BWV 7: Christ unser Herr zum Jordan kam
Kantate zum Johannistag (Leipzig, 24. Juni 1724)
Lesungen:
Epistel: Jes. 40,1-5 (Der Prediger ruft: Bereitet dem Herrn den Weg)
Evangelium: Luk. 1,57-80 (Die Geburt Johannes des Täufers und der Lobgesang des Zacharias)
Sieben Sätze, Aufführungsdauer: ca. 26 Minuten
Textdichter: unbekannt, inspiriert aber vom titelgebenden Choral
Choral (Nr. 1 und 7): Martin Luther (1541)
Besetzung:
Soli: Alt, Tenor, Bass; Coro: SATB; Oboe d’amore I + II, Solo-Violine I + II, Violino I/II, Viola, Continuo
1. Choral SATB, Oboe d’amore I + II, Solo-Violine I + II, Streicher, Continuo
Christ unser Herr zum Jordan kam
Nach seines Vaters Willen,
Von Sankt Johanns die Taufe nahm,
Sein Werk und Amt zu erfüllen;
Da wollt’ er stiften uns ein Bad,
Zu waschen uns von Sünden,
Ersäufen auch den bitter’n Tod
Durch sein selbst Blut und Wunden;
Es galt ein neues Leben.
2. Aria Bass, Continuo
Merkt und hört, ihr Menschenkinder,
Was Gott selbst die Taufe heißt!
Es muss zwar hier Wasser sein,
Doch schlecht’ Wasser nicht allein.
Gottes Wort und Gottes Geist
Tauft und reiniget die Sünder.
3. Recitativo Tenor, Continuo
Dies hat Gott klar
Mit Worten und mit Bildern dargetan,
Am Jordan ließ der Vater offenbar
Die Stimme bei der Taufe Christi hören;
Er sprach: Dies ist mein lieber Sohn,
An diesem hab’ ich Wohlgefallen,
Er ist vom hohen Himmelsthron
Der Welt zugut’
In niedriger Gestalt gekommen
Und hat das Fleisch und Blut
Der Menschenkinder angenommen;
Den nehmet nun als euren Heiland an
Und höret seine teuren Lehren!
4. Aria Tenor, Solo-Violine I + II, Continuo
Des Vaters Stimme ließ sich hören,
Der Sohn, der uns mit Blut erkauft,
Ward als ein wahrer Mensch getauft.
Der Geist erschien im Bild der Tauben,
Damit wir ohne Zweifel glauben,
Es habe die Dreifaltigkeit
Uns selbst die Taufe zubereit’.
5. Recitativo Bass, Solo-Violine I + II, Streicher, Continuo
Als Jesus dort nach seinen Leiden
Und nach dem Aufersteh’n
Aus dieser Welt zum Vater wollte geh’n,
Sprach er zu seinen Jüngern:
Geht hin in alle Welt und lehret alle Heiden,
Wer glaubet und getaufet wird auf Erden,
Der soll gerecht und selig werden.
6. Aria Alt, Oboe d’amore I + II, Solo-Violine I + II, Streicher, Continuo
Menschen, glaubt doch dieser Gnade,
Dass ihr nicht in Sünden sterbt,
Noch im Höllenpfuhl verderbt!
Menschenwerk und –heiligkeit
Gilt vor Gott zu keiner Zeit.
Sünden sind uns angeboren,
Wir sind von Natur verloren;
Glaub’ und Taufe macht sie rein,
Dass sie nicht verdammlich sein.
7. Choral SATB, Oboe d’amore I + II, Streicher, Continuo
Das Aug’ allein das Wasser sieht,
Wie Menschen Wasser gießen,
Der Glaub’ allein die Kraft versteht
Des Blutes Jesu Christi,
Und ist für ihm ein’ rote Flut
Von Christi Blut gefärbet,
Die allen Schaden heilet gut
Von Adam her geerbet,
Auch von uns selbst begangen.
Dies Kantate ist die dritte Choralkantate innerhalb des von Bach zu Beginn seines zweiten Leipziger Amtsjahres in Angriff genommenen Choralkantaten-Projekts.
In dieser Kantate zeigt sich auch gleich eine Schwierigkeit, die dieses Projekt hinsichtlich der Textauswahl mit sich brachte:
Es musste jeweils ein zum Thema des zugedachten Sonn- oder Feiertags passender Choral gefunden werden, der dann – meist unter Beibehaltung einiger Originalstrophen (z. B. für den obligatorischen Schlusschoral) – für passende Arien und Rezitative umgedichtet werden konnte.
Nun hat man für diese Kantate zwar den bekannten Luther-Choral „Christ unser Herr zum Jordan kam“ gewählt, in dem das zentrale Ereignis im Leben Johannes des Täufers, nämlich die Taufe Jesu im Jordan, thematisiert wird, dies ist streng genommen jedoch gar nicht das Thema des heutigen Feiertags, an dem eigentlich die Geburt des Täufers gefeiert wird.
Vermutlich stand kein passenderer Choral zu Verfügung (also einer, der ausschließlich das Leben Johannes des Täufers zum Inhalt hat) und so hat man sich wohl zu diesem Kompromiss entschließen müssen, um das Choralkantaten-Projekt konsequent durchziehen zu können und nicht auf einen frei gedichteten Text ausweichen zu müssen, der in keinem näheren Bezug zu einem Choral steht.
Die Choralmelodie in der einleitenden Choralbearbeitung wird vom Tenor vorgetragen, was ungewöhnlich ist, da diese Aufgabe meist dem Sopran zufällt. Betrachtet man jedoch die einleitenden Choralbearbeitungen der ersten vier Kantaten dieses besonderen Jahrgangs, so ist die Wahl des Tenors in dieser Kantate nur konsequent, da alle anderen Chorstimmen in den anderen drei Kantaten (BWV 20, BWV 2 und BWV 135) auch jeweils einmal mit der Übernahme des Cantus firmus bedacht werden.
Fast ohne Unterbrechung hört man in diesem Satz übrigens in den Continuo- und den Streicherstimmen den Jordan dahinströmen: Bach hat ein charakteristisches, wellenartig bewegtes Motiv hierfür vorgesehen.
Sehr schön ist auch die Arie Nr. 4, in der gleich 2 Solo-Violinen mit der Tenorstimme konzertieren.
Im Rezitativ Nr. 5 wird wieder einmal der Bass als traditionelle “Vox Christi“ eingesetzt, in dem er den sogenannten Tauf- und Missionsbefehl verkündet. Um die Bedeutung dieser Stelle zu unterstreichen, hat Bach sie nicht als bloßes Rezitativ, sondern aus deutlich ausdrucksvolleres Arioso komponiert.