Parsifal, Wiener Staatsoper, 1.4.2010

  • Wenn an der Wiener Staatsoper „Parsifal“ angesetzt ist, kann das nur zweierlei bedeuten – der Direktor beschließt seine Dienstzeit oder es ist Ostern. Und so begann die traditionelle Parsifal-Ostern-Serie. Die Papierform versprach einen interessanten Abend – und manchmal hält diese auch, was sie verspricht!


    Die Inszenierung von Christine Mielitz aus dem Jahr 2004 wird auch beim wiederholten Anschauen nicht wirklich besser. Der Waschsaal, die sinnlosen Fechtübungen der Gralsritter, die IKEA-Sofas, der wieder einmal zerbrechende Gral und die Tatsache, dass die Inszenierung auf einen Sänger zugeschnitten ist, der genau einmal sechs Mal die Rolle verkörperte, und jetzt dadurch Amfortas und die Ritter auf Knien herumzukriechen haben, damit die – gut durchdachten – Massenszenen auch weiterhin funktionieren (obwohl das auch im Stehen gehen würde), tja, das muss man einfach zähneknirschend zur Kenntnis nehmen und vielleicht gelassener als mein Sitznachbar reagieren, der allein während des 1.Aktes mindestens fünf Mal ein „Frechheit, Skandal“ vor sich hinschmetterte…


    Petra Lang, die dereinst als Ortrud einen großen Erfolg am Haus feiern konnte, gab ihr Wiener Rollendebüt als Kundry. Unumschränktes Lob an die Sängerin, die die Figur anders als so manche Rollenvorgängerin gestaltete. Besonders im ersten Akt war dies augenscheinlich. Da war tatsächlich eine „Höllenrose“ auf der Bühne, eine selbstbewusste Frau, die sich auch von den Anfeindungen der Gralsritterschaft nicht beeindrucken ließ. Im zweiten Akt verführte sie durch ihr erotisches Timbre, nicht so sehr wie durch Ganzkörpereinsatz (eine Spezialität der Premieren-Kundry). Eine schöne, volle Mittellage hat diese Sängerin, keine Höhenprobleme und auch in der Tiefe merkt man nur selten, dass sie da mehr als in anderen Tonlagen arbeiten muss.


    Ein weiteres Rollendebüt am Haus war das des Sir (soviel Zeit muss sein) John Tomlinson als Gurnemanz. Schade, dass er dieses nicht schon vor 10-15 Jahren in Wien feiern durfte, man hörte ihm ein exponierteren Lagen schon ein wenig seine 64 Jahre an. Das fiel aber nicht wirklich ins Gewicht – er machte das mit seiner wohltönenden, markant timbrierten Interpretation des Titurel-Gefährten mehr als nur wett. Eine große Persönlichkeit, die immer wieder auch Akzente während seiner Monologe setzte. Nach langer Zeit hatte ich wieder einmal den Eindruck eines Ritters, der in jüngeren Jahren ein nicht zu unterschätzender Recke war und in dem noch immer viel Glut ist, ein Ritter, zu dem die anderen Ordensmitglieder aufschauen.


    Es war ausnehmend schön Falk Struckmann wieder im Besitz seiner vollen Kräfte und Stimme zu erleben. Der Amfortas ist eine seiner Paraderollen und so gut wie gestern habe ich ihn schon allzu lange nicht mehr gehört. Er ist sowieso schon eine „Rampensau“, seine gestrige Rollengestaltung ging aber besonders unter die Haut. Im ersten Akt noch sein Schicksal bekämpfend, so war seine Verzweiflung im 3.Akt fast körperlich spürbar. Es bleibt zu hoffen, dass dieser Sänger, der immer wieder mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen hat, diese jetzt überwunden hat.


    In die Reihe der außergewöhnlichen Sängerdarsteller gesellte sich mit Christopher Ventris ein Parsifal, der wieder einmal – im Gegensatz zu den meisten seiner Vorgänger in den letzten Serien – jugendlich wirkte. Er hat eine lyrische Stimme, die gut geführt ist. Sie passt sicherlich besser zu dieser Rolle als zu der des Siegmund. In der Höhe merkt man, dass er ein wenig mit Druck singt.
    Ain Anger war ein wohltönender Titurel und Wolfgang Bankl wird als Klingsor immer besser. Sein etwas knarriges Timbre kommt der Rolle entgegen, er ist ein brutaler Zauberer, der Machtanspruch und Skrupellosigkeit (sich selbst und anderen gegenüber) sängerisch erfühlen lässt.


    Sehr gut besetzt und ausgeführt waren auch – mit einer kleinen Einschränkung (Zoltán Nagy) – die weiteren Partien. Die Blumenmädchen (Ileana Tonca, Lydia Rathkolb, Roxana Constantinescu, Ildikó Raimondi, Alexandra Reinprecht und Nadia Krasteva) waren gut koordiniert und ein Sonderlob gebührt Janina Baechle für die wunderschön warm gesungene „Stimme von oben“.


    Alles zusammengehalten wurde vom bewährten Peter Schneider, der extrem sängerfreundlich dirigierte und dem Staatsopernorchester genügend Platz zum Atmen gab. Besonders gelungen an diesem Abend der Karfreitagszauber. Auch der von Thomas Lang geleitete Staatsopernchor agierte auf bekannt hohem Niveau und trug das seine zu einem großen Erfolg bei.


    Das Niveau der Wagneraufführungen in Wien ist zur Zeit wahrscheinlich schwer zu toppen – und wenn man noch bedenkt, dass es sich da um keine Festspiel-, sondern um Repertoirevorstellungen handelt, ist dies um so bemerkenswerter! Auf der anderen Seite – wen wundert’s, bei DEM Orchester ??

    Hear Me Roar!