Haydn, Joseph: Sinfonie Nr. 65 A-Dur

  • Besetzung: je 2 Oboen, Hörner, (Fagott mit Bass), Streicher


    hier handelt es sich um ein deutlich früher als die Nummer nahelegt, nämlich um 1770 (Angaben schwanken zwischen 1769 und 1773) entstandenes Werk, das unter die Sinfonien der Sturm&Drang-Zeit gezählt werden kann (es ist in Pinnocks entsprechener Sammlung enthalten).


    1. Vivace e con spirito 4/4
    Beginn mit Akkordschlägen, als (mehrfach wiederholte) "Antwort" ein eher ruhiges Thema. Dann folgt eine bewegtere Entwicklung zuerst mit Unisono-Läufen der tiefen Streicher, ein winziges Zwischenthema, eine imitatorische Passage der Geigen. Das gesangliche zweite Thema kommt erst am Ende der Exposition zuerst in Geigen, dann mit Oboen (in Terzen).
    Die Durchführung beginnt mit einer kurzen spannungsreichen Verarbeitung eines Motivs aus drei Vierteln (einer kondensierten Form der "Akkordschläge"), anschließend erscheint das "Antwort"-Thema sogar kurz in der Grundtonart; ein kleines Motiv daraus wird abgespalten; die anschließende Passage verarbeitet Material aus der Überleitung. Nach einer Generalpause folgt das Seitenthema und ein ungewöhnlicher Übergang zur Reprise zuerst nur mit den Akkordschlägen, ohne die "Antwort", die hier überhaupt nicht mehr auftaucht, so daß man plötzlich merkt, daß man sich in der Reprise befindet, ohne den exakten Einsatz festgestellt zu haben.


    2. Andante D-Dur 3/8
    Dieser Satz basiert auf mehreren Elementen: einer kurzen gesanglichen Phrase, einer punktierten, etwas marschähnlichen Antwort der Bläser und einer seltsamen Steigerung vom p zum ff: einer etwa 20maligen Wiederholung des Tons "a" in den Geigen, wobei der Rest des Orchester nach und nach hinzutritt. Außerdem gibt es noch, als alternative Antwort auf die Eingangsphrase einen halb gestelzten, halb mysteriösen Unisono-Gang der Streicher und noch einiges mehr, etwa einer Triolenpassage als Schlußgruppe.
    Der Satz ist zweiteilig, aber die "Durchführung" besteht nur aus einem Statement der Eingangsphrase und einigen Takten Spiel mit dem Auftakt zwecks Überleitung zur Reprise. Diese ist allerdings erheblich verändert, aber um die Varianten aufzuführen, müßte man das beinahe taktweise durchgehen. Die komische Steigerung ist jedenfalls noch länger als vorher.
    Aufgrund der genannten Eigenartigkeiten und vielleicht auch einiger "sprechender" Gesten hat man vermutet, daß es sich hier um Theatermusik handeln könnte. Solche Züge ließen sich vielleicht auch in den anderen Sätzen ausmachen.


    3. Menuett
    Ein kraftvolles, recht rustikales, beinah stampfendes Menuett (durchgehend forte), in dem die Streicher größtenteils nur zweistimmig gesetzt sind. Die Bläser verdoppeln ebenfalls oder steuern liegende Töne als Klanghintergrund bei. So bildet es einen wirkungsvollen Kontrast zum etwas exotischen "Balkan" Trio in a-moll (durchweg piano), das den Streichern vorbehalten bleibt. Gemeinsam sind beiden freilich der rustikale Ton und die Vorschläge.


    4.Finale. Presto 12/8
    Ein Finale "a la chasse": Das erste Thema besteht aus Signalmotiven, die zwischen Hörnern und Geigen ausgetauscht werden; das Seitenthema bleibt weitgehend gestaltlos, nur ein markanter unisono-Gang der Streicher hebt sich kurz von den Triolenfiguren ab.
    Die Durchführung diese sehr knappen Sonatensatzes beschränkt sich auf das Hauptthema und liefert eine dramatische Zuspitzung.
    Am Satzende scheint die Jagd im piano zu verklingen, es schließt dann aber schmetternd mit der Fanfare des Anfangs.



    Das Werk hat ein wenig das Pech, numerisch neben einer anderen, wohl doch bemerkenswerteren (späteren) A-Dur-Sinfonie (mit Beinamen) zu stehen und außerdem neben der vermutlich etwas älteren wirkungsvollen "Feuersinfonie" (die Finalsätze sind nicht unähnlich), ebenfalls in A-Dur.



    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)


  • Allzu beliebt scheint diese Sinfonie in der Tat nicht zu sein. Ich habe sie mir seit gestern viermal angehört - 2 mal unter Dennis Russel Davies, 2 mal unter Antonini mit dem Kammerorchester Basel.

    Kein einziges Thema ist mir in irgendeiner Form in Erinnerung geblieben. Nun ist es ja nicht zu erwarten , daß MIR eine Sturm- und Drang-Sinfonie gefällt. Aber das ist IMO nicht das Hauptproblem. Die sinfonie klang für eine Sinfonie diese Typs eher gemäßigt, vor allem durch den Einsatz der Hörner, die sie für nich zumindest anhörbar machten.

    Welch ungeheuren Schwankungen auch Haydns Gesamtwerk unterworfen war, wurde mir gestern klar, als nach Beendigung der Sinfonie die ersten Töne der Sinfonie Nr 48 "Maria Theresia"erklangen. Da liegen Welten dazwischen

    Ich muß wohl nicht erwähnen, daß speziell Antonini das Schroffe dieser Sinfonie Nr 65 betont. Allerding vermag er im Gegenzug dazu auch die "schönen" Stellen auszukosten.



    mfg aus Wien

    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Zunächst vorneweg. So schön musiktheoretisch erklären/beschreiben wie Johannes das macht, kann ich Klassische Musik leider nicht, sorry !
    Ich bleibe bei der Beschreibung eher mehr bei "Allgemeinplätzen". Anderst kann ich es nicht.

    Ich hoffe, man sieht es mir nach und kann mit meinem Beitrag trotzdem etwas anfangen.


    Ich kenne diese Sinfonie Nr. 65 A-Dur

    einmal

    vom Stuttgarter Kammerorchester unter Dennis Russel Davies

    und dann noch

    von den Heidelberger Sinfonikern unter Thomas Fey


    Beide Aufnahmen gefallen mir sehr gut, wobei ich die Heidelberger Sinfoniker bevorzugen würde.

    Ich muss zugeben, ich bin Fan der früheren Haydn Sinfonien (Sturm und Drang) und auch der ganz frühen Haydn Sinfonien, auch wenn viele davon nicht allzu bekannt wurden und Manches nicht so hängebleiben mag. Für mich ist das aber auch daher zu sehen, weil es einfach so viele gibt. Da kann ich mir nicht alles merken (müsste ich jede Sinfonie X-mal hören) und ich höre ja auch noch sehr viel Anderes wie nur Haydn Sinfonien >>> too much !


    Zurück zu den beiden Aufnahmen.

    Wann immer die Möglichkeit besteht, eine Haydn Sinfonie von den Heidelbergern zu hören (und das ganz besonders zu der Zeit als Thomas Fey noch am Pult stehen konnte), dann greife ich gerne zu allererst (und immer wieder) auf die Version der Heidelberger Sinfoniker zurück.

    Ich liebe den Klang diese Orchesters, vor allem wenn es Haydn spielt!

    Sie sind ja schon seit Jahren so etwas wie Haydn-Spezialisten und arbeiten immer noch und weiter an der Gesamtausgabe der Haydn Sinfonien.

    Das Orchester pflegt einen kräftigen zupackenden Sound, der auch immer wieder gerne mal "Spitzen" zulässt (Bläser, Pauken z. Bsp.), dazu aber auch immer sehr nuancenreich und oft auch "verspielt" daherkommt.


    Dies ist bei dieser Sinfonie Nr. 65 nicht anders.

    Kräftig zupackend spielen die Heidelberger im 3. Satz. Rustikal-ländler (?) mässig.

    Und auch im Vierten, den man sonst fast für ein bissel "einfallslos" halten könnte. Aber den Heidelbergern gelingt es, dies durch ihre Interpretation geschickt zu verhindern.

    Nuancenreich und auch ein wenig verspielt kommt das Orchester im zweiten Satz daher. Gerade die etwas "Eigenartigkeit" (wie Johannes es nennt) des zweiten Satzes wird hier gut dargebracht. Sehr interessante Musik, wo ich immer wieder Neues heraushöre.

    Der erste Satz gefällt mir (auch bei den Heidelberg Sinfonikern) hier eigentlich am Wenigsten. Wenig bleibt davon hängen, leider.

    Aber wenn man nach dem ersten Satz nicht gleich aufgibt, wird man für eine insgesamt sehr schöne (meine Meinung), zu unrecht ein wenig Unbekannte und leider selten gespielte Sinfonie von Herrn Haydn belohnt.