Mozart und seine Zeitgenossen: Abbé Georg Joseph Vogler [1749-1814]

  • Päpstlicher Erzzeuge, Ritter vom Goldenen Sporn, Erzkämmerer des Apostolischen Palastes, Pensionär Seiner Majestät des Königs von Schweden, Königlich Bayerischer Geistlicher Rat, Hofkaplan und Hofkomponist, Großherzoglich Hessischer Geistlicher, Geheimer Rat und Großkomtur des Verdienstordens, Mitglied der arkadischen Gesellschaft in Rom, Ehrenmitglied der Akademischen Künste und Wissenschaften in München, Paris und Livorno sowie der Königlichen Sozietät in London, der polytechnischen Gesellschaft zu Würzburg und diverser gelehrten Gesellschaften im Königreich Schweden.


    Das ist:



    [Abbé Georg Joseph Vogler]


    Abbé Georg Joseph Vogler, geboren am 15. Juni 1749 in Pleinach bei Würzburg als jüngstes Produkt des fleißigen Violinisten Johann Georg Vogler: Elf Kinder zeugte der fürstbischöfliche Instrumentenbauer, drei überlebten. Der junge Vogler besuchte die Trivialschule des fürstbischöflichen Juliusspitals, darauf das Gymnasium und erhielt ersten Kompositionsunterricht bei Franz Xaver Kürzinger. Am 26. November 1763 erfolgte seine Immatrikulation in der Humanistenklasse der Würzburger Universität, die er drei Jahre besuchte und nach Erwerb der Magisterwürde wieder verließ. Es folgten ein Jahr juristischen und etwa drei Jahre theologischen Studiums in Bamberg.


    Der Kurfürst Carl Theodor berief Vogler 1771 nach Mannheim, wo er nach kurzer Zeit bereits zum Hofkaplan ernannt wurde. Hier zelebrierte Vogler am 22. November 1772 seine erste Heilige Messe. Der Kurfürst, Kunstliebhaber sondergleichen, war dem Hofkaplan hold gesonnen und gewährte ihm für seine geplante Italienreise einen großzügigen Zuschuss von 500 fl. In Bologna studierte Vogler bei Padre Martini, in Padua bei F. A. Vallotti, weiters besuchte er Venedig und Rom und kehrte nach fast zweijähriger Studienreise nach Mannheim zurück. Kaum daheim, wird er zum Geistlichen Rat und Vizekapellmeister ernannt, er ist als Komponist, Pädagoge und Musiktheoretiker rege beschäftigt. 1776 kam ihm die Idee der Ideen: Er gründete die Mannheimer Tonschule, siehe auch Mannheimer Schule. Nicht zu verwechseln! Die Mannheimer Tonschule kann quasi als Grundstein für die spätere Staatliche Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Mannheim angesehen werden.


    1777 weilte auch Wolfgang Amadeus Mozart in Begleitung seiner Mutter in Mannheim. Der Vater Leopold berät aus Salzburg:


    Ich hoffe der Wolfg: wird sich Mühe geben sich alle Leute durch vorkommende Höflichkeit zu freunde zu machen, und H: ViceCp: Vogler muß ein sehr geschickter Mann seyn, denn er stehet in vielem Credit beim Churf: […]


    Kurze Zeit darauf kommen Leopold aber ernsthafte Zweifel:


    Ich wusste es ja! Man sagte mir Vogler wäre ein musik: theoreticus, er mag demnach wol ein Narr oder ein Spassmacher seyn, ich hab nichts von ihm gesehen.


    Der Sohn bestätigt die Befürchtungen des Papa:


    Ich sehe aus des Papa schreiben, daß sie des Voglers buch nicht gelesen haben. Ich habe es iezt gelesen, denn ich habe es von Cannabich entlihen. Nun seine histori ganz kurz. er kamm Miserable her; Producirte sich auf dem Clavier. machte einen Ballett. mann hatte mitleiden.


    Der Lästerer kann es noch besser:


    ich war in Ammt, welches ganz funckelnagel neü von vogler componirt war. ich war schon vorgestern Nachmittag in der Probe, gieng aber gleich nach geendigten Kyrie davon. so hab ich mein lebtag nichts gehört. Es stimmt oft gar nicht. er geht in die töne, daß man glaubt, er wolle einen beym haaren heinein reissen; aber nicht daß es der mühe werth wäre, etwa auf eine besondere art, nein, sondern ganz Plump. von der ausführung der Ideén will ich gar nichts sagen. ich sage nur, das, daß esunmöglich ist, daß ein voglerisches ammt einem Compositeur | der diesen Namen verdient | gefallen kann. […]


    Voglers neu herausgegebenes Compositionsbuch scheint die beiden Mozarts ein wenig eifersüchtig gemacht zu haben, wie darauf folgende Korrespondenz zwischen Vater und Sohn bezeugt.


    Carl Theodor trat 1778 die Nachfolge des am 30. Dezember 1777 verstorbenen Kurfürsten Maximilian II. Joseph in München an, Vogler blieb jedoch zunächst in Mannheim, und kümmerte sich treu um seine Schüler. Erst 1784 wandte sich Vogler nach München, um die Naschfolge des verstorbenen ersten Hofkapellmeisters A. Bernasconi anzutreten. Doch hielt es ihn hier nicht lange, er unternahm von hier aus überwiegend ausgedehnte Konzertreisen: November 1784 Salzburg, 1787 allda offenbar eine Aufführung von Voglers Oper Castor und Pollux, deren Aufführung Leopold Mozart am 12. Februar 1787 beiwohnte:


    Von der opera […] hatte ich eine große Erwartung: allein mit der Musik war [ich] gar wenig zufrieden, weil es scheint, als hätte es H: Vogler im paroxismo eines hitzigen Fiebers gemacht. […]


    Vogler wurde 1786 von Gustav III. als Königlich Schwedischer Kapellmeister und Prinzenerzieher auf zehn Jahre mit einer zugesicherten Pension auf Lebenszeit von 500 Reichstalern berufen. Hier tobte sich Vogler erst richtig aus: Er gründete eine nationale Musikschule für Orchestermusiker, veranstaltete jede Menge Sinfonie-, Orgel- und Chorkonzerte, verfasste Lehrbücher in schwedischer Sprache und komponierte außerdem noch zwei schwedischsprachige Opern: Gustaf Adolph und Hermann von Unna. Er unterbrach seine Tätigkeiten dort ebenfalls für ausgedehnte Konzertreisen durch Europa. Gustav III. wurde Mitte März 1792 ermordet und starb am Ende des Monats. Nachdem der Nachfolger Gustav IV. den Vertrag mit Vogler um ein weiteres Jahr verlängert hatte, startete Mr. Reiselustig am 22. Juli 1792 eine Studienreise, die ihn über Portugal, Gibraltar, Nordafrika und Griechenland führte. Gustav IV. ging offenbar die ständige Absens des Musikers auf die Nerven, so dass er die zugesagte Pension ab 1806 ersatzlos strich. Vogler bewarb sich unterdessen um die freigewordene Pfarrstelle in seiner Geburtsstadt, die aber nicht an ihn vergeben wurde. So befasste sich Vogler nunmehr vermehrt mit Orgelumbauten, besuche dies bezweckend Kopenhagen [1799/1800], Berlin [1800/1801], Prag [1801/1802], Wien [1803/1804] und München ab 1805. Am 1. Oktober 1806 schloss er mit Baron Johann Christian von Aretin als Geldgeber einen Kontrakt, durch welchen er die Rechte des von Senefelder erfundenen Stein- und Messingdruckes für 4.000 fl. erwarb. Die Kunstverbreitende Handelsgesellschaft war allerdings wenig produktiv – also wieder was Neues: Am 1. August 1807 wurde Abbé Vogler zum Geistlichen Geheimen Rat und Hofkapellmeister des Großherzogs Ludwig I. berufen. Offensichtlich einsichtig krönt er sein Bewerbungsschreiben – mit Erfolg! – darin, dass er schon ein Requiem, das dem Mozartschen nicht weit nachstehen und vielleicht wenns Gottes Wille ist in einem Jahre existiren wird konzipiert habe. Das Requiem vollendete Vogler im Jahre 1809 und Carl Maria von Weber sprach von einem göttlichen Requiem, Voglers Schüler Gänsbacher schrieb, es sei in der That ein Werk, für die Unsterblichkeit gemacht. Vogler wollte es zur Wiener Totenfeier Joseph Haydns aufführen – der Plan scheiterte. Das Werk wurde 1999 aus Anlass des 250. Geburtstags Voglers vom Chor der Staatlichen Musikhochschule Mannheim mit dem Kurpfälzischen Orchester aufgeführt und eingespielt:




    Fasziniert vom Orgelbau, ließ sich Vogler auf ein Mammutprojekt ein: Während die Orgel in St. Peter zu München 1809 vollendet wurde, scheiterte der Bau einer Riesenorgel mit drei Spieltischen für St. Michael. Unbezahlbare Schulden waren die Folge, von denen ihn am 6. Mai 1814 ein Schlaganfall mit tödlichem Ausgang befreite. Ein Jahr zuvor soll er Maria Anna Reichsfreiin von Berchtold zu Sonnenberg [kurz: Nannerl] in Salzburg besucht haben.


    Abbé Georg Joseph Vogler komponierte u.a. Klavierstücke, Ballette, die ganze Bandbreite Geistlicher Musik, weltliche Chorwerke, Opern, Lieder, Arien und verfasste bedeutende musiktheoretische Schriften.

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Soweit ich weiß, hatten die Urteile Mozarts manchmal außermusikalische Beweggründe.
    Die Quartette Pleyels lobte er, er sprach gar von " Haydn remplaciren" - Kozeluch dagegen begegnete er nicht so wohlwollend.


    Wie Ulli bereits mal andeutete (oder war es Alfred?): auch Mozart hatte Konkurrenz - manchmal harte Konkurrenz - und ein Negativurteil diente auch dazu Abstand auszubauen.

  • Das stimmt wohl. Bei Mozart weis manchmal, in Bezug auf Personen nicht wo man dran ist.Ich kann nicht ergründen, welche Maßstäbe er anlegte und welche Präferenzen ihm wichtig waren.
    Padre

  • Salut,


    was Wulf über Mozarts Aussage über Pleyel in Bezug auf Haydn schreibt, ist richtig und brieflich an Leopold Mozart dokumentiert. Es ist aber auch nur eine einzige Aussage. Ich persönlich kenne Pleyels Kammermusik [noch] nicht. Seinen Sinfonien kann ich wenig bis nichts abgewinnen, umso mehr aber seiner geistlichen Musik, insbesondere seinem Requiem und dem Tantum ergo: Das sind Werke, auf die ich keinesfalls mehr verzichten möchte.


    Kozeluch hat Mozart auch überaus geschätzt - nur war hier der Konkurrenzkampf ein wenig größer, so daß Mozart den Vater brieflich beruhigen musste und ihn - ebenso wie Muzio Clementi - halt einfach mal abwertete. Offenbar konnte Mozart Kozeluch [oder umgekehrt] einfach menschlich nicht ausstehen. Kozeluchs Klaviertrios sowie einige Sinfonien und geistlichen Werke sind von unübertroffener Perfektion, Eleganz, Schönheit, Tiefgang, höchstem kompositorischem Vermögen und sprühen geradezu von genialen Ideen.


    Abbé Vogler war insbesondere für Leopold Mozart eine Art Konkurrent durch seine stark umstrittenen musikschriftstellerischen Arbeiten, vgl. obige Zitate.


    Viele Grüße
    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Hallo!


    Ach, hat der sogar einen eigenen thread...


    Hier kann ich ja meinen Requiem-Zerriss reinstellen.




    Ich bin also ganz klar auf Mozarts und nicht auf Webers Seite...


    Hier übrigens ein copyrightunbedenkliches Bild (das alte ging wohl verschütt) von Vogler:



    Viele Grüße,
    Pius.

  • Hallo!


    Die London Mozart Players und Matthias Bamert haben vor kurzem eine CD mit Orchesterwerken des Herrn Vogler veröffentlicht:



    Darauf enthalten sind:

    • Sinfonie in G-Dur
    • Sinfonie g-moll
    • Erwin & Elmire Ouvertüre
    • Hamlet-Ouvertüre
    • Zwischenaktmusik zu Hamlet
    • Athalie-Ouvertüre
    • Ballettsuiten 1 & 2


    Bisher haben mich die London Mozart Players nicht enttäuscht, mal sehen, was sie aus den Werken Voglers herausholen...


    LG joschi

  • Salü,


    auf dieser CD aus dem Hause Musica Sveciae



    (zu beziehen über Svensk Music Shop) ist eine Sinfonie in C-Dur, genannt La Scala, enthalten. Der Werktitel hat aber nichts mit dem mailänder Theater zu tun, sondern bezieht sich vielmehr auf die langweiligen Tonleitern, welche den Finalsatz des Werkes ausmachen. Ansonsten ist eine sehr gelungene Interpretation der Es-Dur-Sinfonie von Kraus enthalten, sowie sehr originelle Ouvertüren und Ballettmusiken von Uttini und Naumann.


    Der Vogler ist aber hier deutlich das schwächste Glied...


    :hello:


    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)