Am Hofe August des Starken

  • Gestern Nacht habe ich auf Arte eine Doku über die Schätze des "Grünen Gewölbes" gesehen. Da kam mir der Gedanke mal ein Thema zur Hofmusik des wohl bekanntesten deutschen Barockfürsten zu eröffnen.
    Nachdem Jahrelang Versailles unter Louis XIV tonangebend in Sachen Kunst und Musik gewesen war, brach nach dem Tod des Sonnenkönigs eine Begeisterung für die neuen italienischen Konzerte aus.
    August der Starke, Kurfürst von Sachsen und König von Polen hatte in seiner Jugend ja die berühmte Kavaliersreise gemacht.
    Junge Adlige bereisten die wichtigsten Zentren Europas um dort Kunst, Musik, Geschichte aber vor allem auch die Ausschweifungen kennen zu lernen. Rom, Wien, Venedig, Paris - Versailles und London, manchmal auch Madrid waren die wichtigsten Stationen.
    Auf diesen Reisen erlebte er die großartigen Aufführungen in Venedig und die pompöse Hofhaltung des Sonnenkönigs in Versailles.


    Schon wenige Jahre später wurde Dresden zum schillernsten Hof Europas, die Pracht, die Hofmusik wurde allerorts bewundert und nicht wenige Heute so berühmte Komponisten versuchten dort vergebens aufgenommen zu werden, bzw. schrieben als Ehrerbietung Konzerte für den Dredner Hof. Gemeint sind Vivaldi, Bach und Telemann.


    Die großen Komponisten am Hof selbst sind Heute nur noch wenigen bekannt. Johann David Heinichen, Georg Pisendel, Johann Adolf Hasse, Francesco Maria Veracini, Sylvius Leopold Weiss und Jan Dismas Zelenka.


    Dresden war ein wichtiger Aufführungsort für die neue italienische Opera Seria und so war es kein Zufall das August Hasse für sein Ensemble gewann (obwohl dieser meist abwesend war).


    Der Orchesterklang ist wesentlich reichhaltiger als man das von den üblichen Konzerten der Zeit her kennt. Neben einem festen Kern aus Streichern gibt es Oboen, Flöten und oft Hörner und Trompeten.


    Wengleich diese Komponisten alle dem italienischen Konzertstil von Corellei und Vivaldi verwandt sind, so ist der Dredner Orchesterklang doch ein ganz anderer.


    Die meisten Werke wurden von der Musica Antiqua Köln unter Goebel eingespielt und bei Archiv / DG erschienen.


    Concerti per l'Orchestra di Dresda
    Werke von Heinichen - Veracini - Fasch - Quanz...
    Musica Antiqua Köln - Goebel


    J.D. Heinichen Dresden Concerti
    2 CD's - gehört in jede Barocksammlung
    Musica Antiqua Köln - Goebel


    J.D. Heinichen Lamentationes / Passionsmusik
    2 CD's (ich befürchte gestrichen)
    Musica Antiqua Köln


    Johann Adolf Hasse - Salve Regina
    Barbara Bonney / Bernarda Fink
    Musica Antiqua Köln


    Francesco Maria Veracini - Ouvertures
    Musica Antiqua Köln / Goebel


    Georg Pisendel Dresdner Konzerte
    Freiburger Barockorchester / Golz
    erschienen bei Carus


    Sylvius Leopold Weiss Ars Melancholiae
    Lautenmusik des wohl berühmtesten Komponisten am Dredner Hof
    José Miguel Moreno Barocklaute
    erschienen bei Glossa

  • In diesen illustren Kreis gehörte auch Jan Dismas Zelenka. Er war neben seiner Tätigkeit als Kontrabaßist primär für die Kirchenmusik in der Hofkirche des wegen der polnischen Krone zum Katholizismus konvertierten August zuständig. Noch zu Lebzeiten von J.D. Heinichen mußte er selbigen aufgrund seiner immer weiter fortschreitenden Krankheit vertreten und übernahm nach dessen Tod 1729 das Amt vollständig. Den zugehörigen Titel eines Kapellmeisters bekam er allerdings nicht. Im Gegenteil, kurze Zeit später bekam er Hasse vor die Nase gesetzt.


    Das meiste was von Zelenka überliefert ist, ist Kirchenmusik; Messen, Responsorien für die Karwoche, Psalmvertonungen, Motetten, Oratorien etc. Aber auch eine handvoll instrumentaler Werke sind auf uns gekommen, sechs Triosonaten und etliche Concerto grosso - artige Stücke für Dresden-typische, reichhaltige Besetzungen.



    Eine recht gelungene Gesamteispielung der Concerti
    Das Neu-Eröffnete Orchestre, Jürgen Sonnentheil bei cpo



    Das sehr schöne Requiem c-moll und zwei Psalmvertonungen,
    Frimmer, Groot, Honeyman, Kooij,
    Il Fondamento, Dombrecht erschienen bei passacaille


    Zu den Messen gibt es bereits Informationen von Ulli im Thread Das Ordinarium Missae und seine Vertonungen durch die Jahrhunderte


    Aber auch sein Vorgänger Heinichen hat sehr schöne Messen hinterlassen. Besonders gelungen finde ich die Messe Nr. 9 in D-Dur. Zusammen mit Zelenkas Te Deum ZWV 146 auf Carus eingespielt von
    Hallaschka, Lins-Reuber, Goethem, Ullmann,
    Dresdner Kammerchor & Barockorchester, Rademann



    Thomas

    Da freute sich der Hase:
    "Wie schön ist meine Nase
    und auch mein blaues Ohr!
    Das kommt so selten vor."
    - H. Heine -

  • zelenka wird leider erheblich unterschätzt. er ist wirklich ein großer meister gewesen und hat herrlichste kammermusik geschrieben, die lebendig , kunstreich und abwechslungsreich ist. nur zu empfehlen (triosonaten z.b.)

    --- alles ein traum? ---


    klingsor

  • Die Auswahl an Kammermusik von Zelenka beschränkt sich leider auf die sechs Triosonaten, im ZWV unter Nummer 181 geführt. Diese werden üblicherweise mit 2 Oboen, Fagott und Continuo ausgeführt. Ausnahme ist die Sonate Nr. 3, die mit Violine und Oboe zu spielen ist. Soviel ich weiß, schreibt Zelenka diese Instrumente auch ausdrücklich so vor.


    Thomas

    Da freute sich der Hase:
    "Wie schön ist meine Nase
    und auch mein blaues Ohr!
    Das kommt so selten vor."
    - H. Heine -

  • Zwei Entdeckungen dank Holgers Gutschein:



    Ouvertüren und Konzerte
    Sergio Azzolini (Fagott), Veronika Skuplik (Violine), La Stravaganza Köln, bei cpo



    Klaus Mertens, Deborah York,
    Accademia Daniel, Leitung Shalev Ad-El auch bei cpo


    Johann Friedrich Fasch war zwar nicht Mitglied der Dresdner Hofkapelle, aber er lieferte über viele Jahre Kompositionen. Dabei mag ihm geholfen haben, viele Größen der Hofkapelle, Pisendel, Heinichen und Stölzel, schon seit seinen Leipziger Tagen gekannt zu haben, als er erst als Thomasschüler und später als Jurastudent in der Messestadt war. Der Sohn von Fasch, Carl Friedrich Christian, war übrigens der Begründer der Berliner Singakademie.


    Besonders die zweit genannte CD möchte ich wärmstens empfehlen. Sie beginnt mit einer Ouvertürensuite in d-Moll, ein großartiges Stück wie es nur wenige gibt. Diese Ouverüre und auch die meisten anderen Stücke bekommen durch ein Chalumeau noch einen ganz besonderen Farbtupfer. Und Klaus Mertens in den 3 aufgenommenen Kantaten ist kaum zu toppen. :jubel: :jubel:



    Thomas

    Da freute sich der Hase:
    "Wie schön ist meine Nase
    und auch mein blaues Ohr!
    Das kommt so selten vor."
    - H. Heine -

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  • diese Fasch CD mit Mertens habe ich mir als sie erschien auch gleich gesichert, daneben gibt es noch zwei weitere Aufnahmen von Fasch die ich sehr schätze:



    Fasch - Concertos / Ouverture
    The English Concert / Pinnock


    eine wunderbare Auswahl an Solo - Concertos, eines für Trompete und eines für Chalumeau. Dann zwei Concertos für das "frz. Bläser Trio: 2 Oboen und Fagott )
    Dann die wunderbare Orchestersuite in g-moll bildet das Herzstück.



    auch wenn Trio Sonaten des Barock nicht unbedingt zu meinem bevorzugten Repertoire gehören, doch diese Aufnahme möchte ich nicht missen:



    Fasch - Trios und Quadros


    das Ensemble ist mit dem frz. Bläsertrio besetzt (2 Oboen, Fagott) das Continuo ist stark besetzt: Cembalo, Theorbe, Gambe, Cello und Kontrabass


    wirklich ganz phantastische Kammermusik

  • Guten Tag


    Zitat

    Original von der Lullist



    Die meisten Werke wurden von der Musica Antiqua Köln unter Goebel eingespielt


    Abgesehen von den Werken Clemens Thieme könnte "August der Starke" die restlichen Werke auf dieser



    CD mit der musica antiqua Köln wohl gehört haben.


    Gruß aus der Kurpfalz


    Bernhard

  • Guten Tag


    Zitat

    Original von salisburgensis
    In diesen illustren Kreis gehörte auch Jan Dismas Zelenka.


    Das meiste was von Zelenka überliefert ist, ist Kirchenmusik; Messen, Responsorien für die Karwoche, Psalmvertonungen, Motetten, Oratorien etc. Aber auch eine handvoll instrumentaler Werke sind auf uns gekommen, sechs Triosonaten und etliche Concerto grosso - artige Stücke für Dresden-typische, reichhaltige Besetzungen.


    Thomas


    1980 hat N. Harnoncourt von D. Zelenka die "Hipocondire a 7 concerti A-Dur", die "Sonate no. 2 g-moll" und die "Overture a 7 concertanti F-Dur"



    mit seinem "Concentus musicus Wien" eingespielt.


    Gruß aus der Kurpfalz


    Bernhard

  • eine wunderbare CD von Heinichen wurde noch gar nicht genannt:
    (Ich habe allerdings eine ältere Edition mit anderem Cover)



    Heinichen - Galant Court Music
    Il Fondamento / Dombrecht



    Sie ist deshalb schon besonders, weil hier die Musik nicht so rüde wie bei Goebel und der Musica Antiqua Köln gespielt ist.
    Außerdem ist diese Aufnahme auch vom Repertoire (fast) ganz anders.


    neben wunderbaren Concerten (die bei Goebels CD Box nicht enthalten sind, bis auf Seibel 214)
    sind auch 2 Orchestersuiten Heinichens mit dabei.


    diese Suiten sind wirklich erstaunlich, vom Stil erinnert die zweite Suite (Seibel 205) an die Konzert-Suiten von Veracini - eben der Dresdener Stil.
    Die erste Suite (Seibel 206) ist noch stark an Telemann orientiert.
    In beiden Fällen überwiegt aber der italienische Stil - vom französischen Ursprung bleiben fast nur noch die Namen, und bei der zweiten Suite das Trio aus 2 Oboen und Fagott.



    hier der Inhalt der CD


    Concerto a 7 G-Dur Seibel 214
    für 2 Oboen, 2 Violinen, 2 Violas & B.C.


    Concerto g-moll Seibel 237
    Oboe, Streicher und B.C. (Dombrecht spielt hier selbst die Oboe)


    Ouverture (Suite) in G-Dur Seibel 206
    reine Streicherbesetzung mit B.C.


    Concerto A-Dur Seibel 228
    Oboe d'amore / Streicher & B.C. (auch hier spielt Dombrecht wieder selbst)


    Concerto in D-Dur Seibel 224
    Violine, Streicher und B.C.


    Ouverture (Suite) G-Dur Seibel 205
    2 Oben & Fagott (frz. Trio) Streicher und B.C.



    die Besetzung vom Ensemble "Il Fondamento"


    6 Violinen
    2 Violas
    2 Celli
    1 Violone (große Gambe)
    2 Oboen
    1 Fagott
    1 Theorbe
    1 Cembalo


    und natürlich wird auf historischem Instrumentarium gespielt.

  • Guten Abend


    Zitat

    Original von der Lullist


    Schon wenige Jahre später wurde Dresden zum schillernsten Hof Europas, die Pracht, die Hofmusik wurde allerorts bewundert


    Die große Zeit des "Orchestra di Dresda" begann 1719 mit den Vorbereitungen zur Vermählung des Kurprinzen mit der Kaisertochter Maria Josepha von Habsburg, die Habsburger waren bekanntlich sehr musikliebende Herrscher. Auch das neue Dresdner Opernhaus wurde gerade noch rechtzeitig zur Ankunft der habsburgischen Prinzessin fertig.
    Die spätere Kurfürstin Maria Josepha entwickelte ein reiches Musikleben, Opernproben als auch wöchendliche Hofkonzerte wurden in ihren Gemächern abgehalten. Das Orchester, über das später J-J. Rousseau schrieb:


    "Das erste Orchester Europas hinsichtlich der Zahl seiner Spieler und deren Musikalität ist das von Neapel; aber das mit der besten Sitz-Ordnung und dem perfektesten Ensemble-Spiel ist das Oper-Orchester des Königs von Polen, das vom berühmten Hasse geleitet wird",


    hatte zur festlichen Tafel mit Instrumentalmusik und Kantaten aufzuspielen, den sonntäglichen Gottesdienst und eine stetig wachsende Zahl von "höfischen Galas" musikalisch zu versorgen.



    Zitat

    und nicht wenige Heute so berühmte Komponisten versuchten dort vergebens aufgenommen zu werden, bzw. schrieben als Ehrerbietung Konzerte für den Dredner Hof. Gemeint sind Vivaldi, Bach und Telemann.


    Bach bewarb sich, anfangs vergeblich, um einen Hoftitel am Dresdner Hof. Er war auch mit vielen Musikern des Dresdner Orchester persönlich bekannt. Sein "Sprecher" Magister Birmbaum schrieb im Zusammenhang mit dem Streit mit Bachs ehemaligen Schüler Scheibe über das Dresdner Orchester:


    "....so muß dergleichen accuratesse bey einem musikalischen Chor... desto sicherer möglich seyn. Dem deutlichsten Beweis von dieser möglichkeit, seblst bey musicalischen Chören, sehen wir an wohl eingerichteneten Königl. und fürstl. Capellen. Wer das Glück gehabt hat die so berühmte Capelle des größten hofs in Sachsen, einmahl concert halten zu sehen; wird an der Wahrheit dieser sache nicht recht zweifeln können"


    so dass man dies als Meinung Bachs über das Dresdner Orchester werten kann (wenn er auch wohl augenzwickernd über die "Dresdner Liedchen" in der Oper lästerte).


    Auch Vivaldis "Concerti con molti strumenti" sind für das Dresdner Orchester und seine viruosen Musiker bestimmt; möchte hier auf zwei Einspielungen hinweisen:



    und



    mit dem fabelhaften Ensemble Europa galante


    hinweisen.

    Zitat

    Die großen Komponisten am Hof selbst sind Heute nur noch wenigen bekannt. Johann David Heinichen, Georg Pisendel, Johann Adolf Hasse, Francesco Maria Veracini, Sylvius Leopold Weiss und Jan Dismas Zelenka.


    Einige virutose Werke dieser Komponisten sind auf dieser



    CD mit "Oboenkonzerte am Dresdner Hof" mit der Batzdorfer Hofkapelle mustergültig eingespielt.



    Gruß :hello:


    aus der Kurpfalz


    Bernhard

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  • Guten Tag


    Zitat

    Original von Bernhard


    Die große Zeit des "Orchestra di Dresda" begann 1719 mit den Vorbereitungen zur Vermählung des Kurprinzen mit der Kaisertochter Maria Josepha von Habsburg, die Habsburger waren bekanntlich sehr musikliebende Herrscher. Auch das neue Dresdner Opernhaus wurde gerade noch rechtzeitig zur Ankunft der habsburgischen Prinzessin fertig.


    Der sächsísche Kurprinz war von der Oper besessen und beeindruckt, er setzte sich in den Kopf, für Dresden eine komplette italienische Operntruppe zu engagieren. August der Starke lehnte dies erstmals als zu kostspielig ab, letzlich setzte der Kurprinz seinen Willen durch.
    Im Sommer 1717 wurde mit ausgesuchten Musikern ein Kontrakt auf ein Jahr abgeschlossen, alle Engagierten erhielten sofort Reisegeld und drei Quartale Gehaltsvorschuß. Die Operntruppe machte sich am 5. Sept. 1717 auf den Weg von Venedig nach Dresden. Als Kapellmeister hatte Friedrich August den Organisten der ersten Orgel des Markusdomes, Antonio Lotti ausgesucht, erster Kastrat war Francesco Bernadi, er nannte sich nach seiner Heimatstadt Siena auch "Senesino". Die Operntruppe bestand noch aus einem weiteren Kastraten, einen Tenor, drei Sängerinnen sowie einem Dichter, später stieß der Kastrat Gaetano Baerenstadt noch zu dieser Truppe.
    Am 25. Okt. 1717 spielte man in Dresden erstmals Lottis Oper "Giove in Argo". Im Sept. 1717 wurde der Grundstein für das neue Opernhaus in Dresdnen gelegt, im August 1719 war das 2000 Zuschauer fassende Opernhaus fertiggestellt. Eine weitere Festoper wurde aus Anlaß der Vermählung des Kurprinzen mit der österreichischen Erzherzogin Maria Josepha am 13. Sept. 1719 aufgeführt, Lottis "Teofane", die Roille des Kaiser Otto II. sang der Kastrat Senesino.


    Gibts es eigentlich Einspielungen der Lottiopern "Giove in Argo" und "Teofane" ?


    Gruß :hello:


    aus der Kurpfalz


    Bernhard