Das kleine Theater in Altona, gegenüber vom Gerichtsgebäude, beherbergt seit jeher das Theater für Kinder und
seit 1996 auch die Hamburger Kammeroper. Der für ein Kammertheater ausreichend großen Bühne ist ein langer,
geschätzt 150 Plätze fassender Zuschauerschlauch nachgeordnet. Die Bestuhlung besteht aus rot bespannten, leicht
barock anmutenden Stühlen, seitlich links findet sich das recht großzügige, in eine Art Wintergarten übergehende
Theaterrestaurant. Zum Beginn und am Ende der Pause wird im engen Flur mit einer hart klingenden, fast gellenden
Ohrschmerz bereitenden Glocke angeschlagen. Die neben der Glocke sitzende Kassiererin hält sich derweil die Ohren zu.
Heute wurde la Traviata gespielt. Man darf nicht mit den Erwartungen an ein großes Haus in die Kammeroper gehen.
Nicht so große Stimmen kommen hier besser zur Geltung, kräftigere Stimmen wirken dagegen eher zu laut und entziehen
sich der Beurteilung, zumal sie nicht von einem großen Orchester gestützt werden. Im kleinen Orchestergraben der
Kammeroper (7 Mitwirkende: Violine, Viola, Voloncello, Kontrabass, Oboe, Klarinette, Klavier, Dirigent Florian Csizmadia)
entsteht ein sehr gewöhnungsbedürftiges Produkt, welches den teilweisen Humtata-Charakter der Verdischen Komposition
eher verstärkt als unterdrückt. Auch die Ouvertüre geriet mit einer Violine sehr gewöhnungsbedürftig. Zudem wurde deutsch
gesungen, was den melodischen Bogen etwas zerhackte. Die französische Sopranistin Aurelie Ligerot gefiel mir anfangs
vom Spiel her nicht sehr, das Melodram am Schluss gestaltete sie jedoch berührend und überzeugend, unterstützt von der
Bühnenbeleuchtung (die Bühne bestand aus halbdurchsichtigen, Kunststoffvorhängen, die während Violettas Schlussekstase
in einem himmelwärts weisenden rötlichen Licht erstrahlten; ohne kitschig zu wirken!). Stimmlich war die Sängerin mir allerdings
häufig zu laut und zu wenig vom Orchester getragen. Allerdings gelangen ihr immer wieder schöne Pianotöne, vor allem im
letzten Bild. Mehr hätte man gern von der Mezzosopranistin Katharina Müller gehört (Flora), die über eine sehr
modulationsfähige, ansprechende Stimme und zudem über eine Ausstrahlung verfügte, die der Violetta leider etwas abging.
Am besten sang der Tenor Richard Neugebauer, der gerade diesen kleinen Saal mit einer klangreichen warmen, an Rainer
Trost erinnernden Stimme füllen konnte (Auf Youtube gibt es von ihm zwei hörenswerte Tenorarien aus La Boheme und
Martha). Für einen Alfredo sah der schlanke und noch junge Tenor zudem passend aus. Mit dem Vater Germont (Titus Witt)
habe ich meine Schwierigkeiten. Ich halte Verdis Baritonpartien für sehr schwer zu singen. Insoweit muss man wohl bei
einem so kleinen Haus, in dem sich die Sänger wohl höchstens ihr Abendbrot (sinnbildlich) verdienen können, mit
Abstrichen leben. Witts Stimme sprach im Forte und bei den höheren Frequenzen gut an, in der Mittellage und mit weniger
Druck blieb der Klang eher weg.
Kann man eine solche Aufführung empfehlen? Ein bedingtes Ja, wenn man auf den üppigen Orchesterklang als Basis einer
Opernaufführung zu verzichten in der Lage ist. Der Erlebnismehrwert besteht in der Unmittelbarkeit des gesanglichen Vortrags,
und man erlebt immer wieder Sängerinnen und Sänger, die man gern noch einmal hören würde, wie heute Richard Neugebauer.
Das Publikum, etwa 70 Zuschauer saßen im Raum, war von der Aufführung begeistert.