwischen Feinberg und Brendel.
    Und war nicht Provokation um ihrer selbst willen. Eher der Versuch zur Öffnung zum geradezu unbegreiflichen Reichtum der Musik.


    Vielleicht konnte ich ein wenig zurechtrücken und erklären, was ich meine? Sowenig wichtig ist, was ich meine.


    Herzliche Grüße,
    Mike

    ...sollte man also erstmal nachlesen, in welchem Zusammenhang das "Papa Haydn" entstand, oder?
    Und wie es gemeint war von Mozart.
    Da hier nicht der Ort ist, sich en detail zu unterhalten, erzähle ich stattdessen von einem Musiker des Gewandhausorchesters, mit dem ich immer wieder in Schweigen geriet. Um Haydn. Der einen Lehrer hatte, der nicht mehr über Haydn sprach, sondern den Tränen nahe war und sich bekreuzigte, kam das Wort auf Haydn.
    Auch mir reicht mein Wortschatz nicht, über Haydn kluge Worte zu schreiben: seine Musik ist klüger als alles, was ich sagen könnte.
    Was ich aber empfinde beim Hören, das kann ich versuchen zu beschreiben: mitlachen bei diesen klugen Überraschungen; tiefe Einsamkeit empfinden beim Verstummen in den späten Quartetten und auch Sinfonien.
    Vor allem: Demut empfinden.

    Lieber Tobias,


    die Aufnahme mit Kennedy kenne ich noch von LP.
    Und war fasziniert, wie klangschön und offen musiziert wird, vor allem der Bläser-Sound hatte es mir angetan.
    Letztlich war's mir dann doch zu zäh und zu klangverliebt.


    Bin aber auch "biestig" bei diesem Werk! Selbst Mitschnitte meines überaus geschätzten George Szell fallen bei mir durch, weil er bei diesem Werk Schönheit und Langsamkeit gleichsetzt, was für mich unterschiedliche Dinge sind.
    Mal ganz platt gesagt: würde ich um die Hand einer Frau anhalten, würde ich sie eher nicht totsingen und sie einschläfern, ich würde zu ihr sprechen und Pausen lassen zum Nachdenken- vielleicht nicht lange genug, ihr eine Antwort zu ermöglichen.
    Würde ihr sagen, wer ich bin, was ich mache und kann statt ihr das "Blaue vom Himmel" herabzusingen.
    Die "schöne Welt" nach ihrem "Ja" erleben mit ihr als vorher in Versprechungen.
    Romantiker bin ich sowenig wie Beethovens Violinkonzert ein romantisches Violinkonzert ist.


    Vergleiche hinken, Metaphern ebenso; also nicht "kreuzigen" bitte!


    Herzliche Grüße,
    Mike

    Lieber Moderato,


    herzlichen Dank für Deine Ergänzung.
    Und doch bin ich fairer Weise gezwungen zu antworten, dass ich nicht über diese CD schwadroniert habe, sondern über einen Rundfunkmitschnitt von 1996, gekoppelt mit einer Rameau-Suite.


    Herzliche Grüße,
    Mike

    Lieber Tobias,


    eigentlich widerspreche ich Dir nur ungern - aber kann doch nicht anders angesichts dessen, was ich gerade höre.
    Doch wieder den Mitschnitt von 1996 mit Zehetmair und Brüggen.
    Und da kommt etwas hinzu, was Mullova und Gardiner fehlt: Sinnlichkeit.
    Farbgebung, überhaupt die Fähigkeit, abzudunkeln, zu erhellen mittels Klangschattierungen.
    All das, was "moderne" Geiger für sich gepachtet zu haben glauben und deren Hörer.


    Gegen diesen Mitschnitt wirken Mullova und Gardiner trocken. Zwar "richtig" in Tempo, Artikulation und Phrasierung - aber beinahe leblos.
    Bei Brüggen wird der tatsächlich klingende Sound aller vom Reichtum der Bläser getragen und alles an Streicherfarben mischt sich damit.
    Welch ein Gespräch, welch Gesang!
    Wie klug disponiert!


    Bitte entschuldige, ich widerspreche Dir ja quasi zustimmend - wiewohl das Bessere des Guten Feind ist, selbst wenn es um Feindbilder nicht geht.


    Herzliche Grüße,
    Mike

    ...persönlich finde ja immer wieder, dass man gar nicht genug lesen kann.
    So auch Badura-Skodas Buch über Bach-Interpretation, der im ausladenden Vorwort erstmal ausgiebig Händels Musik angeht über diese Orgelwalzen, die Chr. Smith noch bespielt hat, um dann über Charles Rosen zu Bach zu finden.
    Siegbert Rampe hat lesenswerte Bücher verfasst, Martin Elste über Bach- Interpretationen... und so fort.
    Erst aus dem Gesamtbild des Hörens und Lesens entsteht so eine Vorstellung in mir, welche Qualität ein Werk hat und welche für mich.
    Was natürlich einschließt, hunderte und aberhunderte von Werken und Interpretationen zu hören.


    Meine persönliche Lesart entwickelt sich, heute noch, über Jahrzehnte und am Ende meines Lebens werde ich, so fürchte ich, weniger begriffen haben als ich mit 18 zu wissen glaubte.
    Sie entwickelt sich, aber aus der Vielfalt. Nicht aus der Einfalt dessen, alles zu wissen.


    Dabei werde ich's bei schriftlichen Ergüssen belassen und lieber den unberühmten Meister hören, der nicht nur so heißt, sondern auch einer ist.
    Wenn auch Youtube-Klicks dazu anderes sagen...was bleibt zu sagen: runter vom hohen Ross der Einbildung dess Allwissens.


    Herzliche Grüße,
    Mike

    ...und ich selbst fand den Thread-Titel über die Maßen provokant-arrogant, dass mir allein gerechtfertigt erschien, ihn zu ignorieren.
    Man kann sich die "Mühe" machen, 118 Baryton-Trios zu erforschen - sowohl als Interpret denn auch als Hörer und wird auch hier entdecken, dass "Masse" und "Klasse" einander nicht ausschließen.


    Bevor man Urteile fällt, sollte man sich eingehend mit der Musik befassen und nicht vor schierer Menge zurückschrecken - auch ein "Souverän" nicht, der, wenn es zumindest um Musik geht wenn schon nicht um Forenregeln, Sachkenntnis beweisen sollte.
    Und Liebe zur Musik statt Ignoranz. Selbst einem von mir wenig gemochten Komponisten wie Schubert träte ich nicht derart geringschätzend gegenüber wie hier intendiert Haydn gegenüber - um vielleicht Quoten zu erzielen mit reißerischen Thread-Titeln. Somit wird aus Qualität Quantität und Massenware!
    Ich persönlich hoffe, der Thread schläft ein, damit man sich im Forum wieder Musik ZUWENDET. Mit den Qualitäten, die Haydns Musik auszeichnen: nebst aller kontrapunktischer Kunstfertigigkeit, mit Witz und Humor - vor allem mit der Qualität, über sich selbst lachen zu können.


    Wenig herzliche Grüße hier,
    Mike

    ..was für ein seltsamer Thread, seltsame "Fäden"....,
    die ich oft lese und oft nicht verstehe.
    Folgen, von Beginn an, könnte ich womöglich, wenn da der Autor seine subjektive Meinung schildern würde. Aber zu verallgemeinern und seine Sicht zu verabsolutieren, lässt mich einfach nur ratlos zurück.


    Wie schon geschrieben, ich selbst habe ca. 20 Jahre lang im CD-Handel gearbeitet und hatte stets an mich den Anspruch, Neuerscheinungen zu hören. Nur was ich kenne, kann ich auch verkaufen.
    Wozu letztlich auch die Stärke gehört zu sagen: damit kann ich nichts anfangen.


    Grundsätzlich war jede Musik einmal neu. Grundsätzlich fand nicht jede Musik zur Zeit ihres Entstehens auch Zustimmung seitens des Publikums, man siehe die Ablehnung von Mozarts "Dissonanzen-Quartetts" als "zu schräg" oder "Ich gebe einen Kreutzer wenn der Lärm aufhört" usw.
    Dabei gibt es nicht nur "Neue Musik", der ich noch immer fragend gegenüberstehe, Bellini z.B. ist ein solcher Fall.
    Dessen Musik in mir einfach kein Echo erzeugt.


    Wenn ich aber etwas gelernt habe, dann ist es das: manchmal will Musik und Kunst allgemein auch "erarbeitet" werden.
    Das ist meine Aufgabe. Nicht aber, über ihre Qualität zu urteilen. Besonders dann nicht, wenn sie mir fremd ist.
    Meine Meinung ist nicht Maß aller Dinge, sie ist aus Erfahrung entstanden und geprägt- und bedarf also weiterer Erfahrung um sich zu entwickeln. Ein ständiger Lernprozess, ständiges Hinterfragen des eigenen Urteils statt simpel zu verabsolutieren und an "berühmt" und "meisterhaft" nicht festgemacht werden kann.
    Im Grunde der Versuch, "in den Schuhen des anderen" zu gehen, manche sind nicht passend für mich. Aber deswegen schlecht?
    Ganz sicher nicht.


    Entscheidend war und ist für mich auch zunächst die Kenntnis der Werke- zu mir konnte man als Kunde kommen, etwas vorsingen und selbst in der unüberschaubaren Anzahl von Vivaldi- Konzerten gelang mir meist, das richtige zu finden.
    (Kein böser Kommentar bitte jetzt von wegen, eh 400mal das selbe, grins...)
    Die "passende" Interpretation, die dem Wunsch des Kunden entspricht, dann noch zu finden, ist nachrangig.
    Vorrang immer: die möglichst umfassende Kenntnis der tausend Jahre Musikgeschichte.


    Und da gab und gibt es solche Überraschungen, die Max Pommer mir gegenüber einmal äußerte, der ja von der "Neuen" Musik" herkommt: "Es war alles schonmal da" und sich deshalb zunehmend mit Alter Musik befasste.
    Dabei hilft Analyse, Musikwissenschaft- aber auch die Kenntnis der Künste allgemein im Zusammenhang.
    Soziologie und Philosophie und deren Geschichte, um über Voltaire näher an Rameau zu gelangen.
    Nur als Beispiel.
    Grundsatz ist: ich lerne. Wirklich wenig hilfreich ist: ich urteile.
    Das ist immer vorschnell und verstellt Wege. Als Schostakowitsch starb, war ich Schulkind, seine Musik Schulstoff und konnte nichts mit seiner Musik anfangen- heute bin ich zum Glück weiter- eine Option, die mir bleibt bei wirklich neuer Musik.


    Eigentlich mehr als genug der Worte von meiner Seite zu einem so völlig anders gelagerten Zugang zu Musik und Kunst im Allgemeinen.
    Herzliche Grüße,
    Mike

    Gern mache ich mich hier unbeliebt: Brendel spielt nicht alle an die Wand!


    Unbenommen seine Intelligenz, seine Liebe zur Kunst, sein literarisches Können.
    Höchsten Respekt habe ich vor seinem Humor und seiner Gabe, sich selbst nicht ernst zu nehmen.
    (Eine Kunst, in der wir alle hier von ihm lernen sollten.)


    Aber als Pianist? Hm ..... persönlich kenne ich einen seiner Mitstudenten, der immer nur verwundert war, wie jemandem gelingen konnte, pianistische Defizite als zutiefst musikalisch/musikantisch an den Mann zu bringen.
    Die Unfähigkeit, vom Komponisten geforderte Tempi bewältigen zu können, zu verkaufen als "den Geist hinter der Musik".
    Genannt im selben Atemzug wie Walter Klien, der die Kunst nicht beherrschte, seine Mittelmäßigkeit zum Kult zu machen.
    Ach ja: der Mitstudent war bereit, seine Mittelmäßigkeit anzunehmen und komponierte lieber und war, wie Brendel, ein belesener und selbstreflektierender Mann und hat wunderschöne Bilder gemalt.


    Also ich weiß nicht recht. In meiner CD-Sammlung findet sich keine einzige Brendel-Aufnahme.
    Weil keine mich überzeugt.
    Ich persönlich schätze ihn eher in anderen Bereichen des kulturellen Lebens denn als Pianist.
    Wiewohl marketing und Philosophie andre Wege gehen können und ein Plattenlabel ein Standbein machen kann aus einem Pianisten, der nicht besonders gut Klavier spielt....


    Demütig bereit, hier jetzt jede Strafe hinzunehmen, da ich doch an einer Statue rüttelte - von meiner Meinung aber nicht abzubringen:


    Mike

    ...zurückblickend bin ich einer Meinung mit Gombert: alles, was im ersten Satz mehr Zeit beansprucht als 25 Minuten, ist nicht werkgerecht.
    Artikulation und Sinn zerfällt zugunsten von romantischem Habitus.


    Gehe also auch mit Johannes Roehl konform, was Zehetmair/Brüggen betrifft- und habe doch den Vorteil, dass ich einen Mitschnitt mein eigen nenne, der organischer musziert ist als er auch das miese Klangbild der Philips-CD vergessen macht.


    Um Profilierung geht es den beiden nicht, auch sie benutzen die Violin/Pauken- Kadenz.


    Sollte es in diesem Konzert tatsächlich um eine Liebeserklärung gehen, dann wird sie hier ausgesprochen und gesungen- aber doch nie in der Musiksprache Straussens oder Wagners. Die Beethovens genügt und es bedarf keiner "Künstlichkeiten", mehrspurig aufzunehmen.


    Haben denn immer weniger Musiker und Hörer den Mut, dem zu vertrauen, was ein Beethoven anbietet?
    Beethovens schlichte Sprache, so betont innerlich und abgedunkelt, sagt doch mehr als jede Überhöhung, die (hier) oft so in den Vordergrund gerückt wird.
    Kaum jemand vertraut dem, was Beethoven aufschrieb.
    Dabei ist dieses Konzert wie kaum ein anderes Beispiel dafür, dass man, je näher man am Notentext bleibt, der Aussage nahekommen kann- und alle romantisch gemeinten Überhöhungen dazu geneigt sind, eher Abstand zu erzeugen.


    Um es vorweg zu nehmen: ich weiß nicht, was Beethoven wollte. Ich finde nur immer wieder, all das ernst zu nehmen, das er oder ihm Nahe notiert haben, bringt mehr Verständnis mit sich für das Werk als alle Klangverliebtheit und Ignoranz der Tempovorschriften zusammen.
    An Sinnlichkeit und Schönheit verliert das Werk eher durch das "Auswalzen" der Tempi.


    Herzliche Grüße,
    Mike

    ...Dein: "Mein Tonträgerunternehmen hat mich aba gezwungen, des und des einzuspielen" ist nunmal aber genau das, was mir am allerhäufigsten begegnet ist. Es geht darum, Kataloge zu füllen mit Aufnahmen von Interpreten, die dazu passend scheinen.
    Konkret: die Akademie für Alte Musik, Berlin mit den "Brandenburgischen Konzerten", Concerto Köln mit Dall'Abacco......


    Frage an Dich aber immer noch: wer entscheidet eigentlich, wer "weltberühmt" ist oder "Weltelite"?
    Selbst so ein gewisser Bach war rund hundert Jahre lang beinahe vergessen und zu Lebzeiten andere "weltberühmt", die heute in seinem Schatten stehen wie Fasch oder Graupner.
    Das ist doch modeabhängig einerseits und völlig subjektiv in der Rezeption andererseits.
    Eine Trefferquote bei Youtube sagt wirklich nichts aus! Irgendeine drollig stolpernde Katze hat mehr Klicks als ein Bach.


    EIN probates Mittel, Qualität zu erkennen, ist darum die Analyse.


    Herzliche Grüße,
    Mike

    Liebe Bachiania,


    zunächst ein Gutes Neues Jahr und herzlichen Dank für Deinen informativen und liebevoll verfassten Text.


    Ohne ins Detail gehen zu können, erlaubst Du mir hoffentlich, zunächst mein Erstaunen zu äußern, dass Du das "Stabat Mater" Tumas erwähnst, das, mit Verlaub, ja "keine Sau" kennt. Das ich aber für ein sehr hörenswertes Werk halte und sehr schätze.


    Auf ein Werk möchte ich aber etwas genauer eingehen, auch wenn es keine Originalkomposition ist:


    Was Bach aus dem Werk Pergolesis macht, finde ich immer wieder spannend.
    Nicht nur, dass er ein damals sehr modernes Stück Musik kennt und derart schätzt, ihm seine persönliche Note zu verpassen.
    Wie er das tut, ist faszinierend: vor allem das Auffüllen der (dünnen) Textur, es harmonisch anreichert um ihm diese allzu galante Oberflächlichkeit zu nehmen.
    Zu hören ist dann letztlich der etwas objektivierende Bach, aber im Gewand des Aufbruchs in eine andere, subjektivere Musiksprache.
    Könnte gut sein, dass sich oben genannte Aufnahme in Deinem Besitz befindet.
    Eine genauere Analyse, den tiefschürfenden Vergleich zwischen Original und bearbeitender Neukomposition, überlasse ich Dir.


    Herzliche Grüße,
    Mike

    ...hier zu lesen ist wirklich amüsant.
    Schreiben sollte man (ich) besser unterlassen, bin aber gerade so rechtschaffen müde, dass ich ebenso amüsiert schreibe.
    Natürlich wollen Labels Geld verdienen. Künstler auch. Und wenn Firmen also ihren Katalog füllen wollen, dann "darf" schonmal jemand oder ein Ensemble eine Einspielung "abliefern" von Werken, die er/sie/es gar nicht einspielen wollten oder die veröffentlicht wird, obwohl sie den Ansprüchen der Musiker nicht genügt.
    Um auch Namen zu nennen: Staier wurde aufgefordert seitens Teldec/Warner, Schuberts Klavierkonzert einzuspielen.
    Aber Staier ist ja auch nicht berühmt, sondern nur ein Musiker im Dienste der Musik....
    Meine Quelle: meine mehr als zwanzigjährige Tätigkeit im CD-Einzelhandel mit vielen Gesprächen.


    Apropos Staier: der hat an den Goldberg-Variationen doch recht lange vor allem formal Analyse betrieben.
    Ging es schließlich darum, Themenverflechtungen zu folgen, aus denen sich Tempi ergeben und damit Temporelationen untereinander innerhalb der Variationen.
    Hätte er Schuberts Klavierkonzert eingespielt, hätte er sicher zuvor ebenso formal analysiert, wieweit das Konzert noch der Sonatenhauptsatzform folgt, ob in den dem Kopfsatz folgenden Sätzen Themen wiederaufgegriffen werden und seine Tempowahl daran ausgerichtet. Womöglich hätte er dazu kein PC-Programm benutzt, sondern den Notentext und den zeitlich umliegender Klavierkonzerte.


    Ich kenne Interpreten persönlich, die so oder sehr ähnlich vorgehen: Wispelwey, Brüggen, Savall .... wie berühmt die sind, wage ich nicht zu beurteilen.


    Bin aber überzeugt, dass sie ihr jeweiliges Instrument perfekt beherrschen - und genau darum oft genug patzen.
    Sowas passiert einem Lang Lang nie! Darum ist er ja auch ein berühmter Musiker, dem ein Millionenpublikum nachrennt.
    Wie wenig diese Absenz von Fehlern mit Musik zu tun hat, kann ich nur für mich beschreiben und werde das öffentlich nicht tun.
    Ebensowenig wie falsche Töne von Horowitz oder Menuhin anführen, deren Einspielungen also für den ernsthaft interessierten Klassikhörer nicht taugen.
    Zu dessen erlauchtem Kreis ich mich eh nicht zählen darf, da ich motivische und bauliche Klammern innerhalb einer "Matthäus-Passion" suche und finde. Auch schonmal erschreckt überwältigt bin, wenn in einer Händel-Oper eine Gleichnisarie, also der "innere" Höhepunkt, eben neben der erwarteten Stelle finde, was ich dann auch noch darauf zurückführe, dass Händel meine Erwartungen bewusst zu täuschen trachtet.
    Wobei er davon ausgehen muss, ich kennte die Struktur der Opera seria allgemein, sonst könnte sein "Verstoß" nicht wirken.


    Erschwerend kommt hinzu, dass ich Musik sehr schätze, die nicht zu den "Spitzenreitern" zählt, insbesondere die der Bach-Söhne, die nun auch noch oft genug formal Rahmen sprengen, Neues wagen, was nicht vor allem gefällig ist.
    Und von Beethoven sehr geschätzt wurden, diesem Loser, der beim Komponieren seiner letzten Quartette seine Fensterläden mit mathematischen Gleichungen vollkritzelte, um seinen Kompositionen eine analytisch nachvollziehbare Logik zu verleihen.


    Daraus nun zitierend. "Muss es sein? Es muss sein" Oder auch nicht.
    Zumindest muss nicht sein, eigene Herangehensweisen zu verabsolutieren und alles andere als Blödsinn abzustempeln.
    So reich die Musik, so reich die Schar der Zuhörer, so reich auch die Zahl der Herangehensweisen.


    Fürderhin werde ich's beim Lesen belassen und lieber amüsiert auch Rätselkanons des alten Bach hören, die man analysieren kann, vorwärts und rückwärts spielen, das Blatt auf den Kopf drehen und man doch immer die selbe Musik zu hören bekommt - sollten die etwa schon analytisch komponiert sein?
    Musik jedenfalls ist manchmal auch intelligent, oft sogar klug.


    Mike

    ...danke für diese Erinnerung an diese grandiose Musikerin!


    Mir begegnete sie zuerst mit dem Liederzyklus "Aus jüdischer Volkspoesie" von Schostakowitsch, mit ihm selbst noch am Klavier.
    Das ist Magie in meinen Ohren - so sollte DSCH klingen. Ohne Künstlichkeit, ganz von innen heraus und nicht auf Effekte abzielend.
    Eine Sternstunde.


    Herzliche Grüße,
    Mike

    ...hm, der gemeinsame Todestag ist aber auch alles, was Paita mit Masur verbindet!


    Als ich kurz nach der Wende in einem der ersten Klassik-Fachgeschäfte in Leipzig begann zu arbeiten, war noch Paitas Bruder unterwegs, um uns Händlern diese Aufnahmen anzubieten.
    Der Bruder wirkte leicht aufdringlich, diese blass- blauen Cover waren nicht sehr einladend und den Namen Paita hatte sowieso noch niemand gehört. Indes, meine Neugierde siegte und ich orderte eine Handvoll Aufnahmen, damals noch parallel als LP und CD.
    Nahm dann seine "Symphony Fantastique" mit nach Hause um mal reinzuhören.


    Dabei blieb es nicht! Das war ungezügelte Leidenschaft, die doch sehr kontrolliert war.
    Von der LP ein perfektes Klangbild noch dazu, bei diesem, von mir nicht besonders geschätztem Werk die fesselndste Aufnahme, die mir bis dato - und auch später - je unterkam.
    Bestätigt fand ich das wieder bei seinem Dvorak, der zwar nirgends gewollt-tümelnd böhmisch klang, sondern eher an Brahms erinnerte; eine farbenprächtige Mahler-Erste, die Extreme aufriss. Und so fort.


    Jedenfalls ein leidenschaftliches Musizieren und Nachhören quasi im Inneren der Werke und nicht diese "gepflegte Langeweile" der Abende, die ich im Gewandhaus auszusitzen hatte im Abo.


    Bedauerlich nebenbei, dass die absolut herausragende technische Aufnahmequalität nicht auf die CD-Überspielungen gerettet worden ist.
    Die Aufnahmen waren für mich später die Testplatten, die ich mitnahm zum Hifi-Händler, um sowohl klanglich als auch den muskalischen Fluss einer Wiedergabekette beurteilen zu wollen - und nebenbei Paradebeispiel dafür, wie gut eine LP klingen kann im Vergleich zur CD.... :love:


    Herzliche Grüße,
    Mike

    Lieber Dieter,


    gäbe es eine PN, würde ich Dir sagen, dass ich meinen letzten Satz anders gemeint hatte als Du ihn hier liest.
    Aber keine Sorge, Interpretationen gehören für mich zum Lebensreichtum.


    Sieh mir nach, dass ich mich überhaupt zu diesem Thema einließ, da ich doch immer wieder wünsche, um Musik zu diskutieren.
    Und, wie Du, beruflich gezwungen bin, die rechtliche Basis anzuerkennen - und gut damit leben kann.


    Herzliche Grüße,
    Mike

    Hält es auch jemand für möglich, dass geltendes Recht und Gesetz Basis einer funktionierenden Gesellschaft sein kann?
    Die weder in Anarchie abgleitet, noch Bücher verbrennen lässt?
    Eben nicht ausgelegt wird, sondern in Zweifelsfällen neu verhandelt?
    Wo doch alle hier das geltende Recht, von einem einzelnen erstellt, als verbindlich betrachten, oder?
    Arrgghhh....

    ...mir fällt auch schwer, meine Klappe zu halten und somit auch, an vermeintlich tradierten Weltbildern zu rütteln.
    Dieser Thread hier war für mich als LESENDER immer überaus unterhaltsam, aber völlig substanzlos.
    Hier jetzt die Substanz festzumachen, das ganze Forum aufzulösen, ist, lieber Alfred, natürlich Deine Entscheidung, aber doch wohl überdenkenswert.


    Zuletzt ging es darum, die Flur zu bereinigen, mehr oder minder witzig- dabei wäre aus meinem Verständnis die Anteilnahme des Moderators und Inhabers weitaus eher angebracht gewesen statt der jetzigen bockigen Reaktion, die der eines beleidigten Kindes gleichkommt, alles hinzuschmeißen.


    Ich habe in diesem Thread nichts verloren, ich genieße eine Händel- Oper sehr wohl auch mit Darstellern in Uniformen, sofern das Korsett deren Atmung nicht beeinträchtigt, aber ich habe in diesem Forum nichts zu suchen- sofern das Korsett unsere Atmung nicht beeinträchtigt.
    Mehr noch: ich hoffte, hier zu finden.
    Andernorts hier gelingt es, es existieren wirklich wertvolle Threads, die zu lesen tiefe Freude bereitet.
    In denen zu schreiben, trotz Verquerungen, Antwort erheischt und Erfüllung bieten kann.


    Deine Entscheidung, die ich dennoch bedauern würde.
    Wieviele Threads hat das Forum? In wie vielen geht es gesittet ab? In wie vielen müht man sich um Gesprächskultur trotz divergierender Meinungen?
    Meine innige Bitte: mach dieses Forum nicht platt anhand eines einzelnen Threads! Nutze eher Deine Fähigkeiten des Steuerns statt vorhin noch zu sagen, alles sei erlaubt, um dann Dein Scheitern für uns alle hier gemein zu machen.
    Das hier ist ein einzelner Thread! Einer, der saublöd läuft- aber er ist nicht das Forum.
    Sag nicht, man könne Dich nicht beleidigen, um dann beleidigt für alle zu entscheiden, die mit Herzblut versuchen, die Idee zu tragen.
    Wenn Du das Bedürfnis verspürst zu strafen, dann tu das detailliert und dann auch persönlich- denn sachlich wird hier ja nicht diskuitiert.
    Im Ganzen aber sehr wohl- raube bitte nicht Dir noch uns allen Bemühten die Basis.


    Wenn Du aber nicht anders zu können glaubst, dann sei es so.
    Dann bist Du auch in Deinem Verständnis der alte Mann, der lieber aufgibt statt einen Kampf auszutragen- so albern der auch sein mag in der Diskussion, ob Männer Frauenkleider tragen dürfen auf der Bühne- wie war das doch noch mit den Kastraten, die es nicht mehr gibt, die alle Genderdiskussionen ad absurdum führen könnten wenn es um Authentizität ginge?


    Daran die Existenz eines Forums festzumachen ist Aufgeben.
    Nicht Deine Art, wie ich Dich kennenlernte.
    Die Diskussion so weiterzuführen allerdings lässt Zweifel entstehen an Deiner Führung, jedoch nicht an Deiner Kompetenz, die Dir gebieten sollte, einzuschreiten statt die Segel zu streichen.


    Sorry, ich hatte nicht vor, mich in das Theater um das Theater zu begeben. Aber mir liegt was an diesem Forum! Es liegt mir sogar am Herzen!
    Und ich kämpfe dafür und nehme nicht hin, dass dieser eine Thraed über alles andere das Urteil fällen soll.
    Was alllerdings auch in der Selbstzensur derer liegen solltre, die hier absolut Unmögliches von sich geben.


    Herzliche Grüße eines kritisch Liebenden- oder liebend kritischen, was den "Verein" und dessen Administration angeht:
    Mike

    Liebe Bachiania,


    eine ganz persönliche Antwort an Dich steht noch aus - bitte habe etwas Geduld mit mir!


    Hier allerdings muss ich schon wieder Holger wiedersprechen, nämlich seinen Beispielen zu Emotion und Gefühl.
    Emotionen sind existenziell, sie üben im Grunde Gewalt über uns aus; sie sind unteilbar und nicht steuerbar.
    Gefühle hingegen sind vor allem das: teilbar.
    Triumph z.B. kann sehr zwiegespalten sein: kann aus Stolz bestehen, Hochmut, eingestandenem (oder auch nicht) Überlegenheitsgefühl....selbst Mitgefühl für den, über den da triumphiert wird, ist möglich.


    Emotionen sind ganz schlicht: Wut; Trauer; Freude; Überraschung; Ekel und Angst.
    Das sind die Bausteine unserer Gefühlswelt, die an Zwischentönen reich ist.
    Was dann eben die Gefühle sind, die so farbig und vielschichtig daherkommen- und die wir zu steuern in der Lage sind!


    Liebe Bachiania, etwas bedauernd scheint mir so zu sein, dass Du selbst Deinen Thread mitdemontierst, indem Du Dich solchen Diskussionen hingibst, in denen nicht nur immer weiter von Deiner Ur-Frage entfernt geschrieben wird, sondern auf die theorethische Ebene gehoben wird- noch dazu missverstanden oft- dass ich sehe, ich hätte alles dazu geschrieben.
    Was nicht sein müsste, würde man Deiner Frage Respekt erweisen satt sich in Zitaten zu ergießen oder sich genötigt sehen, Emotion und Gefühl per Definition in Worte zu fassen.


    Frage damit: gelingt es Musik, Emotionen auszulösen? Oder erreicht sie doch eher unser Gefühl?
    Und wie erreicht sie es, da sie selbst doch nicht ausdrücken kann, sondern "nur" erwecken?
    Klingt Trauer bei Händel wirklich anders als bei Beethoven?
    Macht diese "innere Wende" nicht aus, dass Händel quasi objektivierender zu Werke geht als Schumann, der sozusagen subjektivistischer seinen Hörer zu fassen sucht?


    Geht es einem Händel um den Hörer, Schubert nicht?
    Wer ist das Ziel beim Notenschreiben?


    Entschuldige, das liest sich äußerst pragmatisch, ist genauso gemeint.
    In Nahekommen zunächst sogar des Begreifens Deiner Frage, noch gar nicht auf eine Antwort zielend.
    Aber im Verständnis, dass nicht Wissenschaften die Antwort bieten und Bündel an Zitaten.
    Immer noch lese ich Deine Urfrage sehr persönlich- und möchte ihr eigentlich auch so antworten.
    Verzeih also, dass ich statt einer Antwort Gegenfragen stelle.
    Denn einer meiner Lieblingssätze eines Germanistikprofessors: "Und so entstand ein Krieg auf Seite 96" bringt zumindest mich der Beantwortung Deiner Frage nicht näher.


    Eher schon: reagiert ein Saul nicht auf Basis seiner Emotion, hingegen der Wanderer in der Winterreise nicht doch auf Basis seines Gefühls?
    Jonathan wiederum sehr wohl auf Basis seines Gefühls, weil Vergebung vielschichtig ist?
    Dann aber selbst der jämmerliche Wanderer Trauer empfindet bei Schubert ..... wie groß ist die Reibung der Musiksprache zwischen Händel und Schubert?
    Existiert sie und wenn ja, wo?


    In aller Bemühung, Deiner Frage zu folgen, herzliche Grüße,
    Mike

    Schubert mit Brüggen - Alfred hat das Cover gelinkt.
    In meinen Ohren die "Unvollendete".
    Anders als Alfred finde ich, dass die Kenntnis der Böhm-Aufnahme besonders deutlich macht, wie wenig "schön" Schuberts Musik sein kann.
    Wenn davon ausgegangen wird, Schuberts Musik reiße an Grenzen der Emotion und ginge darüber hinaus - wieso dann nicht auch eine klangliche Dartstellung, die nicht im Schönklang versickert?
    Bei Brüggen wird Klang und Emotion eins.
    In meinem Verständnis darf grenzüberschreitende Musik auch klanglich die Grenzen des Schönklangs überschreiten.
    Zumindest im Verständnis des Klangs, den Böhm zu erzielen sucht.


    Herzliche Grüße, Mike

    Lieber Holger,


    nur der Form halber: ich mache Absätze in meinen Aussagen ganz bewusst und bin alles andere als glücklich, wenn man Zäsuren, die ich setze, aus dem Kontext reißt und teilzitiert.
    Um von eigener Subjektivität abzulenken auf meine - zu der ich stehe.


    Meine Bitte: zitiere mich in Absätzen vollständig in Zukunft wenn Du Antwort erwartest.
    Auch wenn es Dir erschweren sollte, auf das Thema einzugehen.


    Antwort nicht nötig und völlig off topic.
    Mike

    Lieber lutgra,


    ja, mit meiner Äußerung, was ich wie empfinde, habe ich Widerspruch eigentlich unmöglich gemacht.
    Meinem Gefühl kann niemand widersprechen.


    Geschah in der Absicht einer Zäsur, nicht in der, den Thread zu töten.
    Durchaus aber in der Absicht, Aussagen zu relativieren wie: "Ich sage, Celi ist groß, also ist er es auch".
    Mal wieder runterkommen, um Eindrücke zu schildern statt ihn per se zum Genius zu erheben.
    Schlägt er doch, wie so viele andere, einfach den Takt - und ist und bleibt anfechtbar.
    Besonders eben, weil seine Tempowahl derart despektierlich ist den Werken gegenüber, die er dirigierte - um sie nicht aufzunehmen, aber mitschneiden zu lassen.
    Widersprüchlichster aller am Pult!

    Hallo zusammen,


    doch seltsam, "Die Jahreszeiten" dann ganz schnell wieder im Kontext zu Wagner zu lesen.


    Für mich eins der wichtigsten Werke der Musikgeschichte - vielleicht deshalb besonders, weil es so uneitel ausdrückt.


    Ich tat mich selbst sehr schwer mit diesem Werk, konnte ihm nicht folgen, weil es ob so platt wirkte, so uninspiriert.
    Heute weiß ich es besser.
    Haydn macht es dem Zuhörer ja auch nicht leicht, dabei er dem Rechnung trägt, was den "modernen Menschen" ausmacht.
    Üblicherweise gehen verbale und musikalische Schilderung Hand in Hand- nicht so bei Haydn.
    Er gestaltet zunächst das Bild musikalisch - und lässt den Sänger dann reflektieren.
    Bedeutet für uns, diesen Schritt nachzuvollziehen.


    Sind wir nicht gewohnt, wir sind gewohnt, in ein Flussbett zu tauchen und Strömungen zu folgen.


    Haydn gestaltet anders: da geschieht zunächst etwas in der Natur, das er orchestral ausformt ... geradezu exzessiv.
    Die Menschen, die Sänger also, beobachten jenes Geschehen und suchen, es in Worte zu fassen - und bleiben zurück hinter dem, was sie wahrnehmen.


    Dieser Zeitverzug muss doch jedem klar werden, der das Werk hört: der Frühling beginnt mit Nachwehen des Winters.
    Mit dieser kleinen Diskrepanz von Geschehen und Wahrnehmung arbeitet Haydn das gesamte Werk über.


    Wie Haydn beim Hören des "Messiah" auf die Knie fiel, so bleibt mir keine andre Regung beim Hören der "Jahreszeiten".


    Welch eine kluge, schöne Musik, die mich als Hörer einbindet, mich fordert und mir Bilder, Farben und Formen eröffnet!


    Ich glaube nicht an Gott, aber hier komme ich ins Zweifeln.

    Lieber William,


    hier hast Du ein schönes, fesselndes Plädoyer verfasst, dem ich keine Kritik entgegenbringen kann und möchte.


    Bedauerlich nur, dass auch Beethoven nicht in der Lage ist, sich zu äußern. Der würde nämlich zumindest Verwunderung äußern, wieso seine "Eroica" mal eben zwanzig Minuten länger braucht als in seiner Festlegung der Tempi via Metronom.
    Ist Musik also "gut gemacht", wenn sie ignoriert, was da vorgegeben ist?
    Aus persönlicher Sicht: Leibowitz, der die Vorschriften ernst nimmt, "macht" es dennoch nicht gut.
    Sowenig wie Gardiner, denn Musik ist keine Maschine, die abspult.
    Aber alles Vorgeschriebene ignorieren und alles reduzieren auf die eigene Persönlichkeit?


    Genau dorthin folge ich Celi eben nicht- einem späten Klemperer sehr wohl.
    Der versucht, das Wesen des Werkes umzusetzen, sowenig ihm das auch gelingen mag. Das Scheitern ist auf hohem Niveau.
    Celi, so höre ich ihn immer wieder, reduziert jedes Werk auf seine eigenen Fähigkeiten, seine eigene Bandbreite an Gefühlswelt und engt damit den Horizont gewaltig ein.
    Ich möchte das Werk entdecken und benötige dazu Interpreten. Aber ich möchte nicht Celi entdecken und dessen Eigenwilligkeit.
    Ich möchte die Eigenwilligkeit des Werkes entdecken.


    Es geht mir ganz bestimmt nicht um mediale Anwürfe gegen ihn, es geht mir um die Musik, die ich zu hören bekomme.
    Und nur aus dieser Sicht heraus kann ich sagen: mich stößt ab, was ich von Celibidache zu hören bekomme.
    Dabei nicht willens, einen Streit zu führen um ein paar Minuten mehr oder weniger Bolero, den Ravel selbst so selbstironisch sah.
    Der Ravel, der an Alzheimer erkrankte, das nur nebenbei.....


    Wie Deine Toleranz ist auch meine weit gesteckt. Behaupte ich, denn ich schätze sowohl Savall als auch Klemperer, selbst live in Bonn 1970, mit der "Eroica".
    Weil beide Interpretationen versuchen, dem Werk nahezukommen.
    Auf höchst unterschiedliche Weise, der eine mit 35 Minuten, der andere mit 60.
    Aber es gibt Musiker, Dirigenten, die ihr Ego pflegen anhand eines Werkes - und dazu gehört für mich Celi.


    Woran ich das festmache?
    Kann ich nicht sagen, ich fühle einfach, dass da "was nicht stimmt".
    Dass da Eitelkeit im Vordergrund steht und nicht die Musik.
    Ich empfinde es so.


    Und mag es einfach nicht.


    Herzliche Grüße,
    Mike

    Liebe Bachiania,


    nochmals danke für Deine Zeilen, die eigentlich deutlich machen, worauf Du hinaus wolltest, statt uns alle hier versinken zu lassen im Rätseln.
    Aus meiner Sicht kann man hier zwei Wege herauslesen: der eine, der alle Musik durch die Brille der Romantik betrachtet. Der andere, der bemüht ist, "Alte Musik" in ihrer eigenen Welt zu lesen und ins Heute zu transformieren.


    Du überraschst mich aber, dass Du nun Schumanns Fantasiestücke als Vehikel nutzen möchtest.
    Du hast die beiden "Wendepunkte" festgemacht und führst nun zum zweiten ein Werk an, das noch 50 Jahre später entstand.
    Ohne nun wissen zu wollen, was Du meinst, ich bin sehr gespannt auf Deinen Beitrag: aber ringt nicht Schumann, wie Brahms und Mendelssohn, altes und neues in Einklang zu bringen?


    Die "innere Wende" begab sich aber zu der Zeit...und Schumann ringt eigentlich nur noch mit deren Folgen.
    Mit seiner ganz persönlichen Sprache, die der Brahms' und Mendelssohns verwandt ist, aber diese "Wende selbst" liegt längst hinter ihnen.


    Um so neugieriger bin ich auf Deinen Text.
    Würde aber, von vornherein, anmerken wollen, dass diese "innere Wende" schon in der Generation zuvor tatsächlich Ausdruck annahm.
    In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts nämlich.
    Und dort insbesondere bei denen, die heute so vernachlässigt sind wie Friedemann Bach, Müthel oder auch J.M.Kraus.


    Vielleicht bin ja jetzt ich es, der Deine Frage missverstand?
    Ich verstehe Deine Frage nach der Ursache suchend in Musik, nicht in deren Verarbeitung.
    Allerdings gestehe ich: Schumanns Violinkonzert findet für mich einen Schluss, der keine Frage offenlässt. Das ist letztlich auch Tanzmusik, nur sehr gebrochen und persönlich geworden.
    Vor allem dann, wenn man gewillt ist, seinen "absurden" Tempoangaben zu folgen.


    In Neugierde verbleibend: Mike

    Also Holger, bitte!


    Deine Worte waren: "Demenzkranke verlieren ihr Bewusstsein" und ich widersprach Deiner Aussage.
    Indem Du die Relevanz meiner Aussage bezweifelst, bezweifelst Du Deine eigene.
    Was sind reale Gefühle als nicht die, die gerade jetzt von jemandem erlebt werden?!
    Und die, unabhängig von "realer" Zeit, aber im Bewusstsein der eigenen Realität, des eigenen Bewusstseins.


    Was gibt mir und Dir das Recht, den Fluss der Zeit so folgerichtig anzunehmen, wie Du es tust und dabei leugnest, dass andere Wege möglich seien?
    Ohne auf Musik bezogen zu sein: Deine Äußerungen wirken "unmenschlich" und nicht bereit, andere Realitäten als die Deine als "wahr" anzunehmen.
    Aus völlig anderem Blickwinkel heraus stellt Christian die selbe Frage.
    Lieber Christian, danke!
    Wie Du verstehe ich Bachianias Frage und Antwort eben nicht im Streit um Philosophie, sondern persönlich.


    Ebenso persönlich kann ich ihre Frage nicht beantworten!
    Jeder hier nutzt die Möglichkeiten, die ihm zur Verfügung stehen, sich einem Werk zu nähern, einer Epoche.
    Du, Holger, eben Umwege über Dir mögliche Mittel von Philosophie und Semantik.
    Ich den, den ich zur Verfügung habe: die Fähigkeit, an- und aufzunehmen, was mir emotional angeboten wird. Fernab von Wissenschaft und vermeintlicher Überlegenheit.


    Womit ich seicentos Aufassung nahe bin und Tanz, Bewegung - wie zweideutig - im Rahmen einer Annäherung an Bachianias Frage sehe.


    Und Dir selbst, liebe Bachiania, ich wünschte Deine Antworten, gefordert habe ich sie nicht.
    Um so schöner, dass Du sie gabst.
    Nur: sind wir alle hier Deiner Ausgangsfrage näher gekommen?


    Inzwischen stellt sich mir sogar die Frage, ob wir Deine Frage überhaupt verstanden haben.
    Ist für uns Fakt, dass die Musiksprache sich veränderte? Oder führen wir diese Diskussion nicht inzwischen um ihrer selbst willen und bezeugen unser Wissen - respektive Unwissen - nur allzu deutlich?


    Deine Frage wirkte auf mich als sehr ernsthaft gestellt und ich bemühe mich, ernsthaft zu antworten.
    Scheingefechte auf intellektueller Ebene sind nicht hilfreich.
    Studien zufolge reagieren wir, anders als oben angenommen, doch immer intuitiv und emotional - und unser Intellekt hinkt dem Fühlen nach.
    Na, und wenn schon!


    Ist doch keine Schwäche!
    Der Einklang der uns zur Verfügung stehenden Möglichkeiten macht uns doch aus.


    Und das, lieber Holger, gestehe ich jedem zu, auch einem Demenzkranken. Fordere es aber auch: jeder nutze die ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten.
    Und wir haben sie. Alle. Wir können uns, wenn wir es wünschen, der Musiksprache und dem Instrumentarium annähern derer, die etwas ausdrücken wollen.
    Wir sind in der Lage, einen von Bachiania postulierten Wandel des Inneren nachzuvollziehen.
    Wir tun es nicht, wir gehen von uns aus und unseren Vokabeln und Instrumentarien.


    Einem Demenzkranken das Bewusstsein abzusprechen ist umgehrt so, als würde ein Demenzkranker mich für blöd halten, weil mir nicht gelingt, ihm zu folgen.
    Ich würde ihm zustimmen müssen.


    Aus meiner Art des Musikverständnis hätte das entsprechende Folgen ... jedenfalls würde nicht die Gemeinsamkeit eines Tanzes möglich.
    Nochmals: Danke, lieber Seicento.


    Herzliche Grüße,
    Mike

    Liebe Bachiania,


    in Anbetracht Deiner Ausführungen stellt sich mir die Frage, warum Du um Zelenka nicht weiter schreibst?
    Wäre nicht gerade er das "perfekte Opfer", anhand all dieser Formen von Fugen, Fugati und ähnlichem zu beschreiben?


    Ganz herzliche Grüße,
    Mike