Beiträge von jubal

    ... ist, bei aller Liebe zu anderen, dann doch er, zu welchem diese anderen in Verehrung und Liebe emporblickten; er, der eigentlich "Meer" oder zumindest "Strom" heißen sollte, und doch nur den bescheidenen Namen trägt:


    Johann Sebastian BACH.


    Bedarf es einer Begründung? Muß man die unglaubliche Fülle an melodischer Inspiration, an Ausdruckslagen, an Formen und Verfahren, die dabei stets auf hohem, ja höchsten Niveau bleiben, eigens erwähnen? Nein, das ist völlig unnötig.


    Und Lieblingswerke? Ich bitte Sie! Wo soll man anfangen, wo aufhören? Von den Passionen zu Violinpartiten, von Kantaten zu Cembalokonzerten Meisterwerke über Meisterwerke. Da kann nicht einmal Beethoven mit seinem Wellingtons Sieg mithalten...

    Mozart a-moll (Lipatti)
    Mozart c-moll (Moravec)
    Beethoven Nr. 26 Es-Dur Les Adieux (Perahia)
    Beethoven Nr. 32 c-moll (Kempff)
    Schubert A-Dur (Perahia)
    Mendelssohn E-Dur (Perahia)
    Chopin b-moll (Rubinstein)
    Schumann fis-moll (Perahia)
    Liszt h-moll (Hüseyin Sermet bei naive)
    Brahms f-moll (Kissin)

    ...hatte ich noch unter Maxim, dem Sohn des Komponisten, und mit Dmitri, dem Enkel, am Klavier zu hören Gelegenheit.
    Meiner Einschätzung nach handelt es sich um ein Werk, das, ähnlich der 9. Sinfonie, ganz bewußt bestimmte Erwartungen überspringt: philosophischen Tiefsinn, harmonische und melodische Kühnheit, virtuose Gipfelstürmerei.
    Dabei ist das Konzert - den Schlußsatz einmal ausgenommen - durchaus als inspiriert zu bezeichnen. Man beachte die typisch schostakowitschiane Ökonomie im ersten Satz (wie lange dauert es, bis das Klavier und das Orchester endlich zum Volleinsatz kommen!), das geistvolle Seitenthema, auch die Fugato-Kadenz.
    Der Mittelsatz ist einfach sui generis, teilweise nahe am Kitsch, aber eben nur nahe daran.
    Gelungene Aufnahme beider Konzerte: die von Marc-André Hamelin.

    Dieser Mann hat Stil. Nicht nur musikalischen.



    Bewegend, wie bescheiden und doch eindrucksvoll er seine Frömmigkeit zu zeigen weiß:



    "Innocence" ist da wirklich der erste Gedanke:



    Was mag wohl in diesem Kopf vor sich gehen?



    Manchmal aber hat er auch nur den Charme von Udo Jürgens. (Man beachtete das stets geöffnete Hemd.)


    Kann mir hier irgendjemand sagen, ob die Aufnahme einiger Loewe-Balladen mit Karl Ridderbusch, begleitet von Richard Trimborn (bei der DGG) jemals auf CD erhältlich war?
    Ich kenne Prey, Fischer-Dieskau, Quasthoff und manche andere mehr mit Loewe-Balladen, doch an Ridderbusch kommt m.E. niemand heran.
    Unendlich schade, wenn diese Aufnahme verschollen sein sollte!!!

    Die langsmen Sätze der Klavierkonzert Nr. 1 und 2 von Bartók. In Nr. 1 ist es gespannte Aggressivität, die immer wieder kurzzeitig zum Ausbruch kommt - wirklich bedrohlich. In Nr. 2 diese nächtliche Schwüle, die die Zeit transzendiert, aber sich dann plötzlichen wie von der Tarantel gestochen in einem wilden Orkan austobt, der freilich wieder in die Beklemmung zurückfällt.
    Auch "Der wunderbare Mandarin" verdient hier seinen Platz.

    Aber was hat bitteschön das auf einer Klassik-CD zu tun:



    Mag ja sein, daß die Solistin recht attraktiv aussieht. Aber von dem Typ hier an ihrer Seite gilt das definitiv nicht. Und warum denn auf dem Waldboden?



    Und auch hier wieder eher peinlich:



    Da möchte man doch die geschmackvolle Covergestaltung einer früheren Flötistengeneration loben:




    Folgende Rezension, die ich einmal irgendwo veröffentlicht habe, verleiht meiner großen Begeisterung für Schnittkes Chorkonzert in einer unüberbietbaren Interpretation Ausdruck:


    OPUS MIRANDUM
    Ein Werk ohnegleichen in einer einzigartigen Interpretation.
    Wer Alfred Schnittke nur als Komponisten polystilistischer Montagen oft bizarren bis grotesken Zuschnitts kennt, wird erstaunt: eine Musik, die völlig auf Maskerade und Karikatur verzichtet, die stattdessen in spürbarer Ergriffenheit Texte aus dem "Buch der Lamentationen" des armenischen Mystikers Gregor von Narek vertont!
    Musikalisch wird man an slawische Kirchenmusik (auch die von Rachmaninov, Gretchaninov, Sviridov usw.), an nordische Romantik, aber auch an die Archaik etwa des "Kanon Pokajanen" von Arvo Pärt erinnert. Doch die Klangwelt Schnittkes hat einen durchaus eigen und selbständigen Charakter. Sie durchmisst die weiten Räume von orthodoxem Kirchengesang bis zu hochkomplexer Polyphonie, vom zartesten Pianissimo bis zur gewaltigen Klangballung, zum Aufschrei, ohne dabei jemals disparat zu wirken. Alles fügt sich zum Gesamtbild zusammen.
    Der Aufbau des Konzertes erinnert in seiner Viersätzigkeit an die klassische Sinfonie. Dem langen ersten Satz mit seinen berückenden harmonischen Wechselbädern und atemberaubenden melodischen Aufschwüngen folgt ein zweiter, der in seinem schreitenden Rhythmus an eine düstere Prozession gemahnt. Die Funktion eines Scherzos übernimmt der dritte Satz: Unruhig bewegt und zwischen extremen Gegensätzen, zwischen Elementen ostkirchlichen Gesanges und moderner Clustertechnik schwankend, erlebt er eine großangelegte Steigerung, die in einem bestürzenden Höhepunkt gipfelt. Die Verklärung aber, die sich im kurzen Abgesang des Werkes einstellt, lässt sich mit Worten kaum beschreiben. In dem oft wiederholten, leise verklingenden "Amin" scheint tatsächlich die Ewigkeit angebrochen zu sein.
    Schnittke hat sein Chorkonzert Valéry Polyansky und der Russian State Symphonic Cappella gewidmet, deren Einspielung als sensationell bezeichnet werden darf. Selbst nach oftmaligem Hören büßt sie nichts von ihrer Faszination ein. Andere Aufnahmen erreichen trotz perfekter Einstudierung und Technik keineswegs dieselbe auratische Klanggewalt.

    Meine Zuordnung wäre:


    Vater: Olivier Messiaen


    Großvater: Anton Webern


    Übervater: Gustav Mahler



    Zwar steht Messiaen nicht eigentlich in der Webern-Linie, doch die alles entscheidende Klavieretude setzt bekanntlich bei Anton Webern an, auf den Karlheinz sel. selbst einmal das Wort anwandte: Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, siehe, er ist zum Eckstein geworden.


    Mahler aber ist in seiner ganzen inneren Widersprüchlichkeit, insbesondere in seiner radikalen Hinwendung zum Subjektiven die Schlüsselfigur am Beginn des 20. Jahrhunderts. Er hat die Tür geöffnet!


    Stockhausens Gruppen sind für mich das Ende einer Straße. Weiter geht's nicht mehr. Man könnte daher auch von einer Sackgasse sprechen. Aber interessant ist es allemal.


    (Andere solcher Sackgassen-Endpunkte wären z.B. Pendereckis Threnos, Ligetis Aventures, Cages 4'33 u.a.)

    Gelegentlich sollten sich die Labels auch bei hervorragenden Cellisten die Frage stellen, ob denn unbedingt ein Bild vom Interpreten das Cover schmücken muß...

    Das Photo schenkt ja nicht immer einen Vorgeschmack des Klanges!

    Und im Fall dieser CD könnten Anblick des Interpreten und Name des Komponisten zusammengenommen ganz besonders kontraproduktiv sein:

    Es sieht eben nicht jeder Cellist so schamenanhaft eindrucksvoll...

    ... und cool aus wie dieser:

    Wenn ich über schöne Stellen nachdenke, bemerke ich, daß ich besonders (wie schon erwähnt) an Passagen hängenbleibe, die entweder eine Markierung im Gegensatz zum Vorangegangenen oder einen Übergang darstellen. Insofern lassen sich diese Stellen nicht wie Ohrwürmer aus dem Kontext herausschneiden und beispielsweise vermarkten.
    Als Beispiel sei die Durchführung im ersten Satz des letzten Klavierkonzerts von Mozart erwähnt. Man erinnert sich bestimmt: Da wird zunächst das Hauptthema von einer Tonart in die andere gesetzt, es erreicht ganz entlegene Gefilde. Und plötzlich ist ein Punkt erreicht, an dem es für einige Takte zu einer unbeschreiblichen harmonischen Rückkung kommt (leider habe ich die Partitur für genaue Angaben nicht zur Hand). Wer hier nicht innerlich berührt wird, dürfte musikalisch unsensibel sein.
    Übrigens gibt es einen ganz ähnlichen Moment im Konzert e-moll von Chopin. Ich erinnere mich noch, daß ich beim ersten Anhören des Mozart-Konzerts an besagter Stelle sofort an die entsprechende Passage bei Chopin erinnert wurde.
    Wissen die Leser vielleicht, was genau ich meine?
    Jedenfalls sind das klassische Beispiele für "schöne Stellen", die
    1. bewußt rar sind,
    2. sich auf kurze Augenblicke beschränken und
    3. nicht aus dem zusammenhang gelöst werden können.

    Da ich den Eindruck gewonnen habe, dass es zur musical correctness und zum guten Ton gehört, die Mozart-Einspielungen des wirklichen Ausnahmepianisten Arturo Benedetti Michelangeli negativ zu beurteilen, muß ich das Bekenntnis ablegen:


    Ich halte seine Interpretation von KV 466 (mit dem NDR-Orchester unter Cord Garben) für großartig, nahezu unvergleichlich!


    Während man ABM ansonsten einen an Ästhetizismus angrenzenden Schönheitskult vorzuwerfen pflegt (in diesem Sinne auch ansatzweise Joachim Kaiser), lautet die Kritik an seinem Mozart, das klinge ja eher nach Rachmaninoff (so John Elliot Gardiner).


    Ich persönlich bin der Meinung, daß ein kraftvolles, wuchtiges Spiel, wie es zumal in KV 466 zu hören ist, dem Charakter des Werkes durchaus entspricht. Allenfalls beim 2. Satz (mit Ausnahme des schnellen Mittelteils) ist mir der Anschlag zu stark, was aber auch aufnahmetechnisch bedingt sein kann. Ansonsten habe ich die Evidenz: Ja, so muß es sein!


    Unter vergleichsweise herangezogenen Aufnahmen ist mir z.B. Moravec, den ich sonst sehr schätze, zu schwach, Brendel empfinde ich hier als beinahe nichtssagend, Gieseking tönt mir zu "französisch" (jener Mittelteil im zweiten Satz ist nun einmal keine impressionistische Studie über Reflexe auf dem Wasser oder fallende Blätter, sondern eine hochdramatische Angelegenheit, vielleicht der Hereinbruch des Todesgedankens in idyllische Jugenderinnerungen?). Ganz zufrieden bin ich außer ABM eigentlich nur mit Gulda.


    Ich möchte nun die geneigten Leser bitten, mir die Kritikpunkte an der von mir favorisierten Einspielung zu nennen. Ich zähle mich durchaus zu den Bekehrbaren!

    ... ist eindeutig d-moll!


    Einmal davon abgesehen, daß das Über-Genie Mozarts in solchen Angelegenheiten unfehlbar ist wie der Papst in Glaubens- und Sittenfragen: d-moll ist die Tonart der Don-Giovanni-Ouverture und des Requiem!
    Der innere Beziehungsreichtum dieser drei Kompositionen auf dem absoluten Gipfel mozartscher Musik sollte einmal Gegenstand einer Doktorarbeit sein. Jedenfalls geht es immer um die sog. Letzten Dinge, vorrangig um Tod und Gericht. Und hier nimmt die Sache ja ein gutes - keineswegs ironisches - Ende.


    Die vorgeschlagene Tonart fis-moll würde dem Charakter nicht gerecht. Welten liegen zwischen dem d-moll-Konzert und dem langsamen Satz des A-Dur-Konzertes.


    Dennoch wäre es natürlich reizvoll, KV 466 einmal in fis-moll zu hören. Ob das der Normalliebhaber ohne absolutes Gehör überhaupt bemerken würde?
    Ich denke: Ja. Der skrijabineske Hauch brächte vermutlich Stimmungen hervor, die man sonst bei diesem Konzert nicht hat...

    ... sind für meine Meinung oft Wegmarkierungen oder Übergänge im Verlauf eines Stückes.


    So hat mich bei einer Aufführung der 5. Sinfonie von Schostakowitsch und seither bei jedem Hören von CD das eigentümlich ätherische, von Harfen untermalte Thema der Violinen verzaubert. Plötzlich ist alles so anders! Wenn es dann nach den großen Ausbrüchen des Orchesters in veränderter Gestalt ein drittes Mal wiederkehrt, entfaltet es eine ungeheure Wirkung. Außerhalb des Zusammenhanges aber käme diese Magie der Schönheit sicher nicht zustande. Hieran ist wohl auch die Sparsamkeit zu erkennen, mit der ein Meisterkomponist solche Mittel einsetzt.


    Weitere Beispiele sollen folgen.

    Liebe Taminoianer,


    Musik hat es nach landläufiger Meinung mit Schönheit zu tun, und die meisten Hörer (mehr wohl als die Spieler) suchen in den Kompositionen denn auch nach ästhetisch Ansprechendem, "Schönem".


    Die Einschätzung freilich, was man diesem Begriff subsumiert, ist sehr verschieden. Wenn von "schönen Stellen" die Rede ist, denken die einen an Melodien mit Ohrwurm-Charakter, während anderen eine raffinierte harmonische Rückung oder eine gelungene Klangfärbung einfällt.


    Spätestens seit Adornos Betrachtung über solche "schönen Stellen" hat sich weithin die Meinung durchgesetzt, ein sozusagen atomistisches Musikhören, das sich von schöner Stelle zu schöner Stelle hangelt und dabei das Ganze aus dem Blick verliert, sei dem Kunstwerk nicht angemessen. Andererseits gesteht doch auch der Frankfurter Philosoph den "schönen Stellen" eine Bedeutung zu.


    Mich würde interessieren, wie andere Musikfreunde zu diesem Thema stehen, genauer:
    Welche "schönen Stellen" fallen Euch spontan oder auch nach längerem Nachdenken ein?
    Was macht Eurer Ansicht nach diese Schönheit aus?
    Welche Position kommt solchen Stellen im Zusammenhang des gesamten musikalischen Kunstwerks zu?
    Sollten die schönen Stellen eher rar oder häufig sein?
    Gibt es Kompositionen, in denen Ihr derartige Stellen ausmacht, die Ihr aber dennoch für nicht gelungen halten?


    Diese und ähnliche Fragen beschäftigen mich, und daher erwarte ich mit Spannung Eure Beiträge. Mit meinen Ansichten werde ich dann auch nicht hinter dem Berg halten!


    Gruß von JUBAL


    P.S. Daß ich den Beitrag unter "Klassische Instrumentalaufnahmen" gesetzt habe, offenbart meine Vorlieben und läßt auch erkennen, aus welchem musikalischen Spektrum ich gerne Beispiele hätte!

    Zuerst meinen herzlichen Dank an Alexander Kinsky: Das ist wirklich eine schlüssige, für das Werk noch zusätzlich einnehmende Deutung.
    Man könnte nämlich bei den aufeinanderfolgenden Episoden von Lamentate den Eindruck einer gewissen Beliebigkeit gewinnen und sich denken, Arvo Pärt habe inzwischen sein Tintinnabuli-Pulver verschossen und versuche sich (wie schon in Miserere und Litany) nun in einer größeren Vielfalt, die auch dramatische Elemente einbezieht. So wäre dann die Einschätzung naheliegend, Lamentate sei ein gut gemeintes, aber weniger gut gemachtes Klavierkonzert.
    Betrachtet man die Komposition aber als eine solche "Suchbewegung", als eine Geschichte von überpersönlichen Dimensionen, dann wird alles plausibler.
    Lubimov ist übrigens ein großartiger Interpret für diese Art von Musik (wie seine Aufnahme des Introitus-Konzertes von Sofia Gubaidulina oder die wundervolle Zusammenstellung "Der Bote" beweist). Eine bessere Einspielung von "Lamentate" kann ich mir kaum vorstellen.

    Der Grund für die Zurückhaltung gegenüber dem 4. Klavierkonzert dürfte die schlichte Tatsache sein, daß es für die linke Hand geschrieben ist. Für den Interpreten bringt das gewisse Unannehmlichkeiten mit sich, für den Hörer nicht die Befriedigung des vollen Klanges, den man bei einem Klavierkonzert, zumal einem von Prokofiev, mit Fug und Recht erwarten darf.
    Gewiß staunt man über die ungeheure Leistung, mit nur einer Hand - und auch noch der linken! - das alles hervorzubringen, was ein durchschnittlicher Pianist nicht mit beiden Händen schaffen würde. Aber gegenüber den Herrlichkeiten des "athletischen Jubels" am Beginn des 1. Konzerts, der rauschenden Kadenz des 2. Konzerts, dem Passagenwerk des 3. Konzerts und der donnernden Wucht des 5. Konzerts ist und bleibt es eben recht mager.
    Abgesehen davon haben mich auch die musikalischen Einfälle des 4. Konzerts nicht recht überzeugt.

    Der Lobeshymnen über das 2. Klavierkonzert kann man hier ja - völlig zu Recht übrigens - viel lesen. Die Nr. 3 hat sogar - auch das berechtigtermaßen - eine eigene Reihe. Was aber ist mit dem 5. Konzert? Muß nur immer wieder beteuert werden, daß Richter es herausragend gespielt hat, sonst gar nichts?


    Fachleute behaupten, es gehe in seinen technischen Anforderungen noch über Nr. 2 hinaus. Dabei wird die Virtuosität nicht so herausgestellt und in atemberaubende Kadenzen verpackt; sie ist von Anfang an mit einer geradezu brutalen Wucht da. Man fühlt sich in mancher Hinsicht an Bartok (Nr. 1 und 2) erinnert, wo das Klavier als Perkussionsinstrument dient.


    Allerdings ist es Prokofiev gelungen, in seinem 5. Konzert auch viel lakonischen Humor einfließen zu lassen. Da sind teilweise bizarre und ungeschlachte Figuren. Der phantasiebegabte Hörer sieht vor seinem inneren Auge eine Prozession monströser Wesen aufmarschieren. Und fast alles ist - über die 5 Sätze hinweg - aus demselben thematischen Material gebildet.


    Schade, daß die Virtuosen immer mit einem der ersten drei Konzerte brillieren müssen, anstatt sich einmal der ganz anders gearteten Aufgabe der Nr. 5 zu stellen. Klar, nach einer solchen Aufführung ist man fix und fertig (vgl. Richter bei der "Arbeit": http://www.youtube.com/watch?v=dNPOZdztCP0&feature=related ). Aber es lohnt sich doch!

    Auch auf die Gefahr hin, mein Urteilsvermögen als zweifelhaft erscheinen zu lassen: Die Interpretation des Konzertes durch Ashkenazy (unter Previn) hat für mich nach wie vor einen hohen Rang.


    - Seine Technik ist außerhalb aller Diskussion.
    - In rhythmischer Hinsicht ist Ashkenazy überaus pointiert und zeigt auch Sinn für Humor (2. Satz).
    - Den herrlichen Mittelteil des Finale, der mich immer an einen sehr langsamen und etwas unheimlichen Tanz von Spinnen erinnert (wie sie ihre Beine erst zögernd strecken und dann plötzlich sehr rasch hervorschnellen lassen - einfach herrlich gruselig!), vermag er viel besser als z.B. Kissin oder selbst die Argerich zu einer Traumlandschaft zu verwandeln, in die dann mit dem wiederaufgenommenen Hauptthema des Satzes ein Wirbelsturm hereinbricht, um sie in einem einzigen Rausch aus Glissandi und Akkordkaskaden untergehen zu lassen.


    Ich weiß nicht vieles, was man da besser machen könnte. Vielleicht sollte ich mir diejenigen anhören, denen ich noch mehr zutraue: Pletnev, Lugansky und vor allem - Prokofiev-Geheimtip! - Frederic Chiu. Kennt jemand die Aufnahmen?

    Um das alte Thema aufzugreifen, nenne ich einmal meine Favoriten (wobei ich gestehen muß, daß es momentan auch Mozart allein täte, daher ist er hier außer Konkurrenz). Die Auflistung ist chronologisch und nennt pro Komponist nur 1 Konzert, sonst würde sie zu lang:



    J.S.Bach, Konzert d-moll


    Joseph Haydn, Konzert Nr. 11


    Ludwig van Beethoven, Konzert Nr. 4


    Frederic Chopin, Konzert Nr. 1


    Franz Liszt, Konzert Nr. 2


    Johannes Brahms, Konzert Nr. 1


    Antonin Dvorak, Konzert g-moll


    Alexander Scriabin, Konzert fis-moll


    Igor Strawinsky, Capriccio


    Sergej Prokofiev, Konzert Nr. 3


    Nino Rota, Konzert C-Dur (wegen des 2. Satzes!)


    Witold Lutoslawski, Konzert

    Das 1. Klavierkonzert steht für mich an erster Stelle. Es ist wie ein schroffes, abweisendes Gebirge, das doch verträumte Täler und manche lieblichen Winkel einschließt.


    Das 2. Klavierkonzert steht an zweiter Stelle. Das Schlußwort in Sachen romantisches Klavierkonzert, vollendet und großartig, aber nicht ganz so profiliert wie der Vorgänger.


    Streicherkonzerte liegen mir nicht so, deshalb werden die beiden anderen (wohl ungerechterweise) hier nicht näher in Augenschein genommen.

    Das C-Dur-Konzert wird merkwürdigerweise sehr unterschiedlich bewertet; die entsprechende Literatur changiert zwischen Lobeshymnen ("Gipfelpunkt des mozartschen Klavierkonzertes") und niedriger Einordnung.


    Mir scheinen erstere eher richtig zu liegen: Das Konzert hat einen Reichtum an Einfällen, an erstaunlichen Wendungen (auf die Dur-Moll-Wechsel wurde schon hingewiesen), an Formsprengendem, daß man es je länger, je mehr bewundert.


    Natürlich braucht man auch eine gute Einspielung. Ich nenne hier drei:


    Andras Schiff mit der Salzburger Camerata unter Sandor Vegh überzeugt durch frische Musizierfreudigkeit. Das Orchester trägt nicht dick auf, so daß ein durchhörbares Klangbild entsteht. Schwächen weist diese Aufnahme für mich sowohl im lyrisch-intimen als auch im Bereich des Festlichen auf.


    In Sachen Lyrik scheint mit Ivan Moravec (mit der ASMIF unter Marriner) kaum zu überbieten. Er bekommt eine Zartheit und Verhaltenheit hin, die ihresgleichen sucht. Allerdings fehlt mir das Pianistische und der große Klang. Moravic tönt oft etwas dünn und blaß. Er selbst sagte ja von sich, keine Pranke zu haben...


    Die Einspielung, die für mein Ermessen die anderen überragt, ist die von Arturo Benedetti Michelangeli (leider nicht mit den Wienern unter Kleiber, sondern mit dem NDR-Orchester unter Cord Garben). Leuchtkraft und sanftes Abschatten, grandiose Virtuosität und bescheidenes Sich-Einordnen in den Orchesterklang, Inspiration im Ganzen wie in den Teilen - alles findet man!


    Welche andere Aufnahme könnte mit der ABM'schen mithalten?

    Ob man Perahia hier vielleicht - aus Sorge, als medienhörig zu gelten - nicht doch allzu niedrig beurteilt?


    Mit einigen Forumteilnehmern stimme ich in der Hochschätzung der Händel-Scarlatti-Einspielung überein. Das ist zweifelsohne allergrößte Klavierkunst. Man kann diese Werke anders spielen (z.B. wie Horowitz, den ich bei Scarlatti nicht sonderlich mag, oder wie Pletnev: kühn, widerborstig, dabei teilweise doch etwas gewollt gegen den Strich), aber wohl kaum besser. Perahia beseelt die Musik bis in jede Note hinein. Seine grandiose Technik offenbart sich in wundervoll perlendem Anschlag, in feinsten dynamischen Nuancierungen und in einer klanglichen Transparenz, die ihresgleichen sucht. Auf dieser CD werden die Scarlatti-Sonaten, die nur allzu oft als Voraus-Häppchen bei Klavierabenden herhalten müssen, zu einem wirklichen Erlebnis, und das immer wieder. Von den Händelsuiten und der herrlich sprühenden Ciaconne gilt dasselbe.


    Ein anderes Beispiel für Perahias Meisterinterpretationen ist die Schumann-CD mit Kreisleriana und Sonate fis-moll. Ich muß gestehen, daß selbst Aufnahmen mit Referenzstatus (so Kempff für die Kreisleriana) da nach meiner bescheidenen Meinung nicht herankommen. Sowohl die tiefmelancholisch einsetzende Sonate wie die phantastischen Kreisleriana nehmen bei Perahia schon vom ersten Moment an gefangen. Nochmals: Anders geht's, aber nicht besser!

    Seit meinen schon lange zurückliegenden Beiträgen habe ich mich ausführlicher mit den Mozartkonzerten befaßt. Und bedaure - auch wenn ich damit nicht im Trend liege - außerordentlich, daß Arturo Benedetti Michelangeli nicht mehr von ihnen aufgenommen hat!


    Bitte, liebe Tamino-Leser, hört Euch einmal Nr. 20 d-moll mit ihm an: Wie ABM schon zu Beginn die Klage aussingt, wie er dann die düstere Dramatik, aber auch die Momente der Beglückung herausarbeitet - es ist einzigartig. Insbesondere den Mittelteil der Romance habe ich besser nirgendwo gehört; Gieseking tänzelt leicht darüber hinweg, Moravec hält sich allzu sehr zurück, Brendel wird zwar heftig, aber den ungeheuren Sog ABM's bekommt er doch nicht hin.


    Was ich hier zu KV 466 sage, gilt in ähnlicher Weise von KV 415 (darin macht der Meister beim Seitenthema des 1. Satzes etwas eigenwillige, beinahe gekünstelt-romantisierende Ritardandi, doch daran hat man sich bald gewöhnt), von KV 450 (Mozart nannte das Konzert "zum Schwitzen", und ABM bleibt natürlich an Technik und Ausdruck nichts schuldig) und von KV 503, das bei ihm den ganzen Farbreichtum, das ständige harmonische Wechselbad offenbart.


    Der Orchesterklang von NDR-SO unter Cord Garben steht eher in Giulinis und Karajans als in Veghs und Mackarras' Tradition. Das stört aber keineswegs.


    Alles in allem also wundervoll-lebendige Live-Aufnahmen. Mozart vom Feinsten und Großartigsten!

    Nein, Horowitz ist nicht der geeignete Mann, eine überzeugende Einspielung der Kreisleriana zu bieten. Man bewundert seine technische Könnerschaft, mit Recht. Was aber fehlt, ist die Schatten-Romantik eines E.T.A. Hoffmann, die Skurillität Jean Pauls. Horowitz versteht Schumann als amerikanischer Exil-Russe, das bringt ihn gegenüber Interpreten aus Schumanns Heimat ins Hintertreffen. Hier übrigens liegt auch der Mangel einer derart virtuosen Aufnahme wie derjenigen Kissins. In Sachen "Kreisleriana" bleibt Kempff der unübertroffene Meister!

    Liebe Freunde!
    Tatsache: Verpackungsgags gehen auf Kosten des Käufers, Billiges ist oft weiterfristig betrachtet besonders teuer.
    Je mehr es dem Käufer um die Musik geht, desto weniger Wert wird er darauf legen. Er mag sich über eine schöne Gestaltung des Covers (oder was davon noch übriggeblieben ist) à la Hyperion freuen, wie man sich über einen großen Geist in einem auch äußerlich schönen Menschen freut.
    Aber infantile Gags oder außerordentliche (und tatsächlich aus der Ordnung führende: vgl. den berechtigten Eröffnungsbeitrag Alfreds) Verpackungsformate werden eher dazu angetan sein, den ernsthaften, musikorientierten Käufer zu ärgern.


    Gruß aus der Schweiz,
    jubal

    Hätte Perahia seine Gesamteinspielung doch etwas später gemacht... Aber so ist es leider oft genug gewesen: Ein Stern ist in der Musikwelt aufgegangen, und sogleich erwartet man alles von ihm, ohne ihm Zeit zur Entwicklung zu lassen.
    Ich denke, es gibt in den Einzelaufnahmen der Mozartkonzerte immer Besseres als in Gesamteinspielungen.

    Von Bartók und Liszt zurück zu Liszt und Chopin!

    Zitat

    Jeder gute? Pianist beherrscht heute sehr wohl beide Komponisten, aber kaum jemand kann beide spielen, geschweige denn einen von beiden. Das ist ja das Dilemma.


    Dieser Aussage nubars kann ich nicht zustimmen.
    Daß nicht jeder Chopin-Spieler ein Rubinstein, nicht jeder Liszt-Spieler ein Richter ist - Selbstverständlichkeit. Aber insgesamt darf man doch wohl sagen, daß wir uns, wenn Horowitz, Arrau, Bolet, Richter, Gilels, Pollini, Zimerman, Kissin usw. Chopin oder Liszt spielen, darauf verlassen können. Vermeiden wir doch die Übertreibungen!
    Wir sind vielleicht, ob es nun um die Etüden Chopins oder um Liszts Sonate in h-moll geht, zu sehr darauf aus, überall den absoluten Gipfel der Interpretationskunst zu suchen. Dabei gibt es doch ein breites Feld von soliden bis meisterlichen Pianisten, die uns, wenn schon nicht eine Entrückung in den Siebten Klavierhimmel, so zumindest eine tragbare, gültige Wiedergabe der Meisterwerke in Aussicht stellen. Und manches ist denn auch Geschmacksache, nicht wahr?


    Übrigens: Ein allzu sehr unterschätzter Pianist, der den ganzen Chopin eingespielt hat, ist Nikita Magaloff. Kennt jemand seine Etüden-Einspielung?

    Ein exquisiter Rachmaninov-Interpret der jüngeren Generation, der nur einen einzigen großen Fehler hat, nämlich den, sich nicht bei den Hochglanz-Labels, sondern bei Naxos zu engagieren (daher auch keine Vorladungen in die Carnegie-Hall, in die Berliner Philharmonie etc.), ist Bernd Glemser. Hätte dieser Mann nur Erstklassorchester zur Seite, seine Rachmaninov-Konzerte gerieten zur Sensation!

    Aber nein, lieber nubar, den meisten bedeutenden Pianisten liegen doch beide, Chopin und Liszt. Ist es nicht so? Ich finde es reichlich künstlich, hier einen Gegensatz aufzubauen.
    Aber vielleicht kann man innerhalb der großen Chopin-Interpreten typische Nocturne-Spieler von Etüden-Spielern unterscheiden? In die erste Gattung fielen dann Meister wie Rubinstein, Arrau usw., in die zweite mehr Horowitz, Pollini etc.
    Was denkt Ihr dazu?