Wiener Staatsoper - Don Giovanni - 28.1.2010

  • Ist es müßig den Zeiten nachzutrauern, da die Wiener Staatsoper für ihre Mozart-Pflege und das legendäre Mozart-Ensemble berühmt war? In den letzten Jahren hat man leider kaum eine Aufführung gesehen, die auch nur annähernd die Qualität hatte, dass man von einer Sternstunde sprechen konnte – so auch an diesem Abend.


    Die Produktion von Roberto de Simone und Nicola Rubertelli wird, wie schon zu lesen war, unter der neuen Staatsopernleitung demnächst entsorgt werden - und ich kenne nur ganz wenige, die darob traurig sein werden. Vielleicht liegt es auch an den dauernden Kostümwechseln, dass die Sänger sich nicht hundertprozentig auf ihre Auftritte konzentrieren können?


    Getragen wurde der Abend vom Liebespaar Don Ottavio und Donna Anna. Es war ein Vergnügen, den beiden Sängern zuzuhören.


    Dmitry Korchak entpuppte sich als Ottavio der Sonderklasse. Eine klare Stimme mit leicht metallischem Glanz, sicher geführt. Sängerisch war er das absolute Highlight. Potential hat er allerdings noch in seiner Schauspielkunst. Man hatte den Eindruck, dass ihn die Umgebung nicht wirklich interessierte – auch bei seinen Beteuerungen an Donna Anna sah er sie niemals an und sang direkt ins Publikum (da erinnerte er bezüglich seines Nicht-Spielens ein wenig an Ian Bostridge vor einigen Jahren) – aber vielleicht war ja im Regiekonzept eine Interaktion nicht vorgesehen…


    Zum ersten Mal an der Staatsoper sang in dieser Serie die junge Kanadierin Erin Wall, die schon vor einigen Jahren die Fiordiligi am Theater an der Wien gesungen hatte. Die Stimme ist ebenfalls wunderbar geführt, klar, und sie meisterte alle technischen Hürden fast perfekt – nur bei „Non mi dir“ war die Koloratur etwas zu angeschliffen. Auf jeden Fall wäre es schön, sie zukünftig öfter zu sehen und zu hören.


    Die Zeit, die Dirigent Adam Fischer, der auswendig dirigierte, durch ziemlich langsame Tempi bei der Overtüre einbüsste, versuchte er anscheinend später wett zu machen und brachte so manchen Sänger ins Schwitzen. Aus dem Orchestergraben hörte man Mozart schon sehr viel differenzierter – außer einer netten Begleitung kamen da keine Impulse. Ich denke, dass sich Fischer bei Wagner oder Verdi bei weitem wohler fühlt.


    Einer der Tempo-Opfer war der Titelheld Michael Volle, der bei der Champagnerarie zwei Mal so richtig ins Schleudern kam. Schauspielerisch in jeder Faser der Verführer ist sein doch eher trockenes Timbre diametral der Darstellung. Dieser Don Giovanni klang ein wenig resignativ – ein Frauenheld in der Midlife-Crisis, der – wie schon gesagt – mehr durch maskuline Ausstrahlung und Gesten als durch verführerischen Gesang die Mädels einwickeln kann.


    Wolfgang Bankl war ein zufrieden stellender Leporello, auch Eijiro Kai erbrachte eine solide Leistung als Masetto.


    Wenn man schon den Commendatore aus dem Ensemble heraus besetzen will – warum dann gerade mit Alexandru Moisiuc? In der Friedhofsszene fast unhörbar, blieb auch in der Schlussszene der Auftritt mehr als blass. Mir fallen spontan gleich drei Bässe aus dem Ensemble ein, die für diesen Part viel mehr geeignet wären.
    Roxana Constantinescu war eine äußerst attraktive, vielleicht schon fast zu resolute und selbstbewusste Zerlina, während Iano Tamar ihre Karriere sicherlich nicht wegen ihres Mozart-Stils gemacht hat. Besonders im ersten Akt klang sie zu veristisch. Das legte sich ein wenig nach der Pause, trotzdem ist sie sicherlich bei Verdi oder Puccini stimmlich viel besser aufgehoben.


    Gut wie immer der von Thomas Lang einstudierte Staatsopernchor, für die Begleitung auf dem Hammerklavier zeichnete Guillermo Garcia Calvo verantwortlich.


    Es bleibt zu hoffen, dass man sich in Zukunft wieder daran erinnert, dass es an der Staatsoper geradezu Pflicht sein sollte, überdurchschnittlich gute Mozart-Abende zu produzieren.

    Hear Me Roar!