Der Tenor Jacques Urlus (1867-1935) wurde im belgischen Hergenrath (damals deutschen) nahe Aachen geboren. Die Eltern waren Holländer, musikbegeistert und mittellos. Jacques Urlus spielte Kornett und begann mit 15 Jahren eine Schmiedelehre. Wenig später wurde er Chormitglied und übernahm erste Solopartien. Mit 17 Jahren sang er den Solopart in Haydns "Die Jahreszeiten". Ein Klavier besaß der junge Amateursänger nicht, daher "studierte" er zu Hause mit der Stimmgabel. Einem Militäroffizier verdankte er ein Probesingen. Aus finanziellen Gründen musste er ein Angebot, am Brüsseler Konservatorium zu studieren, ablehnen. Erst nach der Militärzeit verdiente er sich etwas Geld mit Chorauftritten. Es kam zum Vertragsabschluss an der niederländischen Oper. Seine wichtigste Lehrerin war Cornelie von Zanten. Im Alter von 27 Jahren debütierte er als Beppe in Leoncavallos "Der Bajazzo". Alsdann sang er Max, Siegmund, Tannhäuser, Faust, Don José, Manrico, Radamès, Othello, Turiddu, Cavaradossi und Pinkerton. 1898 stellte er sich erstmals in Bayreuth vor. Ein Angebot der Frankfurter Oper (5-Jahres-Vertrag) lehnte er ab. Weitere Stationen waren Amsterdam, Berlin und Leipzig. Sein Repertoire wuchs weiter mit Stolzing, Tristan, Siegfried, Raoul, Samson, Oberon, Erik, Jean, Pylades und Parsifal. 1910 debütierte er als Tristan an Covent Garden in London. 1911 und 1912 sang er in Bayreuth den Siegmund. Erst im Alter von fast 64 Jahren - als es ihm gesundheitlich schlechter ging - zog er sich von der Bühne zurück.
Die Stimme: Jacques Urlus war kein schwerer Heldentenor sondern hatte eine lyrisch-dramatische Stimme. Die tiefe Lage hatte Resonanz und Fülle, seine Phrasierungskunst war elegant, die hohen Töne bildete er schlank, sie waren gut fokussiert, manchmal etwas kehlig, seine Kopfresonanz war stark ausgeprägt, ähnlich wie bei den Tenören der alten französichen Schule.
Die Aufnahmen: Jacques Urlus hat zwischen 1903 und 1924 ca. 150 Aufnahmen gemacht. Marston hat die zwischen 1913 und 1917 entstandenen Edison-Aufnahmen liebevoll restauriert. Diese Aufnahmen zählen heute zu den Glanzstücken einer jeden Sammlung. Die Preiser-CD beinhaltet Aufnahmen, die zwischen 1907 und 1924 gemacht wurden. Beim HAFG gibt es eine kleine Jacques-Urlus-Edition mit 3 CDs. Seine Wagner-Einspielungen zählen zu den besten und subtilsten, die je gemacht wurden.